August Stramm (1874-1915) - Liebesgedichte

August Stramm



August Stramm
(1874-1915)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Liebeskampf

Das Wollen steht
Du fliehst und fliehst
Nicht halten
Suchen nicht
Ich
Will
Dich
Nicht!
Das Wollen steht
Und reißt die Wände nieder
Das Wollen steht
Und ebbt die Ströme ab
Das Wollen steht
Und schrumpft die Meilen in sich
Das Wollen steht
Und keucht und keucht
Und keucht
Vor dir!
Vor dir
Und hassen
Vor dir
Und wehren
Vor dir
Und beugen sich
Und
Sinken
Treten
Streicheln
Fluchen
Segnen
Um und um
Die runde runde hetze Welt!
Das Wollen steht!
Geschehn geschieht!
Im gleichen Krampfe
Pressen unsre Hände
Und unsre Tränen
Wellen
Auf
Den gleichen Strom!
Das Wollen steht!
Nicht Du!
Nicht Dich!
Das Wollen steht!
Nicht
Ich!
(S. 5)
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Verabredung

Der Torweg fängt mit streifen Bändern ein
Mein Stock schilt
Klirr
Den frechgespreizten Prellstein
Das Kichern
Schrickt
Durch Dunkel
Trügeneckend
In
Warmes Beben
Stolpern
Hastig
Die Gedanken.
Ein schwarzer Kuß
Stiehlt scheu zum Tor hinaus
Flirr
Der Laternenschein
Hellt
Nach
Ihm
In die Gasse.
(S. 6)
_____



Mondblick

An meine Augen spannt der Schein.
Das Schläfern glimmt in deine Kammer
Gelbt hoch hinauf
Und
Schwület mich
Matt
Bleicht das Bett
Und
Streift die Hüllen
Stülpt frech das Hemd
Verfröstelt
Auf den Mond.
Jetzt
Leuchtest du
Du
Leuchtest leuchtest!
Glast
Blaut die Hand
In glühewehe Leere
Reißt nach den Himmel
Mond und Sterne
Stürzen
Schlagen um mich
Wirbeln
 Tasten
Halt Halt Halt!
Und
Zittern aus zu Ruh
Am alten Platz!
In
Deinem Fenster droben
Gähnmüd
Blinzt
Die Nacht!
(S. 7)
_____



Erfüllung

Meine Sporen frechzen deine Spitzen
Bläulich kichern die Äderchen fort
In Sicherheit höhnisch
Im
Schimmrigen Weich
Bebige Hügel wiegen Verlangen
Köpfchen rosen empor und steilen Gewähr.
Die Lippe zerfrißt sich!
Golden ringeln Würger hinunter
Und schnüren den Hals zu
Nach meinen Fingern tastet dein Blut
Und siedet den Kampf.
Die Seelen ringen und kollern abseit!
Hoch schlagen die Röcke den Blick auf
Goldhellrot
Rotweichrot
Flamme zischt in das Hirn
Und sticht mir das Schaun aus!
Sinken Sinken
Schweben und Sinken
Schwingen im Sturme
Im Sturm
Im schreikrollen Meer!
Ziegelrot
 Über uns segnet der Tod
Säender Tod!
(S. 8)
_____



Freudenhaus

Lichte dirnen aus den Fenstern
Die Seuche
Spreitet an der Tür
Und bietet Weiberstöhnen aus!
Frauenseelen schämen grelle Lache!
Mutterschöße gähnen Kindestod!
Ungeborenes
Geistet
Dünstelnd
Durch die Räume!
Scheu
Im Winkel
Schamzerpört
Verkriecht sich
Das Geschlecht!
(S. 9)
_____



Wankelmut

Mein Suchen sucht!
Viel tausend wandeln Ich
Ich taste Ich
Und fasse Du
Und halte Dich!
Versehne Ich!
Und Du und Du und Du
Viel tausend Du
Und immer Du
Allwege Du
Wirr
Wirren
Wirrer
Immer wirrer
Durch
Die Wirrnis
Du
Dich
Ich!
(S. 10)
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Untreu

Dein Lächeln weint in meiner Brust
Die glutverbissnen Lippen eisen
Im Atem wittert Laubwelk!
Dein Blick versargt
Und
Hastet polternd Worte drauf.
Vergessen
Bröckeln nach die Hände!
Frei
Buhlt dein Kleidsaum
Schlenkrig
Drüber rüber!
(S. 11)
_____



Siede

Meine Schwäche hält sich mühsam
An den eigenen Händen
Mit meinen Kräften
Spielen deine Knöchel
Fangeball!
In deinem Schreiten knistert
Hin
Mein Denken
Und
Dir im Auggrund
Stirbt
Mein letztes Will!
Dein Hauch zerweht mich
Schreivoll in Verlangen
Kühl
Kränzt dein Tändeln
In das Haar
Sich
Lächelnd
Meine Qual!
(S. 12)
_____



