Ludwig Seeger (1810-1864) - Liebesgedichte



Ludwig Seeger
(1810-1864)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Hab' ich mich an Sie verpfändet

Zur Einsamkeit! Da schaffe deine Welt
Göthe

Hab' ich mich an Sie verpfändet?
Bin ich ohne Sie ein Nichts?
Der mir jenen Traum gesendet,
War es auch ein Geist des Lichts?
Diese Schöne, ja sie blühte
Himmlisch; doch, was ist Besitz?
Wenn es ewig, ewig glühte!
Doch, was gilt ein flücht'ger Blitz!

Sei's verschmerzt! In Waldesmitten
Schlag' ich meinen Tempel auf;
Wild und Menschen, hilft kein Bitten
Scheucht mir weg des Schwertes Knauf.
Hier gebeut kein fremder Wille,
Hier ertönt kein falsches Wort;
Einsamkeit und Nacht und Stille
Walten über diesem Ort.

Dort im Bergsee will ich baden,
Den kein Nachen noch verstört,
An den felsigen Gestaden,
Wo kein Mensch mich sieht und hört.
Zu den Fischen in die Kühle
Stürz' ich mich mit jähem Sprung,
Tummle mich im See und fühle
Mich geläutert, frisch und jung.

Unter warmem Strahlengusse
Schläft die Erde keusch und rein,
Und mit athmend langem Kusse
Beugt der Himmel sich herein.
Dunkler wird es. - Schlingt den vollen
Strom des Lichts hinab ein Grab?
Nein, der Nacht Gardinen rollen
Auf ein Hochzeitbett herab.

Mond und Sterne, Hymens Leuchten,
Glühn, erbleichen und entfliehn;
Nixen plätschern in dem feuchten
Bett und schwimmen schläfrig hin.
Und was ist's daß ich noch säume,
Auszuruh'n auf weichem Moos?
Dir, du heil'ges Meer der Träume,
Sink' ich friedlich in den Schoos.
(S. 25-26)
_____



Glänzt nicht eine Aureole

Glänzt nicht eine Aureole
Um das Haupt, das Liebe sinnt,
Blitzt durch's Auge, wie glühende Kohle,
Nicht ein Herz, das feurig nimmt?

Bleibt mir weg mit vernünftigen Lehren,
Lieb' ist unser Element!
Wollt ihr im Kopfe den Rauchfang kehren,
Während im Herzen das Feuer brennt?
(S. 60)
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Heliotrop

Liebe, du bist die Sonne der Herzen!
Wie die Sonn' in ihrem Lauf
Anfacht alle Blumenkerzen,
Also schließst du die Herzen auf.

Alle Blumen weckt die Sonne;
Eine nur bleibt hell und wach,
Eine folgt ihr nur mit Wonne
Unverwandten Auges nach.

Alle Herzen weckt die Liebe,
Doch das Frauenherz allein
Glüht in ewig jungem Triebe
Bis zum letzten Abendschein.
(S. 64)
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Die schöne Haslerin

Frau Venus hat's euch allen angethan,
So früh als spät blickt sie euch lieblich an.
Göthe

Hohe, schlanke Alpendirne,
Klare, ruhige Gestalt,
Mit der königlichen Stirne,
O wie thust du mir Gewalt!

Vor dem Haus, auf niedrem Banke,
Saßest du; ich grüßte fein,
Und du nicktest hold zum Danke.
Ach, da mußt' ich wohl hinein.

Kühle Blicke, wenig Worte,
Keinem minder, Keinem mehr,
Und sie trägt von Ort zu Orte
Krüg' und Gläser hin und her.

Ei, wie weiß sie fein zu zwingen
All die wilden Burschen hier!
Wie sie in die Stube dringen,
Sehn sie nur verdutzt nach ihr,

Bitten, abgezognen Hutes,
Nur halb laut um einen Schluck,
Sitzen ganz verstörten Muthes -
Ja, sie ist auch gar zu schmuck!

Habt ihr je auf eurem Wandern
Solche Kellnerin geschaut?
Einer schleicht sich um den Andern
Werbend zu der stolzen Braut.

Doch sie hält sie fern, die Diebe,
Lehrt sie hübsch bescheiden sein,
Seien sie berauscht von Liebe,
Reben- oder Gerstenwein.

Schwatzen sie die alten, schaalen
Schmeichelein ihr in's Gesicht -
Mögt ihr trinken, mögt ihr zahlen,
All das andre schiert sie nicht.

Doch wie endlich die verhaßte
Compagnie geräumt das Land,
Ließ dem wohlgezognen Gaste
Sie zum Spielen Band und Hand.

Bis zum Abend saß ich, schaute
In das offne Angesicht,
Und von Haus' und Hof vertraute
Sie mir gründlichen Bericht.

Wie sie umsah, - kein besetzter
Tisch war ringsum mehr zu sehn:
"Kind, ich bin der Gäste letzter -
Muß ich, wie die Andern, gehn?"

Und sie stand, die schlanke Dirne,
Rosengleich in sich gebückt.
Auf die königliche Stirne
Hab' ich einen Kuß gedrückt.
(S. 96-98)
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Ueberraschung

O weil du bist vergänglich, genieße du der Welt,
Was dir von frohem Rausch und schönen Frau'n gefällt,
Von weißen, marmorgleichen und bräunlichen, gleich Rehen
Die schamhaft Augen senken und welche keck dreinsehen.
Amrilkais

An dem Berge steht ein Hüttchen,
Hinter'm Hüttchen blüht ein Garten,
Ueber'm Garten Saatgefilde,
Oben rauschen dunkle Wälder.

Ruhe lag auf Thal und Hügel,
Alles schlief im Mondenschimmer,
Rings ein tiefer Todesfriede,
Nur im Hüttchen Licht noch glimmet.

Und die Jungfrau sitzt am Herde,
Schauet in des Feuers Knistern,
Hält das müde Haupt in Händen,
Thränen ihr im Auge hingen.

Süßer Schrecken sie durchbebte,
Und sie fuhr empor vom Sitze,
Eilte zu dem kleinen Fenster,
In die Nacht hinaus sie blickte.

Schüchtern schlug sie auf die Wimpern,
Und der milde Strahl des Mondes
Drang ihr durch die nassen Blicke
Tief ins Herz mit leisem Troste.

Horch, was rauscht? - Mit Wonneschauer
Brennt ein Kuß ihr auf dem Auge:
Mondeslicht und Mund des Lieben
Küssen ihr das Auge trocken.
(S. 99-100)
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Ich habe viel von Liebeslust

Gretchen
Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau
Lieschen
Er wär' ein Narr! Ein flinker Jung
Hat anderwärts noch Lust genung;
Er ist auch fort
Gretchen
Das ist nicht schön
Göthe

Ich sage: Frau'n! Denn ein für allemal
Denk' ich die Schönen im Plural
Ders.

Ich habe viel von Liebeslust
Und Schmerz euch vorgesungen;
Doch ist aus vollbeglückter Brust
Kein Ton mir noch gedrungen.

Was schmeckt man nicht für Wonne bei
Geschlossnen Augenlidern?
Ein buntes Liebesallerlei
Erklingt in meinen Liedern.

Und wär' es wahr, und hätt' ich schon
Ein Liebchen treu zu eigen:
Vielleicht erstürbe jeder Ton
In liebeselgem Schweigen.

So reit' ich fürder durch den Hain,
Und singe laut im Bügel,
Und will mein Roß ins Dorf hinein,
Ich laß ihm gern den Zügel.

Noch weiß ich nicht, wie Ruhe thut
Und süßes Angewöhnen,
Verwegen schau' ich untern Hut
Mit Grüßen jeder Schönen,

So oft ich hieng, ich kam zurück
Noch immer ungebunden:
Gottlob, ich habe noch mein Glück
Auf Erden nicht gefunden.
(S. 105-106)
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Ein Brautlied
An A. K.

