Adolf Strodtmann (1828-1879) - Liebesgedichte



Adolf Strodtmann
(1828-1879)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




O du meine liebliche Liebe!
(Kompon. von Karl Reinecke, Op. 81, Nr. 8)

Es war dort unter dem Lindenbaum,
Da träumt' ich seligen Frühlingstraum.
Sie hielt den Becher in weißer Hand,
Ich aber jauchzte ins helle Land:
"Dein Wohl, du liebliche Liebe!"

Es war dort unter dem Lindenbaum,
Da hab' ich begraben den Jugendtraum.
Kein Stern erhellte die kalte Nacht,
Als sie die Äugelein zugemacht,
Die bleiche, sterbende Liebe.

Nun sitz' ich unter dem Lindenbaum,
Und denk' an den flüchtigen Liebestraum,
Bei Nacht und Tage, bei Tag und Nacht -
Mein Eins und mein Alles, gut' Nacht, gut' Nacht,
Lebwohl, du liebliche Liebe!
(S. 7)
_____



Ich kann es nicht vergessen

Ich kann es nicht vergessen,
Dass du mich einst geliebt,
Nun da wie Schaum
Mein Liebestraum
In alle Lüfte stiebt.
Müd ist mein Herz, die Thräne fällt,
Ich steh' in weiter Welt -
Und kann es nicht vergessen,
Dass du mich einst geliebt.

Die Zeiten sind entschwunden,
Die unsre Liebe sahn,
Als Wellenklang
Und Nixensang
Umrauschten unsern Kahn.
Es trug der Wind die Schwüre fort,
Und fern verhallt dein treulos Wort -
Die Zeiten sind entschwunden,
Die unsre Liebe sahn.

Der Tod hat mehr Erbarmen,
Als falscher Liebe Noth!
So hoff' ich still,
Ob trösten will
Mich bald das Abendroth.
O sieh, mein Herz ist trüb und kalt,
Du lieber Tod, so komme bald -
Du hast ja mehr Erbarmen,
Als falscher Liebe Noth!
(S. 29)
_____



Irmgart

Erster Cyklus

1.
Mit deinem Schicksal will ich rechten,
Das um die Jugend dich betrog,
Und das auch dir in bangen Nächten
Ein Kummertheil der Sorge wog.

Wo ist der Gott, mit dem ich zürne,
Und der mein Klagelied versteht,
Dass auch die reinste Engelstirne
Dem Mal des Dulders nicht entgeht!

Ist dir vielleicht so früh beschieden
Des Lebens schwermuthvoller Ernst,
Damit du frühe schon dem Frieden
Und früh dem Glück entsagen lernst?

So arm ist all das bunte Träumen,
Dass ach! für dich der Erdenkreis
Auch nicht in einer Hütte Räumen
Ein stilles Glück zu geben weiß.
(S. 37)


2.
Warum bist du so schön?
Du hast mich nicht gefangen,
Als fröhlich einst dein Herz;
Hell glühten deine Wangen -
Ich bin vorbei gegangen
In ahnungslosem Schmerz.

Warum bist du so schön?
Ich seh' dich trauernd wieder,
Entfärbt der Wange Schein;
Die Thräne rinnt hernieder -
Nun klingen meine Lieder
Von deinem Schmerz allein.

Warum bist du so schön?
Dein Frühling ist entschwunden
Mit seiner Lust Getön;
Du zeigst mir deine Wunden -
Nun hab' ich's erst empfunden,
Wie schön du bist, wie schön!
(S. 38)


3.
Ich glaubt', in stürmender Windeseil'
So käme die Liebe gefahren,
Sie trät' aus der Wolke mit klingendem Pfeil,
Eine Göttin mit wallenden Haaren!

Sie winkt', und bräche im Morgenschein
Die alten Tempel zusammen,
Schmetternd und wetternd ins Herz hinein
Glühende, sprühende Flammen!

Ich glaub' und glaubte ... Du thöricht Herz,
Nun ist die Liebe gekommen;
Wie ein tönendes Lied voll Lust und Schmerz
Ist sie über die Wasser geschwommen.

