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Moritz Graf von Strachwitz
(1822-1847)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Schon wieder ein beblümtes
Blatt (Ein Dutzend Liebeslieder 1-12)
Ja, Flordespina nennt sich
meine Dame (Terzinen 1-4)
Es brennt dein Kuß, dein
Auge blitzt (Böses Gewissen)
Die Nacht ist still, wir
sind allein (Befürchtungen)
O wecke nicht den scheuen
Stolz (O wecke nicht den scheuen Stolz!)
Du bist sehr schön, in
dunklem Strome (Du bist sehr schön)
Mein Liebchen komm, uns
Beiden (Ständchen)
Kennt ihr mein Lieb, sein
Aug' ist groß (Kennt ihr mein Lieb?)
Wie gerne dir zu Füßen (Wie
gerne dir zu Füßen)
Bringt Wein mir her,
rotleuchtenden Wein (Sei still!)
Entweicht von meiner Seele
Spiegel (Letzte Liebe)
Willst du mit Hand und
Herzen sein mein eigen (Wie ich lieben könnte)
Was frommt, wenn du nicht
küssen willst (Ghasel)
Nicht in der Freude
Glanzverklärung (An die Frauen)
Es soll der Mann zur Sonne
greifen (Adel der Frauen)
Es schwamm im Meer, im
rauschenden Meer (Die Rose im Meer)
Im Dorfe gellt des Wächters
Ruf (Vorüber)
Der Sturm ist los, der
Schiffer muß verzagen (Der Sturm ist los)
Die innre Glut macht zeitig
alt (Aus Liebesleid)
Aus: Lieder eines Erwachenden
Ein Dutzend Liebeslieder
1.
Schon wieder ein beblümtes Blatt
Von Liebeslust und Gram!
Wir haben ihn von Herzen satt,
Den ganzen Liebeskram;
Was kümmert uns dein Trachten noch
Nach deiner schönen Fee,
Was kümmert uns dein Schmachten doch
Und was Dein Herzensweh?
Der großen Zukunft Samenkorn,
Zum Säen liegt's bereit.
Es wölkt sich mit Gewitterzorn
Das finstre Aug' der Zeit;
Der eherne Trompetensturm,
Der ist es, der uns kirrt.
Was schiert's uns, ob an Fräuleins Turm
Des Ritters Laute girrt. -
Es ist ein tiefes, ernstes Wort,
Was ihr da alle sprecht,
Ich sprech' es selber fort und fort,
Und sprech's mit Fug und Recht;
Doch wenn die Tat einmal verübt,
Was hilft dann das Gericht?
Ich hab' mich nun einmal verliebt
Und kann es ändern nicht.
(S. 37)
2.
Prahlerei
Und bist Du stolz bei meinem Eid,
Viel stolzer bin ich doch,
Und blühte zehnmal blumiger
Dein blühend Blumenjoch,
Und prangte zehnmal prangender
Dein wundervoller Bau,
Noch bangender, verlangender
Dein Auge himmelblau.
Und bist du kalt, du stolzes Herz,
Viel kälter noch bin ich:
Und flammte zehnmal flammender
Dein Antlitz morgendlich,
Und wäre noch gewaltiger
Der langen Wimper Zug,
Noch lichter, lenzgestaltiger
Der ganze Feentrug.
Und als ich diese Reime schrieb,
Da wußt' ich nicht, warum?
Und als ich sprach von kalt und stolz,
Da war ich herzlich dumm.
Es bannt aufs Knie mich mit Gewalt
Ein Augenblitz, ein Wort.
So bleibe stolz und bleibe kalt,
Nur jage mich nicht fort.
(S. 38)
3.
Du wunderschöne Schlanke,
Dir biet' ich all mein Herz,
Dies stolze, liebeskranke
Glutschmachtende Dichterherz.
Wohl möcht' ich es gern umschlingen
Mit Blumen aus Oft und Süd,
Zu deinem Preise singen
Ein holdes hehres Lied.
Ein Lied, das unermeßlich
Von Klang zu Klange schwebt,
Ein Lied, das unvergeßlich
Von Lippe zu Lippe bebt.
Ein Lied, drin Nebeldüster
Mit Himmelsbläue sich eint,
Ein Lied, drin Blumengeflüster
Im Waldesgebrause weint.
Drein möcht' ich verweben, verzweigen
Den ganzen tönenden Drang,
Verstummen darauf und schweigen
All all mein Leben lang.
Doch wenn ich zum stolzen Vermessen
Mich stolz zusammengerafft,
Entgaukelt mir unterdessen
Die ganze Gesangeskraft
Es ist ein einz'ger Gedanke,
Der stiehlt mir Lied und Herz:
Du wunderschöne Schlanke,
Dir biet' ich all mein Herz.
(S. 38-39)
4.
Ich habe nie das Knie gebogen,
Den starken Nacken nie gebeugt,
Mit Stolze ward ich aufgezogen,
Mit Freiheit ward ich aufgesäugt.
Doch allem Stolz im Sein und Handeln
Entsagt' ich und der Freiheit mit,
Könnt' ich mich in den Staub verwandeln,
Den deines Schuhes Sohle tritt.
(S. 39)
5.
