Reinhard Johannes Sorge (1892-1916) - Liebesgedichte

Reinhard Johannes Sorge



Reinhard Johannes Sorge
(1892-1916)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




 



Liebe

Wer kann nennen,
Was sich nicht nennen läßt,
Wer bekennen,
Was unser Sinn nicht faßt,
Was göttlich in uns hallt,
Was sehnend uns durchwallt,
Die heiligen Triebe
Der allumfassenden Liebe,
Die du im Herzen hast?
(Band 1 S. 64)
_____



Erkennen

Was uns im Herzen flammend sprüht,
Was in der Seele Tiefe glüht
Und reine Früchte treibend blüht,
Der Seele Fühlen und des Geistes Spur
Beweisen, daß wir göttlicher Natur. -
(Band 1 S. 64)
_____



Abschied

Geliebter, willst du von mir gehen,
Dem doch mein Herz so ganz ergeben;
Soll ich dich niemals wiedersehen
Und ohne dich verlassen leben?

Die kleine Blüte, die du pflücktest,
Die sonnig dir entgegenlachte,
Zu der im Wandern du dich bücktest,
Weil sie dir Duft und Freude brachte;

Die Blüte willst du taumelnd lassen
Zur rauhen, harten Erde hin?
So wird sie traurig dort verblassen;
Einmal gebrochen, stirbt sie hin.
(Band 1 S. 90)
_____



Gedichte an Johannes

I
Es ist Abend ...
Müde und traumhaft
Ruhst du die Glieder. -
Wieder und wieder
Sinnst du und denkst
Einsam in Dunkel
- - -
Wenn du dich in mich versenkst,
Glühen mir Lieder
Schön wie Karfunkel.


II
Mein Johannes, ich will zu dir fliegen, ...
In Schlaf dich wiegen -
Du sollst dein Haupt in meine Arme neigen
Und bei mir träumen -
Ich will dir das Wunderland zeigen,
Davon wir träumten ...
Oft ... beide ... zusammen ...

Mein Johannes, ich will bei dir lehnen,
Will mich selig sehnen ...
Du sollst mein Haar mit den Händen streichen
Und mich umfangen -
Ich will mit lindem, weichem
Wort dir die bangen
Gedanken verscheuchen ...

Mein Johannes, wir sind fern uns, ferne.
Schau an die Sterne ...
Sie sind die ewigen Zeichen
Unserer Liebe - -
Meine Seele
Mögen sie dir reichen ...


III
Unsre Seelen, Kind, sind eines Stammes,
Aus selben Wurzeln wunderbar geworden ...
Unsre Küsse, Kind, sind eines Zweiges
Blüten ...
- - -
Wir sind ineinander geschlungen, ...
Durchsungen
Von gleichen Gefühlen -
Fremd sind uns die vielen ...
Wir sind uns eins.


IV
Da wir ferne voneinander sind,
Will ich dir die Sterne alle schenken,
Will sie durch den hohen Himmel senken,
Bis sie deine Seele finden, Kind ...

Da wir ferne voneinander sind,
Will ich dir die Nacht vom Himmel bitten,
Alle Schmerzen, die um mich gelitten,
Darfst du flüsternd ihr vertrauen, Kind ...

Da wir ferne voneinander sind,
Will ich auf zum milden Monde weinen;
Er mag dir durch meine Tränen scheinen,
Bis wir einst uns wiederfinden, Kind ...


V
Unser Wesen soll sich still erfüllen
Durch alle Fährnis ...
Soll unsre Alleinigkeit enthüllen
Zu tiefster Gewährnis
Vereinten Lebens -
... Ihr trennt uns vergebens ...


VI
Jede Erfüllung
Wird unter Schmerzen ...
Unsere Herzen
Schlagen in Bängnis,
Harten Verhängnis
Bürde zu tragen ...

Dich zu erfüllen,
Mußt du entsagen -
Was wir im Stillen
Trauriges weinen,
Wird unsre Herzen
Einst wieder einen ...


VII
So sicher bin ich herrlicher Erfüllung,
Daß ich in allen Mühen
Hell das Haupt hebe ...
Daß ich Seligkeit sehe,
Indes meine Augen weinen
Ach ... um den einen,
Den ich erflehe ...

