Franz Stelzhamer (1802-1874) - Liebesgedichte



Franz Stelzhamer
(1802-1874)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Jugend

Ich bin der Erde gleich
Im Frühlingsauferwachen;
Ich bin dem Himmel gleich
Im ersten Morgenlachen.

Ich bin der Sonne gleich,
Die Alles glühend herzet;
Ich bin dem Lüftchen gleich,
Das mit den Blumen scherzet.

Ich bin der Quelle gleich
Geschwellt vom Frühlingshauche;
Ich bin dem Vöglein gleich
Das singend baut im Strauche.

Ich bin den Hügeln gleich,
Die tiefbeschaulich weilen;
Ich bin den Schäfchen gleich,
Die durch das Blaue eilen.

Ich bin den Bergen gleich,
Die Erz in Adern rollen;
Ich bin den Wolken gleich,
Den Blitz und Donner-vollen.

Ich bin dem Veilchen gleich,
Das still im Duft sich freuet;
Ich bin dem Baume gleich,
Der breiten Schatten streuet.

So All' und Jedem gleich
In Wesen oder Weise
Steh' ich im weiten Reich
Wie im Familienkreise.

Es zieht mich her und hin,
Es drängt mich weit und weiter,
Der jugendfrohe Sinn
Ist Führer und Begleiter!

Und sieh, allüberall,
Auf Flur und Feld und Heide,
Im Wald, am wilden Fall
Ist Lust und Augenweide.

O Lenz, o Jugendlust,
O jubelvolle Erde,
Was hätt' ich denn gewußt,
Wenn Gott nicht sprach sein "Werde!"

Nun hebt der Vögelchor
Im Haine an zu psalmen,
Und neigt der Wiesenflor
Die Häupter an den Halmen:

Da beug' auch ich das Knie
Zu Preis und Dank und flehe,
Daß Lieb' und Glaube nie
Mir ganz verloren gehe
!
(S. 96-98)
_____



Erwachen

Das Schwälblein, so das Himmelsblau
Durchmißt in weiten Flügen,
Es trinkt der Liebe Rosenthau
In vollen, leisen Zügen.

Warum wohl zieht das eine nach
Dem andern durch die Sphären?
Zu suchen sich ein stilles Dach
Und Liebe uns zu lehren!

Die Tauben - habt nur ihrer Acht! -
Ihr Kosen und ihr Girren,
Das muß ein Herze, gäh erwacht,
Betäuben und verwirren!

Fast jauchzend schlägt der Fink vom Baum -
Was hat ihn so durchdrungen?
Sein Hühnlein sitzt auf weichem Flaum
Und wärmet sanft die Jungen.

Am Halme hold die Blume blüht,
Sie stirbt von ihm gerissen,
Und tief empfindet das Gemüth,
Was uns Natur läßt wissen. -

Ich aber sitze einsam da
Das Aug umflort von Zähren,
Seit ich das Liebewalten sah,
Will nichts mir Lust gewähren.

Die Quelle murmelt räthselvoll,
Der Baum rauscht sinnesdunkel,
Es lispelt Nachts vom Himmelspol
Mir zu das Sterngefunkel -

Doch ach, ich kann die Räthsel nicht,
Die Lehren mir nicht deuten,
Die Baum und Quell und Sternlein spricht
In Sätzen, in zerstreuten!

Nur öfter, wenn im stillen Hain
Mein Herz in Ahnung feiert,
Da ist's, als sollt' ein Tag einst sein,
Wo Alles sich entschleiert.
(S. 98-100)
_____



Liebesstrahl

Eh noch der Liebesstrahl
Sich in mein Herze stahl,
Durchglühte wohl mit reger Lust
Gar Mancherlei die junge Brust.

In muntrer Schaar bei Becherklange
Dem Traubengotte Preis zu singen
In dithyrambischem Gesange,
Eh noch der Liebesstrahl
Sich in mein Herze stahl.

Ein Wandervogel irr im Lande
Herumzuschwärmen mit Gesellen
Vom alten fahrn'den Ritterstande,
Das mochte obenan ich stellen,
Eh noch der Liebesstrahl
Sich in mein Herze stahl.

Ein Spielchen auch verschmäht' ich nimmer
Mit Würfel, Kugel, Ball und Karten,
Ach da verging des Goldes Schimmer
In Schulden aller Ort' und Arten,
Eh noch der Liebesstrahl
Sich in mein Herze stahl.

Fünf Vettern fingen an zu grollen
Und nannten Schmach mein Thun und Handeln;
Neun Muhmen fingen an zu schmollen,
Doch bathen Gott, mich umzuwandeln,
Eh noch der Liebesstrahl
Sich in mein Herze stahl.

Und weiß der Himmel, war's das Grollen,
Das laute Schmollen, stille Flehen?
Genug, ich hörte auf zu tollen,
Und fing schon an in mich zu gehen;
Allein wie lang? - da stahl,
Sich ein der Liebesstrahl.

Und weg war all mein ernstes Sinnen,
Dahin mein Plan für künft'ge Tage:
Ich strebte nur mein Lieb zu minnen
Und webte hin durch Lust und Klage,
Weil sich der Liebesstrahl
So heiß ins Herze stahl.

Und wieder lag, das kaum geblühet,
Ihr Hoffnungsbäumchen öd darnieder,
Und wieder ward viel Zorn gesprühet
Von manchem der Familienglieder,
Dieweil ins Herz sich stahl
Der arge Liebesstrahl!
(S. 100-102)
_____



Seufzer

I.
Meine Augen waren so klar
Wie der Morgenstern,
Und gesehen hab' ich so scharf -
Durch die Schale den Kern.
Ach, jetzt seh' ich nimmer so scharf -
Durch die Schale den Kern,
Nimmer sind die Augen so klar
Wie der Abendstern:
Trübgeweint sind Stern' und Säume,
Seit ich von der Stolzen träume.
(S. 102)


II.
Auf den Feldern sprang
Kein Hirschlein so schnell,
In den Lüften sang
Kein Vöglein so hell,
Wie ich gewaltig einst sang und einst sprang
Nimmer sing' ich jetzt
Wie 's Vöglein so hell,
Nimmer spring' ich jetzt
Wie 's Hirschlein so schnell,
Seufzen ist Sang jetzt, ein Wanken mein Gang.
(S. 102-103)


III.
Ei ei - ruft Frau "Rathegut"
Und folgt mir mit scheuem Blick -
Ein Jung' sonst wie Milch und Blut
Mit starrem Hals und Genick,
Schön rund, schier robust
Um Schulter und Brust,
Und jetzt, ach jetzt,
Wie das mich entsetzt!
Das Angesicht knöchern und blaß,
Die Augen gläsern und naß,
Doch gäh, wenn die Buchen sich färben,
Die andern das Laub abstreifen,
Kartoffel und Schlehen reifen,
Paßt auf: - wird auch er absterben.
(S. 103)


IV.
Cousinen, Onkeln und Pathen,
Ach, Alle springen mir bei,
Sie kommen, die Edlen, und rathen
Mir Mittel tausenderlei
In Sympathie und Arz'nei.
Nein, nein, fort in ein Bad!
Behauptet ein - Spielkamerad.
Ein zweiter ruft:
Trink' Alpenluft! -
Und graut dir vor Wettern und Wolken,
So brauche Kräuter und Molken!
Beeilt sich der Freunde Dritter,
Ein etwas hektischer Ritter.
Ein Vierter macht Wette:
Für Lind'rung im Bette;
So dies und das,
Ein Jedes wüßte was
Und schwört, es müßte das Rechte sein,
Ich - nicke Ja und denke mir Nein.
(S. 104)


V.
Welche Arznei
Die rechte sei? -
Der Hohen Auge soll
Den Flug nach mir lenken,
Der Schönsten Lippe soll
Ein Lächeln mir schenken!

Dein gerühmtes Bad?
Spielkamerad!
Ihr süßer Athem soll
Auf mich sich ergießen,
In diesem Strome soll,
Mein Kummer verfließen!

Dann die - Alpenluft?
Das heißt und ruft:
Der Hohen Stand, den soll
Ich muthig erstreben,
Durch kühne Thaten soll
Zu Ihr ich mich heben!
(S. 105)
_____



Klage

I.
Mir ist mein Herz so krank, so krank,
Ei hört doch sein Gewimmer!
Und weil ich ihm nicht helfen kann,
So wird es stündlich schlimmer.

Ich sitze wohl bei Tag und Nacht
An seiner Trauerstätte
Mit Rath und Trost - o Jammer, ach!
Umsonst sind Trost und Räthe.

Es seufzet fort und will nur Eins -
Das ist im Goldgefieder
Das Vöglein, das in Maienlust
Froh flattert auf und nieder.

Dem seufzet und das will es nur,
Das muß und muß es kriegen,
Sonst - jammert es in Fieberglut -
Sonst sei sein Loos - erliegen!

"Ei, Herz, mein Herz, wie soll ich denn?"
""Leg' Schlingen ihm und Fallen,
Umgarne es im freien Feld
Und in des Haines Hallen!""

Die Schlinge liegt, die Falle steht,
Der Hain ist rings umgarnet;
Doch weicht das Vöglein schlau mir aus,
So schlau, als wär's gewarnet.

Und kränker wird und ärmer liegt
Mein Herz in Noth und Kummer,
Vom Jagen bin ich selbst so müd -
Ach nur ein Stündchen Schlummer!

Und nun, mein Herz, den letzten Rath -
Es kommt mir so zu Sinne:
Erhebe dich mit aller Kraft
Und wandle selbst auf Minne!

Such' auf dein Vöglein Wunderhold
In Hainen und in Auen,
Gib kund ihm deine Liebesnoth
Mit Inbrunst und Vertrauen!

Und läßt es unerhört und hart
Dich klagen und gar scheiden:
So ist des Vögleins Herz nicht werth
O Herz, mein Herz, dein Leiden!
(S. 106-107)


II.
Weil sich ein Herz nicht erweichen läßt,
Wird weich das meine, sonst starr und fest.
Ach, wenn der Geist der Liebe mir zeigte,
Was ich wohl beginnen soll,
Daß sich das stolze Herz zu mir neigte,
Wie wäre ich freudenvoll!

"Geduldig harren und tragen die Pein!"
Erschallt's mir öfter ins Ohr hinein;
Geharret ist und geduldet lange,
Des Harmes Thräne geweint,
Vom Wachen welkt die blühende Wange,
Ach, und kein Trost erscheint!

"Bewahren den Muth mit Kraft im Verein!"
Erschallt's mir wieder ins Ohr hinein:
Ich habe mit Muth und kräftig gekämpfet,
Fast froh ertragen den Schmerz,
Das lodernde Feuer sorglich gedämpfet,
Umsonst - und nun bricht das Herz!

"So flieh', entflieh' über Stock und Stein!"
Erschallt's mir itzto ins Ohr herein:
Was hilft mein Fliehen, was hilft mein Meiden
Wie weit auch und wie lang?
Sie folget mir auf Fluren und Haiden
In lockendem, leisen Gang!

So steh' ich nun alles Trostes bar,
Mein ganzes Thun weil es eitel war;
Mein Dulden, Kämpfen, Fliehen und Flehen -
Dem Winde Rauch und Spreu!
So sei's, ich will im Leide vergehen,
Du - wahre dein Herz vor Reu'!
(S. 108)
_____



Liebesdank

I.
Ich liege krank.
Doch wie ich auch mit Schmerzgefühlen
So schmachte in den heißen Pfühlen,
Frohlockt mein Herz doch: Dank,
Daß ich so krank!

Denn daß der Tod -
So sagt das Fluthen und das Schwellen
Der annoch frischen Herzenswellen -
Daß noch der grimme Tod
Mir Schelm nicht droht;

Allein wie lang
Hab' ich gerungen und gelitten,
Mit meinem Liebesdrang gestritten
Und Ihrem Lieblingshang,
Wie lang, wie lang!

Und konnte klug
Und klar nun nie und nimmer werden:
Ihr Thun, Ihr Reden, Ihr Geberden
Ob Treue oder Trug?
Ich ward nicht klug.

Mein armer Kopf,
Wie lagst du oft in meinen Händen
Gleichwie gefüllt mit Feuerbränden
Ein glüh'nder Weißgoldtopf -
Mein armer Kopf!

Da wurd' ich krank,
Todkrank - was thut die schöne Stolze?
Ach seht, Sie kniet am Gnadenholze
Und . . .  o, vieltausend Dank,
Daß ich ward krank!
(S. 109-110)


II.
Und als ich dann zum erstenmale
Genesen schon, nur bleich und schwach,
Lustwandelte zum Wiesenthale,
Wer sah mir unablässig nach?

Ach, Sie, ach, Sie! wohl sonst auch Viele,
Doch Keines also froh und lang -
So blickt nach seinem theuren Ziele
Des Pilgers Aug vom Bergeshang!

Was Wunder, daß ich wiederkehrte
Nach kurzer Frist gestärkt und froh,
Und daß der Doktor uns dann lehrte
Mit Anstand dreschen leeres Stroh.

"Ja, ja" - sprach er - "die Sonnenbäder
Gewürzt mit Aether und Erdgeruch -
Das läuft wie Feuer durch's Geäder,
Da leid' ich keinen Widerspruch."

"Muß auch der Patienten ein jeder
Mir machen zur Probe den Versuch,
Und find' ich nur mal die rechte Feder,
So schreib' ich drüber ein dickes Buch."

"Das junge Herrlein zum Beweise,
Geht fort wie ein Lämmlein lahm
Und kömmt nach kurzer Badereise
Ein Leu! - ist das nicht wundersam?"

Und alles rief mit ihm: Mirakel!
Ich selber schwieg und nickte nur,
Es war ja wahrlich ein Mirakel
Gescheh'n, bloß - anderer Natur!
(S. 110-111)
_____



Huldigung

Wohlan, mein Lieb, so nimm Besitz vom Throne
Längst erbaut;
Setz' auf dein rosig Haupt die Rosenkrone
Frisch bethaut
Vom Freudenthau, vom ersten hellen;
Froh umkreis't,
Sieh, von Phalänen und Libellen,
Die just gelockt aus dunklen Zellen
Der Liebe Geist!
Ich will dir alle meine Schätze zeigen,
Die nun für immer sollen sein dein eigen.