Du hast's gewagt, wenn Andre noch erwägen,
Du nimmst ein Weib für's Herz, ein Weib für's Haus;
Die Wünsche schütten wir wie Maienregen
Auf deiner Liebe offne Blumen aus.
Wohl hat die Lieb' in sich den reichsten Segen,
Doch wenn die Freundschaft Tropfen ihres Thaus
Darüber gießt, wer will es ihr verwehren?
Die alte Sitte bleib' auch uns in Ehren.

Und führst du über deines Hauses Schwelle
Die liebliche, die längsterkorene Braut,
Kommt hintendrein der klimpernde Geselle
Und bringt zum stillen Feste Harfenlaut.
Da fühlt er sich erst recht an seiner Stelle,
Wo sich ein neues, schönes Glück erbaut,
Wer priese schöner auch das Band der Treue,
Als er, der Flüchtige, vor Fesseln Scheue?

Dir wohnt im ernsten, sinnigen Gemüthe
Ein Schatz, wer möchte dir ihn nicht beneiden?
Gemeßner Sinn und warme Herzensgüte,
Wie schön verzweigen sich in dir die beiden.
Du nimmst dir deinen Theil an jeder Blüthe,
Doch weißt du auch dich weise zu bescheiden.
Gewohnt, mit stillem Fleiße fortzuweben,
Machst du den steilsten Berg dir endlich eben.

Das Schöne, dem wir Geist und Kräfte weihen,
Du kannst ihm nie und nimmer untreu werden.
Und wären wir die Letzten auch im Reihen,
Wer möchte spurlos scheiden von der Erden?
Verzeih die Welt uns, wie wir ihr verzeihen!
Es können sich nicht Alle gleich geberden,
Wir thun das Unsre, Jeder thut das Seine,
Und wer uns lohnt, das ist am End nur Eine!
(S. 112-113)
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Denk' ich in stillen Stunden

Omnis amans amens

Denk' ich in stillen Stunden
An all den Spott und Trug,
An all die bittern Wunden,
Die mir die Liebe schlug;
Da wünsch' ich zu genießen
Nur ein bescheidnes Glück;
Wo Liebesthränen fließen,
Da weich' ich scheu zurück.

Noch einmal jene Schauer
Der sternenlosen Nacht,
Die ich mit stummer Trauer
Auf meinem Bett durchwacht,
Wo gräßliche Gestalten
Der Wahnsinn aus mir schlug,
Wo ich mein Haupt gespalten
In blutgen Händen trug?

Und nun so helle Tage,
So klarer Sonnenschein,
Und statt der siechen Klage
Ein lustger Alpenreihn:
So wundersam genesen
Vom tiefsten Wundenschnitt -
Bin ich es denn gewesen,
Der so unsäglich litt?

Die Morgenwolken säumen
Mit Noth ein fernes Grab;
Das todte Meer von Träumen
Läuft endlich einmal ab.
Die Vögel kommen wieder,
Die mir verstummt so lang,
Und Rosen blühn, und Lieder
Umrauschen meinen Gang.

Neu wölbt des Lebens Brücke
Die Bogen weit und hoch,
Entgegen fernem Glücke
Ziehn Schiffe durch ihr Joch;
Mein Herz hat nichts verloren,
Mein Aug' hat ausgetropft;
Ich schließe fest die Ohren,
Wenn die Erinnrung klopft.

Und zittert auch die Trauer
In diesen Maienschein
Wie in den Tag ein grauer
Nachtschmetterling herein:
Bald ist das Auge helle,
Der Kummer weggewischt,
Wenn ich am Alpenquelle
Den trüben Muth erfrischt.

Nur wenn die Glocken läuten
Zur Ruh' den schönen Tag,
Dann zag' ich, wie ich deuten
Des Herzens Sehnen mag:
Mir ist, als wär' es Sünde,
Im trauten Abendwehn
Durch diese Zaubergründe
So liebeleer zu gehn.
(S. 119-121)
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Ständchen

Ach! dieses Glück war nicht für mich!
Byron

Da komm' ich her in Nächten mild
Und sing' und wag' es kaum,
Wie Sternenglut ins Mondlicht quillt,
Sing' ich in deinen Traum.

Und hast du meiner nie gedacht,
Was ist's nun mehr mit mir?
Doch komm' ich her in stiller Nacht
Und sing' empor zu dir.

Ein Sehnen zieht zu dir mich hin,
Das macht mich todeswund;
Ach, zieht mich, Herzenskönigin,
Bald in der Erde Grund!

Und Lied und Liebe sinkt hinab
Und träumt im kühlen Schrein.
Dann laß im Garten hier mein Grab
Vor deinem Fenster sein.

Und wenn der Mond am Himmel steht
Und Liebesträume sinnt,
Ein Flüstern durch die Blumen geht,
Der Springquell leiser rinnt:

Dann schaust du in die Nacht hinaus,
Dann steh' ich wieder hier,
Entstiegen meinem dumpfen Haus,
Und sing' empor zu dir.
(S. 126-127)
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Wir standen vor der Thür

Wir standen vor der Thür. Sie sprach: "Ich muß . . .
Laß mich!" Sie that so spröd, so kalt, so sittlich.
Ich bat sie flüsternd leis um einen Kuß.
Sie schüttelte das Köpfchen unerbittlich,
Riß ungestüm sich los und raunte: "Du,
Laß mich in Ruh'!"

Laß mich in Ruh'! - Ich störe dich nicht mehr.
Doch brennen wird der Kuß dich, der versagte. -
Wir schieden. Sie gieng über Land und Meer.
Nicht oft geschah es, daß ich nach ihr fragte,
Und schrieb sie mir, - kalt war die Antwort: "Du,
Laß mich in Ruh'!" -

War sie es nicht, die um die Ecke bog? -
Sie war's! - Und heftig hat mein Herz geschlagen.
Ich sah, wie ihre blonde Locke flog,
Noch reizend war sie, wie vor Jahr und Tagen,
Ihr Bild verfolgt mich und ich seufze: "Du,
Laß mich in Ruh'!"
(S. 136)
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Bekenntniß

Schwing' dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß' mir mein Liebchen zehntausendmal!
Göthe

Wer es nicht weiß, dem sag' ich's jetzund:
Blau ist Ihr Auge, roth ist Ihr Mund.
Das ist ein Blicken,
Drücken und Nicken!
Wer es nicht weiß, dem sag' ich's jetzund.

Blau ist Ihr Auge, roth ist Ihr Mund;
Man küßt sich nicht satt, sieht nicht auf den Grund:
Wonnebegehren!
Wonnebewähren!
Wer es nicht weiß, dem sag' ich's jetzund.

Man küßt sich nicht satt, sieht nicht auf den Grund;
Sie hat mir geschworen in süßer Stund':
Sie wollt' mit mir ringen,
Mich in Liebe bezwingen!
Wer es nicht weiß, dem sag' ich's jetzund.

Sie hat mir's geschworen in süßer Stund',
Ich küßt' Ihr das Auge, küßt' Ihr den Mund;
Die Sterne nur sahen
Das Ringen, Umfahen:
Wer es nicht weiß, dem sag' ich's jetzund.
(S. 158-159)
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Ich sah dein Bild

Das kann den trüben Muth erquicken
Und löschet alles Trauren in derselben Stund,
Wenn lieblich lacht in Lieb' ihr rother Mund
Und Pfeile aus spielenden Augen schießen in Mannesherzensgrund
Walter von der Vogelweide

Ich sah dein Bild in lebenswarmen,
Getreuen Zügen spät und früh;
Schon will der Schlummer mich umarmen
Nach einem Tag voll Schweiß und Müh'.

Ich kann mich nicht zur Ruhe schicken,
Sind auch die Wimpern zugethan;
Denn deine feuchten Augen blicken,
Mich durch das tiefste Dunkel an.
(S. 161)
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Von meinen Liedern les' ich dir

Nicht weis' sind die, so sich verliebet,
Doch wird der Witz durch Lieb' geübet.
R. Weckherlin

Von meinen Liedern les' ich dir
Und blicke seitwärts im Geheimen:
Da sitzst du ruhig neben mir
Und machst dir wenig aus den Reimen.