Verhalten

Meine Augen schwingen in deinen Brüsten
Dein Haupt beugt glutrot weichen Schatten
Drauf!
Der Atem schämigt hemmend
Das Gewoge.
Mich krallt die Gier
Und herbe Dünste bluten
In seinen Ketten
Rüttelt
Der Verstand.
Fein
Knifft die Scheu die Lippen lächelnd
Kälter!
Mein Arm nur
Faßt
Im Schwung
Dich
Heißer heiß!
(S. 13)
_____



Vorübergehn

Das Haus flackt in den Sternen
Mein Schritt verhält und friert.
In deinem Schoße schläft mein Hirn.
Mich fressen Zweifel!
Voll
Schattet deine Büste in dem Fenster
Das Spähen hüllt mich lautlos
Die Sterne streifeln glühes Eisen
Mein Herz
Zerkohlt!
An deinem Fenster
Eist
Ein Windhauch Asche.
Die Füße tragen weiter leere Last!
(S. 14)
_____



Erhört

Das Hauchen weht
Und
Wirft die Widerstände
Das Wehen bebt
Und
Schüttelt Halt zu Boden
Das Hauchen braust
Und
Wirrt die wühle Tiefe
Das Brausen schwirrt
Und
Schluchzt das Herzblut auf.
Das Hauchen stürmt
Und
Reißt die Zeit in Ewig
Das Stürmen stürzt
Und
Wirbelt in das Nichtsein!
Du
Haucht
Das
Du!
Und
Hauchen Hauchen
 Hauchen
Stürmet
Du!
(S. 15)
_____



Traum

Durch die Büsche winden Sterne
Augen tauchen blaken sinken
Flüstern plätschert
Blüten gehren
Düfte spritzen
Schauer stürzen
Winde schnellen prellen schwellen
Tücher reißen
Fallen schrickt in tiefe Nacht.
(S. 16)
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Zwist

Gallen foltern bäumen lösen
Knirschen zürnen meiden Haß
Zittern stampfen schäumen grämen
Suchen beben forschen bang
Wenden zagen schauen langen
Stehen rühren seufzen gehn
Streicheln klagen
Kosen schelten
Schämen schmäht
Und
Fliehen wirbt
Schmiegen wehret
Armen sträubet
Quälen küßt
Vergessen
Lacht!
(S. 17)
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Verzweifelt

Droben schmettert ein greller Stein
Nacht grant Glas
Die Zeiten stehn
Ich
Steine.
Weit
Glast
Du!
(S. 18)
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Schwermut

Schreiten Streben
Leben sehnt
Schauern Stehen
Blicke suchen
Sterben wächst
Das Kommen
Schreit!
Tief
Stummen
Wir.
(S. 19)
_____



Heimlichkeit

Das Horchen spricht
Gluten klammen
Schauer schielen
Blut seufzt auf
Dein Knie lehnt still
Die heißen Ströme
Brausen
Heiß
Zu Meere
Und
Unsere Seelen
Rauschen
Ein
In
Sich.
(S. 20)
_____



Mondschein

Bleich und müde
Schmieg und weich
Kater duften
Blüten graunen
Wasser schlecken
Winde schluchzen
Schein entblößt die zitzen Brüste
Fühlen stöhnt in meine Hand.
(S. 21)
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Sehnen

Die Hände strecken
Starre bebt
Erde wächst an Erde
Dein Nahen fernt
Der Schritt ertrinkt
Das Stehen jagt vorüber
Ein Blick
Hat
Ist!
Wahnnichtig
Icht!
(S. 22)
_____



Wiedersehen

Dein Schreiten bebt
In Schauen stirbt der Blick
Der Wind
Spielt
Blasse Bänder.
Du
Wendest
Fort!
Den Raum umwirbt die Zeit!
(S. 23)
_____



Blüte

Diamanten wandern übers Wasser!
Ausgereckte Arme
Spannt der falbe Staub zur Sonne!
Blüten wiegen im Haar!
Geperlt
Verästelt
Spinnen Schleier!
Duften
Weiße matte bleiche
Schleier!
Rosa, scheu gedämpft, verschimmert
Zittern Flecken
Lippen, Lippen
Durstig, krause, heiße Lippen!
Blüten! Blüten!
Küsse! Wein!
Roter
Goldner
Rauscher
Wein!
Du und Ich!
Ich und Du!
Du?!
(S. 24)
_____



Dämmerung

Hell weckt Dunkel
Dunkel wehrt Schein
Der Raum zersprengt die Räume
Fetzen ertrinken in Einsamkeit!
Die Seele tanzt
Und
Schwingt und schwingt
Und
Bebt im Raum
Du!
Meine Glieder suchen sich
Meine Glieder kosen sich
Meine Glieder
Schwingen sinken sinken ertrinken
In
Unermeßlichkeit
Du!