Sie kam, sie weckte, sie küsste mich -
Nun sing' ich und lache und weine;
Mit klingenden Liedern begrüß' ich dich,
Du Eine, du Reine, du Meine!
(S. 39)


4.
Du weißt es nicht, dass ich dich liebe,
Und schweigend berg' ich meine Gluth,
Dass nicht der schöne Traum zerstiebe,
In dem mein Herz und Leben ruht.

Nicht stören will ich dein Entfalten;
Mag über deinem Angesicht
Der stille Gott der Liebe walten -
Ich künde meine Flammen nicht!

Bald geh' ich fort ... du siehst mich scheiden,
Und glaubst, ein Bruder ging dir fort;
Du lächelst trüb ... vielleicht uns Beiden
Versagt das letzte Abschiedswort.

Und wenn du dann im Abendschimmern
Des Träumers denkst auf ferner See:
Dann magst du ahnen, dass ich zimmern
Für dich und mich die Hütte geh'.
(S. 40)


5.
Vielleicht, sie werden mich verdammen,
Dass ich mein Zelt zusammenschlug,
Und so viel' heiße Lebensflammen
In ferner Wälder Schatten trug.

Sie blieben kalt dem vollern Tönen,
Das einst so hell die Welt durchsprüht;
Nun möchten sie sich fast versöhnen,
Da milder schon die Flamme glüht.

Wenn trüber stets der Selbstsucht Schlange
Im kalten Herzen höhnt und zischt,
Wird's ihnen doch zuweilen bange,
Dass bald das Feuer ganz erlischt. -

Du lass sie gehn! Du kannst verbannen
Den Spöttern nicht das Herz von Stein:
Nur in der Wildnis der Savannen
Darfst du es wagen, Mensch zu sein!
(S. 41)


6.
Noch einen Blick, noch einen tiefen, langen -
Dann wollt' ich gehn. Da hast du mich geneckt:
"Was lässt du so an mir die Blicke hangen?"
Dein Fragen, Liebchen, hat mich fast erschreckt.

Ein Sinnen lag auf deiner Römerstirne,
Und dunkler flammte deiner Auge Pracht,
Als gönntest du dem kranken Dichterhirne
Den Frieden nicht, den kurzen, vor der Schlacht.

O glaubst du: kühner wird mein Arm sich heben,
Wenn mir der Hass die rothe Fackel trägt,
Als wenn der Menschheit ganzes, volles Leben
In deinem Kusse mich zum Kampf erregt?

Doch hier den Schwur: wenn Lieb' und Kampf, die beiden,
Sich nicht vertrügen, wo man Schwerter zieht,
Wollt' ich entsagend selbst die Liebe meiden -
So will's die Zeit, und ihr gehört mein Lied!
(S. 42)


7.
Ja, diese Welt ist leer und trübe,
Sie stößt die Gluthen kalt zurück,
Und gönnt uns kaum das bisschen Liebe,
Und gönnt uns kaum das bisschen Glück.

Ob dich's in alle Fernen triebe,
Ob du in Wüsten dich verbannst:
Kein Plätzchen, wo das bisschen Liebe
Du vor dem Hass beschirmen kannst!

Und dennoch glauben wir, es bliebe
Ein unentdecktes Inselland,
Wo dir und mir das bisschen Liebe,
Das bisschen Glück den Hafen fand.
(S. 43)


8.
Einer Heimat hab' ich dich entrissen,
Eine Heimat sollst du wiedersehn;
Und die Stätte, Liebchen, sollst du wissen,
Wo verheißend uns die Hütten stehn.

Aus den Wolken tritt der Mond, der klare,
Und das Reh am Waldesrande lauscht,
Tief im Westen, wo der wunderbare
Kolorado seine Lieder rauscht.

Rohr und Binse regen sich und neigen
Ihre Häupter schwer und schlummermüd,
Bunte Vögel schaukeln in den Zweigen,
Und die märchenhafte Tulpe blüht.