Da kam es aus dem Kopf gesprungen,
Und aus dem Herzen kam's gedrungen
Endlos gar:
Von dorther kommt im sonnenblanken
Witzwasserschmucke der Gedanken
Kühne Schaar;
Von daher naht ein weiches Wühlen
Von lauter süßen Lustgefühlen
Dem Thronaltar -
Sie Alle mußten tief sich neigen
Und ihrer Herrin Huld bezeigen.

Und als des Herzens holde Elfengeister,
Sowie des Kopfes stolze Räthselmeister
Ihr Haupt gesenkt,
Da wurden erst des Leib's Juwele:
Das Aug', das Ohr, das Gold der Kehle
Ihr geschenkt
Mitsammt dem Kleinod, das man Seele
Nennet weich;
Und als ich Alles, Alles hingegeben,
War ich reich: -
Ich sah in Liebchens Aug' die Thräne beben!
(S. 111-113)
_____



Liebseligkeit

I.
Zu Ende ist nun das Märchen,
Kein Titelchen fehlet mehr:
Ein traurig einsames Pärchen,
Das steht nun in Liebesverkehr!

Von Deinen sonnigen Blicken,
An Deinem erfrischenden Hauch,
Wie wird sich Alles erquicken
Und heben am Lebensstrauch;

Wie wird er Knospen austreiben
Und Blüthen an jedem Reis,
Wie wird das Lenzvöglein schreiben
Um ihn den schimmernden Kreis;

Wie wird es hallen und klingen
In seinem innern Raum;
Wie wird ihn die Nacht umschwingen,
Erfüllen mit schönem Traum!

Auch Dich wird es mächtig erheben -
Ein Herz, ein brennendes Dein!
Ein volles, rollendes Leben,
Das rollet für dich allein!
(S. 114-115)


II.
Und nun ich hab mein Lieb geminnet,
Hängt es an mir mit Lust und Treue,
Und was sie hört und sieht und sinnet,
Erzählt mir leis die annoch Scheue,
Seit sich der Liebesstrahl
Auch Ihr ins Herze stahl.

Das sind denn seltsame Geschichten!
Oft wie aus einer Kinderfibel,
Oft hohes, feierliches Dichten,
Wie Psalm und Cantus aus der Bibel,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.

Und seit es ist, da dichten, kosen
Wir stets mit erstem Morgenschimmer,
Und oft, wenn schon die Purpurrosen
Des Abends glüh'n, noch immer, immer,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.

Ein Trunkner schwank' ich hin durch's Leben,
Nicht fragend, was die Menschen meinen,
Nicht sorgend, was die Parzen weben,
Zufrieden, daß noch Sterne scheinen,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.
(S. 115-116)


III.
Ihr Auge leuchtet sonnig,
Dabei so bläulich traut;
Wie Bachgelispel wonnig
Erklingt der Rede Laut.

Und flüssig Gold umwallet
Ihr Antlitz reiches Haar;
Die Händchen lustgeballet
Sind wie ein Rosenpaar.

Süßduftig ist Ihr Mündchen
Wie Erdbeerlein im Wald -
O, Stündchen, holdes Stündchen
Der Lese komme bald!

Ihr Leib ein Lilienstengel,
Der hoch und schwank sich hebt,
Weiß Gott, wie dieser Engel
Auf dieser Erde webt
. . . . !

Und denkt, der Engel
Mit süßem Erdbeermunde,
Der weilt und waltet
Mit mir im Herzensbunde;
Die Blumenweiche,
Goldlockenreiche,
Die wünscht und hoffet
Mit mir das Gleiche;
Ja, die so wonnig
Spricht und so sonnig
Blickt aus Blauäugelein,
O faßt es - die ist mein!
(S. 116-117)


IV.
Du bist so jugendlich wohlgethan,
So zierlich bist du und reizumwoben,
Wie junge Blümlein im Wiesenplan,
Die sich im Hauche des Mai's erhoben.
Drum blickt so trunken mein Aug dich an
Und schlägt mein Herz in freudigem Toben,
Daher die Seligkeit, wenn ich ersann
Ein neues Lied dich Schönste zu loben!
O ströme, mein Lied, unaufhaltsam,
Entström' wie es dich treibt aus der Tiefe:
Sanft stürmend und lieblich gewaltsam,
Und wecke, wenn etwa noch Eine schliefe,
Der Wonnen Eine und Letzte von allen,
Erweck' sie zu Ihrem Wohlgefallen!
(S. 117-118)


V.
Oft mache ich nur Feuerprobe
Zum Zeitvertreibe,
Und sieh, es ist zu deinem Lobe,
Allwas ich schreibe.
(S. 118)


VI.
Wie siehet wohl mein Herze aus
Seit du mich liebest - rath'!
Wie ein geschmücktes Königshaus
In ferner Gangesstadt.

Rundum ein Rosenhain als Wall,
Worin ein Engel liegt,
Den eine muntre Nachtigall
In süßen Schlummer wiegt.

Doch wer der holde Engel ist
Weißt du auf keinen Fall,
Natürlich - weil du selbst es bist,
Und ich die Nachtigall.
(S. 118-119)


VII.
So sicher bin ich nie gewesen,
So sicher, wie ich einmal bin:
Wie Einer, der vom Tod genesen
Geh ich voll Muth durchs Leben hin -
Von Deiner Augen Sonnenstrahlen,
Von deiner Worte Zauberzahlen
Bin ich so fest und wunderbar,
Wie Siegfried, der Gehörnte war.

Mich fliehen Wölfe, Bären, Schlangen,
Mich schont im Wald die "Böse Fee;"
Kein Unhold trägt nach mir Verlangen,
Kein Ungethüm in Sumpf und See -
In Deiner Arme Rosenkranze,
Umkreist von Deinem Elfentanze,
Bin ich so fest und wunderbar,
Wie Siegfried der Gefeyte war.

Und glaubet! selbst Siegfried, dem Degen
Gehörnet wenn auch und gefeyt,
Böt' ich um meiner Liebe wegen
Nicht allzu leichten Strauß und Streit:
Beschirmt von unsrer Liebe Geister
Würd' ich selbst dieses Reckens Meister,
Und hingestreckt von meiner Hand
Läg' er todtwund im rothen Sand.
(S. 119-120)


VIII.
Wie die frommen Lämmer weiden
Auf der grünen Frühlingshuth,
Also weiden meine beiden
Augen auf dir wohlgemuth.

Und die Lämmer, wo sie gestern
Just ein Blümchen abgepflückt,
Finden heut von seinen Schwestern
Doppelt reich den Platz geschmückt.

Aus den Augen fiel seit langen
Tagen Ein Blick nur auf mich,
Und es zeigten auf den Wangen
Nur zwei Rosenknospen sich. -

Kaum doch hatte ich empfangen
Jenes ersten Blickes Gruß;
Und die Röslein auf den Wangen
Wärmte kaum mein erster Kuß:

Als sie täglich sich vermehrten
Wunderbar von Stund zu Stund,
Jeder wirbt und bringt Gefährten,
Und so mehret sich der Bund.

Und in diesem Lustgewimmel
Taumelt nun mein Herz herum -
Das war wohl dein schönster Himmel,
Hellas! dein Elysium.
(S. 120-121)


IX.
In meiner Launen Wildgehege
Schweift Sie umher in Amazonentracht;
Und hat viel Wege schon und Stege
Unholde froh, unsichre frei gemacht.

Durch Ihrer Arme weich Umfangen,
Durch Ihr Gekos' und sanftes Minnespiel
Ist äußre Rauheit mir vergangen,
Worin ich irrend mir so wohlgefiel.

Voll Blumen steht der kahle Hügel
Des Herzens, seit Ihr Liebeshauch ihn wärmt,
Dem Geiste wuchsen starke Flügel,
Auf denen er das weite All durchschwärmt.

So lieblich bin ich umgestaltet,
Daß ich mich selbst bestaun' in holder Scheu:
Der tolle Kopf wird streng verwaltet,
Das wellenweiche Herz hält fest und treu.
(S. 121-122)


X.
Es ist ein muntres Thier,
Das flüchtig kommt und fleucht
Im dunklen Waldrevier,
Das ganz dem Liebchen gleicht.

Ich weiß ein Vögelein
Im grünen Auenreich,
Das singt so schön und fein,
Ganz meinem Liebchen gleich.

Oft glänzt am Firmament
Ein Stern im hellsten Schein,
Doch wer mein Liebchen kennt,
Sieht nur Ihr Aeugelein.

Von Blumen schweig' ich ganz,
Da kann kein Zweifel sein,
Die gleichen stets an Glanz
Und Duft dem Liebchen mein.

Und sage nur zum Schluß:
Was je für schön ihr nahmt
War stets in Form und Guß
Dem Liebchen nachgeahmt.
(S. 122-123)


XI.
Dort stürmt ein Haufe Demagogen
In toller Wuth hinab das Land,
Die Brust bewehrt mit Pfeil und Bogen
Das blanke Mordbeil in der Hand.

Es geht ihr Fluch und grauses Toben
Die Herrn von "Gottes Gnaden" an;
Ich kann ihr wildes Thun nicht loben -
Bin stets der treue Unterthan!

Nur darin etwas unterschieden,
Daß Du bist meine Königin,
Die mich in tiefsten Liebesfrieden,
Regiert nach eigenem Herzenssinn.
***

Und wer mich macht zum Proselyten,
Dem geht es ebenso dabei:
Er mag da schelten, drohen, bitten,
Mir ist es gleich und einerlei:

Ich glaube an den Geist der Liebe,
Der mir aus Dir zu Herzen spricht;
Ich glaub' und hoff' auf ihn und übe
Mit Lust und Liebe süße Pflicht.
(S. 123-124)


XII.
So innig in dich
Bin ich eingegangen,
So innig von dir
Wurde ich empfangen:
Zwo irre, lechzende Flammen
Vermochten's und glühten zusammen.

So inniglich weich
Ist dein Herzensbette,
So inniglich sanft,
Der es nahm zur Stätte:
Zwei Tropfen, die einsam schwammen,
Vermochten's und quollen zusammen.

Und weil du dein Herz
Mir dargibst zur Wohnung,
So sinne ich nach
Um gerechte Belohnung:
Umhüll' dich mit meinem Namen,
Dann sind wir als - Eins beisammen.
(S. 124-125)


XIII.
Wie war denn das, Herzliebster, sag',
Eh ich dich recht erkannte
Und dich Herzliebster nannte,
Wurd' ich bei deinem Anblick zag?

Ich war verwirrt, verstimmt, zerstreut,
Ja ängstlich und beklommen
Sobald du angekommen,
Und heimlich war ich doch erfreut!

Dann, wenn du gingst, da war es so:
Es war, als sei mein Frieden
Zugleich mit dir geschieden,
Und heimlich war ich wieder froh.

Ich hoffte dich, ich wünschte dich,
Ich stand am Söller Spähe,
Doch merkt' ich deine Nähe,
So war ich blöd und ärgerlich.

Mir war dein Anschau'n bittre Last;
Doch war ich eifersüchtig,
Wenn du nur einmal flüchtig
Wo andershin gesehen hast.

Mit Einem Wort, es war recht arg:
Ich meinte dich zu hassen
Und mußte dich umfassen,
So sehr ich's mir und dir verbarg.
***

Das spielet nach zwei Seiten:
Es war der Herzen Streiten,
Und mein allmälig Siegen -
Des Deinen mit dem meinen,
Des meinen mit dem Deinen -
Wollt' Keines gern erliegen.

Ja Keines wollt' erliegen,
Und wollte Jedes siegen;
Es ist das Ueberwinden
Im Felde wie im Herzen,
Im Ernste wie beim Scherzen
Ein stolzes Lustempfinden! -

"Und ist dann Eins erlegen?"
Ja wohl, zu beider Segen!
Auf daß nach Kampfesnöthen
Der halb erschöpfte Sieger
Und ganz erschöpfte Krieger
Versöhnt die Hand sich böten -

Die Hand zum ew'gen Bunde:
Daß Eins des Andern Wunde
Mit Liebebalsam heile;
Und bis zum letzten Tage
Geduldig Lust und Plage
Eins mit dem Andern theile.
(S. 125-127)


XIV.
Sag', mein Lieb, was soll ich werden,
Soll ich streben nach der Höh',
Wo ich ohne Rangbeschwerden
Ganz allein und einzig steh'?

Soll ich zielen nach der Mitte,
Wo man Fest- und Fasttag hält,
Ob der Zweite oder Dritte,
Wenn uns nur die Noth nicht quält?

Soll ich nach der Freiheit ringen
Adlern hoch in Lüften gleich;
Oder soll ich mich verdingen
Einem Herrn im Kaiserreich?

Sag, was willst Du, daß ich werde,
Denn ich werde, was du willst -
Traun! mein sei die halbe Erde,
Wenn Du ernstlich es befiehlst.

Denn mein Herz ist nur zu stillen
Durch dein vollstes Glück allein,
Alles, Alles deinetwillen
Oder - nicht dein Liebster sein!

Sprach die Liebste: Deinem Triebe
Folge und sei Mensch und Christ!
Ich will nichts als deine Liebe
Und dein Leben, wie es ist.
(S. 127-128)


XV.
"Weß' ist denn der Tag im rosigen Schein,
Weß' die Nacht?" - Tag und Nacht sind mein!
Doch der Tag, der mein, die ambrosische Nacht
Sei Liebchen, Dir zum Präsent gemacht!

"Weß' ist denn der Kopf, der Gedanken Hain,
Weß' das Herz?" - Kopf und Herz sind mein!
Doch der Kopf, der mein, so der Wünsche Schacht
Sei Liebchen, Dir zum Präsent gebracht!