Ich bin gar lange gegaukelt herum
Als naschender Schmetterling,
Bis mich eine schöne Honigblum'
Im süßen Kelche fing.
Ich flatterte lang als Ikaros
Am Liebeshimmel umher,
Bis mich der Sonne Flammengeschoß
Geschleudert ins tiefe Meer.
Ich schaukelte lang in Well und Wind,
So wie ich oben flog,
Bis mich die Nixe, das lose Kind,
Am Beine hinunterzog.
Es treibt's ein jeder, solang' es geht,
Und jeden trifft's einmal,
Und wem der Wind nicht günstig weht,
Der zahlt's mit Höllenqual.
(S. 40)
6.
Wenn auf zu den Wolken ich schaue
Ins feucht umwölkte Blau,
Dann denk' ich an deine Augen,
Du wunderschöne Frau!
Und wenn die weinenden Wolken
Hinstäuben den Morgentau,
Dann denk' ich an deine Thränen,
Du wunderschöne Frau!
Und schau' ich zwei Wolken innig
Zusammenrinnen im Grau,
Dann denk' ich an unsre Liebe,
Du wunderschöne Frau!
Und tobt in der Wolken Busen
Der Grimm der Orkane rauh,
Dann denk' ich an unsre Schmerzen,
Du wunderschöne Frau!
(S. 40)
7.
Zwei Abenteuer des
verliebten Odysseus
I.
Deines Nackens stolze Beugung
Seh' ich weiß, als Fels sich dehnen,
Drüberhin mit Gruß und Neigung
Spielend hüpfen die Sirenen;
Deine Locken, deine nächt'gen,
Wie sie tanzen, wie sie flattern,
Um in ihren zaubermächt'gen
Ringen Herzen zu ergattern.
Ob ich an den Mast mich binde,
Wie der edle Laertide,
Es zerreißt das Taugewinde
Sehnsucht mir, die Eumenide;
Ob ich Aug' und Ohr vergittert,
Tobend will sie sich empören,
Bis das Band ich selbst zersplittert,
Lauschen muß den Feenchören.
Und die Klippe zu umranken,
Sie zu küssen, heiß zu pressen,
Reißt mich's auf mit Glutgedanken,
Wollust atmend Tod vergessen,
Bis in quälender Verkettung
Mich umklammert die Sirene
Und auf harter Felsenbettung
Ächzt der Schützling der Athene.
II.
Aus dem blauen Schoß der Wasser
Fährt Poseidon rasch und plötzlich;
Um die Stirn dem Weltumfasser
Weht das Haupthaar wild, entsetzlich!
Von dem Bart des Mastzersplittrers
Träuft der Flutschaum Aphroditens,
Um das Roß des Erderschüttrers
Schwärmt das Meervolk Amphitritens.
Das ist dein Werk, Atrytone!
Tochter du vom Blitzversender:
Auf des Weltalls Wellenzone
Segelt der Zyklopenblender.
Stürmisch walle, Wogenbusen,
Stäube, Meer, in Schaum und Flocken!
Gleich den Nattern der Medusen
Schüttle deine Silberlocken!
Auf des Atlas Himmelsfirne
Regt der Notos sein Gefieder,
Sausend von des Berges Stirne
In die Meerflut stürzt er nieder,
Legt sich grimmig und zerkrallend
An Thalattas volle Brüste,
Mit dem Fittich donnerschallend
Peitscht er Hellas Felsenküste.
Rasend in des Untiers Klammern
Hebt die Brandung an zu pochen,
Aus des Abgrunds Wogenkammern
Läßt sie Strudelwellen kochen.
Aufwärts zu des Himmels Lichtung
Wirft im Zorn sie Mast und Schiff mir,
Bis in tosender Vernichtung
Mast und Schiff zerschellt am Riff mir.
Wie der Schnee auf Erymanthos,
Der in Morgenstrahlen leuchtet,
Wie der Silberschwan des Xanthos,
Der im Strom die Schwinge feuchtet,
Hebt ein Hals, vom hellsten Scheine
Blendend, sich im Wogenschlage,
Steigst du selber, wunderreine,
Als Leukothea zu Tage.
Mit dem Schleier deiner Milde
Hast du zärtlich mich umwoben,
Aus dem heil'gen Meergefilde
Rettend mich emporgehoben,
Daß die Wellen mit Gekose
Mich an Scherias Borde trieben:
Doch du selber, schöne, lose!
Bist im Meer zurückgeblieben.
(S. 41-43)
8.
Ganz oder gar nicht
Wer da will der Liebe leben,
Muß sich ganz der Liebe geben,
Sich nicht teilen, nicht zersplittern,
Ganz im Kuß hinüberzittern;
Muß des Herzens ganzes Drängen
Auf des Mundes Spitze zwängen;
Muß nicht denken, rechnen, klügeln,
Sich nicht fesseln oder zügeln;
Muß den Arm nicht ängstlich halten,
Gilt es, Hüften zu umfalten;
Nicht voll Scheu die Hand befühlen,
Gilt's, im seidnen Haar zu wühlen;
Muß im seligen Versenktsein
Unklar, ob er ist und denkt, sein.
(S. 43)
9.
Ich wollt', ich wäre ein Dichter,
Ein Dichter reich und groß,
Die Perlen, meine Lieder,
Die würf' ich in deinen Schoß.