Und wenn's auch ganz alltäglich tönt,
Du mußt mir das Geklimper gönnen;
Zu lange bin ich's schon gewöhnt
Und werd' es kaum mehr lassen können.

Vermag die Liebe noch so viel,
Den Mohren wascht sie nicht zum Weißen;
Doch will ich mich bei'm müßgen Spiel
Der Kürze mindestens befleißen.
(S. 162)
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Laß mich, Kind

So tauml' ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde.
Göthe

Laß mich, Kind, in deinen Himmel schauen,
Grundlos, wie das Meer der Ewigkeit!
Schlag' die Augen auf, die selig blauen,
Denen ich zum Priester mich geweiht! -
Weiß ich selbst, warum mich alles reut,
Drauf ich je mein Sinnen mochte bauen,
Seit ich darf in diesen Himmel schauen?

Hören will ich Nichts bei dir von Tugend,
Bet' in diesen Augen sie nicht an;
Liebe nur, aus feuchter Tiefe lugend,
Still bereit, den Liebling zu empfahn:
Himmelsblume, sieh' mich kühn dir nahn!
Schönheit, Liebe nur ist Pflicht der Jugend:
Fordert man von Blumen andre Tugend?

Eine Blüthenglocke schlägst du nieder -
Grollend wohl? - dein sanftes Augenlied;
Heb', o Holde, diesen Schleier wieder,
Der mich, ach, von meinem Himmel schied!
Wende diesen Blick, der streng mich mied!
Sterbend senkt die Wonne das Gefieder,
Fällt die neidsche Blüthenglocke nieder.

Einen Kuß auf diese volle Traube,
Die von Thränentropfen überquillt!
Nein, du zürnest nicht dem kecken Raube;
Kuß um Kuß - so ist der Zwist gestillt!
Sieh', ich weine, jauchze, wie du willt,
Fahr' im Sturme, winde mich im Staube - -
Laß dich trocken küssen, süße Traube!
(S. 165-166)
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Frage mich nicht

Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden.
Göthe

Frage mich nicht:
Wie wird's noch mit uns Beiden?
Laß, bis es bricht,
Dem Herzen seinen Wahn.
O, ich versteh'
Dein schönes, stummes Leiden:
Schaust mich mit Weh,
Mit stummem Vorwurf an.

Gräme dich nicht,
O träume kein Verbrechen!
Mein süßes Licht,
Komm', reiche Kuß und Wein.
So, wie wir sind,
Wer wird uns heilig sprechen?
Nun denn, mein Kind,
So laß uns selig sein!
(S. 167)
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König im weiten Liebesreich

König im weiten Liebesreich
Bin ich in dieser Stunde,
Und ist dein Glück dem meinen gleich,
Gib mir davon nur Kunde.

Nur was das Herz verschlossen hält,
Genießt es unverkümmert,
Ein Siegel drauf vor aller Welt,
So bleibt es unzertrümmert.
(S. 168)
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Wie ich's lange mir gedacht

Nun, wenigstens muß man bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten sind.
Göthe

Wie ich's lange mir gedacht,
Selig könnt' ich schweigen,
Nun in meines Lebens Nacht
Liebe führt den Sternenreigen.

Doch im höchsten Wonnedrang
Dauert mich das Leben,
Daß es ohne Sang und Klang
Soll an mir vorüberschweben.

Lieb' und Frühling, jede Lust,
Mein' ich, sei gegeben,
Daß der Sänger aus der Brust
Seinen innern Schatz soll heben.

Unaussprechliches genug
Bleibt nach allem Sprechen.
Schweigen, meint ihr, wäre klug?
Dem Poeten wär's Verbrechen.

Darum Gnade dir, Poet,
Wenn du laut verkündigst,
Was kein Andrer gern gesteht:
Was du liebst und was du sündigst.
(S. 169-170)
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O mein Herz, du schweigst so lange

Wenn sich zweie lieben sollen,
Braucht man sie nur zu scheiden.
Göthe

O mein Herz, du schweigst so lange,
Ewigkeiten harr' ich schon.
Ach, wie sind in trägem Gange
Tag' und Wochen mir entflohn!

Rauschend zog durch alle Sinne
Mir der kurzen Tage Lust,
Wo wir in verstohlner Minne
Selig lagen Brust an Brust.

Wo ich, nach zersprengten Gittern,
Deine Seele fühlbar nah,
Wo ich dir im Aug' sie zittern,
Taumeln, ach, vor Liebe sah!

Und des letzten Kusses Flammen
Morgens früh, noch eh's getagt!
Wie ich dann mein Herz zusammen
Pressend bin davon gejagt!

All die heißen Liebesfunken
Brannten mir im Blute nach.
All die Lust, die ich getrunken,
Sie verdämmert allgemach!

Keine Zeile, die mir klagte!
Was dein Herz nun einsam fühlt,
Keine, die ein Wort mir sagte,
Das den Schmerz der Trennung kühlt!

Spräch's von Kummer, von Entzücken,
Hätt' ich nur ein Blatt von dir
An den heißen Mund zu drücken,
Besser würd' es schon mit mir.

Tiefer täglich schlägt in's Leben
Mir der Gram den giftgen Zahn.
All der Qual zu widerstreben
Ohne dich, wie fang' ich's an?

Todt bin ich, von dir verlassen,
Todt und taub für alle Welt;
Nichts im Haus und auf den Gassen,
Was mein Herz mit Trost erhellt.

Morgens nach der Nacht verlangen,
Müd' von der, die ich durchwacht;
Stumpf', wenn nun der Tag gegangen,
Bang vor dem, der sich entfacht -

O mein Leben, so in Qualen
Und in Angst um dich versenkt,
Frag' ich mich zu tausend Malen,
Ob ich dich wohl gar gekränkt?

Dir, die tausend Sorgen, Schmerzen
Heiter lächelnd niederschlägt,
Wehthun könnt' ich diesem Herzen,
Das so schwer, so männlich trägt?

Sprich ein Wort, gib nur ein Zeichen,
Heile meinen kranken Muth!
Aus der schlimmste Geist muß weichen,
Sprichst du: "Alles wird noch gut!"
(S. 171-173)
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Ich weiß nicht, was ich suchen will

So selten ist es, daß die Menschen finden,
Was ihnen doch bestimmt gewesen schien,
So selten, daß sie das erhalten, was
Auch einmal die beglückte Hand ergriff.
Es reißt sich los, was erst sich uns ergab,
Wir lassen los, was wir begierig faßten.
Es gibt ein Glück, allein wir kennen's nicht,
Wir kennen's wohl und wissen's nicht zu schätzen.
Göthe

Ich weiß nicht, was ich suchen will,
Es ist um mich so todtenstill:
Ich irre durch die Gassen.
Die Mitternacht ist längst vorbei,
Es ist wohl um den Hahnenschrei:
Ich weiß mich nicht zu fassen.

Dort steht das Haus, kein Lichtlein brennt,
Und einen süßen Namen nennt
Mein Geist in tiefer Trauer.
Wo bist du hin, wohin, mein Kind? -
Mir weht der feuchte Morgenwind
In's Antlitz kalten Schauer.

Gestorben - nein, doch fern, so fern,
Als wie der blasse Morgenstern,
Der über'm Hause zittert.
Und hab' ich denn dich je geküßt? -
Das Haus steht da so fremd, so wüst,
Die Mauern so verwittert!

Und doch, es ist so lange nicht,
Da war an jenem Fenster Licht,
Dahinter zwei Versteckte.
Es war die schöne Abendstund',
Wo ich zum letzten Mal dir Mund
Und Brust mit Küssen deckte.