"Weß' ist denn dein Name so rühmlich und rein,
Weß' dein Gut?" - Gut und Ruf sind mein!
Doch das Gut, das mein, der erkämpfte Ruhm
Gehört Dir, Liebchen als Eigenthum!

Aus Dir kam die Liebe, die Alles schuf,
Die Gedanken, das Gut und den schönen Ruf;
Darum Alles, was mein jetzt ist und wird sein,
O, trautes Liebchen, sei dein, sei dein!
(S. 129)


XVI.
Sie blicket heraus, Sie blicket herab
Mit leuchtendem Blick auf die Straßen,
Bis ich sanft winke mit Augen und Stab
Der holden, jungfräulichen Blassen.
Mein Auge spricht, es winket der Stab:
"Komm' auf ein Wörtlein herab, herab!"

O, süßestes Wort, das ich dann flöße,
O Blick, o Druck, den ich blicke und drück',
O, meiner Wonnen unendliche Größe -
Gibt Alles versüßt und doppelt zurück!
(S. 129-130)


XVII.
"Was thätest du wohl wenn du mich nicht hast?"
Ich weiß es nicht und mag's nicht ersinnen;
Doch sieh, was muß ohne Segel und Mast
Ein Schiff auf wüstem Meere beginnen!

Nun aber, wenn ich dir fehlte, wie dann?
"Ich weiß es nicht und mag's nicht erforschen;
Sieh dort am Felsen die Ceder an,
Einsam wie sie steht, so muß sie vermorschen!"
(S. 130)


XVIII.
Horch, wie das Schwälblein schwärmt!
Sagt sie;
Fühl', wie die Sonne wärmt!
Sag' ich.
Die Schwälblein aus ihren Lippen,
Die singen ein Liebeswort,
Ruh'n auf eburnen Klippen -
Auf ihren Zähnen - dort.
Der Strahl aus dunklem Grunde
Ist - meiner Augen Strahl:
So letzen mit Aug' und Munde
Wir uns unzähl'ge Mal.
(S. 130-131)


XIX.
"Komm' doch zu mir herauf!"
""Nein, Schatz, ich bleib' Parterre;
Komm' Du zu mir herab!""
"Die Hälfte Weg's, nicht mehr."

Dann eilt sie fliegend herab;
Ich fliege eiligst hinauf,
Und seht, dieser Flug und Trab
Ist all unser Lebenslauf!
(S. 131)


XX.
"Wo bist Du am weichsten?"
Wo Du am härtesten bist:
Am Kopf!
"Wo bist Du denn am reichsten?"
Wo Du am ärmsten bist:
Im Herzen!
"Wo bist Du denn am zähsten?"
Wo Du am brechlichsten bist:
Im Treusein!
"Was thut Dir denn am wehsten?"
Was Dir ein Spaß nur ist:
Der Zank!
"Wann ist Dein Herz am vollsten?"
Wenn Dein's am leersten ist:
Bei Dir;
Denn immer treibst Du's am tollsten,
Wie selbst Dein Ausspruch ist -
Bei - mir!

So zanken wir; doch unser Streit
Nimmt stets dasselbe Ende:
Gäh schlägt es um in Zärtlichkeit,
Dann drücken sich zwei Hände.
(S. 132)


XXI.
O, du junges, süßes Leben,
Holdes Maienröslein Du!
Bist zum Lieben mir gegeben,
Mein zur Unruh' und zur Ruh'.

Kann mich letzen, kann mich laben,
Kann mich freuen Nacht und Tag,
Kann auch meinen Jammer haben,
Wenn ich ihn nur haben mag.

Kann dein Bildniß küssen, herzen;
Schwelgen in Liebseligkeit;
Kann in Herzeleid und Schmerzen
Mich versenken jederzeit.

Kann Dich treu und zärtlich hegen,
Deines Lebens Wonne sein,
Kann Dir rauben Glück und Segen,
Stürzen Dich in Noth und Pein.

Alles kann ich aus Dir schaffen,
Ganz gegeben bist Du mir;
Doch ich lege meine Waffen
Und mich selbst zu Füßen Dir!

Was dann Du mir zu Gefallen
Thun willst, gib Dir Liebe ein -
"Ach, Herzliebster, hold in Allen
Sanft und zärtlich will ich sein!"

"Bist ja, o, du junges Leben,
Muntrer Frühlingsvogel Du!
Mir zur Liebe dargegeben -
Trotz der Unruh' meine Ruh'!"
(S. 133-134)


XXII.
Sieht Holde, Dich mein Auge nur an,
So wird mir froh und wohl zu Muthe;
Das hast Du mir wohl angethan
Du Mienenholde, Herzensgute!

Du bist fürwahr so hold, so mild,
So süßerquickend ist Dein Lächeln,
Wie Nachts das traute Mondenbild,
Im Mai der Rosendüfte Fächeln!

Drum laß, o Mienenholde, mich
Dein reizend Antlitz stets genießen,
Und laß, o Herzensgute, Dich
Mein stetes Anschau'n nicht verdrießen!
(S. 134)


XXIII.
Am Tage war's nicht viel,
Da waren wir zu scheu
Zum trauten Minnespiel,
Zum Geben Treu um Treu.

Sprach Sie mich jählings an,
Gab's mit der Antwort Noth,
Sah ich Sie schärfer an,
Ward gleich die Wange roth.

Doch wenn der Abend kam
Mit seiner Dämmerung,
Verging die blöde Scham,
Und löste sich die Zung'.

Da that sich auf das Herz,
Das lang verrammelte,
Und brach hervor der Scherz,
Der angesammelte:

O sieh, der Abendstern,
Ruft Sie, wie schön er glänzt!
Und sag', hast Du mich gern?
"O, Herzchen, unbegränzt!"

Er heißt auch Liebesstern -
Scherz' ich - und Hesperus -
Hast Du wohl auch mich gern?
Die Antwort ist - ein Kuß!

Steigt dann der Mond empor,
Geschieht ein Sternenfall,
Erstrahlt ein Meteor,
Schlägt eine Nachtigall -

Wir nehmen Alles an,
Wir deuten Alles so,
Als sei's für uns gethan,
Frägt Keines - wie noch wo?

Ruft keines hu! noch ha!
Wir wissen doch darum:
Gott gab der Liebe ja
Die Welt als Eigenthum!
(S. 135-136)


XXIV.
Und weißt Du wieviel Geister sind
In eines jeden Menschen Leib?
Du glaubst nur Einer, holdes Kind!
Der Liebegeist, dein Zeitvertreib.

O glaube das, ob's falsch auch sei,
Und hab' des Glaubens fleißig acht!
Nur wisse auch: ich fühle zwei,
Doch ist erst Einer aufgewacht.

Und Beide können - das ist schlimm!
Nie friedlich bei einander sein:
Sie hassen sich wie Lieb' und Grimm
Und dringen wüthend auf sich ein.

Und Einer muß zu Grunde geh'n,
Muß, muß, da ist bei Gott Pardon! -
Da fiel Sie mir mit bangem Fleh'n
Ans Herz und rief: "O schweig' davon!

O schweig' davon, erweck' ihn nicht,
Mir graut, dein Reden ruft ihn wach!"
Herzliebste, nein, solch' Reden nicht,
Sein Auferweckungsruf heißt: - Ach.

Das fluch- und racheschwang're - Ach!
Doch dieses, noch so leis und schwach,
Durchzittert hell sein Schlafgemach
Und rüttelt schnell den Schläfer wach.

Drauf, augenblicklich riesengroß,
Erhebt er sich mit Zorngestrampf,
Ergreift und spannet sein Geschoß
Und rüstet sich zum Todeskampf.

Dann wird des Herzens Blumenland
Ein blutgetränktes Leichenfeld,
Gestürzet wird, was heilig stand,
Was niederlag, wird aufgestellt -

Die zwei - hier hätt' ich sie genannt
Zu meines Liedes Sinn und Schluß,
Da ward mir gäh das Wort verbrannt
Mit einem heißen Bittekuß.
(S. 137-138)
_____



Traumlieben

Ich harre Dein,
Mein trautes Lieb,
Im Myrthenhain
So bang und trüb.

Ich harre Dein
So trüb und bang
Im Myrthenhain
Schon tagelang.

Wohl saust der Wind,
Der Regen fällt,
Die Wege sind
Gar schlecht bestellt.

Und Dein Gesicht
Ach, ist so fein:
Pur Rosenlicht
Und Lilgenschein!

Wie Zephyrkuß,
So zärtlich weich,
Berührt Dein Fuß
Das Blumenreich -

Doch Liebste, sieh!
Ein liebevoll
Gemüth scheut nie
Des Himmels Groll.

Geht wohlgemuth
Und hochbeseelt
Trotz Wetterswuth
Durch alle Welt -
***

Ich war versunken in tiefen Traum,
Da naht es leise wie Blatt und Flaum,
Als Flaum und Blatt
Noch leiser trat
Mein Liebchen zu mir im Raum.

Sie haucht mich wach mit zärtlichem Kuß,
Sie singt mich wach mit lieblichsten Gruß,
Ihr Hauch und Sang
Uebt süßen Zwang:
Macht Kummer zu Hochgenuß!

Sie spricht ein inniges, warmes Wort,
Das scheucht mir Zweifel und Sorge fort,
Für Sorg' und Wahn
Läßt Sie empfah'n
Mein Herz den Glaubenshort.

Drauf schlägt Sie an's Herz ein gülden Schloß,
Und stellt zwei Wächter hin riesengroß,
Das Schloß, die zwei
Bewachen treu
Den Schatz im tiefen Geschoß. -

Doch, wer sie sind die mächtigen Zwei
Und was das Schloß, das güld'ne sei?
Das zeigt kein Licht,
Das hört sich nicht -
Ist mit dem Traume vorbei.
(S. 139-140)
_____



Maiwandel

I.
Geh', Liebste, geh',
's Ist nicht verfrüht,
Sieh, Alles blüht -
Die Kirsch und Schleh',
Der Mohn und Klee,
Und Duft versprüht
Die Kress' am See!
Spazier'
Mit mir
Zu Thal und Höh',
Zu Höh' und Thal,
Weil Alles glüht
Im Farbenstrahl,
Weil nichts mehr fahl
Und lebensmüd! -
Du blühst ja auch
Nach Frühlingsbrauch:
Bist roth und blau
Wie Feld und Au;
Strahlst weiß und golden
Wie Blumendolden!

Das Vöglein singt
Im Hag so sehr,
Der Falter schwingt
Sich nebenher;
Das Käferlein,
Die Biene auch
Umsummt im Hain
Den Blüthenstrauch;
Die Winde weh'n
So mild und lau,
Die Blumen steh'n
Im Morgenthau -
Horch - flöten und geigen
Zum Wesenreigen!

Drum, Liebste, geh'
Nicht säum', nicht säum',
Mich drängt es sehr,
Zu Thal und Höh',
Ich kann daheim
Nicht weilen mehr!
(S. 141-142)


II.
Und wie wir durch die Felder gingen,
Da war um uns ein Lieberingen,
Dazu ein Singen und ein Klingen,
Dabei ein Klettern und ein Springen,
Ein Senken, Schwenken, Wirbeln, Schwingen,
Ach, ein unendliches!

Und wie wir durch die Auen zogen,
Da war um uns ein Blumenwogen,
Und über uns ein Blüthenbogen,
Da ward gerastet und geflogen,
Geliebkos't ward da und gesogen
Ach, so unendlich süß! -

(Arie I.)
Laß dich lieben, o Holde!
Und liebe mich auch,
Es ist ja im Maien
So Weltenbrauch.

Laß dich küssen, o Traute!
Und küsse auch mich,
Liebkoset ja Alles
In Maien sich.

Laß dich umarmen, o Herz!
Und umarme mich fest,
Weil ja Keines vom Andern
Im Maien läßt.

Laßet uns lieben, lieben,
Ja lieben mit Kraft,
Weil der milde Gebieter,
Der Mai es schafft! -


Und wie wir dann den Wald betraten,
Da gab's in seinem braunen Schatten
Nur Freier rings und sel'ge Gatten;
Und Jeglich ging so gut von statten:
Die Väter fanden Kinderpathen,
Die Mütter weiches Moos und Matten,
Und all die Waldgeschöpfe thaten
Ach, so unendlich lieb! -

Und wie wir bald am See ankamen,
Da war ein Blitzen und ein Flammen,
Süß liebgepaart und eng beisammen,
Um Angel unbesorgt und Hamen,
Die tausend Fisch' und Fischlein schwammen,
Es spielten ihre Liebesdramen
Die Bräute hold mit Bräutigamen -
Ach, so unendlich schön! -

(Arie II.)
Dir in den Armen,
Du mir am Herzen,
Dem liebenden, warmen,
Wo gäb' es da Schmerzen!

Die Seelen sind Bronnen,
Nur muß da für Wellen
Ein Meer von Wonnen
Den Tiefen entquellen.

O Leben, o Lieben,
O Lieben, o Leben,
Wer soll dich nicht üben
Gott dankergeben!
(S. 142-145)
_____



All-Liebe

O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern,
Seit sich ins Herz begeben
Der Liebe Wunderleben!

Das Vöglein, das den Lenz besinget,
Was froh im Feld und Walde springet;
Was in der Fluth, im Staube schaltet,
In Tropengluth, im Polfrost waltet,
O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern!

Das Gras, der Erde grünen Teppich,
Den stolzen Baum umrankt von Eppich,
Der Blumen Königin, die Rose,
Das Aehrenfeld, die duft'gen Moose -
O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern!

Den Kieselstein, den Wellen küßen,
Den hohen Fels, den Wolken grüssen,
Die Erze tief im Bergesdunkel,
Den wunderbaren Lichtkarfunkel,
O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern!

Die weite Welt in festem Baue,
Das sie umspannt, das Zelt das blaue,
Das Feuer in dem leichten Schwunge,
Das Wasser mit der Plauderzunge -
O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern!