So sicher bin ich herrlicher Erfüllung,
Daß ich in allen Qualen
Jubelnd dich nenne ...
Daß meine Lippen preisen,
Indes mir das Herz bricht ...
Jubel in eins flicht
Und traurige Weisen ...


VIII
Wen hast du nun,
Der alle deine geheimen Wünsche kennt,
Und alle deine zarten Träume weiß,
Alle deine lieben Freuden mit dir fühlt,
Deine bangen Leiden mit dir weint ...?
Sage, o sage, wen hast du nun ...?
Der dir Rosen bricht zu jubelndem Spiel,
Der dir Kränze windet aus mondbleichen Blüten,
Der dir Lieder singt, die vor Sehnsucht weinen,
Und Lieder singt wie Sonne so hell ...?
Sage, o sage, wen hast du denn ...?
Der dir linde die kleinen Hände streicht,
Der in süßer Liebe sich zu dir neigt,
Wann es dunkelt,
In der Nacht, in der Nacht,
So alle deine Wünsche sind aufgewacht
Und deine Seele dir die Sehnsucht zeigt
In der Nacht -
Sage, o sage, wen hast du nun,
Der dich küßt in der Nacht, so lieb - o so lieb -
So allselig in dir -
Sage, wen hast du nun?
(Band 1 S. 203-205)
_____



Lieder an Johannes

I
Erwachen
Geliebter, glaubte ich dich nicht verwunden,
Vergessen längst? Und wachst mir wieder auf ...
Hab ich dich nicht wie einst empfunden,
Schlugst du nicht heilig deine Lider auf?

Was läßt du mich zuinnerst weh erbeben,
Was gibst du innig Schmerzen schweren Lauf.
Sieh all mein Wesen will um deines schweben.
Schließe o schließe mir dein Herze auf.

Niemand ahnt, wie ich dich liebe,
Niemand ahnt den hohen Traum.
Still küßt meine große Liebe
Deiner Augen dunklen Saum.
17. März XI Westerland


II
Toren und Blinde sagten, ich hätte dich verkannt.
Ich hätte mich selber träumend in dich gebannt. -
- In mich sank da Zweifel und frommer Glaube schwand.
Scheu floh ich die Seele, der fromm dein Bild erstand. -
- Da kamst du nach Zeiten und reichtest mir die Hand.
Wortlos verschlang sich neu heiliges Band.
2. V. XI


III
Du sangest mir das Lied der ersten Jugend
So überschön ... und schenktest soviel Blüten,
Daß ich nur zitternd vor dir knien kann
Mit Dank und Amen. Du warst Frühling, der
Mir seine Zweige noch in Gräber drängt,
Noch Grüfte füllt mit seinem Duft und Blühen.
Dich sprach die Lippe heilig. Du entwelkst nicht,
Einziger. Gütige Zukunft rühre uns
Hoffnungs- und segensreich mit sprossendem Gezweig.
3. V. XI


IV
Noch haften starr von jüngsten Streites Stunden,
Von allen irren gramzerkerbten Fahrten
An deiner Seele Schutt und Blut der Wunden.

Doch schreitest du wohl bald zu heiliger Quelle,
Wo Wasser ihres frommen Priesters warten;
Rein wäscht noch jeden gütig-reiche Welle.
22. V. XI


V
Ein Letztes
Ich rette mitten dich aus Drang des Tages,
Dich aus Gelärm sich scheuchender Fantome,
Aus Rauch und Flamme häßlichsten Gelages
In wundervolle Dunkelheit der Dome.

Wo Unbewegtheit deine Anmut ewigt,
Wo Schweigen einigt wie Kuß und Umarmung,
Und eines Lebens lautere Erbarmung
Uns beide Kinder himmelschön verewigt.
20. VI. XI


VI
Seltsam scheint fast, daß ich singe
Dir noch immer neue Lieder;
Sonst der Rasche: kaum die Dinge
Rührt er an, entflieht er wieder.