Hinweg von diesem Trauerhaus,
In's Morgengrau, zur Stadt hinaus! -
Rundum welch ein Gewimmer?
Ein aufgescheuchter Vogel streicht
An mir vorbei, - o Gott, vielleicht
Verlor ich sie auf immer!
(S. 175-176)
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Schalmeien liegen mir im Sinn

Habt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?
Wie kann's Euch in die Länge freuen?
Es ist wohl gut, daß man's einmal probiert;
Dann aber wieder zu was Neuen!
Göthe

Schalmeien liegen mir im Sinn,
Schalmeien in den Ohren;
Ich höre her, ich höre hin,
Der Traum ist mir verloren.

Ein Traum ist's wohl am Ende nur,
Daß ich dich hab' und liebe?
Ich finde kaum zu dir die Spur
In's ferne Weltgetriebe.

Weiß nicht, wohin mein Sinnen steht;
Sei glücklich unterdessen!
Vielleicht, eh' dieser Sommer geht,
Hast du mich auch vergessen.
(S. 177)
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Köhlerlied

Die Tannen, die lustigen Tannen,
Sie grünen jahraus und jahrein;
Meine Liebste ist fortgegangen,
Meine Liebste, und denkt sie noch mein?

Die Tannen, sie schütteln den Wipfel:
Es dreht sich des Windes Hauch;
Mich beißt's in den Augen, wie Thränen;
Der Rauch, der leidige Rauch!

Die Tannen, sie schütteln den Wipfel: -
Und könnte sie falsch doch sein? -
Ihr Tannen, ihr immergrünen,
In's prasselnde Feuer hinein!
(S. 178)
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Wie bist du mir so fern gerückt

L' amour fait passer le tempe,
Le tempe fait passer l'amour
Franz. Sprüchwort

Wie bist du mir so fern gerückt,
O Liebe, süße Seelenplage!
Der Zeit, da du mich noch beglückt,
Wie denk' ich gern der schönen Tage!

Ich koste mit dem süßen Kind,
Die Stunden kamen, Stunden giengen,
War's langsam oder war's geschwind?
Mir schien, daß sie sich scherzend fiengen.

Wir trieben dies, wir trieben das,
Und hatten Schweres nicht zu sinnen;
Um Mittag saßen wir im Gras,
Und sah'n die Lüfte Netze spinnen.

An meiner Brust ihr Angesicht,
Wie lag so still die schöne Bürde!
Sie frug mich nicht, ich frug sie nicht,
Ob das so ewig bleiben würde.

Wie sie entfloh und Blumen brach,
Und wie wir sprangen und uns schlugen,
Wie sie zu zürnen mir versprach,
Wenn wir am besten uns vertrugen!

Wir lasen nichts, wir sprachen viel,
Noch öfter gab es Nichts zu sagen:
So rollt' uns hin in süßem Spiel
Die Perlenschnur von schönen Tagen.

Wie's draußen ging, verschwand uns schier;
Umrauscht von lieblichem Geschmetter
In einer Wolke standen wir:
Tief unten zuckten leise Wetter.

Und ist denn Alles nur ein Schaum,
Den wir zu schlürfen nicht versäumten,
Und war es nur vom Glück ein Traum,
Gottlob, daß wir ihn einmal träumten!
(S. 179-180)
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Sie geht

Sie geht, sie geht, sie schwebt von dannen,
Als wie ein kurzer Frühlingstraum,
Ins Dunkel schwand sie hin der Tannen,
Fort ist sie, und ich fass' es kaum.

Tiefdunkle Nacht, wohin ich sehe,
Ein Schmerz, der Herz und Seele schnürt,
Ein Lebewohl für ewig, - wehe,
Ein Stoß ins Herz und gut geführt.
(S. 183)
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Er sah sie wieder

Ich weiß noch wohl die liebe Zeit,
In der ich mich genug erfreut . . .
Wie, was? Erzähl' ich einen Traum?
Zum wenigsten gedenkt man's kaum.
Mein Gott, wie ist die Zeit entronnen!
Was hast du, Herz, von aller Lust?
Dieß, daß du Reu' und Leid gewonnen
Und
wissen und entbehren mußt.
J. Ch. Günther

Er sah sie wieder unverhofft,
Die er geküßt, wie oft, wie oft: -
Der Falsche, der das treuste Herz
Verrieth, er ahnt nicht ihren Schmerz:
"Was führt dich her? Was suchst du hier?"
- ""Ich suche . . . laß den Tropfen dir
Es sagen, der mit Ebb' und Flut
Hin rollt und her und niemals ruht:
Frag' um Bescheid ihn, was er sucht?
Gewiß ein Ufer, eine Bucht,
Ein schattig Plätzchen ohne Licht,
Doch welches? - darnach frage nicht!""
(S. 185)
_____



Neue Liebe

Und unser Pärchen? -
Ist den Gang dort aufgeflogen,
Muthwill'ge Sommervögel! -
Er ist ihr, scheints, gewogen? -
Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Göthe

Ich bin so gar verlegen,
Seh' ich ihr ins Gesicht;
Ich fühl's in mir sich regen:
Ist's Lieb'? Ich weiß es nicht.

Ich stand ihr still zur Seite,
Wir sahn in's Grün hinaus,
Die schöne, grüne Weite
Voll herbstlich kühlen Thau's.

Und wie mein Auge wieder
Jetzt auf das ihre traf,
Schlug sie's erröthend nieder, -
Da wach' ich auf vom Schlaf;

Vom Schlaf, der mich bethörte,
Daß ich mein Heil nicht sah:
Mein Lieb, das langbegehrte,
Steht blühend vor mir da.

Sie hebt die Augenlieder,
Sie sieht mir ins Gesicht:
Ein Himmel sinkt hernieder
Von Liebe, Lust und Licht.

O Gott, ein Lieb zu finden,
So himmlisch schön und rein!
Ich kann nur Eins empfinden:
Sie mein, auf ewig mein!
(S. 221-222)
_____



Sie

Laß mich los! In dieser Hülle
Ist auch Geistes Muth und Kraft;
Deinem gleich ist unser Wille!
Göthe

Wie wunderbar dein stilles Wesen,
Du zarter Engel, mir erscheint!
Wie viel gibt mir dein Aug' zu lesen,
Das blickt, als hätt' es nie geweint:
Ein Himmel tief verhaltner Wonne,
Der, wenn der Liebe Stimme ruft,
Hervorbricht wie die Morgensonne,
Er glänzt und haucht mich an wie Duft.

Wie schön ist's, Schlafende betrachten,
Und ihre Wangen roth und warm,
Auf ihrer Mienen Spiel zu achten,
So friedlich lächelnd, ohne Harm!
Ein halbes Wort, dann träumst du weiter,
Du rührst dich schnell, dann wieder Ruh';
Dein Antlitz schimmert ruhig heiter -
Noch hat dein Herz die Augen zu.

Ich wag' es, deinen Schlaf zu stören;
Doch tief im Innern thut mir's weh,
Zu raschen Wellen zu empören
Der Seele spiegelglatten See.
Und doch, mich zieht es dir zu Füßen,
Ich flüstre dir in's Ohr: sei mein!
Ich kann nicht mehr, ich muß dich küssen,
Mein Kind, und kannst du mir's verzeih'n?
(S. 223-224)
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Dein Herz

Dein Herz wie eine Glocke hängt
Dir stumm seit Jahren in der Brust;
Nun klopft's daran - zu läuten fängt
Sie an - o schaurig süße Lust!
(S. 225)
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Mein

Als ich zum erstenmal die Flammen,
Die mich durchzuckten, dir gestand,
Da fuhr es wie ein Wetterschein
Dir über's Antlitz; Haupt und Hand
Erzitterten, du fuhrst zusammen:
Dann warst du still - dann warst du mein!
(S. 226)
_____



Durch's Auge

Durch's Auge war dein Bild
Mir tief in's Herz gedrungen.
Du sprachst: da war durch's Ohr
Ich vollends gar bezwungen.
Ich flog an deine Brust,
Entzückt aus deinem Schweigen
Vernahm ich: Sei mein Schild
Und nimm mich ganz zu eigen!
(S. 227)
_____



Erinnerung

Erinnrung, letztes Paradies,
Aus dem uns keine Macht vertreibt,
O du, wenn Alles uns verließ,
Das letzte Labsal, das uns bleibt!