Doch Eins lieb' ich vor Allen innig,
Das ist mein Liebchen hold und minnig,
Das mir das süße Wunderleben
Der Liebe hat ins Herz gegeben -
Das hab' ich nah und fern
Gar über Alles gern!
(S. 145-147)
_____



Omen

Seit ich mich gab der Liebsten hin,
Gehört Ihr auch mein Streben,
Ich muß im Kreise um Sie ziehn,
Ein Mondgang ist mein Leben.

Ich sende meinen Blick ins All,
Ich send' ihn auch auf Erden,
Ob ich auf meinem Gang einmal
Doch könnte irre werden?

O nein, o nein, ich werd' es nicht,
Durch Liebesblicke, Liebeshulden
Verwandelt Sie mein Recht in Pflicht,
Mein Thun in süßes Dulden.

Und weil es ist, so sei es dann,
Ein Narre, der da grübelt,
Ein Narre auch der weise Mann,
Der mir mein Thun verübelt!

Doch hei, mein Lieb, was war es just -
Scholl's nicht wie höhnisch Lachen;
Was gab den Stich durch meine Brust,
Den schmerzhaft siebenfachen?!
(S. 147-148)
_____



Beim Scheiden

Da steh' ich - und soll fort! -
Gebannt steh' ich, gehemmt,
Wie oft das gute Wort
Bei stillem Zorn sich stemmt.

Geh' fort, mein Fuß, ach geh',
Zu End' ist Tanz und Spiel
Geh' fort trotz Angst und Weh,
Hier ist nicht unser Ziel!

Ach unser Ziel, das steckt
So fern von da, so fern,
Von Nebeln überdeckt
Ein zweifelhafter Stern!

Doch läg' es noch so fern
In düst'rem Nebelschein,
Und blieb' ich noch so gern,
Es muß errungen sein!

Sei stark, du meine Hand
Und schwer, wie schweres Blei,
Der Liebe Zauberband,
Das reiße jetzt entzwei!

Sei stark auch du, mein Herz,
Und hart, wie harter Stahl,
Besteh' den eignen Schmerz
Zu lindern fremde Qual!

Und nun mit Gott, rasch fort,
Die Welt hinauf, hinab -
Getauscht nur für den Hort
Soll sein mein Wanderstab.

Ein Rößlein im Galopp -
Das soll dein Zeichen sein!
In tausendem Galopp
Sprengt dann zum Thor herein -

Geritten im Galopp,
Ein Reiter schmuck und fein,
Der ruft: Herzliebste, topp,
Nun bin ich da und - Dein!
***

Ach, könnt' ich nur indessen
In Deiner Seele Grund
Bis zu der großen Stund
Mein Angedenken pressen!

Ich zöge leichten Sinnes
Dahin landaus, landein,
Ob Sturm, ob Sonnenschein!
Ganz sicher des Gewinnes.

Und was ich hätt' errungen
An Gut und Ruhm und Zier,
Das brächt' ich Alles Dir,
Dem Herzen unbezwungen!

Und nun, so sei's geschieden,
Du liebes Herz, ade!
Gib mir das ganze Weh,
Dir bleibe Himmelsfrieden!
(S. 149-151)
_____



In der Fremde

I.
Schlägt im Busen, im weltenweiten
Ach, ein Herz voll Verlangen,
Möchte meine Arme ausbreiten
Eine Welt zu umfangen -

Meine Welt in mailicher Pracht,
Wo schwere, duftige Rosen,
Hold von Liebesgeistern bewacht,
Mit keuschen Lilien kosen -

Wo zwei Sterne, zwei silberhelle
Mich so huldig beschauen;
Wo aus rosiger Wunderquelle
Liebe rauscht und Vertrauen -

Du mein mailiches Eigenthum,
Mein junges Liebchen, mein Leben!
Könnt' ich athmen um Dich herum,
Was wollt' lassen und geben!

Nur so lang, wie im Odemzuge
Möcht' ich seh'n Dich und fragen
Nur drei winzige Wort' im Fluge;
Nur drei Worte Dir sagen!

Himmel! diese einzige Gunst,
Dies eine Glück mir gewähre,
Daß der Sehnsucht lodernde Brunst
Mein armes Herz nicht verzehre.
(S. 151-152)


II.
Geh' ich oft betrübt und bang,
Weil ich nicht beim Liebchen bin,
Meilenweit am Fluß entlang,
Ist die Rückkehr mein Gewinn.

Bin gebunden, bin gehalten,
Da und dort, wo ich nicht heim,
Wo ich unter Truggestalten
Schwer den Traum des Lebens träum'.

Drum ist stockend stets mein Gang,
Aehnlich meinem Lebensglück,
Und in Sätzen kurz und lang
Wandle ich zur Stadt zurück.

Dann noch einmal vor den Thoren
Seufze ich zum Himmel auf:
"Wieder, ach, ein Tag verloren
Aus dem Liebelebenslauf!"
(S. 153)


III.
Von der Eiche schaurigem Wipfel
Hörst du Seufzer weh'n,
Auf des Berges schimmerndem Gipfel
Siehst du oft mich steh'n.

Siehst mich, bis die Augen vergehen,
Schau'n ins Abendroth,
Bis sie beide im Wasser stehen
Tief vor Liebesnoth;

Horchen, wie die Vögel sich letzen
Unten in dem Hain,
Bis sie mich in Wirbel versetzen
Zwischen Sein und Schein.

Sind mir dann die Augen vergangen,
Flirrt es wunderbar:
Bald wie Liebchens rosige Wangen,
Bald wie goldnes Haar.

Gar Ihr süßes, liebliches Flüstern
Klingt mir an das Ohr,
Aus den dunklen Föhren und Nüstern,
Aus dem Busch hervor.

Liebchen, Liebchen! hörst du mich jammern
Dann mit dumpfem Schrei,
Siehst den Baum gewaltig umklammern
Mich in Schwärmerei.

Bis das Aug' die Thräne gesogen,
Bis der Waldchor schweigt,
Bis empor aus des Wahnes Wogen
Das Bewußtsein steigt.
(S. 154-155)


IV.
Mein jäher Wunsch oft ist,
Da Du mir ferne bist,
Zu wissen, was Du just
Zur Stunde denkst und thust?

Ob Du in Träumen liegst
Und Dich in Wonnen wiegst,
Daß ich mit Herz und Sinn
So ganz Dein Liebster bin?

Ob Dir nicht öfter leid,
Daß ich kein Ehrenkleid
Anhab', kein Gräflein bin,
Nur "Minnehold" schlechthin?

Daß ich nicht höher schoß,
Kein Land hab' und kein Schloß;
Daß mich nicht Schönheit schmückt,
Die jedes Aug' entzückt?

Ob Dir nicht jezumal
Ein warmer Augenstrahl
Gen einen Andern fährt,
Der stille Minne nährt?

Ob Dir kein mild'res Wort
Entlockt manch' mildes Wort;
Ob doch mit steter Treu
Dein Herz mein eigen sei?

Das wüßt' ich oft so gern,
Weil ich einsam und fern
Voll Sehnsucht und voll Weh
Im weiten Land umgeh'.
(S. 155-156)


V.
Doch wie ich so voll Weh
Im weiten Land umgeh',
Wird mir das Sprüchlein wach,
Das einst die Liebste sprach.

Sie sprach: - es war schon Nacht
Und Mond und Stern voll Pracht
Sah nieder auf das Land;
Sie griff um meine Hand

Und sprach: - So lang der Mond
Die heil'ge Nacht besonnt
Und ihn mein Auge schaut,
Bleib' ich Dir zugetraut!

Und Du? - mich fröstelte,
Mein Leib erzitterte
Im Klang der Lust - und Du,
Was schwörest Du dazu?

Wenn längst des Mondes Schein
Verlosch, bin ich noch Dein,
Dein, wenn die Sterne lang
Die alte Nacht verschlang!

Sprach ich. - Da wars mir Eins
Um mich voll hellen Schein's
Und was ich hört' und sah,
Das kommt dem Wunder nah:

Der stille Mond, der sprang,
Die taube Erde sang,
Das rege Herz, das stand,
Der kluge Kopf empfand.

Drauf war der hohe Akt:
Des Zeitstroms Katarakt
Stand still und glutdurchhaucht,
Darein nun ward getaucht -

So wie man stählet Erz -
Mein und der Liebsten Herz,
Dann schnell von mag'scher Hand
Gezogen aus dem Brand!

Da schlug in höh'rer Lust
Ein jedes in der Brust,
Und eins für's andre schlägt,
Wo auch die Brust es trägt.
(S. 156-158)


VI.
O, daß die Schrift erfunden,
Und daß es Post und Boten gibt!
Sonst stürb' an Sehnsuchtswunden
Manch' armes Herz, das ferne liebt.

Ich wäre selbst verschieden,
Gewiß des Kummers schon,
Denn aller Trost und Frieden
Ist längst in Seufzern mir entflohn.

Doch fehlte Schrift und Bote,
Ich zöge dann von Liebchens Ort
Um's Gold im Morgenrothe
Nicht über Steinwurfweite fort!

So aber kann ich schreiben,
Wie mir um's treue Herze sei,
Und fleh'n, Sie möge bleiben
Dem treuen Herze hold und treu.

Kann sagen Ihr und fragen,
Was in der weiten Welt geschieht,
Und was sich zugetragen
Bei Ihr, seit Sie mich nimmer sieht?

Kann schreiben und Sie necken
Als hätt' ich dies gehört und das,
Kann schreiben und Sie schrecken,
Als gäb' es mit mir selber was.

Mein ganzes Herz ausgießen,
Gar weinen kann ich ins Papier,
Ein Löckchen Haar beischließen,
Das mehret keine Postgebühr.

Das Alles kann ich treiben
Und schreiben; treib' und schreib' es auch:
Das Liebesbriefchenschreiben
Ist doch ein schöner alter Brauch!
(S. 158-159)


VII.
Im Posthof weile ich am Schalter,
Wo man die Briefe giebt hinein,
Wie an der Blume weilt der Falter -
Mein Brief darf nicht der erste sein!

Sieh, ein Hebräer kommt und wälzet
Hinab sein mächtiges Packet;
Dann kommt ein Dandy angestelzet
Mit einem zierlichen Billet.

Commis', Lackeien, Mägde, Buben,
Leicht aufgeschürzt, wie sie zu Haus
In ihren Buden geh'n und Stuben,
Die packen hier ihr Krämchen aus.

Und husch! wirft Eines nach dem Andern
Sein Briefchen in die Kastengruft -
Ein Weilchen Ruh', dann heißt es wandern,
Die Peitsche knallt, das Posthorn ruft -

Nach Ost und West, nach beiden Polen,
Dahin nach allen Radien,
Müßt Kunde bringen, Kunde holen
Aus allen Lebensstadien!

Jetzt schwankt daher mit Gramgeberde
Ein Jüngling - sieh, ein Sämann streut
Sein Körnlein zagend in die Erde,
Fast hat die Aussaat ihn gereut!

Der Brief - wem der wohl zugehöret? -
Doch sieh! ein herzig Mägdlein naht,
Ei, ei, das hat die Lieb' bethöret,
Wie roth es ward, wie scheu es that!

Die Lieb' bethört! - mit Blitzesschnelle
Dann fliegt mein Briefchen auch hinein,
Daß es sich engstens beigeselle
Die Liebespein der - Liebespein!
(S. 160-161)


VIII.
Wenn dann mein Herz in Sehnsuchtsgluten
Sich hat versenget und verbrannt,
Da kommt auf einmal von der Guten
Ein zartes Brieflein eingesandt -

Ein Brief! ein Brief!
Ertönet jede Leibesfiber,
Des Lebens Elemente klingen,
Die Pulse hüpfen froh und singen:
Ein Brief! ein Brief!
Ein ganzer Himmel zieht vorüber.

Gepresset an den Mund,
Gedrücket an die Brust,
Ist mir schon magisch kund
Des Briefes inn're Lust.

Und erst, wenn schon verrauschet
Der Sturm, erbrech' ich das Sigill
Und stelle mich schön unbelauschet,
Und lese tiefgeheim und still.

Auf daß in Keines Ohren dränge
Des süßen Liebeshauches Weh'n;
Damit es Niemand's Aug' gelänge
In meinen Bildersaal zu seh'n.

Ein güld'nes Kästchen wenn ich hätte
Besetzt mit Steinen auf und um,
Das müßte sein die Liegestätte
Für Liebchens Evangelium.
(S. 161-162)


IX.
Ein Bild, so weich und licht
Wie purer Sonnenstrahl,
Kommt vor mein Angesicht
Des Tag's vielhundertmal.

Jetzt kommt es aufgetaucht
Als Aug', mildblau und schön;
Dann rosig hingehaucht
Auf sanfte Wangenhöh'n.

Drauf kommt es golden gar
In leichtem Wellenschwung,
Und spinnt vom Haupt als Haar
Sich in die Niederung.

Dann bricht korallenroth
Es wie ein Blümchen auf,
Das nie den Kuß entbot,
Wo keiner ruht noch drauf -

Doch hei, was sag' ich - nein!
Es ist nicht so, nein, nein!
Einmal beim Mondenschein
That ich's und - hieß Sie mein!
***

Und seit ich's that und mein Sie hieß,
Trieb mich aus Dorf und Stadt
Zu Bergen grün und Ebenen
Die süße Frevelthat.

Und seit ich's that und hieß Sie mein,
Geh' ich der Ruhe bar
Auf Bergen grün und Ebenen
Ein herzzerstückter Narr.

Ich küßte Sie und hieß Sie mein,
Die Allerschönst' im Land!
Triumph, ihr Berg' und Ebenen,
Daß ich mich unterstand! -
***

Des Tags vielhundertmal
Schwebt vor mein Angesicht,
Wie purer Sonnenstrahl
Ein Bild so weich und licht.

Ihr blauen Aeuglein, ihr,
Was wollt ihr denn, sagt an?
Ein Weilchen schau'n an dir,
Du herzenslieber Mann!

Ihr rothen Wänglein, ihr,
Was wollt ihr denn, sagt an?
Ein Weilchen glüh'n an dir,
Du jugendwarmer Mann!