Aber dies ist Offenbaren,
Treu verschlungenes Schicksalszeichen.
Laß zu liebendem Bewahren
Stumm uns stumme Hände reichen.
5. VII. XI
(Band 1 S. 358-360)
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Das Mädchen

I

Bei letzter Sonne noch gewohntes Schicksal,
Brachte der erste Stern den Wechsel? Eben
Umstrichen noch von der Luft der staubigen, öden
Steinbrüche, noch der grauen Flächen Lähmung,
Sprühte der Stein jetzt Funken, und erquoll
Ozon in Strömen von verschwenderischen
Himmeln. Zwar drohte schwanker die schon schwanke Bahn,
Versteckten Gründen näher, doch jed' neuer Tod
Mehrt nur des Helden Herz.
So wichest du nicht aus. Mit weiten Nüstern
Sogst du den Rausch der Düfte und mit Händen,
Sehr wohl bereit einst Tränen aufzufangen
Für dieses Spielen, haschest du die Funken.

Der Schläfer findet sich des Morgens neu.
Die frohen Arme greifen in das Licht.
Sie sprechen ihre Sprache.

So war der Jüngling selig, als das Mädchen
Ihm Gold und Rausch bot. Jedes nahm er hin
Und haschte jedes neu.

Doch andern Abends
In seiner Einsamkeit gewahrt der Blick
Des Weibes Frage und das Wundertum.
Jetzt ist nicht Grund noch Forschung. Jede Pflanze
Schaut anderen Gesichts, und tiefe Scheidung
Furcht hin durchs All.

Da hemmt er seinen Schritt
Und sieht zu Boden. Kein Gefühl, das weist
Und wächst
Und rettet.

Er schritt nun tiefer zu. Des schwarzen Waldes erstem
Holze vorüber ging der Schritt, und drinnen
Floß Schweigen wie ein Traum von Baum zu Baum.
Die geraden Stämme standen dicht und wirr.
Der Weg war schmal. Es waren viele Wurzeln.
Dann kam der Platz. Den deckten hundert Rosen
In schönem Umkreis, und darüber hob sich
Steinern mit einem Antlitz, das aus allen
Adern und Herzen dieser Erde ... Sehnsucht
Getrunken hatte: Halb Symbol, halb Tier:
Die Sphinx.

Wie er zum Himmel sah, der sich in flachen
Blitzen besprach, zischte durch Dunste glühend
Ein Meteor. Er wollte innerst jubeln,
Doch starb der Ruf im Mund. Schon das Gestirn
Fiel sausend erdwärts und verschloß den Wald
Schwerdumpfen Falles. Glanzlos. Herzhin fiel das Blut.
15.-16. VIII. XI
(Band 1 S. 376-377)
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II

Als er
Des Abends hinschritt, deutlicher drängte ihm
Als jemals alles Ding nah. Freudiger staunte er.
Der gelbbetupften Birken Zweige fächelten
Die Luft. Die roten Vogelbeeren prahlten.
Der junge Herbst entstieg dem Boden. Schleier noch
Und Duft.
Er schritt bergan. Er sprach:
Des Mädchens Küsse hatten Macht, zu reifen,
Stammelnde Triebe auszudeuten, seltsam
Schwankt Sinn und Ahnung, Zweifelsucht und Neigung.
Schweig still. Was sich erlebt in uns, gesichert
Vor engem Hirn und falscher Vorbesorgnis
Wird es.
Wir schaffen uns in dunkelstem Gewahr.
Wenn innerst Glück gesundet, schwankt vielleicht
Das Haupt in Nöten, und die Seele zagt.
(Band 1 S. 378)
_____



III

Lebendige, du schüttest mir mehr Wunder
Als Stern und Meer. Der Einsame schenkt jenen
Hauch, Hall und Art von seinem Dichttum, deutet
Sie seiner Ahnung nach. Gewand und Klang
Sind sein, wenn sie durch obere Sphäre schreiten:
Sterne und Meer. Du bietest mir den Frühling
Im Kleid des andren Wesens mit Gesang,
Der nicht mehr Echo. Du staunst meinen Schmuck.
Lebendige. Und andre.
Doch in höchster
Stunde umströmt die Seele nahe Seele
Und singt von sich. Dann wirbelnd mischen sich
Die Töne, und vergebens sucht der Eine
Des andren Orgel, da es Einklang ward.
(Band 1 S. 378)
_____



IV

Nur Toren sehen Blitze wahllos zucken.
Des Vorgewitters dumpfe Muße
Erschloß ihm nicht den Sinn. Dann zäumten rot
Goldene Zügel die gehetzten Rosse.
Auch rann der Regen. Sturmdurch schwanken Felsen.