Du Frühlingsvogel, der hinein
Bis in den grauen Herbst noch fliegt,
Der uns noch singt, wenn matt der Schein,
Der Sonn' auf gelben Blättern liegt!

Du holde Stimme, Widerhall
Vergangner, gut' und böser Zeit,
Die leise tönt des Bösen Schall,
Und süßern Klang dem Schönen leiht!

Die schönste Blum' im Paradies
Wird stets die heilge Stunde sein,
Wie sie mir Herz und Hand verhieß
Und leise flüstert': Ewig dein!

Der schönste Ton der Nachtigall,
Er war's und soll's für immer sein,
Wenn einst verstummt die Vögel all,
Ihr süßer Seufzer: Ewig dein!

In meiner letzten Stunde hall'
Es nach im tiefsten Herzensschrein,
Und durch der Engelgrüße Schall
Werd' ich's vernehmen: Ewig dein!
(S. 228-229)
_____



Du schlugst die Augen sittsam nieder

Du schlugst die Augen sittsam nieder,
Und Glut bedeckte Stirn und Wange,
Ein Beben fuhr durch deine Glieder:
Ich sah dir's an, dir war so bange;

So bange, wie dem scheuen Kinde,
Das niemals noch ein Schiff bestiegen;
Und doch wie süß, im Morgenwinde
Sich auf der Liebe Kahn zu wiegen!

Und wie wir kaum zusammensaßen,
Da schlugst du herzhaft in die Hände;
Indem wir froh die Flut durchmaßen,
Nahm Händedruck und Kuß kein Ende.
(S. 230)
_____



Als mir die Flammen das Haupt schon umleckt

Wo so ein Köpfchen keinen Ausweg sieht,
Stellt es sich gleich das Ende vor,
Es lebe, wer sich tapfer hält!
Göthe

Als mir die Flammen das Haupt schon umleckt,
Und ich verloren in Träumen noch weilte,
Haben mich liebende Hände geweckt,
Liebende Stimmen gelockt, bis ich eilte,

Liebende Stimmen gelockt, bis ich eilte
Fort aus dem brennenden, krachenden Haus;
Liebe, du warst's, die die Wunden mir heilte,
Liebe, du zogst mich in's Freie hinaus!

O wie so kühl mich umwehten die Lüfte,
O wie so schattig der flüsternde Hain,
Einmal, noch einmal die himmlischen Düfte!
Götter, die schönste der Rosen ist mein!

Liebe, wie soll ich's dir danken? Ich bin
Friedlich geworden und ledig der Schmerzen;
Frei und ruhig schau ich hin
Ueber die Wogen der Zeit und der Herzen.
(S. 231)
_____



Stille Stunden

Die Lieb' hat stille, heilge Stunden,
Da sitzt sie fromm entzückt, allein,
Und auf den Schatz, den sie gefunden,
Beugt sie sich demuthsvoll herein.
O stört sie nicht, o naht ihr nicht:
Wenn euer Mund ein Wörtchen spricht,
So ist der Schatz verschwunden!
(S. 232)
_____



Wenn du gegrollt

Höret allerliebste Klänge,
Macht euch schnell von Fabeln frei:
Eurer Götter alt Gemenge,
Laßt es hin, es ist vorbei!
Göthe

Wenn ich gegrollt, verzweifelt und getrauert,
Gestanden oft mit wundgerungnen Händen,
Da hat mich manchmal doch der Ton durchschauert:
"Sei stark, es wird noch Alles freudig enden!"
Und sel'ge Ruhe hat mich überflossen,
Als wäre jeder Kummer schon zerronnen.
Das Wann und Wie, mir war es noch verschlossen,
Doch log die Stimme nicht: Es ist gewonnen!
Gewonnen hab ich dich, du Süße, Gute,
Und darf fortan in deinem Blick mich sonnen!
Die Liebe schlug mit ihrer Zauberruthe
Den harten Fels: da sprang der Freudenbronnen!
(S. 233)
_____



Mein Haus meine Burg

Der Rosen hab' ich viel gesehn
Und ihren Duft genascht;
Doch Rosen welken und vergehn,
Wenn du sie kaum erhascht.
Du, süße Rose, welkst mir nie,
Treu will ich deiner warten.
In dir erblüht mir spät und früh
Ein ganzer Rosengarten.

Der Lauben hab' ich viel gesehn,
Gar heimlich drin zu kosen,
Die Stunden kommen und vergehn
So süß auf weichen Moosen.
Doch Stunden des Genusses sind
Kein Leben: - laßt mich schauen
Ein sichres Haus vor Sturm und Wind!
Bei Gott, ich will mir's bauen!
(S. 234)
_____



Nicht daß der Herbst davongegangen

Zeit und Geduld bereiten Seide aus einem Maulbeerblatt.
Persisches Sprichwort

Nicht daß der Herbst davongegangen,
Nicht daß der Winter mich umschnaubt,
Nicht daß so kahl die Zweige hangen,
Vor wenig Wochen noch belaubt,
Nicht darum ist es, daß ich klage,
Das Auge matt und thränenvoll;
Nein, daß die langen Wintertage
Ich ohne Sie verleben soll.

Nicht daß so schrill die Winde stöhnen,
Schneekörner lustig, wildverwirrt,
Als wollten sie mein Leid verhöhnen,
An's Fenster schlagen, daß es klirrt,
Nicht darum ist es, daß ich klage,
Daß Stürme jauchzen, freudetoll;
Nein, daß die langen Wintertage
Ich ohne Sie verleben soll.

Den Becher setz' ich an die Lippen,
Zu bändigen des Herzens Weh;
Ich setz' ihn ab, ich mag nicht nippen,
Weil ich Ihr Bild im Becher seh';
Auch Du bist einsam, und die Klage,
Sie ändert nicht des Schicksals Groll:
Ach, daß die langen Wintertage
Ich ohne Dich verleben soll!
(S. 237-238)
_____



Gute Geister

Gute Geister, die ihr wacht
Ueber guten Seelen,
Euch und Eurer Zaubermacht
Will ich Sie empfehlen.
Hütet treu mir meine Traute,
Haucht ins Ohr ihr sanfte Laute,
Haucht hinweg ihr jeden Kummer,
Wiegt sie Abends sanft in Schlummer!

Gute Geister, wenn ihr seht
Ihre feuchte Wangen,
Sagt Ihr: Wenn der Lenz ersteht,
Sollst du ihn empfangen.
Wenn sich ihre Wimpern senken,
Laßt sie mein, nur mein gedenken,
Laßt das erste Laub der Bäume
Rauschen in des Liebchens Träume!
(S. 239)
_____



Sie

Du fragst: warum ich weine? -
Beim stillen Abendlicht,
Wenn ich mit mir alleine,
Benetzt sich mein Gesicht: -
Ich kannte kein Verlangen,
Nur Freude war mein Loos:
So sind mir hingegangen
Die Tage wolkenlos.

Ich hab' am Regenbogen,
Wie Kinder, mich erfreut,
Hab' in des Lebens Wogen
Geplätschert nur bis heut.
In blumig engen Schranken
So lebt' ich ungeneckt;
Und doch, ich muß dir's danken,
Daß du mich aufgeweckt.

Sieh, wenn nun die Gespielen
Sich heiter um mich drehn,
Wie all, die mir entfielen,
Die Tropfen schnell verwehn!
Da taucht so schnell mir unter
In Lust der trübe Schmerz;
Die Freundin drück' ich munter
Ans pochend warme Herz.

Doch wieder ihren Armen
Muß ich mich rasch entziehn;
O hab' mit mir Erbarmen,
Laß mich zu dir entfliehn,
Neig' du zu mir dich nieder,
Und flüstre Trost mir zu!
An keinem Busen wieder
Als deinem find' ich Ruh'.
(S. 240-241)
_____



Er

Mein Kind, und wenn dein Kissen
Von Thränen auch benetzt,
Und wenn der Traum zerrissen,
Der dich, ein Kind, ergötzt,
Und wenn sich zwischen Qualen
Und Lust dein Busen wiegt, -
Des Mondes Dämmerstrahlen
Vergehn, die Sonne siegt.