Und du, mein Blümchen, du,
Was willst doch du bei mir?
Mein Duft bringt dir die Ruh',
Die du verloren hier!
(S. 162-164)


X.
Ach, ist's denn nicht genug,
Daß ich mit Liebesschmerzen
Und stillen Eifers Sorgen
Dich trage tief verborgen
Mit mir herum im Herzen -
Ist es denn nicht genug?

Und sieh, mein theures Lieb!
Du kommst mir allerwegen
In Deiner Anmuth Prangen
Bald sinnend ernst gegangen,
Bald tanzend froh entgegen -
Warum denn theures Lieb?

Ich weiß ja wo Du bist
Und kann, wenn meine Wunden
Im Schmerz der Sehnsucht bluten,
Hineilen zu Dir Guten
In etlich Tag' und Stunden -
Ich weiß ja wo Du bist!
(S. 165)
_____



Heimkunft

I.
An mein Herz
Sieh doch, mein Herz, wie sonderbar
Du bist, als ich noch ferne war,
Da triebst du ohne Rast und Ruh',
Kaum bin ich da, so schweigest du.

Ich wandle Säle ein und aus,
Besuche Hof und Gartenhaus,
Die Laube, sonst so lieb und traut -
So brause doch, Herz, schlage laut!

Jüngst hieß es, daß Sie frägt nach mir,
Da sprangst du aus dem Busen schier;
Nun bin ich da und du vergißt
Zu fragen, wo Herzliebchen ist!

Der Rappe stand in Schaum und Schweiß,
So jagt' ich ihn auf dein Geheiß;
Und nun du bist am Gnadenort,
Ist all dein heißes Sehnen fort.
***

Sieh, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt;
Selbst noch im weiten, weiten Meer
Kämpft rastlos fort das Wellenheer
!
(S. 166-167)


II.
Des Herzens Antwort
Mir ist es ja schon Hochgenuß,
Wenn ich nur bin, wo Liebchens Fuß
Die Gräser sanft und Blümlein bog,
Wo Es geblickt und Odem sog.

Ach, Berge, Bäume, Busch und Strauch,
Ach, Blumen, Gräser, Kohl und Lauch,
Seid mir willkommen, seid gegrüßt
An mich gedrückt und heißgeküßt!

Mein Liebchen hing die lange Zeit
An euch mit Lieb' und Zärtlichkeit,
Seid gut, und gebt ein kleinstes Stück
Mir eures großen Glück's zurück!

"Zurück, zurück!" scholl's fern und nah,
Und Berg' und Bäume nickten: Ja!
Es nickte Blümlein, Lauch und Kohl,
Das that dem Herze herzlich wohl! -
***

Ei, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt -
Dem Meere zu, dem Meere zu,
Darein versenkt - ist Ruh', ist Ruh'!

Der ems'ge Schlängelgang ist aus,
Man sieht sich um im großen Haus,
Das kleine Würmlein wird zum Wurm
Und kennt hinfort nur mehr den Sturm:
Da freilich ist es fürchterlich,
Bäumt zischend auf gen Himmel sich,
Sonst wiegt und wogt es nur in Lust
Und drückt den Himmel an die Brust.
(S. 167-168)
_____



Mythos

In eines Herzens wildem Parke
Erschwang sich einst ein Wunderbaum,
Der trieb aus seinem edlen Marke
Dann Zweig und Ast weitum im Raum.

In seinem Blüthenduft und Schatten
Hat eine Seele sanft geruht,
Wie es am lieben Herz des Gatten
Das Weib in süßer Hoffnung thut.

Da ward sie denn einmal getrieben -
In einer Frühlingstrunkenheit -
Dem Baum ihr Glauben, Hoffen, Lieben
Zu weih'n für Zeit und Ewigkeit.

Die Seele band die Drei zum Kranze,
Den hing sie auf den Baum - o seht,
Hat je ein Kranz von solchem Glanze,
Auf irgend einem Haupt geweht! -
***

Der Wunderbaum ist abgestorben,
Verdorrt und kahl sind Zweig und Ast,
Und noch hängt fest und unverdorben
Daran des Kranzes schöne Last.

Der grüne Kranz am dürren Baume,
Das ist fürwahr ein seltsam Ding:
Als wenn ein überjunger Gauner
Am altersmorschen Galgen hing!
(S. 172-173)
_____



Schwermuth

I.
Wie ward es denn, du liebes Weib,
Da wir so gut es meinten,
Wie Glied mit Glied am Menschenleib,
Daß wir uns nicht vereinten?

Daß wir die Hand, wie And're thun,
Uns am Altar nicht gaben,
Daß du und ich getrennet nun
Uns gar auf ewig haben?

Du ließest dir vom falschen Glück
Den Kettenschmuck anlegen,
Und ich - das ist mein Schelmenstück! -
Warf mich nicht rasch dagegen.

Ich saß, wie jene Post ankam,
In Plänen tief versunken -
Die Pläne hat mein Gast - der Gram
Verzehrt, der Schmerz getrunken!

Den Gästen wuchs das süße Fett,
Mir schwand des Lebens Frische,
Ich ächzte auf dem Leidensbett,
Sie jubelten am Tische.

Bei ihrem Jubel, meiner Noth
War Stund und Tag verflossen,
Und bei dem ersten Zornesroth -
Mein Paradies geschlossen!
(S. 174-175)


II.
Du hast mich doch gewiß geliebt
Unendlich! - diesen Glauben,
Und wie es auch zu kämpfen gibt,
Kann keine Macht mir rauben!

Ich glaub' es anders einmal nicht,
Gedenkend all des Lieben,
Was ich als ewiges Gedicht
Mir in mein Herz geschrieben.

Ich glaub' und glaub' es anders nicht,
Gedenkend all der Zähren,
Die noch auf Brust und Angesicht
Ihr Lebensöl bewähren.

Kein Fleckchen ist auf dieser Hand,
Kein Plätzchen auf den Wangen,
Wo nicht von Deiner Lippen Brand
Die Kußesmale prangen.

Kein liebes Wort ward je gesagt,
Kein gutes je geschrieben;
Was je die Bangniß hat geklagt,
Die Freude hat getrieben -

Das hast Du auch zu mir gesagt,
Und o, wie oft geschrieben;
Hast ebenso gejauchzt, geklagt -
Ach, nichts ist unterblieben!

Drum, daß Du mich gewiß geliebt
Unendlich! - diesen Glauben
Kann, was es auch dagegen gibt,
Mir nichts auf Erden rauben!
(S. 175-176)


III.
Nicht ferne steht, nicht allzu tief -
Faßt stößt sie an des Auges Scheibe -
Die Thräne, die Erinn'rung rief,
Inweilen ich das niederschreibe.

Doch Thränen sind genug geweint,
Magst trocken nun, mein Auge, schweifen!
Wenn auch darin der Schmerz erscheint
Mit seinem dunkelblut'gen Streifen.

Auch will ich nicht zum Lobe mir,
Nur Dir zum Troste will ich sagen:
Wie Du an mir, hing ich an Dir
In jenen lieben Lebenstagen.

Und Alles, was ich je gethan
Zu Tadel mir und auch zu Hulden,
Was ich verlor, verdarb, gewann
Kommt Dir dereinst zu Lohn und Schulden!

Schon seh' ich nah'n die Erntezeit -
Die übersegensreich sein dürfte! -
Der Frevelsaat in Trunkenheit,
Die ich aus Deiner Liebe schlürfte.

Die Wunden, die mein Mißmuth schlug
Und so er schrieb, die blut'gen Zeilen,
Die magst Du sämmtlich mild und klug,
An den getroff'nen Edlen heilen.

Und kommt es einst zum Weltgericht,
Da will ich mich fest an Dich klammern
Und rufen: Herr, ich that es nicht,
Die da! mag für mich beben, jammern. -

Doch sei getrost, wohl schlägt es um
Mit mir noch einmal, eh ich sterbe,
Und wird, daß ich mir Ehre, Ruhm
Und Rang für Schimpf und Schmach erwerbe.

Dann wiederum beim Weltgericht
Will ich mich jubelnd zu Dir ringen
Und rufen: Die da! Herr, ich nicht
Mag selig sein und "Sanktus!" singen. 
(S. 176-178)


IV.
Auch will ich nicht zum Lobe mir,
Nein, Dir zum Troste will ich sagen:
Wie Du an mir, hing ich an Dir
In jenen bessern Tagen.

Ich trug Dich still im Herzensschacht
Umspielt von jungen Lustgedanken,
Bis oft in heller Liedespracht
Du brachest Haft und Schranken.

Ich schnitt in tausend Bäume ein,
Ich schrieb an Kreuze und Kapellen,
Ich grub ihn ein in harten Stein
Und hauchte ihn auf Wellen -

Ich sprach ihn zu den Sternen hin,
Den Winden gab ich - Deinen Namen,
Ich ließ ihn mit den Pilgern ziehn,
Die weit gewandert kamen.

Ich füllte Kopf und Herz so voll
Mit Deines Wesens Herrlichkeiten,
Daß noch zur Stunde nicht der Groll
Hat Raum sich auszubreiten -

So voll, daß noch zur Stund' der Schmerz
Erdrücket wird von Lustgefühlen,
Daß gütlich ruht mein krankes Herz
Auf den Gedächtnißpfühlen! -

Deß' Allen hab' ich keinen Dank
Und will - wie gern! - darauf verzichten,
Es soll nur, bis ich untersank,
Mich vor mir selber richten.
(S. 178-179)


V.
Oft blitzt es auf geheim in mir -
Am äußersten Gedankenrande
Wenn Du der Frau'n vielschönste Zier
Auf einmal sprengtest Deine Bande -

Doch nein, nicht Du! so könnte nur
Für mich der gute Zufall handeln,
Ein starker Machtspruch der Natur
Allein kann jählings Alles wandeln! -

Wenn Du durch einen jähen Ruck
Der alten Dinge hier auf Erden,
Wenn Du, der Frau'n vielschönster Schmuck
Mein heilig Eigenthum sollst werden;

Wenn gäh die Zeit vom Liebebruch
Wie eitel Schaum in nichts zerränne,
Daß ich mich, wie aus altem Buch
Des Schauermärchens - kaum entsänne:

Wie es doch wär', wie stark und sehr
Mein armes Herz abließ' vom Leide?
Ey wie! wie bei der Wiederkehr
Des Frühlings aufjauchzt Flur und Heide!

Wie es doch wär', wie sehr und stark
Gedienet wär' dem Leib, dem siechen?
Ei wie? - so wie mit Lust das Mark
Grünt, wenn die bösen Fieber wichen!
(S. 180-181)


VI.
Doch, weil es nicht geworden ist,
Und vom Geschicke nicht beschlossen,
Daß Du mir beigegeben bist
Zu meines Lebens Lustgenossen:
So magst Du sein mein Leidgesell,
Das offne Ohr für meine Klage,
Mein todtes Meer, mein reger Quell,
Aus dem ich schöpf', zu dem ich trage.
(S. 181)


VII.
Die Zeit, die mir verronnen
Mit Dir in süßem Liebverein,
Ist so erfüllt von Wonnen,
Wie mancher Tag vom Sonnenschein.

Ist so erfüllt von Wonnen,
Wie oft in ihrer höchsten Pracht
Im Glanz von Millionen
Entzückten Sternen schwimmt die Nacht.

Ist so voll Lust gedrücket,
Wie mancher Wiese grünes Vließ
Mit Blumen ist geschmücket,
Wenn just der Lenz sich huld'gen ließ.

Und wieviel Wellengrüße
Das Meer zur Sonne schickt,
Mit soviel Liebessüße
Ward da mein Herz erquickt.
***

Noch brennt der Sternenriese,
Im Glanz schwimmt nach wie vor die Nacht,
Voll Blumen steht die Wiese
Und umgeschwächt der Meeres Macht -

Rings Alles ist beim Alten,
Nur ich bin neu im Einerlei:
Voll Gram- und Hohngestalten
Fast endlos - eine Wüstenei!
(S. 181-182)


VIII.
Mir thut das Herz so weh,
Wenn ich der Zeit gedenk',
Fast wird vor Leid und Weh
Es hart und ungelenk.

Damals hat es so groß,
So voll in Dir geruht,
Wie in der Ebbe Schooß
Die ungestüme Fluth -

Wie groß mein Herz geruht,
Wie groß und voll in dir,
Das sei mit seinem Blut
Gezeichnet ins Papier!

Wozu ist sonst denn gut
Der wilde Flammenbach,
Bis mir in seine Glut
Das Haus zusammenbrach!
(S. 182-183)


IX.
Wenn ich auch ganz verstumme
Zuweilen lange Zeit,
Und meinen Schmerz vermumme
Ins Kleid der Fröhlichkeit;

Wenn mich auch Alles lobet,
Beneidet ob der Lust,
Es lebt doch fort und tobet
Der Schmerz in meiner Brust.

Es gehen Tag und Stunden
Am rothen Himmel auf,
Da bluten alle Wunden
Zum heißen Zährenlauf.

Da schwinden alle Künste,
Des Gleichmuths Kronwerk bricht,
Wie fauler Moorlandsdünste
Gebild im Sonnenlicht.

Dann steh' ich so verlassen,
So unheimlich allein
Wie an verruf'nen Straßen
Der alte Meilenstein.
(S. 183-184)


X.
Weil noch mit Strahlengruß
Zwei Augen nach mir schauten,
Und linden Thränenguß
Auf's glüh'nde Herz mir thauten;

Weil noch zwei Arme sich
Liebselig um mich schlangen;
Zwei Hände flehentlich
Nach mir Entferntem rangen;

Weil noch aus zartem Grund
Vor meines Blickes Glühen
Ein frischer Rosenbund
Sich hob mit raschem Blühen;

Und dann ein Jubelruf
In langem Kuß verschwebte;
Weil ich noch Wonne schuf
Und selbst in Wonnen webte;

Weil noch des Lebens Höh'n
In grüner Hoffnung lagen:
Wie war es doch so schön
In meinen Liebetagen -

Wie war es doch so ganz
Ein andres, sel'ges Walten,
Da sich im Rosenglanz
Der Lieb' die Tage malten!
(S. 184-185)


XI.
Doch Alles ist vorbei -
Die Augen seh'n verdrossen,
Aus denen Schwärmerei
Und milder Thau geflossen.

Die Arme sind gesenkt
Als lägen sie in Banden;
Kein Mensch der Hügel denkt,
Wo einst die Röslein standen.