Die Feuer wählen die bestimmten Straßen.
Elektrisch wütend umschlingt Anverwandtes
Einander, tilgt das Störerische. Prachtvoll
Erfüllt sich die geheime Mitleidenschaft
Von Raum zu Raum. Nicht Meer noch Lande trennen.

Das Mädchen wuchs ihm unter nächtigem Rasen,
Unter der Donner Pauke und der Blitze
Fackel aus Zufalls Tand zu Not und Wahl.
Staunend sah Auge die verborgnen Pfade.
Heimliche Wirbel reißen Mensch zu Mensch,
Lachend der Ferne trennende Gewalt
Gleich Blitzen.
(Band 1 S. 379)
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V

Das grell und rote Licht der glühen Drähte
Wob keinen Traum. Die Sünden glänzten schillernd
Um Mund und nackten Hals. Enttäuschung, Durste
Und Rausch von Macht und Spähen listiger Pfade,
Da bloßes Schwert die geraden all besetzt hielt,
Hatten in voller Schale nah dem Herzen
Zu Giften sich gemischt. Zischelnder Spiegel.
Beredte Lockung. Stirn und Braue aber
Kannten des Feuers und der Sehnsucht Weihen.

Krankheit ist Unrecht und Betrug am Leben.
So sprach der Jüngling. Aufhob er die Schale
Voll Gift und Wunde. Und er leert sie lachend!

Julianus
Apostata zerschnitt einst warmen Leib
Der Frau und forschte in den Eingeweiden,
Im Krampf des Herzens und im Dampf der Därme
Nach seinem Schicksal. Andern Tages starb er.

Christus,
Der Welterlöser heißt, war Sohn der Jungfrau,
Weihte die Jungfrau und starb hin jungfräulich.

Nietzsche -
Dionysos verkündete vom Felsen
Sich selbst als Einsamen und sang der Keuschheit,
Selber vom Weibe krank. Er starb im Irrsinn.

Das Mädchen war mir schön in ihrer Sehnsucht.
Ihr Antlitz war Gebet. Nachthaar umsäumte
Die Blässe, und mit tausend Sternen säumte
Nacht alles Haar.
Er sprach bei sich - sie ahnte dies vielleicht
An Atems Zittern und an wilderem
Schwung seiner Küsse -: Born und Wunsch und Wiege,
Ich tauche tief in dich. Sieh zu! Sieh zu!
Mein Wesen sinkt in deines schwer und selig,
Wie Nächte sinken in des Abends Traum.
(Band 1 S. 380)
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VI

Der Abend flog schon nieder in die Täler.
Des Tages Gold und Glut starb ohne Trauer
In blaß Umdämmern hin. Wir ruhten schweigend,
Mein Haupt in deinem Schoß.

Als dann der ersten Sterne Blau erwachte,
Ward dir ein neu Gesicht aus frommen Küssen.
Nannt ich dich Mutter? Nanntest du mich Kind?
Des Dunkels zarter Rausch umfing uns ganz,
Unsere Liebe säumten zage Sterne.

Aus tiefen Bronnen stieg die Heiligkeit
Und lohte durch uns. Und dein Antlitz wuchs
Und wuchs in hohe Himmel wie gesegnet.
Ich stammelte: Madonna, und ich kniete!
(Band 1 S. 380-381)
_____



VII

Weißt du: ich möchte meine grausigen Fieber löschen
In andren Welten;
Daß doch die Leiden und schwarzen Gestirne all
Am Lichte zerschellten!
Aber die Riegel sind fest und aus den Nähen all
Starren die Kälten.

Ahnst du: ich schaue aus Herz und Geist stets
Zum blauen Äther;
Ich möchte mich biegen um Sonne, im großen Werden
Ein Wundertäter!
Aber die Macht köpft jede Befreiung, der Tod sät
Und erntet später.
4. X. XI
(Band 1 S. 381)
_____



VIII

Nach Tages Kampf faßt du die pochende Hand,
In letzter Sonne stille wandern wir
Durch das Schweigen und über das schlafende Land
Besänftigt.

Bald neigt sich Nacht, neigt sich mein Auge zu dir,
Und du erscheinst mir wie Engel vom Himmel gesandt,
Wie heilige Mutter im Geist erscheinst du mir.
Wir schweigen.