Auf meiner Dichtung Blüten
Da sollte wandeln dein Fuß,
Die Geister meiner Träume,
Sie böten dir Knechtesgruß.
Sie müßten dir dienend huld'gen
Als ihrer Königin;
Ich wollt', ich wäre ein Dichter,
Weh mir, daß ich's nicht bin!
(S. 44)
10.
Spiegelbilder
I.
Ich hab' einen großen Spiegel,
Das ist das grüne Meer,
Blaß werfen die Wasserhügel
Mein blasses Gesicht mir her.
Es dehnt sich und es bricht sich
Auf jeder Woge Bug,
Es zieht sich und es flicht sich
In jedes Wirbels Zug.
Die Wellen, sie wallen und rollen
Sich übereinander hinauf,
Draus sieht im stummen Grollen
Mein finsteres Auge herauf.
(S. 44)
II.
Ein Spiegel von bösem Schimmer,
Das ist dein Auge blau,
Darin ich nimmer und nimmer
Und nimmer mich müde schau'.
Doch ob ich schaue und schaue,
Viel Gutes erseh' ich mir nicht,
Nie spiegelt sich unter der Braue
Mein eigenes Angesicht.
Zwei fremde Augen sind es,
Die sehn mich spottend an:
Im Auge des schönen Kindes
Da malt sich ein fremder Mann.
(S. 44-45)
III.
Doch weg mit dem falschen Gesichte
Und weg mit dem falschen Meer!
Nun hol' ich vom treusten Lichte
Den treusten Spiegel mir her.
Ich reiße aus dunkler Scheide
Die Klinge breit und blau,
Drin seh' ich mit zorniger Freude
Mein zorniges Auge genau.
Drin steht es in rechter Flamme,
Die Funken aus Eisen preßt,
Du Spiegel vom echten Stamme,
Nur heute halte mich fest!
(S. 45)
IV.
Als ich noch jung gewesen,
Einen Spiegel hatt' ich da,
Da machten die Leute ein Wesen,
Wenn ich in den Spiegel sah.
Sie schalten mich einen Gecken
Und stolz und eitel dabei;
Wie würden sie jetzt erschrecken!
Jetzt hab' ich der Spiegel drei.
Zum einen wend' ich mich heute,
Zum andern morgen hin,
Nun sagt mir, ihr guten Leute,
Ob ich nicht eitel bin?
(S. 45)
11.
Bescheidene Bitten
Ich will ja nur an deiner Lippe sterben,
Als Sonnenstaub in deinem Kuß verfliegen,
Will nur den Schmerz, den tiefen schweren herben,
Mit deines Mundes Lethetrank besiegen.
Ich will ja nicht an deinem Munde saugen,
Nur fromm und gläubig in dein Antlitz schauen
Und auf dem Strahle deiner Wunderaugen
Zum Äther hin demantne Brücken bauen.
Ich will ja nicht in deinem Aug' mich sonnen,
Nur Worte tauschen süßer Minnefehde,
Nur rauschen hören deiner Lippe Bronnen
In sanften Wellen zarter Frauenrede.
Ich will ja nicht dich sehen, küssen, hören,
Ich will ja nur dein denken im geheimen
Und hoffnungslos der Saite Gold empören
Und mich ergehn in zarten Liebesreimen.
(S. 46)
12.
Dir hab' ich beklemmt und bänglich
Dies Dutzend Liedchen geweiht;
Die Sache ist bedenklich,
Denn gar zu ernst ist die Zeit.
Gern hätt' ich's im Geheimen
Dir klüglich zugestellt,
Es will von verliebten Reimen
Nichts wissen mehr die Welt.
Doch wenn mit feuchten Blicken
Dein Auge in meines fällt,
Dann muß darin versinken
Für uns die Zeit und die Welt.
Und wollte mich dann zerschmettern
Des Zeitgeists schreitender Fuß,
Ich würde dich sterbend vergöttern
Und sterben in deinem Kuß.
(S. 46)
_____
Terzinen
1.
Ja, Flordespina nennt sich meine Dame,
Ich sag's noch einmal deutlich: Flordespine:
Klingt euch geziert der wunderschöne Name?
Er paßt mir grade hier in die Terzine,
Auch ging er mir viel besser zu Gemüte
Als Lore, Dore, Hanne, Grete, Trine.
Schlagt nach im Ariosto, habt die Güte,
Dort spielt Despinchen eine art'ge Rolle:
Sie heißt zu deutsch: die Königin der Blüte.
Sie liebt der junge Richardett, der tolle,
Und spielt mit ihr ein pfiffiges Romänchen;
Ich will's verschweigen: les' es, wer da wolle!
Denn heutzutag mißraten solche Plänchen;
Dem Richardetto war der Sieg beschieden
Ohn' eine Ohnmacht und das kleinste Thränchen.
Wie bist du mit dem Namen denn zufrieden,
Du meine Blütenkön'gin, Flordespina,
Du klarster Stern im Himmel und hienieden?
Da fehlt mir just der zweite Reim auf ina,
Den dritten aber hab' ich schon in Petto,
Du schönste Frau von Portugal bis China,
Sei Flordespin', ich bin dein Richardetto.