Die hellen Jubel rief,
Die Brust ist dumpf geworden,
Das tönet nun so tief
In traurigen Akkorden.

Ich selbst bin auch nicht mehr,
Was ich zur Zeit gewesen,
Und läßt sich auch nicht schwer
Vom Habitus ablesen.
(S. 185-186)


XII.
Predigt
Und weil es denn so ist
Und bleibet immerdar,
Bis daß die alte Frist
Ein neues Kind gebar:
So komm', du junges Blut
Und laß dir predigen,
Ein Wort so ernst als gut
Will ich dir predigen!

"Zeit, Schönheit, Erdenlust
Verweht wie Spreu im Wind;
Das Glück such' nur du selbst,
Vergiß nie: es ist blind.

Das Erdenleben ist
Die Träume-volle Nacht,
Und wenn du endlich stirbst,
So bist du gäh erwacht.

Und dann, wie jetzt - du kannst
Mich einmal Lügen strafen! -
Frägt dich ein Mutterherz:
"Wie hast du, Kind, geschlafen?"

Und dann wie jetzt willst du
Den wirren Traum erzählen,
Doch will das Nachtgebild
Sich nie dem Licht vermählen.

Trotz deines Sinnens wird
Dir oft ein Gliedchen fehlen,
Und manches, was du weißt,
Das möchtest du verhehlen.

Doch das dich frägt, das sieht
Dir scharf ins Angesicht,
Und weh dem falschen Aug',
Dem Mund, der Lügen spricht!"

"Doch das beherzige:
Was du gesät im Traum,
Dasselbe Samenkorn
Steht dort als Halm und Baum.

Zu ernten hast du einst,
Was du hier angebaut,
Drum baue Unkraut nicht,
Bau' lieber gutes Kraut!

Gib acht, gib acht, daß nie
Dein Herz dir werde kühl:
Ein liebewarmes Herz
Hegt Himmelsvorgefühl!"
***

"Je höher die
Begeisterung,
Je nöthiger
Bemeisterung.

Wer sich sein Kreutz
Am höchsten baut,
Am nächsten auch
Den Himmel schaut.

Du bist nur Mensch;
Doch Zoll für Zoll
Von Gottes Geist
Und Liebe voll.

Vertrau' nicht bloß
Dem eignen Kopf:
Am meisten bäumt
Sich Wiedehopf.

Zum Denken sei
Doch nie zu faul,
Laß hott und hist
Dem Karrengaul.

Wer weiß und glaubt,
Ist wohlgethan,
Für da und dort
Der rechte Mann! -"

Das wollt' ich, junge Schaar,
Dir eiligst predigen,
Ist weiter auch, fürwahr!
Nicht viel zu predigen.
Amen!
(S. 186-189)


XIII.
Einst schritt der Todesengel -
Ich war entfernt von Ihr -
Mit hohem Ernst vorüber
Und blickte scharf nach mir.

Von seinem Aug' verwundet
Erlag ich Stund und Tag,
Wie Jeder, der's erfahren,
Wohlweislich wissen mag.

Doch Stund und Tag verrannen,
Des Blickes Mal verging,
Es zog der Baum des Lebens
Den frischen Jahresring -

Und hin zur Liebsten eilte
Ich voller Jubel dann
In Hoffnung, daß Sie juble,
Nun hört, was Sie begann!

Zu Tod' erblassend rief Sie:
Mein Gott, Du lebest noch?
Ich hörte, daß du todt bist,
Ach, Liebster, sei es doch!

Dann weint Sie wieder freudig
Sich beide Augen roth
Und offenbaret schluchzend
Mir Ihre Liebesnoth:

"Ich liebe dich, du wanderst
Nach Lust zu Nord und Süd;
Ich traure still und harre,
Wann du des Wanderns müd'?

Doch da ist all vergebens,
Die Wolga und der Nil,
Nicht ich und meine Ruhe,
Sind deines Trachtens Ziel.

Prairien und Savannen,
Gar californisch Erz
Und dürrer Sand der Wüste
Gilt mehr dir als ein Herz.

Ach, wärst du doch gestorben
Und lebtest still bei Gott,
Dich lieben und nicht haben -
Dein Leben ist - mein Tod!"
(S. 190-191)


XIV.
In meiner frühern Zeit,
Da war ich heut wie morgen
Die lautre Fröhlichkeit
Und glaubte, Gram und Sorgen
Sein' nur als Schwank erdacht.
Bis sich das Aug' schloß, ward gescherzt,
Die Träume waren heiter,
Am Morgen ward ich wachgeherzt,
Den Tag ging's also weiter,
Bis wieder kam die Nacht.

In meinem Unverstand,
In frevlem Uebermuthe
Erhob ich oft die Hand
Bewaffnet mit der Ruthe
Und hieb nach meinem Glück;
Ich grollte auf mein Herz,
Ward gram den rothen Wangen,
Und wollte sein - von Schmerz
Und Leid und Qual umfangen -
Ach, auch ein mühsam Menschenstück!
***

Jetzt ist, was ich gefleht
Streng in Erfüllung gangen:
Die Freuden sind verweht,
Entfärbt und hohl die Wangen,

Gemüth und Herz so schwer!
Verflogen ist die Lust,
Das frohe Lied verklungen,
Es herzet keine Brust
Zur Zeit der Dämmerungen
Mich Liebverarmten mehr!
(S. 191-193)
_____



Das neue Frühlingslied

I.
Im Mai durch grüne Auen,
Das ist mein liebster Gang,
Da muß das Vöglein bauen -
Es baut und frägt nicht lang.

Das geht dann so geschäftig
Mit Hälmchen auf und an,
Sein Bau wird kühn und kräftig,
Natur gibt Riß und Plan. -

Ist auch ein Lenz gewesen
Einmal, mein Vögelein!
Hab' mir ein Lieb erlesen,
Wie du zur Lust im Hain.

Hab' aber ganz vergessen -
Mußt' immer schau'n und schau'n.
Sie war so unermessen
Schön! - mir ein Nest zu bau'n.

Sieh, sieh, da schickt dir Wolle
Und Flaum Gevatter West,
Geh', Vöglein, geh' und trolle
Dich flink damit ins Nest!

Mußt nicht so emsig lauschen
Auf meine Märlein hier,
Bald wird der Lenz verrauschen,
Dann ging' es dir wie mir!
(S. 193-194)


II.
Früh andern Tages im Thaue
Frug ich das Vöglein: wie,
Zu Ende schon mit dem Baue?
So ziemlich - rief's - sieh, sieh!

Weil du den Liebesbefehlen
So nachgekommen bist,
Will ich dir kein Wort verhehlen
Wie mir's ergangen ist:

Ich hätte, wie allerwegen
Schon Lenzes Abschied kam,
Nur mögen des Kosens pflegen -
Ganz Taubenbräutigam!

Vielleicht ich hätt' es getrieben,
Ich kindessel'ger Narr!
Das Tändelspiel und das Lieben
Bis ich ergraut und starr.

Doch Liebchen dachte vernünftig
Und sprach: das geht nicht an,
Ade! ich suche inskünftig
Mir einen bravern Mann,

Der mir ein niedliches Nestchen
Erbaut zur Maienzeit
Auf einem friedlichen Aestchen
In Haines Lieblichkeit.

Du Fant, du fauler magst wählen
Die Kuckuckin zum Weib,
Der kann sich ein Fant vermählen
Zu bloßem Zeitvertreib.

Die Kuckuckin aus dem Holze,
Die braucht kein Nest für sich:
Gleich ferne von Ehr' und Stolze -
Ein Thier just recht für dich! -

Die Kuckuckin aus dem Holze,
Mein Lieb, die mag ich nicht,
Nur dich, du stolzeste Stolze
Mag ich, kein' And're nicht!
(S. 194-196)


III.
Es ist vom Frühlingskusse
Das Blümchen aufgewacht,
Die Welle hüpft im Flusse,
Des Himmels Antlitz lacht,

Es ist ein Musizieren
In Frühlings Jubelsaal,
Wo ich mag hinspazieren,
Erklinget Berg und Thal!

Das sind die Hochzeitstänze
Für Thierlein wild und zahm;
Die Blumen sind die Kränze
Für Braut und Bräutigam.

Manch Kränzlein ist benetzet
Von Bräutchens Aeugelein,
Vielleicht - daß es sich letzet
Mit Vater und Mutter sein!

Vielleicht ging Aeuglein über
Vor sehnsuchtsvoller Pein,
Vielleicht wär' es noch lieber
Geblieben Jüngferlein!?

Doch wie die Lust recht waltet,
Wie Alles bunt sich mischt,
Ist Bräutchens Weh erkaltet,
Die Thräne abgewischt.

Und froh im frohen Reigen
Hüpft Alles rund um mich -
Hätt' ich ein Lieb treueigen
Wie spräng' so froh auch ich!

Will hin zum Liebchen eilen
Nochmal - zum letzten Mal!
Vielleicht mag es mich heilen
Von meiner Herzensqual!
(S. 196-197)


IV.
Vergebens wars. - Sie hockte
Im warmen Nestchen schon,
Ein feistes Männlein lockte
Im Strauch nicht fern davon.

Ein Wiegenliedchen pfiff es,
Ich sah verblüfft darein!
Gar zärtlich strich und kniff es
Des Weibchens Wängelein.

Doch, als es mich erguckte,
Da frug es gleich um mich,
Das Weibchen aber zuckte,
Als träf' ihr Herz ein Stich.

Vom Wirbel bis zur Sohle
Dann prüfte sie mich sehr,
Erkannte, ach, die hohle
Gestalt schier nimmermehr.

Doch sprach sie schnell besonnen:
Der Kuckuck ist's, mein Mann,
So einst in Lenzes Wonnen
Mich wollt' zum Weiblein han!

Herr Kuckuck, kann ich dienen
Mit Brödlein und mit Bier?
Und reicht mit frommen Mienen
Die Gottesgäbchen mir. -

Um solche Leckerbissen,
Bin ich nicht kommen her! -
Ei, wer kann das gleich wissen?
Ruft er, sie spricht: Ja, wer!

Dann pfiff er wieder heiter
Sein Liedchen wie zuvor;
Und ich zog taum'lig weiter
Hinaus zum alten Thor.
(S. 197-199)


V.
Verschmäht bin ich, verachtet
Das thut dem Herze weh!
Ihr lock're Bürschlein trachtet,
Daß es euch besser geh'!

Die euch jetzt traut umwindet
Und koset Aug' und Mund,
Wie sich kein Nest vorfindet,
Verläßt euch noch zur Stund'.

"Nestlein, Nestlein, Nestlein weich,
Nest im grünen Haine!
Bist der Töchter Himmelreich,
Muttertrost allein!"

Hätt' ich ein Nest erbauet,
Ich säße nicht allein,
Ich wäre längst befrauet
Und - hätte Kinderlein. -

"Kindlein, Kindlein, Kindlein klein,
Kindlein in der Wiegen!
Ach, wie muß das artig sein,
Wenn sie so im Schlummer liegen! -
Quicken, quacken, kränkeln, schrei'n,
Und wie muß das garstig sein,
Wenn sie so im Quarke liegen -
Kindlein, Kindlein, Kindlein klein,
Kindlein in der Wiegen!"
(S. 199-200)


VI.
Steh' einsam und verlassen,
Bin nirgends fremd noch heim,
Kein Mensch frägt um die nassen,
Verweinten Augensäum'.

Kein Mensch frägt, wenn sich heiter
Einmal mein Blick verklärt,
Vorüber kalt und weiter
Des Marktes Rudel fährt.

Es kommen Jubelzeiten,
Es wüthet Krieg rundum,
Ich weiß von all den Streiten
Und Freuden kein Warum.

Des Frühlings Hochzeitstage
Erwecken mir allein
Erinnerung und Klage
Aus morschem Herzensschrein.

Doch heulet oft das Jammern
Des sel'gen Liebeslauf
Mir aus des Todes Kammern
Zugleich ins Leben auf -

Und Leid und Lust umschwärmet
Mich dann im bunten Tanz;
Da singt es, schrillt und lärmet,
Verwirrt den Sinn mir ganz.

Und treibt durch Nacht und Wälder
Im halben Wahnsinn mich,
Und drängt durch Flur und Felder
Mich herz- schmerzinniglich!

Wenn dann die Thierlein zagen
In wüster Waldesnacht,
Und scheu die Menschen fragen
In grüner Feldespracht:

Sag' an, was thut doch jagen
Herum so rastlos dich?
So ruf' ich: Ihr mögt fragen -?
Seht her, ich freue mich!

Und die, so ihr da schauet
Um mich, die luft'ge Schaar,
Das sind - doch wie, euch grauet
Vor - Freudengeistern gar?

Drauf fort und fort - nach wannen?
Das weiß ich nicht - -!
(S. 200-202)
_____



Wahnwitz

I.
Mich treibt die Liebespein
Unstät durch Haid und Hain,
Bis ich mein Liebchen find'
Und meine Ruh'.

Mich jagt die Liebesqual
Rasch über Berg und Thal,
Bis ich mein Liebchen find'
Und meine Ruh'.

Mich peitscht die Liebesnoth
Durch Früh- und Abendroth,
Bis ich mein Liebchen find'
Und meine Ruh'.

Mich hetzt die Liebeswuth
Toll hin durch Brand und Fluth,
Bis ich mein Liebchen find'
Und meine Ruh'.