Wenn sich dein Leib mir wie atmende Blüte anschmiegt,
Fachst du Flamme um Flamme, fachst du das höhere Sein,
Traum von Umschlingung und Kuß, der uns sternean wiegt,
Glückselig.

Spende dem Stammelnden, spende vom ewigen Wein.
Schwinge geweihtester Lust, die zu Gottum entfliegt,
Hülle uns, hülle aufrauschend die Liebenden ein.
O Wunder!
(Band 1 S. 381-382)
_____



IX

Die zarte Knospe schwankte im Mondschein.
Da rollte Sonne auf. Nun sprang der Kelch
Der Glut entgegen, und es kochten Säfte
Und strömte Duft. Als Abend niederkam,
Umfing in Winden eine andre Zartheit
Reifer und tiefer glückliches Gewächs.
(Band 1 S. 382)
_____



X

Die stürmischen Bahnen
Hast du beruhigt,
Wolke, Wolke
Hüllst du segnend den Zerrissenen -
Die zuckenden Pfade
Tauchst du in Milde,
Wolke, Wolke
Birgst du die Verklärung.
Auf silbrigem Flaum
Gleitet die Sonne,
Und
Lichtschwer
Sinkst du ins suchende Herz.
(Band 1 S. 382)
_____



Gedichte an die Braut

Geliebte fern

Kennst du die Stunde, da die Waffe sich
Senkt auf die Brust, und rings das Schweigen stiert? -
Soviel ich schweife, ich entraffe mich
Dem Tiefsinn nicht, der sich in mich verliert.

Nur einen Schritt noch, und es deckt der Tod
Die Lider mir, ich sinke rücklings um -
Doch lauert mir der Wächter, grausam stumm,
Und eine irre Sehnsucht - blutigrot.
Berlin, 19. I. 1912
(Band 2 S. 256)
_____



An Susanne

Bist du mir nicht begegnet,
Dem Knaben, wandernd und verhüllt?
Wie vieles hat sich nun erfüllt!
Und du, wie hast du mich gesegnet!

Nun gehe ich zu Gott
Und lasse dich zurück,
Nun kehre ich von Gott,
Ein Lauterer, zu dir zurück.

Wenn sich nun alles sagt,
Die Hand auf deinem lieben Haupt,
Dann schau mir nach und heb dein Haupt,
Und laß dies alles ungesagt:

Du gabest alles hin um Gott.
Das Herz entwöhntest du um Gott.
Du selber warfst dich hin um Gott,
Und wurdest neu an mir zu Gott.
9. VII. 1912
(Band 2 S. 256)
_____



An die Geliebte

Nach Tages Kampf faßt du die pochende Hand,
Im letzten Abend stille wandern wir
Durch das Schweigen und über das schlafende Land
Besänftigt.

Bald neigt sich Nacht, neigt sich mein Aug' zu dir,
Und du erscheinst mir wie Engel vom Himmel gesandt,
Wie heilige Mutter im Geist erscheinst du mir.
Wir schweigen.

Wenn sich dein Leib mir wie atmende Blüte anschmiegt,
Fachst du Flamme um Flamme, fachst du das höhere Sein,
Traum von Umschlingung und Kuß, der uns sterne-an wiegt -
Glückselig.

Spende dem Stammelnden, spende vom ewigen Wein!
Schwinge geweihtester Lust, die zur Gottheit entfliegt,
Hülle uns, hülle aufrauschend die Liebenden ein!
O Wunder!
(Band 2 S. 257)
_____



Sturm (An Susanne)

Die Stürme sausen
Um unser Haus -
Die Geister brausen,
Wächst Rettung draus.

Die Geister brausen
In mir zur Ruh,
Einst kommt die Stunde,
Da weißt es du -

Läßt mich der tiefe
Sturm dir zur Ruh,
Sanft mich zum Grunde
Heim-Strande zu.
2. XII. 1912
(Band 2 S. 257-258)
_____


Aus: Reinhard Johannes Sorge Werke
In drei Bänden
Eingeleitet und herausgegeben von Hans Gerd Rötzer
Glock und Lutz Nürnberg
Band 1 1962 / Band 2 1964
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Sorge

 

 


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