(S. 48)
2.
Ein böser Traum
Ich war entschlummert einst am Rasenbühle,
Um mich des Lenzes würz'ges Duftgemische
Und in mir selbst des Lenzes duft'ge Kühle.
Da träumt' ich Liebesträume zauberische,
Und Heldenträume stolz und ungeheuer,
Und Freiheitsträume, mut'ge, jugendfrische.
Doch als verglomm des Morgens Purpurfeuer,
Da war verstummt das buhlerische Kosen,
Der Winter war genaht, der Flockenstreuer.
Und um mein Haupt in Windeswirbeltosen
Flog sparsam nur das Schneegelock des Greisen;
Ich war verwelkt, wie Lenz und Baum und Rosen,
Ein matter Nachhall schöner Frühlingsweisen.
(S. 49)
3.
Wenn ich mir so das Thun der Welt betrachte,
Das fad und geistlos ist und kalt und trocken,
Das ich so ganz aus tiefster Brust verachte,
Und schaue dann auf Deine Feenlocken,
Auf deiner Wangen, deiner Augen Gluten,
Und höre hallen deines Mundes Glocken:
Dann ist die Welt ein Ozean voll Fluten,
Voll Stürmen mir und bodenlosen Grüften
Und Klippen, dran mein Herz sich will verbluten;
Du aber scheinst ein reines Ätherdüften,
Das säuselnd hinschwebt durch des Meeres Brüllen,
Das rosenatmend rollt auf Morgenlüften,
Des kranken Dichters schäumend Blut zu stillen.
(S. 49)
4.
Wohl stand ich oft im nächtlich stummen Grauen
Dem Glanze deines Fensters gegenüber,
Dich lang und ungesehen anzuschauen.
Es bog die Kerze ihren Strahl herüber,
Um dir, wie ich, ins dunkle Aug' zu funkeln;
Doch plötzlich schien sie lässiger und trüber.
Es mochte wohl der argen Kerze munkeln,
Daß ich zum Nebenbuhler ihr geworden,
Drum fing sie neidisch an sich zu verdunkeln.
Du aber saßest an des Fensters Borden
Und schautest nicht auf mich, nein, auf die Flammen,
Die leise bebten in des Winds Akkorden.
Da warfst du endlich all mein Glück zusammen
Mit einem Hauche Deines stolzen Mundes,
Daß Aug' und Kerze rasch in Nacht verschwammen.
Ich preßte wild mein Herz, mein liebewundes,
Im bittern Grolle auf das Glück der Kerze,
Die längst mit dir sich freut des Liebesbundes.
Sie leuchtet stets in deines Auges Schwärze
Und buhlt mit deiner Stirn und deinen Wangen,
Indes ich fern von dir vergeh' im Schmerze.
Allein von deinem Mund den Tod empfangen
Und zu verwehn in deines Atems Wogen,
Wie es der Kerze jene Nacht ergangen:
Hätt' ich vom Schicksal solch ein Los gezogen,
Ich wollte, ach! nur leben eine Stunde
Und sterben dann, im süßen Hauch verflogen,
Der Kerze gleich in jener Abendstunde.
(S. 50)
_____
Aus: Neue Gedichte
Aus: Den Frauen
Böses Gewissen
Es brennt dein Kuß, dein Auge blitzt
Und fest umschließt dein Arm,
Allein auf deiner Stirne sitzt
Ein alter böser Harm.
Ich liebe dich, wie der Strom das Thal,
Als wie die Flut den Strand,
Als wie die Elfe den Mondenstrahl,
Als wie die Glut den Brand.
Ich liebe dich, wie die Welt das Licht
Und mehr noch, noch viel mehr.
Sag' an, Geliebter, und zürne nicht,
Was macht das Herz dir schwer? -
"Dein Aug' ist hell und stolz dein Leib,
Dein Herz ist warm und groß,
Du bist ein hohes prächtiges Weib
Und liebst mich grenzenlos.
Vernimm denn, was gewitterschwer
Die Stirne mir umspinnt: -
Ich liebte, es ist schon lange her,
Ein blaugeäugtes Kind.
Ich liebte sie, wie der Strom das Thal,
Als wie die Flut den Strand,
Als wie die Elfe den Mondenstrahl,
Als wie die Glut den Brand.
Ich liebte sie, wie die Welt das Licht
Und mehr noch, viel mehr noch! -
Hör' an, Geliebte, und schaudre nicht:
Und - treulos ward ich doch! -
Das ist's, was mir die Stirne trübt
Und stört die selige Ruh:
Du liebst mich, wie ich jene geliebt,
Und treulos wirst auch du!"
(S. 80)
_____
Befürchtungen
Die Nacht ist still, wir sind allein,
Und du bist schön, wie je!
Warum küßt nicht die Lippe mein
Nicht halb so gut, wie eh?
Warum ist denn mein Mund so karg,
Mein Aug' so flammenarm,
Als läg ich in dem schwärzsten Sarg
Statt in dem weißsten Arm?
Warum ist denn meine Liebe so lau,
Mein Herz so leer, so leer!
Bei Gott, ich fürchte, gnäd'ge Frau,
Ich - liebe Sie nicht mehr!