Doch, wie mein Liebessinn
Mich treibt auch her und hin,
Ach, nimmer nimmer find'
Ich Lieb und Ruh'! -
(S. 203-204)


II.
Einst hab' ich Sie gebeten
In Liebesschwärmerei:
Herzliebste, laß doch malen
Für mich Dein Conterfei!

Dein liebes holdes Köpfchen,
Dein Schönstes: Aug' und Mund!
Bis wo das Herz Dir klopfet
Mit meinem eng im Bund.

Mir ist, ich muß verreisen
Einmal von Dir recht weit,
Und in der Ferne weilen
Viellange, schwere Zeit.

Da möcht' ich dann, wenn Alles
Mich kalt und fremd umgibt
Zur Hand das Bildniß nehmen
Des Engels, der mich liebt.

Und auf die Zeit vergessen,
Die schwer vorüber rann,
Und in das Land mich träumen,
Wo ich Dein Herz gewann.

Auch hat mir einst gesungen
Der alte Harfenmann
Ein Lied voll blauer Wunder,
Ein Lied, das so begann:

Romanze vom treuen Kuno

"Es war der treue Kuno,
Der zog herum im Land,
Ein Junge niemals unfroh,
Geliebt von Jedermann!

Doch mitten in dem Jubel
Befiel ihn oft ein Gram,
Und ängstlich an den Busen
Fuhr er mit seiner Hand.

Als wenn er etwas suchte
Mit Bangniß und mit Angst,
Als hätt' er es gefunden,
Frohlockte er sodann.

Die Ritter alle schwuren,
Er wäre herzenskrank,
Allein die Frau'n vermuthen
Ein heimlich Liebespfand.

Und sieh, die Frau'n, die klugen
Sie hatten recht geahnt:
Nicht lag darnach fiel Kuno
Im mörderischen Kampf -

Die Mörder aber wurden
Vom Zauber laß und lahm,
Als sie aus Steingefunkel
Das Engelsbildniß sah'n.

Sie standen eingewurzelt
Rund um den todten Mann,
Bis spät mit Spieß und Hunden
Die wackre Scharwach kam.

So standen sie und lugten
Die Schar verwundert an,
Vergaßen Fluch und Murren
Und Flucht und Widerstand.

Und büßten alsbald blutend,
Was blutig sie gethan;
Der Kuno aber ruhet
Im Friedhof zu Brabant."
***

Die Lied vom alten Harfner
Der blauen Wunder voll -
Mein Herz ging hoch und fluthend,
Weil es in Ahnung schwoll -

Das sang ich vor der Liebsten,
Es klang so wehmuthweich,
Ihr fiel der Mond ins Antlitz,
Es war fast todtenbleich.

Und tief im Wasser standen
Die blauen Augen Ihr,
So tief, wie jetzt zwei graue,
Die beiden meinen mir. -
(S. 204-207)


III.
Der Maler mit dem Schnurbart
Und mit dem Krempenhut,
Der konnte trefflich malen
Und traf die Augen gut.

Just wollt' ich ihn bewegen
Mit Geld und gutem Wort,
Da kömmt dem Mann ein Brieflein,
Und fort muß er, weit fort. -

So hab' ich nun kein Bildniß
Von Malerhand gemalt;
Doch seh' ich stets dasselbe -
Vom Vollmond überstrahlt:

Zwei glänzend bleiche Wangen,
Zwei Augen blau und naß,
Die Lippen halb von Schrecken
Und halb von Mondlicht blaß. -

So liegt's in frischer Färbung
Zwar nicht wie Kuno's Bild
Von außen, wenn ich sterbe,
Doch innen - zaubermild!

Und wenn im wüsten Walde
Mich einst der Tod erhascht,
Und Luchs und Wolf und Rabe
An meinen Leichnam nascht:

Wird Wölflein, Luchs und Rabe
Am Herzen stille steh'n,
Erstaunt am Bildniß gaffen
Und hung'rig schlafen geh'n.

Und endet auf dem Wasser
Des Liebelebens Lauf,
So zehren Hai und Krabbe
Gewiß mein Herz nicht auf. -

Nur wünschen möcht' ich wahrlich
Den Tod im Kabinet',
Ich wollte dann vermachen
Den Badern mein Skelett.

Den Aeskulapen ging' es
Wie Kuno's Mördern dann,
Bis Du, alt Liebchen kämest
Zu lösen ihren Bann.
(S. 207-209)


IV.
Ich bin wohl bei Sinnen
Und hab' auch Kopf,
Wie könnt' ich denn sonsten
Mich fassen am Schopf!
Der will nicht von hinnen,
Ich brauch' ihn nicht,
Ich habe ja sonsten
Ein schönes Gesicht;
Und könnte mich minnen,
Mich Mann der Pein
Leicht Eines sonsten,
Darf aber nicht sein!

Ich einzig muß rinnen
Im Strom der Noth,
Kein Anderes sonsten,
Das ist so Gebot!
Ja, das mich gewinnen
Will, hasse mich, -
Nie anders sonsten
Kann huldigen ich.
(S. 209-210)


V.
Wo ich gehe, geht Eins mit mir,
Ein abscheulich, wüthiges Thier.

Weiß nicht, ist es Hund oder Katze,
Eine häßliche, höllische Fratze.

Ein'ge meinten, ich wär' es selb',
Mit dem Lippenbarte rothgelb.

And're, die das besser verstanden,
Machten ihren Glauben zu Schanden.

Sonderlich, die ich da geliebt,
Mir das löbliche Zeugniß gibt:

Wie ich immer ganz auserlesen
Fromm und gebührlich sei gewesen.

"Müßte nur" - so setzet sie bei -
"Seit wir nicht mehr Eines wir Zwei,

So in Sitte als im Betragen
Gählings haben umgeschlagen?!" -
***

Gelt, das weißt du, Vortrefflichste, nicht
Wenn ein schwärmendes Herze bricht,

Was daraus für Geister entspringen,
Welche Geister hineindringen;

Wie zum Unholde werden kann
Ach, der frömmste, sanfteste Mann!
(S. 210-211)


VI.
Ich habe eine Schwalbe geseh'n,
Die war ziellos,
Ich habe einen Menschen geseh'n
Ganz beispiellos.

Der Mensch und die Schwalbe,
Sind Jedes das Halbe,
Das Ganze bin ich
Seit Liebe entwich.
(S. 211-212)


VII.
Sonst waren lichte Felder
Mein liebster Aufenthalt;
Jetzt passen düstre Wälder
Zu meiner Schmerzgestalt.

Im Felde ist's so heiter,
Vom Lerchensang' so voll,
Da muß ich eilig weiter,
Wenn ich nicht knirschen soll.

Die Saat in grüner Hoffnung
Gleicht meiner Jugendzeit,
Ach, ach aus grüner Hoffnung
Fiel graue Wirklichkeit!

Doch in den Waldes Hallen,
Wo seufzt und ächzt der Wind,
Wo grimme Thiere wallen
Und gift'ge Pilze sind -

Da ist es ganz und eben
Wie mir in Kopf und Herz:
Ein finst'res Sein und Weben
Bei stillem Groll und Schmerz!
(S. 212-213)


VIII.
Dreimal hab' ich errungen
Dasselbe Eine Herz,
Und dreimal auch bezwungen
Denselben Einen Schmerz.

Dreimal bin ich ganz trunken,
Wenn auch auf kurze Zeit,
Doch bis zum Grund versunken
Im See der Seligkeit.

Lustträufend aus den Fluthen
Stieg ich sodann und sprang
Mit Prasseln in die Gluthen
Auf meinem Lebensgang.
***


Der See ist abgelaufen,
Verlodert ist die Gluth,
Eins lebt im Aschenhausen,
Mein Schmerz in stiller Wuth.
(S. 213-214)


IX.
Seit ich mein Lieb verloren
Und verlassen bin,
Rag' ich auf kahlem Fels
Eine Raubruin'.

Seit ich mein Lieb verlor
Und vereinsamt steh',
Lieg' ich ein Eiland öd
In empörter See.

Seit ich mein Lieb verlor
Und so leb' allein,
Steh' ich im Leichenhof
Ein vergeßner Stein.

Wohl war ich einsam auch
Schon vordem und eh,
Doch bin viel einsamer
Ich jetzund als je.
(S. 214)


X.
Auf einer bleichen Haide,
Da liegt ein blut'ger Mann,
Er hat vor Gram und Leide
Es selbst sich angethan.

Die ihm ihr Herz versprochen,
Und Treu' gelobet hat,
Hat ihm die Treu' gebrochen,
Da ward verübt die That.

Doch, weil er hat versuchet
Den Dolch statt Rosenkranz,
Ward seine Seel' verfluchet,
Doch nicht verworfen ganz:

Mit immer offner Wunde
Muß liegen er so lang,
Bis daß im Haidegrunde
Der Sand sein Blut verschlang.
***

Ich selber bin die Haide,
Mein Herz der todte Mann,
Der sich vor Gram und Leide
Den Tod hat angethan.
(S. 215)


XI.
Weil ich noch Thränen hatte
In meiner Traurigkeit,
Da blühte auch noch Hoffnung
Für ferne bess're Zeit.
Gar süßes Labsal spendet
Der Hoffnung Thränenthau,
Erweckt hellgrüne Blätter
Und Blüthen himmelblau! -

Die Thränen sind vertrocknet,
Zur Steppe ward mein Herz,
Drauf wälzen sich zwo Schlangen:
Der Mißmuth und der Schmerz.
(S. 216)


XII.
Zu unterst tief im Herzen
Ganz klein - ist ein Gemach,
Da sitzt ein Mann voll Schmerzen,
Spielt mit sich selber Schach.

Die Königin zu fahen
Er nur im Sinne hat,
Doch wird er stets beim Nahen
Selbst früher Schach und matt.
So spielt er unabläßig
Und schilt sich "dummen Tropf!"
Und schüttelt übermäßig
Den toll erhitzten Kopf;

Schlägt wild sich vor die Stirne
Und brütet Nacht und Tag,
Wie die gekrönte Dirne
Er endlich haschen mag?

Umsonst. - Und ungestümer
Schlägt er mit Fäusten drein,
Schlägt Alles rund in Trümmer,
Sich selbst - wird's Ende sein.
(S. 216-217)


XIII.
Da seht, ach seht dies ärmste Weib,
Das hat es schwer getroffen:
s' Ist eine Mutter, der im Leib
Abstarb ihr süßes Hoffen!

Da ächzt sie nun in stillem Leid',
Ruft wohl auch laut um Hilfe -
Umsonst; es ist auf öder Haid',
Der Wind rauscht kalt im Schilfe. -

Nicht wahr, das arme, arme Weib!
Mir selbst wird weher, wärmer -
Da fühl' ich jäh, was ich beschreib'
Bin ich - nur noch viel ärmer!
(S. 217 -218)


XIV.
Was sagt der todte Blick,
Was sagen hohle Wangen?
"Daß schweres Mißgeschick
Sei über dich ergangen!"

Du arges Augenlicht,
Ihr treulos argen Wangen,
Wie gern verschwieg' ich nicht,
Was mit mir vorgegangen!

Wie bäum' den Leib ich oft
Und spute Füß' und Hände,
Als hätt' ich nicht verhofft,
Daß ich mein Glück noch bände.

Und ihr, ei das ist arg!
Mögt wider mich aussagen,
Enthüllen, was ich barg -
Mein gänzliches Verzagen!
(S. 218-219)


XV.
Sie sagen - das ist nicht wahr! -
Sie sagen: mein Lieb sei gestorben,
Verborgen hat es sich zwar,
Verborgen ist doch nicht gestorben!

Sie sagen: Es läg' im Grab -
Und zeigen mir einen Hügel,
Drauf steckt ein schwarzer Stab,
Der hat zwei schwarze Flügel -

Ich kenn' den Stab - 's ist ein Rab',
Der sitzt mit gespreiteten Schwingen
Auf meiner Herzliebsten Grab,
Und will Ihr das Herz bezwingen.

Ho, sachte, du diebischer Rab',
Ich bin ein tödtlicher Schütze,
Und ziel' ich jäh und drück' ab -
Was war dir dein Diebstahl nütze! 
(S. 219)


XVI.
Weil ich geliebt noch war,
Ihr durfte am Herzen liegen,
Da kam oft eine Schar,
Wie Herbstes die Vögel fliegen,
Von guten Gedanken angeflogen,
Von frommen Gefühlen eingezogen.

Wie ich noch war geliebt,
Ihr durfte liegen am Herzen,
Da kam, wie's Falter gibt
Im Maien und lauen Merzen,
Ein Schwarm Anekdoten von "Josef", "Fritzen",
Von schönen Charaden, zarten Witzen.

Doch seit ich ungeliebt
Mir selbst muß in Haaren liegen,
Hört, was sich jetzt begibt,
Was jetzt für Vögel zufliegen:
Für gute, Titanengedanken kommen
Und Erisgefühle, statt der frommen!

Seit ungeliebt ich bin,
Mir lieg' im selbeignen Haare,
Hört, wie es Herz und Sinn
Ergeht, dem kläglichen Paare:
Das Eine traurig träumet vom Sterben,
Das And're trotzig brütet Verderben.
(S. 220-221)
_____



Späte Erkenntniß

I.
Weil ich schwieg mit Schrift und Munde,
Nur mit meinen Augen sprach,
Bis zur unglücksel'gen Stunde,
Wo ich Thor das Siegel brach! -
Hat Sie mich so gut verstanden
Bis ins tiefste Herz hinein;
Lag in süßen Zauberbanden,
War mit ganzer Seele mein!

Da ward's Frühling und es sprangen
All die Knospen groß und klein;
Da ward's Frühling und es sangen
All die tausend Vögelein.
Und mir war's, als wenn sie fragten
Ein' das ander': liebst du mich?
Und ich meinte, daß sie sagten:
Ja, ja, ja, herzinniglich!

"Hörst Du, Liebste, welch Entzücken
Aus der Vöglein Kehle spricht?" -
Ihre Antwort war ein Nicken
Und ein stummes Huldgesicht.
Doch ich Thor, ich frug und wühlte,
Abgerungen hab' ich Ihr,
Daß Sie aussprach, was Sie fühlte,
Daß Sie brach des Schweigens Zier!