Hell wehrt Dunkel
Dunkel frißt Schein!
Der Raum ertrinkt in Einsamkeit
Die Seele
Strudelt
Sträubet
Halt!
Meine Glieder
Wirbeln
In
Unermeßlichkeit
Du!

Hell ist Schein!
Einsamkeit schlürft!
Unermeßlichkeit strömt
Zerreißt
Mich
In
Du!
Du!
(S. 25)
_____



Wunder

Du steht! Du steht!
Und ich
Und ich
Ich winge
Raumlos zeitlos wäglos
Du steht! Du steht!
Und
Rasen bäret mich
Ich
Bär mich selber!
Du!
Du!
Du bannt die Zeit
Du bogt der Kreis
Du seelt der Geist
Du blickt der Blick
Du
Kreist die Welt
Die Welt
Die Welt!
Ich
Kreis das All!
Und du
Und du
Du
Stehst
Das
Wunder!
(S. 26)
_____



Schön

Wissen Tören
Wahr und Trügen
Mord Gebären
Sterben Sein
Weinen Jubeln
Haß Vergehen
Stark und Schwach
Unmöglich
Kann!
Dein Körper flammt!
Die Welt
Erlischt!
(S. 27)
_____



Trieb

Schrecken Sträuben
Wehren Ringen
Ächzen Schluchzen
Stürzen
Du!
Grellen Gehren
Winden Klammern
Hitzen Schwächen
Ich und Du!
Lösen Gleiten
Stöhnen Wellen
Schwinden Finden
Ich
Dich
Du!
(S. 28)
_____



Begegnung

Dein Gehen lächelt in mich über
Und
Reißt das Herz.
Das Nicken hakt und spannt.
Im Schatten deines Rocks
Verhaspelt
Schlingern
Schleudert
Klatscht!
Du wiegst und wiegst.
Mein Greifen haschet blind.
Die Sonne lacht!
Und
Blödes Zagen lahmet fort
Beraubt beraubt!
(S. 29)
_____



Fluch

Du sträubst und wehrst!
Die Brände heulen
Flammen
Sengen!
Nicht Ich
Nicht Du
Nicht Dich!
Mich!
Mich!
(S. 30)
_____



Spiel

Deine Finger perlen
Und
Kollern Stoßen Necken Schmeicheln
Quälen Sinnen Schläfern Beben
Wogen um mich.
Die Kette reißt!
Dein Körper wächst empor!
Durch Lampenschimmer sinken deine Augen
Und schlürfen mich
Und
Schlürfen schlürfen
Dämmern
Brausen!
Die Wände tauchen!
Raum!
Nur
Du!
(S. 31)
_____



Allmacht

Forschen Fragen
Du trägst Antwort
Fliehen Fürchten
Du stehst Mut!
Stank und Unrat
Du breitst Reine
Falsch und Tücke
Du lachst Recht!
Wahn Verzweiflung
Du schmiegst Selig
Tod und Elend
Du wärmst Reich!
Hoch und Abgrund
Du bogst Wege
Hölle Teufel
Du siegst Gott!
(S. 32)
_____



Werben

Geheimnis bogt das Tor
Erde Himmel
Harren!
Harren!
Auf schließt dein Blick!
Blend
Wirrt und greift
Und tastet
Krampf in leeren Händen.
Dein Lächeln wehrt.
Verschlossen blickt das Tor.
Mein Harren harrt
Und
Gott und Himmel pochen!
(S. 33)
_____



Abendgang

Durch schmiege Nacht
Schweigt unser Schritt dahin
Die Hände bangen blaß um krampfes Grauen
Der Schein sticht scharf in Schatten unser Haupt
In Schatten
Uns!
Hoch flimmt der Stern
Die Pappel hängt herauf
Und
Hebt die Erde nach
Die schlafe Erde armt den nackten Himmel
Du schaust und schauerst
Deine Lippen dünsten
Der Himmel küßt
Und
Uns gebärt der Kuß!
(S. 34)
_____



Erinnerung

Welten schweigen aus mir raus
Welten Welten
Schwarz und fahl und licht!
Licht im Licht!
Glühen Flackern Lodern
Weben Schweben Leben
Nahen Schreiten
Schreiten
All die weh verklungenen Wünsche
All die harb zerrungenen Tränen
All die barsch verlachten Ängste
All die kalt erstickten Gluten
Durch den Siedstrom meines Blutes
Durch das Brennen meiner Sehnen
Durch die Lohe der Gedanken
Stürmen stürmen
Bogen bahnen
Regen wegen
Dir
Den Weg
Den Weg
Den Weg
Zu mir!
Dir
 Den Weg
Den ichumbrausten
Dir
Den Weg
Den duumträumten
Dir
Den Weg
Den flammzerrissenen
Dir
Den Weg
Den unbegangenen
Nie
Gefundenen Weg
Zu
Mir!
(S. 35)
_____

Aus: August Stramm Du Liebesgedichte
Verlag Der Sturm Berlin 1922
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/August_Stramm

 

 


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