Das ist die Liebessonne,
Sie spiegelt sich im Thau;
In jedem Tropfen Wonne,
Ein Wonnenmeer die Au';
Und wenn im Herzen toben
Die Wellen noch so wild
Gleich Wasserstürzen, - oben
Steht doch des Friedens Bild.
(S. 242)
_____



Wintermorgen

Ha, wie der Wintermorgen von den Höhn
Herab das Land mit Schimmer überfällt!
Mir ist, als hört' ich Nachtigallgetön,
Obwohl der Schnee die Flur umgürtet hält, -
Und Liebe wär' für diese Welt zu schön?
Nein, schön ist für die Liebe nur die Welt.
(S. 243)
_____



Zwei Wölkchen

Zwei Wölkchen spielen auf sonniger Au,
Eins nur fürs Andre lebend,
Im hohen, weiten Himmelsblau
So fern, so einsam schwebend.

Ob solch' ein Paar zu finden wär'
In allen Ländern und Meeren?
Ich hätte weiter kein Begehr,
Mein Kind, wann wir es wären.
(S. 252)
_____



An deinem Herzen
Mit einer Uhr

An deinem Herzen soll sie hängen:
Nicht denken kann ich's ohne Neid.
O dürft' ich bald sie dort verdrängen,
Und hätt' Ein End' der Trennung Leid!
Bei deines Herzens warmen Schlägen
Erbebt sie mit, sie horcht ihm zu,
Und wagt es kaum, sich laut zu regen:
Sie horcht und pocht und hat nicht Ruh'.

Wenn einst, wie jetzt nur unsre Seelen
Sich noch umfahn, in heißer Glut
Sich Leib und Seel' und Geist vermählen,
Wenn fest mein Herz an deinem ruht,
Wenn Freuden ohne Maß uns winken,
Bis, wenn nun bald der Morgen grüßt,
Dir müd' die Augenlider sinken,
Von meinem Mund in Schlaf geküßt;

Dann wach' ich noch, ich höre pochen
Die kleine Uhr, und was einst du,
Belauscht von ihr, nur leis gesprochen
Im Herzen, flüstert sie mir zu.
Doch nein, dein Herz, das lebenswarme,
Es pocht am meinen ja, ich bin
Am Ziel, ich halte dich im Arme:
Was brauch' ich die Verrätherin?
(S. 253-254)
_____



Was nur der Sturm da draußen will

Laß du die große Welt nur sausen,
Wir wollen hier im Stillen hausen!
Göthe

Was nur der Sturm da draußen will,
Daß er so tobt und wüthet?
Hier innen ist's so warm und still,
Ich bin so wohl gehütet!
Was ich gelitten auf dieser Welt,
Was mir das junge Leben vergällt,
Die Liebe hat's vergütet.

Vergütet hundert- und tausendfach!
Und bin ich's werth gewesen?
Vor'm Sturm gesichert, unter'm Dach
Ruh' ich, vom Kummer genesen.
Freue dich, Seele, und jauchze, mein Herz,
Die Stürme fegen hinaus den Schmerz
Aus der Welt mit luftigem Besen!
(S. 255)
_____



Und jagen die Stürme hinaus den Gram

Und jagen die Stürme hinaus den Gram,
Das Trotzen und Verzagen:
Die Sonne, die noch immer kam,
Wird freudig das Aug' aufschlagen,
Wird schimmern über Laub und Gras,
Wird funkeln durch der Scheiben Glas,
Wird uns in's Auge tagen!

O Gott der Liebe, liebewarm
Halt' ich mein Kind umfangen;
Ich war so elend, war so arm,
Gebunden und gefangen:
Und siehe da, du machst mich los,
Legst mir den Engel in den Schoos,
Als hätt' ich mich nie vergangen!

Ich möchte beten, mein frommes Kind,
So heilig ist die Stunde,
Und wenn es keine Worte sind,
Entsteigen doch Seufzer dem Munde,
Und wenn der Seufzer nicht mehr spricht,
Leg' ich mein Haupt an dein Gesicht
Und wein' aus Herzensgrunde.
(S. 256)
_____



Was soll es, daß ich sing' und dichte

Denn das Naturell der Frauen
Ist so nah der Kunst verwandt.
Göthe

Was soll es, daß ich sing' und dichte,
Wo mich ein Meer von Lust umschäumt?
Hier ist ja Leben, ist Geschichte,
Und schöner, als ich's je geträumt.

Ein Lied, das ich erst gestern machte,
Es ist mir schaal, ich mag es nicht.
Denn wenn ich liebend dich betrachte,
Wie arm ist jegliches Gedicht!
(S. 257)
_____



Ich bin gewandert so lange

Ich bin gewandert so lange,
Die Luft im Thal war schwül,
In Wäldern zischte die Schlange,
Auf Bergen war's schneidend kühl.
Entflohn dem Hauch der Grüfte,
Entflohn dem Dampf und Rauch,
Nun athm' ich Aetherdüfte,
Der Liebe süßen Hauch.

Ich habe gehungert so lange,
Nur Brocken fielen mir ab,
Ich lief die öde, lange
Weltstraß' am Bettelstab.
Den kargen sei vergeben!
Ein End hat alle Noth:
Nun eß' ich all mein Leben
Der Liebe Himmelsbrod.

Ich habe gedürstet so lange,
Ein wandernder Gesell;
Nur selten auf meinem Gange
Fand ich einen frischen Quell;
Verschlammt und trüb die Fluten,
Verborgen in Heck' und Dorn.
Nun löscht mir des Durstes Gluten
Der Liebe klarer Born.

Ich bin gewandert so lange,
Keine Herberg stand mir an;
Und müd' vom sauren Gange,
Was war's, was ich gewann?
Ach, manche schlummerlose,
Vom Lärm gestörte Nacht!
Nun hat mir in ihrem Schooße
Die Liebe mein Bett gemacht.
(S. 258-259)
_____



Herzliebchen will nicht glauben

Wann dir's im Kopf und Herzen schwirrt,
Wie willst du's besser haben?
Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt,
Der lasse sich begraben!
Göthe

Herzliebchen will nicht glauben,
Sie sei mein erstes Lieb,
Zählt her mir an den Fingern,
Wie oft ich hängen blieb.

Ein thöricht Kind, - als käme
Die Lieb' unangesagt:
Schneeglöckchen gibt's vor'm Maien,
Frühnebel, eh' es tagt.

Doch flammt der Tag vom Meere
Herauf in hellen Loh'n,
Dann schleichen seine Boten
Gespenstisch sich davon.

Und kommt mit tausend Sträußen
Der Frühling hergeweht,
Verkriechen sich die Glöckchen
Vor solcher Majestät.
(S. 260)
_____



Des langen Sommertages Schwüle

Des langen Sommertages Schwüle
Hat im Gewitter sich verzehrt;
Betropft stehn in der duftgen Abendkühle
Die Blumen lächelnd, wie verklärt.

Die Linden schütteln sich, als hätten
Sie einen schweren Traum geträumt;
Wie schnell sich all des Himmels Falten glätten,
Die Welt ist still und aufgeräumt.

Durch der erfrischten Lüfte Beben
Tönt drüben an dem Alpenhang
Herüber in dies klare Ruheleben
Verloren halb Schalmeienklang.