(S. 81)
_____
O wecke nicht den scheuen Stolz!
O wecke nicht den scheuen Stolz,
Ihn weckt ein leicht Geräusch,
Er bricht den Liebespfeil im Holz,
Die Spitze bleibt im Fleisch;
Er geht urplötzlich wie ein Sturm
Durch den allerschönsten Mai,
Die Liebe krümmt sich wie ein Wurm,
Der Frühling ist vorbei!
Ich habe dich so sehr geliebt,
So sehr ein Mann gekonnt,
Dein Aug' hat meine Stirn getrübt,
Dein Auge sie besonnt.
Vielleicht hast du mich auch geminnt!
Vielleicht - es ist zu spät!
Die Stunde rinnt, die Wunde rinnt,
Die Saat ist abgemäht! -
Wie bist du schön! Im Herzen wühlt
Der abgebrochne Schaft,
Du hast zu gerne Ball gespielt
Mit mir und meiner Kraft.
Ich bog mein trotzig Knie um Dich,
Du hast dich abgekehrt;
Da lacht' ich wild und stürzte mich
In meines Stolzes Schwert.
Fahr wohl, ich kann nicht zweimal knien,
Um alles Heil der Welt!
Dir aber wünsch' ich Maiengrün,
Wohin dein Auge fällt.
Und wenn es einst in Liebe schmolz
Für einen bessern Mann,
Du kennst den Stolz, den scheuen Stolz,
O rühre nie daran!
(S. 82-83)
_____
Du bist sehr schön
Du bist sehr schön, in dunklem Strome
Rollt dein Gelock, vom Wind gebläht,
Von deiner Stirne Marmordome,
Ein Siegspanier der Majestät!
Als wie die Palme windgebogen
Wogt deines Wuchses schlanke Höh',
Und deines Kleides samtnen Wogen
Entsteigt dein Hals, wie Schaum der See.
Musik ist unter deinen Füßen,
Es grünt die Flur, die dich umgiebt,
Ich hör' es klingen, seh' es sprießen,
Und doch - ich hab' dich nie geliebt!
Du bist sehr schön, und dank dem Glücke,
Samt deiner Schönheit warst du mein;
Ich bin erwacht an deinem Blicke,
Mit deinem Kusse schlief ich ein;
Mein war der Mund der liebesschwüle,
Und mein der Busen ohne gleich,
In dessen sel'ger Wogenkühle
Ein Kaiser gern verträumt sein Reich.
Da war kein Zug um deine Stirne,
Der mir gehört' nicht ganz und gar;
Da war kein Hauch in deinem Hirne,
Der mir nicht ganz verfallen war.
Du warst sehr schön, du bist's noch heute,
Du warst sehr stolz, das ist vorbei!
Ich war mit dir in langem Streite,
Mein blieb der Sieg, und ich blieb frei.
Als Hunderte zu deinen Sohlen
Ihr stolzes Haupt zum Staub gebückt,
Hab' ich die Rache mir befohlen,
Und wunderbarlich ist's geglückt.
Zwei Jahr' an deinem Siegeswagen
Hab' ich den Hals im Joch geübt,
Nur, um dir heute kurz zu sagen:
Und doch, ich hab' dich nie geliebt!
(S. 83-84)
_____
Ständchen
Mein Liebchen komm, uns Beiden
Ist wohl, wenn der Abend scheint,
Es hat der Tag beim Scheiden
Sein Auge rot geweint.
Die allertiefste Bläue
Umduftet den Bergeswall,
Und wie in süßer Scheue
Murmelt der Wasserfall.
Lautlos die Flügel regend
Hinschwimmt des Winters Flug,
Das ist der entschlafenden Gegend
Duftflutender Atemzug.
Er macht die Welle nicht schüttern,
Er streicht ihr Haar nur glatt;
Er läßt die Blätter nicht zittern,
Er küßt nur jedes Blatt.
Die Blumen traumhaft schwanken
Und atmen wollustschwer,
Es flattern Märchengedanken
Um ihre Häupter her.
Der Baum mit allen Zweigen
Zum Himmel blickt er stät,
Er spricht in seligem Schweigen
In sich sein Nachtgebet.
Mein Liebchen komm, das Glutmeer
Ist hinter die Berge gerollt
Und wirft noch über die Flut her
Sein letztes Streifchen Gold;
Mein Liebchen komm, es nachtet,
Tau schlürfen die Rosen fromm,
Mein Mund nur dürstet und schmachtet,
Mein Liebchen komm, o komm!
(S. 85-86)
_____
Kennt ihr mein Lieb?
Kennt ihr mein Lieb, sein Aug' ist groß,
Kennt Ihr das Aug' und wie es trifft,
Schwarzdunkel wie der Wolke Schoß
Und leuchtend wie des Blitzes Schrift?
Schön ist es, wenn es lächelnd tagt,
Schön, wenn's im Kreis zorndunkel fährt.
Wie ist es blitzend, wenn's versagt!
Wie ist es tauig, wenn's gewährt!
Ihr kennt das Aug' und wie es sprüht,
Es hat euch oft das Hirn versengt,
Ihr aber seid's, die's übersieht,
Und ich, ich bin's, an dem es hängt.
Kennt ihr mein Lieb?