Hätt' ich, ach - es jährt sich wieder -
Hätt' ich noch die Liebste mein,
Ich ertrüg' trotz aller Lieder
O, wie gern des Schweigens Pein!
Liebe, die sich ausgesprochen,
Angelobte Herzenstreu,
Ach, wie leicht ist die gebrochen
Und wie schnell - vorbei, vorbei!
(S. 238-239)


II.
Daß Du aussprachst gar mit Eiden
Deiner Liebe Leidenschaft,
Daß Du mich nicht ließest leiden
Hoffnungsvoll, doch zweifelhaft;
Daß Du nicht trotz Sturm und Klagen
Das Geheimniß hast bewahrt,
Daß Du sagtest, was nie sagen
Soll ein Mund, o das ist hart! -

Von dem Himmel sollst du lernen
Mensch! der Liebe schwere Kunst:
Heute lacht es aus den Sternen
Wie in heller Liebesgunst;
Morgen sind die Stern' verhüllet
Vom Gewitter schwarz und graus,
Deines Gottes Donner brüllet,
Und sein Blitz zerschellt dein Haus.

Einmal wie in Liebesschwäche
Gab sich Gott der Menschheit bloß,
Ließ die warmen Liebesbäche
Aus dem Meer der Gnade los;
Warf entgöttert an die Brüste
Sünd'ge Menschen sich; doch ach!
Wie das Schiff an harter Küste,
So an unsrer Brust er brach. -

Mensch - ist nur im Hoffen selig,
Im Erwarten gut und treu,
Ist sein Anhang dir gefällig,
Bleib' ihm allfort fremd und neu.
Drum, daß Du trotz Stürmen, Klagen
Nicht das Siegel hast bewahrt,
Daß Du sagtest, was nie sagen
Soll ein Mund - o das ist hart!

Das ist hart - und unsers Scheidens -
Trotz der Liebe Uebermaß -
Scheidens, ach, und bittern Meidens
Grund und Ursach' ist nur das! -
Nur das! und wie rauh auch klinget
Dieses schweren Liedes Klang,
Liebste, wahr ist, was hier singet,
Der Dich liebt sein Lebelang!
(S. 239-241)
_____



Reue

Willst Du Liebster, nicht spazieren,
Sieh, die Welt ist grün und licht!
Sprach Sie oft mit sanftem Drängen,
Doch ich that, als hör' ich nicht.

Schwermuth brütend blieb ich sitzen
Auf der morschen Sonnenbank,
Ließ Sie schmollen, freundlich mahnen
Ohne Groll und ohne Dank,

Ließ Sie kosen auf den Wangen,
Ließ Sie drücken meine Hand,
Ließ Sie an die Stirne pochen,
That, als ob ich nichts empfand.

Unempfindlich, unbeweglich
Blieb ich wie das todte Meer,
Trank in meines Herzens Abgrund
Nur die Liebesströme leer!

II.
Manchmal doch ließ ich mich bringen
Auf zum Gang durch Feld und Au,
Hu, da ging es an ein Singen
An ein Nicken und Geschau!

Auf dem Anger war's lebendig -
Vieh und Volk wie sprang das froh;
Im Gewässer ging's beständig,
Im Gehölze wieder so.

Und die Liebste war voll Wonnen,
Ihre Augen allzumal
Gossen wie zwo Liebessonnen
Ueber mich den Wärmestrahl.

Süße Worte auch entschwangen
Ihrem süßen Munde sich;
Stumm bin ich dabei gegangen,
Stumm und tief versenkt in mich.

Konnte keinen Laut erzwingen,
Nicht ein einzig gutes Wort,
Weil wir so spazieren gingen
In den Frühlingshallen fort.

Mochte mich nicht einmal bücken
Um ein duftig Röslein roth,
Trat es lieber statt zu pflücken -
Ach, wie grausam! - in den Koth.

Ward Ihr sanftes Aug' dann düster
Ob des Freundes wüstem Sinn,
Kam es wüster nur und wüster
Und der Spott war Ihr Gewinn:

Donna Mimosa! mürbes Kindlein!
Schalt ich und noch Allerlei,
Da Ihr fast, als ich, das Rindlein
Und das Blümlein lieber sei.

So war ich der "tolle Kunde",
So betrog ich mich und Sie
Ach, um manche schöne Stunde,
Die nie wiederkehret, nie!
***

Seht, und doch war's nichts als Liebe,
Und in diesem Vollgefühl
Fodern: daß auch Ihr nichts bliebe
Außer mir im Weltgewühl!

Hätte jenem Bonaparte
Willig sich geneigt die Welt,
Glaubt, die größte Friedenskarte
Hätt' es dann ihr ausgestellt.

Doch das war zuviel gefodert
Guter Bonapart' und ich!
Drum bist du im Meer vermodert
Und mich fällt der Sonnenstich.
(S. 241-244)
_____



Vision

Ueber mein Leben und mich nachsinnend in einsamer Stunde
Komm' ich ein Strom mir vor, wogend in üppiger Pracht.
Ihre Liebe - mein Bett, die umfangenden Arme - das Ufer,
Sanften Schwänen gleich glitten die Tage dahin.
Und wie das Rohrhuhn itzt auftaucht, dann die Tiefe versuchet:
So die Gedanken im Kopf, so das Gefühl in der Brust!
Fröhliches Fischervolk - die Menschen meiner Umgebung -
Holte auf leichtem Kahn reichliche Beute sich gern.
Ach, und jetzt! - die schränkenden Ufer ihrer Umarmung,
Ihre Liebe dahin! - Eiligst da löste das Band
Kosender Wellen sich, und zersponnen in irrende Bächlein,
Treibet der prächtige Strom Fluren hinüber und Feld;
Blumen mit lehmiger Fluth ertränkt er und Gräser und Saaten;
Endlich im moorigen Thal stockt er - ein trauriger Sumpf!
Sprödes Schilf für Blumen am Rand, für Schwäne und Rohrhuhn
Eidechs, Kröt' und Molch. - Spinnen mit luftigem Leib'
Fahren statt schaukelnden Kähnen darauf und schiebende Käfer.
Statt des Fischervolks, jauchzend nach reichlichem Fang
Waten Störche umher. - Im Röhricht züngelt die Schlange.
Kibitze pfeifen, auch brüllt schaurig der Rohrdrommel oft.
Weitweg fliehen die Menschen, die grünenden Lande ersterben,
Oede und Tod ringsum, innen des Todes Pallast!
Nur wenn um Mitternacht sich Sturm und Wetter begegnen,
Wird es lebendig im Sumpf: klägliches Murren ertönt,
Und am Morgen sodann fließt an ein zauberndes Strömlein -
Hei, warum so träg? - Wille und Kraft ist gelähmt!
(S. 244-245)
_____



Lenzbelebung

I.
Es schreitet der Frühling
Die Thäler entlang,
Weckt Gräser und Blumen
Und Vogelgesang.

Weckt Blätter und Blüthen
Auf Baum und Gesträuch,
Und zaubert aus Wüsten
Ein prangendes Reich.

Statt stürmenden Winden
Weht wonnige Luft;
Statt stockenden Nebeln
Labt lieblicher Duft.

Statt flatternder Flocke
Der Schmetterling schwärmt;
Statt Aechzen im Eise
Die Lebenslust lärmt.

Statt Pilgern im Pelze
Hüpft barhaupts das Kind;
Statt Schlitten und Schellkranz
Läuft läutend das Rind.

Die Quelle singt lustig,
Es spielet der Fisch,
Rings leuchten die Augen
Der Blumen so frisch -

Die glühenden Augen
Der spielende Fisch,
Die zitternden Gräser,
Das Stimmengemisch -

Das greift mir so seltsam
Hinein in die Brust,
Wie spöttischer Nachhall
Verklungener Lust.
(S. 246-247)


II.
Wie Alles, Alles blüht
Ringsum voll Lieblichkeit,
Wie Sinn sich und Gemüth
Erfreut so manche Zeit;

Wie es mich reizet auch
Einmal darein zu singen
Wenn ich aus jedem Strauch,
Das Jauchzen hör' und Klingen;

Wie es mein Mark durchblitzt
So feurig auch und kräftig,
Weil Alles lusterhitzt
Mich grüßt und lenzbeschäftigt;

Wie - doch nur still davon!
Ein Jedes minder, mehre
Hat das erfahren schon,
Wer nicht, nimm das zur Lehre:

"Wenn ihr ins Frühlingsgrün
Betrübten Herzens wandelt,
O ja, wird kalter Sinn
Für Gluth euch abgehandelt;

Doch, wenn ihr fröhlich seid,
Recht seelenfroh und glücklich,
Hüllt euch ins Büßerkleid
Nur schnell, nur augenblicklich!

Sonst fängt im besten Schwung
Den schmucken Falter - Freude
Euch quälende Erinnerung,
Die wühlt im Federkleide!

Darauf vergeht die Flur
Mit allen Herrlichkeiten,
Die Todtenblume nur
Fängt an sich auszubreiten -

Und um die Blume klagt es,
Und auf der Blume nagt es,
Und aus der Blume fragt es,
Nur ob der Blume - tagt es!

Betrübniß faßt dein Herz,
Dein Haar ergraut, dein Aug' wird starr,
Und wo du wandelst allerwärts
Ruft es: da seht, ein Narr, ein Narr!"
(S. 247-249)


III.
Der Erde Grund ist offen,
Zu Wasser ward der Schnee -
Zu Wasser ward mein Hoffen,
Zu Wasser wird mein Weh.

Schon schweigt der Stürme Toben
Und milder wird der Frost -
Vertrau' und bau' auf Oben,
Von dorther kommt der Trost!

Die Lerche steigt mit Singen
Empor die Himmelsbahn -
Das heißt: Du sollst entringen
Dem Zweifel dich und Wahn!

Es geht ein freundlich Fragen
Durch all das Schöpfungsrund,
Dem will ich es doch sagen,
Daß noch meine Herze wund?

Nein, wenn die alte Gäa
So jauchzet himmelwärts,
Ruf' ich nur: Kulpa mea!
Und schlage an mein Herz.
(S. 250)


IV.
Ich weiß, daß Frühlingswonne
Mein Herz zur Lust hinreißt
Und mir des Gleichmuths Krone
Vom Haupte legen heißt;

Daß Mai aus Lauberhütten
Voll Jubel und Geruch
Mir wird das Hirn zerrütten
Mit seinem Liederbuch;

Daß Bach mit regem Plauschen,
Im stillen Grün die Flur,
Die Saat mit leisem Rauschen
Mir reizt die Lammnatur:

Doch will ich es kühnlich wagen,
Will fort in luftiger Tracht
Wie Helden ins Treffen - jagen
Und schlagen die Freudenschlacht!
***

Und wenn ich gählings steh'
Auf eines Berges lichter Höh',
Wird Alles, was ich je verloren
Mit starkem Spruch heraufbeschworen.

Zuerst die Jugend, wie sie war:
Ganz sorgenlos, ganz Leiden bar!
Darauf die Lieb', die zauberhafte,
Die viele Lust - Leid mehr mir schaffte!

Darnach das Weib der Mythenwelt,
Das nie bei mir sich eingestellt,
Mit ihm, die seiner auch entbehrte -
Die Freundeschar - die hochgelehrte.

Und wenn sie dann gekommen sind
Schallwellen gleich, gejagt vom Wind,
So drücke ich an's Herz sie Alle
Und jauchze froh und hell zu Thale.

Dann schwinge ich den Thyrsusstab
Und eil' in raschem Sturz hinab,
Und Alles wird geherzt, gesegnet,
Ob Freund ob Feind, was mir begegnet.
(S. 250-252)


V.
So ist's, wenn du dann Zeuge bist
Und mich bewegt am Wiesenraine,
Durch Hochgehölz und Erlenhaine
Hintaumeln siehst.

So ist's, wenn fremder Lenzgesang
Mit Tönen, vogelartig lockend
Und oft von lauten Seufzern stockend,
An's Ohr dir drang.

So ist's, wenn du mit hurt'ger Hand
Umfah'n auf einmal wirst vom Rücken
Und ein Gesicht voll Hochentzücken
Sich zu dir fand.

So ist's, wenn du im Abendschein,
Auch wohl vom Sternenaug' beschauet
Mich liegen siehst ganz überthauet
Auf nacktem Stein.

So ist's, und anders ist es nicht: -
Der Frühling bringt, was im Geheimen
Der Schöpfung Geister rechnen, reimen,
Hervor ans Licht.
(S. 252-253)
_____



Ergebung

Ich habe ein Herz, das ist so wund
Wie frischgeackerter Urweltsgrund.

Ich habe ein Herz so krank, so weh
Wie hart getroffen ein sterbend' Reh.

Ich habe ein Herz, das ist so arm:
Sein Mahl sind Thränen, kredenzt vom Harm.

Zu Seiten als Gäste hat dies Herz
Den bleichen Kummer, den stillen Schmerz.

Und dieses Herz arm, krank und wund,
Das möchte brechen zu jeder Stund' -

Zu jeder Minute ach, wie gern;
Doch mag gescheh'n der Wille des Herrn!
(S. 254)
_____



Nur einmal noch!

Nur  einmal noch möcht' ich empfinden
So heiß, wie ich empfunden habe,
Nur einmal noch ein Herz mir binden,
Wie ich sie einst gebunden habe;
Nur einmal noch möcht' ich verleben
So einen Tag wie einst vielhundert,
Wo ich im Nehmen und im Geben
Des eignen Herzens Kraft bewundert!

Dann würden auch dieselben Träume
Voll Lebenslust und Hochentzücken
Als golddurchwirkte, bunte Säume
Das Trauerkleid der Nacht mir schmücken;
Dann würde ich auch wieder singen
Das frische Lied, das ich gesungen,
Als mich lebendig noch umfingen
Die modrigen Erinnerungen.
(S. 261)
_____


Aus: Gedichte von Franz Stelzhamer
Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1855

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Stelzhamer




 

 


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