Und Kühle, Duft und Töne saugen
Wir ein in Zügen lang gedehnt,
Aufblickt zu mir mit wonnefeuchten Augen
Mein Kind, mir auf den Arm gelehnt.
(S. 261)
_____



An Sie

Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Göthe

Laß an deinem Knie mich liegen,
Dir im Schooß mein Haupt sich wiegen!
Ach, ich möchte dir, der Guten,
Beide Hände überfluten,
Und von ihnen mir die nassen
Augen wieder trocknen lassen!
Ach, was möcht' ich nicht? Auf deinen
Knieen selig aus mich weinen,
Und von dir mit holdem Schmähn
Aufgerüttelt vor dir stehn,
Vor dir stehn in stolzer Kraft,
Im Triumph der Leidenschaft,
Freudig, wie ein Held in Waffen,
Tücht'ges, deiner werth, zu schaffen.
(S. 262)
_____



Was schnürt mein Lieb mit Seide da zusammen?

Was schnürt mein Lieb mit Seide da zusammen?
Papiere, viel verborgen und zerknittert,
Ein Bündel voller Funken, voller Flammen,
Bei deren Anblick mir das Herz erzittert.

Die Briefe sinds, die ich ihr einst geschrieben,
Und wohl auch Verse, die mit unterliefen;
Das Bischen Witz, das Prosa noch geblieben,
Du hättst es gern in Liedern statt in Briefen?

Wohl ist es eine mir bekannte Sprache,
Auch weiß ich das Original zu schätzen;
Und wenn auch spaßhaft, neu ist nicht die Sache,
Sein eigen Fabrikat zu übersetzen.

Und doch, sie sollen bleiben, wie sie waren:
Laß meine Briefe ruhen bei den deinen,
Und wie sie sind, sie sollen uns nach Jahren,
Ich hoffe, doch nicht ungereimt erscheinen.
(S. 264)
_____



Wunsch

So ein klares Liebeleben
Hat in mir noch nie begonnen,
Hat, so lang wir Küsse geben,
Nie, wie Himmel, uns umsponnen;
Und ich mein', ich könnte eben
Zählen in dem Liebesbronnen
Jede Perle tief im Grunde -
Ach, ein Jahr wie diese Stunde!
(S. 267)
_____



Warum sind deine Lippen so roth

Warum sind deine Lippen so roth,
Wie Kirschen in Junisonnenglut? -
Meine Lippen sind von Küssen umloht,
Vom Feuer, das glühend darauf noch ruht.

Das waren Lippen, voll, gereift,
Frisch, warm, jungfräulich, unberührt,
Die Lippen hab' ich im Flug gestreift,
Und hab' ein seltsam Wunder gespürt.

Ich sah, und sah es deutlich, es floß
Aus Lippen, Augen, Wangen und Kinn
Ein Strom von Funken und dicht umschloß
Wie ein leuchtendes Netz er die Königin.

Ich hörte, versengt von ihrem Blick,
Vom rauschenden Tanz im Saale Nichts mehr,
Mir klang nur ihrer Glieder Musik,
Ich sahe sie leuchten feurig und hehr.

Und jauchzend fühlt' ich: sie ist mir gut,
Wie ich an der weißen Hand sie hielt.
Es ist der Liebe flammende Glut,
Die sie durchleuchtet und rosig umspielt.
(S. 278)
_____



Des rothen Frühgewölkes Glanz

Uxor dominus meus
Luther

Des rothen Frühgewölkes Glanz
Fällt auf ein Frauenangesicht,
Ganz Wonne scheint es, Liebe ganz,
So friedlich schlummernd, schön und licht.

Die braunen Flechten kräuseln rund
Sich über Nacken, Hals und Brust,
Sie athmet ruhig, ihren Mund
Umspielt ein Lächeln stiller Lust.

Sie ist es, seiner Jugend Weib,
Und seines Alters Frühlingszier: -
"Mein ist sie, mein mit Seel' und Leib,
Ihr Lächeln ist ein Traum von mir.

Ihr Athem klingt mir wie Gesang,
Sie ist's, mein Liebstes auf der Welt,
Die warm mir all mein Lebenlang
Und jugendfrisch das Herz erhält.

Und wenn sie auf die Wimpern schlägt
Und reibt das Augenlid sich wach,
O wie mich dieser Blick bewegt,
Jetzt erst wird's sonnig im Gemach.

Als hätten wir uns lang vermißt,
So warm ist unser erster Gruß,
Und unser Morgensegen ist
Ein langer, süßer, warmer Kuß." -

Er schlürfte lang das heiße Glück,
Er sagt' ihr sanfte Wort' ins Ohr,
Weit über hieng ihr Haupt zurück
Und sah beglückt zu ihm empor.

Die Kinder! rief sie plötzlich dann
Und riß aus seinem Arm sich los.
Nun saß der Frau, nun saß dem Mann
Ein Kind im Hemdchen auf dem Schooß.
(S. 318-319)
_____



Zu Zwei'n

Des schönsten Glückes Schimmer
Umschwebt Euch eben dann,
Wenn man Euch jetzt und immer
Ein Brautlied singen kann.
L. Uhland

Hier umher, dort umher
Bin ich gewallt;
O wie so öd' und leer,
O wie so kalt!
Thäler und Alpenhöhn,
Garten und Hain! -
Aber die Welt ist schön
Schön nur zu Zwei'n.

Lausche der Nachtigall,
Klagt sie ihr Weh,
Horche dem Wasserfall,
Stürzt er zum See.
Frühling! Es braust der Föhn!
Jubel im Frei'n!
Aber die Welt ist schön,
Schön nur zu Zwei'n!
(S. 320)
_____



O wie süß!

O wie süß, wie himmlisch süß, zu wissen,
Wenn das Herz von herbem Gram zerrissen,
Daß dein Leiden vom verwandten
Zweiten Herzen wird verstanden,
Wenn mit Wolken zieht herauf der Morgen,
Wenn es stürmt und ungewittert,
O, zu wissen, daß von deinen Sorgen
Noch ein zweites Herz erzittert!
Ja, und könntest du in Leidensnöthen
Auch ein zweites Herz noch missen -
Hoch entflammt's der Freuden Glut, zu wissen,
Daß sie noch ein zweites Antlitz röthen.
(S. 321)
_____



Einsam

L'absence est à l'amour ce que le vent au feu,
il éteint le petit et allume le grand.

Was fällt dir ein, dich zu verstecken!
Wo lacht dein liebes Angesicht?
Ich suche dich in allen Ecken,
Komm', liebes Kind, und neck' mich nicht.

Kein Laut im ganzen Haus zu hören,
Stumm sieht die blasse Wand mich an.
Komm, Liebe, komm, mich süß zu stören,
Wie du's noch gestern erst gethan.

Verwünschte Stille, hier im Zimmer!
Der Garten winkt, hinaus in's Grün! -
Wie öd', wie kahl und ohne Schimmer!
Kein Vogel singt, kein Strauch will blühn.

Wohl ist der Lenz in's Land gekommen,
Doch ach, des Winters letzter Hauch
Hat mir die Liebste fortgenommen -
Kein Vogel singt, es blüht kein Strauch.

Zurück aus dieser grünen Leere,
Zurück in's Haus, die Fenster zu!
In dunkeln Schmerzen, ohne Zähre
Hinbrüten muß ich, ohne Ruh.

Und finstrer wird's, die Mauern rücken
Zusammen zur Gefängnißwand,
Die Einsamkeit mit ihren Tücken
Umschnürt mich wie ein eisern Band.
(S. 322-323)
_____



Warum getrennt

Bei wem soll ich auf dieser Welt
Rechtschaffne Liebe finden?
Der meiste Theil nicht Glauben hält,
Die Treu' muß gar verschwinden.
Ich glaub' und red' es ohne Scheu,
Die best' ist doch getraute Treu',
Die muß ich jetzt entrathen.
Johann Heermann

Warum getrennt viel Meilen?
Es ist um mich so todtenstill!
Zusammen laß uns eilen,
Und werde draus, was will!

Ich weiß, du bist die Meine,
Doch schreibst du mir's auch fort und fort:
Nur Wiederschein vom Scheine
Ist ein geschriebnes Wort.