Kennt ihr mein Lieb, sein Mund ist rot,
Kennt ihr den Mund und wie er spricht?
Wie zuckt er trotzig, wenn er droht,
Doch mir alleine droht er nicht.
Vor aller Welt, wie spricht er klug,
Wie kindisch in verschwieg'ner Stund'!
Gesegnet sei dein Atemzug,
Granatenblüte, süßer Mund!
Ihr kennt den Mund, wie hold er tönt,
Und sterbt vor schmachtendem Gelüst,
Denn ihr, ihr seid es, die er höhnt,
Und ich, ich bin es, den er küßt!
Kennt ihr mein Lieb?
Ihr kennt mein wundervolles Lieb,
Die Quelle meiner Phantasien,
Ein Tropf, wer bei Verstande blieb,
Wenn ihn ein solcher Strahl beschien'!
Mein Lieb ist schön, wie keine mehr
Hier unterm Pfad des Sonnenballs,
Mein Lieb ist schön, zu seiner Ehr'
Bräch' ich euch allen gern den Hals!
Ihr kennt mein Lieb, mein Lieb ist hold;
Nun neidet mir's und seufzt Euch satt,
Ihr seid es, die ihr's haben wollt,
Und ich, ich bin es, der es hat.
Kennt ihr mein Lieb?
(S. 87-88)
_____
Wie gerne dir zu Füßen
Wie gerne dir zu Füßen
Sing ich mein tiefstes Lied,
Indes das heil'ge Abendgold
Durchs Bogenfenster sieht.
Im Takte wogt dein schönes Haupt,
Dein Herz hört stille zu,
Ich aber falte die Hände
Und singe: Wie schön bist du!
Wie gerne dir zu Füßen
Schau' ich in dein Gesicht!
Wie Mitleid bebt es drüber hin;
Dein Mitleid will ich nicht!
Ich weiß es wohl, du spielst mit mir,
Und dennoch sonder Ruh'
Lieg' ich vor dir und singe,
Singe: Wie schön bist du!
Wie gerne dir zu Füßen
Stürb' ich in stummer Qual!
Doch lieber möcht' ich springen empor
Und küssen dich tausendmal.
Möcht' küssen dich, ja küssen dich
Einen Tag lang immerzu
Und sinken hin und sterben
Und singen: Wie schön bist du!
(S. 88-89)
_____
Sei still!
Bringt Wein mir her, rotleuchtenden Wein,
Stimmt an die weichste Musik!
Mein träges Herze will trunken sein,
Denn es denkt nicht gerne zurück,
Nicht gerne zurück an den besseren Tag,
An das frische Blut, an den volleren Schlag,
Nicht gerne zurück, nein, nein!
Bringt Wein!
Mein schönes Lieb, schneebusiger Schwan,
O küsse mich stets aufs neu,
Daß ich alles, was du mir angethan,
Vergesse und selig sei,
Vergesse, daß ich einmal war jung,
Voll That und frischer Begeisterung;
Gieb lodernde Küsse, mein Lieb!
O gieb!
Auf Blumen und Seide laßt mich ruhn!
Bringt Wein und Musik stimmt an!
Ich bin ein weichlicher Knabe nun
Und war schon einmal ein Mann.
So küsse doch heißer, du schöne Frau,
So rinne doch schneller, du Purpurtau,
Und Du mahnendes Hirn, das reden will,
Sei still! (S. 89)
_____
Letzte Liebe
Entweicht von meiner Seele Spiegel,
Ihr Nebel, die ihr ihn umzogt,
Es ist der Liebe Schwanenflügel,
Der über meinem Haupte wogt.
Und sieh! Du kommst dahergefahren,
Frau Minne, durch des Äthers See:
Doch anders bist du als vor Jahren
Und strahlender, allmächt'ge Fee!
Du träuftest sonst mir als Armide
Den Zauberschlaf ins beste Mark.
Nun kommt dein Kuß, wie Gottesfriede,
Und macht mich freudig, fromm und stark.
Und kamst du sonst geschäumt, geschossen,
Ein Strom, der vom Gebirge rollt,
So liegst du jetzo mild ergossen,
Ein See im keuschen Sonnengold.
Du bist kein Feuer farbenflüchtig,
Das prächt'ge Funkengarben sä't,
Nein, eine Flamme alldurchsichtig
Und loderst still in Majestät.
Du bist kein ungestümes Regen,
Das heiße Herzen blutig gräbt,
Du bist der rechte Gottessegen,
Der über meinem Liede schwebt.
Es war mein Geist ein sehnsuchtskranker
Nach reiner Liebe, frischem Blut;
Des Sanges Schiff lag matt vor Anker,
Es schliefen Segel, Luft und Flut.
Da kommt dein Sturm und schwellt die Linnen,
Der Purpurwimpel fliegt zur Höh',
Der Segler jagt mit Klang von hinnen,
Und vor dem Kiele jauchzt die See.
Und immer tiefer werd' ich's inne,
Was vor dir war, ist Farbendunst,
Du bist die wahre höchste Minne,
Du bist des Himmels beste Gunst!
Heil jedem Munde, der dich feiert,
Aus dem dein Blütenodem geht;
Wem du dich einmal ganz entschleiert,
Der ist wahrhaftig ein Poet.
