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Wilhelm Stolzenburg
(1879-1938)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
An Mathilde
I
Als ich um deine Liebe warb,
kam schon der Herbst ins Land gezogen
und eine Blume nach der andern starb
und alle Lust und Freude war verflogen.
Auf meinen stillen Wegen nur war Sonnenschein
und du die Sonne, die ihn mir gegeben -
So war ich nicht mehr trostlos und allein
und stürzte jauchzend wieder mich ins Leben.
II
Auf meiner Stube im sonnigsten Licht,
am blinden Spiegel standest du schlicht,
dein braunes Haar in den schlanken Händen.
Noch seh ich die Finger, die behenden,
die langen Flechten zärtlich umfangen -
O Goldene du, ein heimlich Verlangen
hat uns von Anbeginn vermählt.
III
Du schlägst die weißen Arme
in süßer Liebeslust
um meinen Hals und lächelst
und sinkst an meine Brust.
Ich soll dich küssen, herzen,
soll mit dir glücklich sein,
und 'liebes Frauchen' sprechen,
'du bist auf ewig mein'.
IV
Du hattest geweint die lange Nacht
und als du die Läden aufgemacht
am frühen Morgen, hat die Sonne
in alter, in neuer, in junger Wonne
dir hell ins Angesicht gelacht.
Du hast die Augen schließen müssen,
Lichtwellen deine Stirne küssen
und wollen dich sanft umfassen, umfließen,
daß aus den Tränen noch Blumen ersprießen,
denn das Leben rauscht gleich Flüssen.
V
Du lächeltest, ein fröhlich Weib,
das erste Seligkeit genossen.
Es zitterte dein junger Leib,
durch den ein Strom von Glück geflossen.
Der Vogel sang auf seinem Nest
und ganz in Gold lag noch mein Zimmer.
Der Maitag war ein lautes Fest.
Die Buben jagten sich noch immer.
VI
Du neigst dein Haupt in stiller Trauer
dem Sonnenuntergange zu
und fühlst der Nacht tiefschwere Schauer
dich mahnen an die nahe Ruh.
Da, wie die letzten Sonnenstrahlen
dein Haupt beleuchten ätherklar,
bringt dir in wundervollen Schalen
ein Traum den Wein des Lebens dar.
(S. 20-21)
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Die Herrin
Ich hielt sie so mit meinem Sinn umfangen,
daß sie mir mehr wie Gott war und die Welt,
und blieb mein Blick an ihrer Schönheit hangen,
ich faßt' die Hand, die immer Blumen hält.
Den Sommer klag ich an und Junirosen
und Lieder, die ein fremder Ritter sang,
die leichten Lippen, blutgeschwellten, losen,
das Lied, das meiner Herrin Herz bezwang.
Hätt' sie mir ihren Dolch, den schmalen, feinen,
mit hellem Jauchzen in das Herz gedrückt -
ich stürbe auf den kalten Marmorsteinen,
den Kopf auf ihren Fuß gebückt.
Sie winkt und flüstert seltsam: Page, raffe
Mein kostbar Kleid, von Gold und Silber schwer -
ich goß den roten Wein aus der Karaffe,
nach einem lustgen Lied darüber her.
Ruf mir den Troubadour zurück, mein Knabe,
im Abendrot geht singend er zu Tal ...
Die letzte Rose schenk ich, die ich habe,
singt er das tolle Lied mir noch einmal.
(S. 35-36)
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Im Volkston
Daß mich mein
Schatz verlassen hat,
das bringt mir keine Schand - -
(Aus "Des Knaben Wunderhorn")
Daß mich mein Schatz verlassen hat,
das bringt mir keine Schand.
Nun sie jetzt andern Buhlen hat,
ist ledig meine Hand.
Kann jetzt auf allen Straßen gehn,
morgenrotentgegen -
wird keine mir im Wege stehn,
die Hand in meine legen.
(S. 36)
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Kinder
Wir wußten nicht, was Liebe war,
wir hielten uns umfangen:
auf meinen Schultern lag ihr Haar,
wir sahn uns an und sangen.
Nun kam die wilde Sommerzeit
der starken Jugendjahre -
so schmerzhaft nahe Herrlichkeit,
im leisen Ton Fanfare.
Und einmal mußt' es dann geschehn
daß wir zwei Blumen pflückten -
Komm, laß uns in den Himmel gehn,
bat ich, als wir uns bückten.
(S. 36-37)
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Aus: Wilhelm
Stolzenburg
Ernte Gesammelte Werke
Herausgegeben von Dieter Sudhoff
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen Band 25
Reihe Texte Band 8 2007
Biographie:
http://www.lwl.org/literaturkommission/
alex/index.php?id=00000003&layout=2&author_id=00000897
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