Selbst die Gedanken müssen
Erlahmen auf dem weiten Flug.
Dich sehn, dich haben, küssen -
Der Rest ist Traum und Trug!
(S. 324)
_____



Und weißt du, wie wir uns verlassen

Und weißt du, wie wir uns verlassen?
Ein warmer Kuß - ich sah dich gehn -
Der Wagen rollte durch die Gassen,
Ich hab' ihm ruhig nachgesehn.

Ich sah dich noch durch's Fenster winken,
Du lachtest freundlich, dein Gesicht,
Es schien vor Reiselust zu blinken,
Ich sah dich ziehn und weinte nicht.

Du Glückliche! Mit hellen Sinnen
Zur alten Heimath wanderst du;
Und, wie vom Berg die Quellen, rinnen
Dir sprudelnd reiche Freuden zu!

Du Glückliche! - Im Vaterhause
Sie wissen's nicht, daß du entflohn
Hier unsrer ländlich stillen Klause -
O süßer Schreck, da ist sie schon!

Willkommen! rufen all' die Guten.
Willkommen! bist du's? bist du's nicht?
Sie küssen dich, sie überfluten
Mit Freudenthränen dein Gesicht.

O welch ein Augenblick, du Holde!
Nun erst - welch zärtlicher Alarm!
Die kleinen, lieblichen Kobolde,
Wie fliegen sie von Arm zu Arm!

Sie jauchzen laut, die wilden Jungen,
Sind gleich zu Haus nach Kinderart.
Bald ruhn sie aus, vom Schlaf umschlungen,
Und träumen von der lustgen Fahrt. -

So träumt' ich selbst und folgt' euch weiter
Und weiter bis an's frohe Ziel!
So tanzten die Gedanken heiter
Dahin in ungestörtem Spiel.

Das Spiel ist aus, die Schwingen senken
Sich müd, die Schwermuth hüllt mich ein,
Und all' mein Fühlen, all' mein Denken,
Ein Seufzer ist's: Ich bin allein!

Mit all' dem Harren und Verlangen,
Mit all' der Sehnsucht, all' der Pein,
Mit all' dem Hangen, all' dem Bangen,
So ganz allein, so ganz allein!
(S. 325-326)
_____



Das ist kein Leben

Welt, geh' nicht unter, Himmel fall' nicht ein,
Eh' ich mag bei der Liebsten sein.
L. Uhland

Das ist kein Leben! Qual und Pein,
Wohin ich geh' und sehe!
Ich bin verdammt, allein zu sein,
Und zornig ruf' ich: Wehe!

Ja, weh' dem Mund, der brennend schwillt
Und keinem Mund begegnet,
Der wonnig ihm entgegenquillt
Und ihn mit Küssen segnet.

Dem Auge weh, auf dessen Brand
Kein kühler Schlummer gleitet,
Ach, über das sich keine Hand
Mit sanftem Zauber breitet!

Und was mein durstig Herz begehrt,
Hab' ich's denn nicht besessen?
Welch theurer Schatz mir ward bescheert,
Könnt' ich es je vergessen?

Vergessen, wie so lieb du bist,
Im Einerlei des Lebens? -
Nun, fern von dir so lange Frist,
Seufz' ich nach dir vergebens.

Doch einmal endet Leid und Reu,
Bald eil' ich dir entgegen,
Ein Herz voll warmer Lieb' und Treu
Werd' ich an's deine legen.

Dann wird das Maaß der Freuden voll,
Mein Liebstes auf der Erden,
Ein Hochzeitsjubeltag - das soll
Uns deine Rückkehr werden!
(S. 327-328)
_____



Ich sah sie wieder, die schöne Frau

Tout comprendre c'est tout pardonner

Ich sah sie wieder, die schöne Frau,
Geliebt einst, dann vergessen.
Sie war dieselbe noch ganz genau,
Doch ernst und abgemessen.

Sie bot mir ihren Arm zum Gang
Durch duftige Waldalleen.
Mit einem Blick des Vorwurfs lang
Hat sie mich angesehen.

Theilnehmend frug sie Allem nach,
Ob ich noch dichte mitunter,
Und ob ich glücklich sei; - mich stach
Ihr Wort, doch sprach ich munter:

Ich dichte, wenn das Glück wie heut
Mir lacht in guter Stunde,
Und glücklich wär' ich, hoch erfreut,
Hört' ich aus deinem Munde:

Daß keine Macht und keine Schuld
Uns darf für immer scheiden,
Und daß aufs Neue Lieb und Huld
Soll blühen zwischen uns Beiden.

Noch sind wir jung und Buße thun
Will ich zu deinen Füßen,
An deinem Busen laß mich ruhn
Und meine Sünden büßen.

Noch unverwelkt ist deine Zier,
Mein Auge noch nicht trübe,
Und ohne Brille lesen wir
Noch heut im Buch der Liebe . . .
(S. 363-364)
_____



Undine

Mein Herz, was denkst du, altes Kind,
Noch einmal Feuer zu fangen?
Laß dir vom frischen Abendwind
Doch kühlen die heißen Wangen!

Nein, nein, zu viel ist ungesund,
Was denkst du, alter Knabe,
Trinkst süßen Wein und spitzt den Mund
Nun nach noch süßrer Labe? -

Ihr herzig Rosenmäulchen nur
Hat so mich überwältigt.
Der Reiz der süßen Creatur
War heut verhundertfältigt.

Sie reichte mir mit Engelshuld
Ein Glas und noch ein Gläschen;
Doch wollt' ich in Küssen zahlen die Schuld,
Da rümpfte sie das Näschen.

Ein Küßchen hab' ich doch gefischt,
So spröd sie sich weggebogen,
Sie aber hat sich den Mund gewischt
Und war recht ungezogen!

Sie drückte schnell mir zu den Mund
Mit ihren beiden Händen,
Ich aber schlang die Arme rund
Um ihre schlanken Lenden,

Und habe geschlürft in langem Zug
Den Honig ihrer Lippen,
Und habe gerächt mich süß genug
Für das verbotene Nippen.

Sie rannte fort und lachte nicht mehr
Und ließ mich allein im Dunkeln.
Da sitz' ich und sinne hin und her
Noch spät beim Sternenfunkeln.

Ja, kühle mir, loser Abendwind,
Des Blutes heiße Fluten,
Und streichle meine Schläfe lind
Und wehe hinweg die Gluten.

Du hast auf deiner Fahrt durchs Land
Manch Blüthchen weggeblasen,
So blase nun weg den Liebesbrand
Und die Champagnerblasen.

Doch streichle auch sie, du lüsterner Wind,
Und säusle wie ein Bienchen
Und grüße das liebe, das süße Kind,
Mein Hexchen, mein Undinchen!

Ach, morgen reist sie! Wohin es geht,
Weiß nur das Zaubermädchen.
Ob sie mich morgen noch liebt? - Das steht
Auf einem andern Blättchen.
(S. 366-368)
_____



Der Page

O hätt' ich niemals sie gesehn,
Die göttlichste der Frauen!
Ich trag' es nicht . . . o könnt' ich gehn!
Mich hält, ich kann es nicht verstehn,
Ein tödtlich süßes Grauen.

Sie naht . . . wie heißer Sonnenbrand
Durchrinnt es mir die Glieder,
Wie rauscht, wie schimmert ihr Gewand!
Sie drückt den Brief mir in die Hand,
Bückt sich zu mir hernieder . . .

Sie flüstert . . . Rosendüfte weht
Ihr Hauch, sie drückt mir leise
Die Schulter, ha, sie bittet, fleht,
Die Herrin! . . . Schloß und Halle dreht
Um mich sich wirr im Kreise.

Der Abend kommt . . . Der Ritter stimmt
Die Harfe . . . flicht die Hände
Ihr um den Hals . . . das Licht verglimmt . . .
O Gott ich weiß nur Eins - das nimmt,
Das nimmt kein gutes Ende!
(S. 369)
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Aus: Ludwig Seeger's gesammelte Dichtungen I. Liederbuch
Stuttgart Druck und Verlag von Emil Ebner 1863

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Seeger_(Politiker)


 

 


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