Es zieht die Nacht den heil'gen Bogen,
Und Liebe wogt ob Land und Meer;
Es trägt auf lauen Zitterwogen
Die linde Luft dies Lied daher,
Und zürnst du mir in keuschem Sinne,
O Herrin, wenn es trifft dein Ohr,
So denk': Es ist die reinste Minne!
Und schlafe furchtlos, wie zuvor.
(S. 90-91)
_____
Aus: Aus dem Nachlaß
11.
Wie ich lieben könnte
Willst du mit Hand und Herzen sein mein eigen,
So bin ich dein mit meinem tiefsten Minnen,
Mit meinem Denken, meinem Liedersinnen,
Und nie, beim Himmel! soll dies Minnen schweigen.
Nicht kann ich Gold und Lieblichkeit dir zeigen,
Nicht Prunk und Worte, die das Herz gewinnen,
Doch bis des Blutes Tropfen all verrinnen,
Bin ich dein Ritter, bis zum Sternenreigen.
Nicht kann ich mild, huldflehend vor dir knien,
Denn nimmer noch hat sich dies Knie gebeugt,
Als nur dem Herrn, der mir das Lied gegeben.
Durch Herz und Saite soll dein Bild nur ziehn,
Doch wenn dein Herz in meines sich verzweigt,
Darfst du es nimmer von mir heben.
(S. 149)
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Ghasel
Was frommt, wenn du nicht küssen willst,
der Reiz der Schäferstunde dir?
Was, wenn du nimmer sie verstehst,
der Minne süße Kunde dir?
Was frommt, wenn du nicht kühn und keck
ihn brauchst zum Schwerthieb in
der Schlacht,
Was frommt im feigen Wollustschlaf
der Arm denn, der gesunde, dir?
Was eilt, wenn du nicht nippen willst,
des Weines goldne Zauberpracht,
Was eilt des Bechers goldner Rand
zu dem Philistermunde dir?
Wenn nicht der Liebe Lebenshauch
im tiefsten Busen ist erwacht,
Was frommt, o Dirnlein, minniglich,
der Busen denn, der runde, dir?
Was dudelst du ein Liedlein her,
von lauen Seufzern angefacht,
Wenn wahre Lied- und Liebeslust
nicht stehn im reinen Bunde dir? -
Blick' in der heiligen Natur
schwarzdunkeln wahren Zauberschacht,
Dann senkt sich gern der Muse Wort
zum tiefsten Herzensgrunde dir,
Und was das Auge dir umspielt,
das halte fest mit kühner Macht,
Was in dir schläft, das blitz' empor
aus Herz und Faust und Munde dir.
Dem Feigling blüht die Rose nicht
durch seines Busens Nebelnacht,
Doch kühn schlürfst du des Glückes Trank
aus seines Fasses Spunde dir.
(S. 150-151)
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An die Frauen
Nicht in der Freude Glanzverklärung,
Im wonnevollen Blütensaum,
Im Zauberlächeln der Gewährung,
Im sonnelichten Liebestraum, -
Am liebsten mag ich euch erschauen,
Wenn ihr der Minne Wehe trinkt,
Wenn unterm Lilienkelch der Brauen
Die stumme Demantthräne blinkt.
Nicht in des Mittagshauches Kosen,
Nicht in der Maienlüfte Blau:
Es blühn am herrlichsten die Rosen
Im perlenhellen Abendtau.
(S. 152)
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Adel der Frauen
Es soll der Mann zur Sonne greifen,
Zu seiner Ehre Wunderland,
Zum tiefsten Schacht der Erde streifen
Nach seines Ruhmes Diamant.
In eures Busens Minnehulden
Liegt eures Ruhmes Sonne tief;
Denn eure Kraft ist stilles Dulden
Und Liebe euer Adelsbrief.
(S. 152-153)
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Die Rose im Meer
Es schwamm im Meer, im rauschenden Meer
Eine sturmgebrochne Rose her,
Eine Rose voll und licht;
Sie schwamm auf schaukelnder Wogenbahn
Hinab, hinan,
Rings um sie rauschte der Ozean,
Und er verschlang sie nicht.
Wie ein rosig Weib, das traumbesiegt
Auf grüner schwellender Matte liegt,
So lag sie auf grüner Flut;
Der blühende Schein, der Farbenduft
In Meer und Luft
Durchglomm die smaragdene Wassergruft
Mit reiner Rosenglut.
Die Wellen küßten sich gar nicht satt.
Auf perlenstrahlender Lagerstatt
Erwachte die Fei der See:
Was leuchtet über dem feuchten Schwall
Allüberall?
Es flammt wie der glühende Sonnenball
Und tut dem Auge nicht weh!
Die Muscheln schminkten sich rosenrot,
Die Korallen schämten sich fast zu Tod,
Verwundert schaute das Meer:
Wo kamest du her, wer magst du sein,
Du schöner Schein?
Fielst du vom Felsen ins Meer hinein,
Fielst du vom Himmel her?
Der Welt erkältenden Wellentau
Durchschwimmst du allein, du schöne Frau,
Und machst ihn farbig erglühn.
Wir wissen es nicht, woher du schwammst,
Woher du flammst,
Ob du von der Erde, vom Himmel stammst,
Genug, wir sehen dich blühn!
(S. 157-158)
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Vorüber
Im Dorfe gellt des Wächters Ruf,
Ich fahre durch die schwüle Nacht,
Den sprühenden Kiesel haut der Huf,
Die dampfende Achse stöhnt und kracht.
Ich fahr' an meiner Dame Schloß
Vorüber in die Weite trüb.
Ich darf nicht sagen: "Steh, mein Roß!"
Und nicht: "Gut Nacht, mein süßes Lieb!"
Du träumst, o Herrin! - träume süß
Und träume uns ein beß'res Glück!
Ein Traum nur ist das Paradies
Und jeder sel'ge Augenblick.
Du träumst, o Herrin, - träume hold!
Und breche nicht des Schlummers Kraft
Der Wagen, der vorüberrollt
Mit mir und meiner Leidenschaft!
Nicht störe dich mein Auge wild,
Das brennend durch die Nächte sprüht!
Nicht fließe in dein Traumgebild
Das wohllautlose Klagelied!
Nicht störe dich mein tobend Herz,
Das ich im Busen halte kaum:
Nicht würdig ist des Sünders Schmerz,
Zu stören einen Engelstraum.
(S. 158)
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Der Sturm ist los
Der Sturm ist los, der Schiffer muß verzagen,
Der kühne Mast bis auf die Flut gebogen,
Indessen die erbarmungslosen Wogen
Das tapfre Fahrzeug an die Riffe schlagen.
Vorbei das Wollen und umsonst das Wagen,
Der Wunsch begraben, das Gebet betrogen!
Der Wirbel kreist, das Schiff ist eingesogen,
Und drüber hin die schnellen Möven jagen. -
So sank mein Leben im Gewoge nieder,
Und über'm Schaum mit schrillendem Geklage
Als weiße Möven schießen meine Lieder.
Der Abgrund schweigt, die Welle murmelt trübe
Und leise singt die Fei zum Wogenschlage:
"Da drunten schlummert eine große Liebe!"
(S. 159)
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Aus Liebesleid
1.
Die innre Glut macht zeitig alt,
Meine Stirne wird schon faltig;
Du aber göttliche Gestalt
Bist ewig lichtgestaltig.
Daß ich dir nie gefallen mag,
Mein Herz beginnt's zu ahnen,
Was soll der süße Rosenhag
Auf rauchenden Vulkanen?
Es macht dich scheu die düstre Kraft,
Die meinem Aug' entfunkelt,
Wenn mir das deine märchenhaft
Aus schattigen Wimpern dunkelt.
Es macht dich scheu der wilde Strom,
Den meine Lippe flutet,
Wenn jedes innerste Atom
Verborgen zuckt und blutet.
Recht hast du! ich verdiene nicht
Dein keusches Bild zu hegen;
In meinem Feuer ist kein Licht,
In meiner Kraft kein Segen.
Ein wilder Wandrer ist mein Herz,
Den niemand liebt und achtet,
Bis er allein mit seinem Schmerz
In Finsternis verschmachtet.
Und dennoch! hättest du gewollt!
O reizendes Erinnern.
Mir wäre dann so wild gerollt
Der Strom in meinem Innern,
Sein Ufer wäre ein Smaragd
Und seine Flut krystallen,
Er ließe Lieder stolz beflaggt
Nach ewigen Meeren wallen.
Dahin, dahin! es ist vorbei!
Ich soll nicht mehr genesen,
Und jede edle Schwärmerei
Ist knabenhaft gewesen.
Doch wenn dies Herz in Asche stiebt
Mit seinem letzten Liede,
So denk: "Er hat mich sehr geliebt.
Gott schenk' ihm endlich Friede!"
(S. 159-160)
2.
Du bist so rein, so schön und gut!
Durchsichtig ohne Fehle
Wogt eine heil'ge blaue Flut,
Im Auge dir die Seele.
Den Himmel auf der Stirne dein
Wer darf ihn frevelnd trüben?
Du bist zu schön, du bist zu rein -
Du wirst mich niemals lieben!
Ich werde nie dein Ideal
Und nimmermehr dir teuer.
Du bist ein milder Sonnenstrahl
Und ich ein wildes Feuer.
Mag baden deine Seele sich
In spiegelreiner Helle,
Bis dir ein bess'rer Mann als ich
Melodisch rührt die Welle.
Das sei ein Mann mit lichter Stirn,
Der deiner Liebe tauge,
Der ganze Welten trägt im Hirn
Und Sonnen trägt im Auge.
Das sei ein Mann von Gott geweiht
In Liebe und im Hasse,
Der deine ganze Seligkeit
Im ersten Kuß umfasse!
Ich aber - nun wer frägt nach mir?
Vergessen und verschollen!
Mir gilt es gleich, wo fern von dir
Sie mich begraben wollen.
Die Welt hat Dichter nah und fern,
Wird mich nicht lang beweinen.
Du aber, wunderschöner Stern -
Wirst einem andern scheinen!
(S. 160-161)
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Aus: Gedichte von
Moritz Graf Strachwitz
Gesamt-Ausgabe
Halle a. d. S.
Druck und Verlag von Otto Hendel 1887
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Graf_von_Strachwitz
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