Deine Sorgen dämmern nur von ferne,
Wie ein Traum von einer andern Welt,
Wenn im Glanz der abendlichen Sterne
Urwaldsduften um die Hügel schwellt.

Hier in diesem weltvergessnen Frieden
Weiß Natur Erhörung dem Gebet,
Dass ein warmes Menschenherz hienieden
Nicht vergebens um die Heimat fleht.
(S. 44)


9.
Wer hat den rauschenden Psalm erdacht: Ich liebe dich!
Wer hat das klingende Lied gemacht: Ich liebe dich!

Einst schliefen die Felder, es sprach kein Mund
In träumender Nacht: Ich liebe dich!

Da fand die Seele das Schöpfungswort,
Und flüsterte sacht: Ich liebe dich!

Zwei Blicke trafen sich - voller klang
Es gluthenentfacht: Ich liebe dich!

Die Sterne blinkten, ihr Blinken sprach
Von himmlischer Wacht: Ich liebe dich!

Und als am Morgen die Sonne kam,
Das leuchtet und lacht: Ich liebe dich!

So über die weite Erde ging's
Mit flammender Pracht: Ich liebe dich!
(S. 45)


10.
Glaubt' ich doch, in goldner Zukunft Tagen
Als ein Kämpfer in der Schlacht zu stehn,
Und der Freiheit Banner wollt' ich tragen,
Und den Tag des Ruhmes wollt' ich sehn.

Müdes Herz! dein Hoffen ist entschwunden,
Nicht die Völkersonne wirst du schaun,
Täuschung weckt dich statt der rothen Wunden,
Statt zu kämpfen, wirst du Stämme haun.

Doch getrost! vertrau dem Wanderstabe,
Überm Meere finden wir die Ruh' -
Bald vielleicht auch winkt ein blonder Knabe
Dir mit hellem Kindesauge zu.

Wo kein Fuß zertrat die dunklen Moose,
Und die Karaibenrose lacht,
Mag er selber, eine wilde Rose,
Träumend aufblühn in der Waldesnacht.

Lanze, Pfeil und Bogen soll er tragen,
Dass er nicht den eignen Stamm verflucht,
Wenn der rothe Mann in künft'gen Tagen
Hier die Rettung vor den Weißen sucht.
(S. 46)


11.
O nein, hinweg mit diesem Urwaldsrauschen,
Mit dieser trunknen Schlummerseligkeit!
Ich mag das Schwert um Liebe nicht vertauschen,
Und meine Lenden gürt' ich schon zum Streit.

So lange noch bis spät zum Abendstrahle
Durch alles Land der Hass die Arme reckt;
So lang Ein Bettler noch am Freudenmahle
Der reichen Welt umsonst die Hände streckt;

So lang sie heucheln, wenn sie Liebe reden,
So lang die Erde feil, und feil das Glück: -
So lang verzicht' ich auf den Traum von Eden,
Und geb' euch lächelnd eure Gunst zurück!

Mit euch kein Friede! Speere will ich werfen,
Und wenn mich Liebe kurz in Schlummer singt,
Soll auch die Liebe nur die Pfeile schärfen,
Dass tiefer noch mein Lied zum Herzen dringt!
(S. 47)


12.
Du hast mir nie dein Leid geklagt,
Wie sehr du elend, nie gesagt;
Doch glaub' ich fast, dass meiner Seele
Dein frommes Auge Nichts verhehle.

Dein frommes Auge! Lächeln will
Der Mund, die Lippe regt sich still:
Doch in dem Auge, dünkt mich, scheinen
Verborgner Gram, verhaltnes Weinen.

Und wenn du freundlich auch gelacht:
Du weintest dennoch über Nacht,
Dass in der Jugend Mai du Arme
Verlassen so, dass Gott erbarme!

Wie dürft' ich klagen, dass sich nie
Dein stolzes Trauern Worte lieh,
Wenn in der Sprache, leicht ergründet,
Des Auges so dein Schmerz sich kündet?

Zu dir um Liebe wollt' ich flehn -
Du aber heißt mich ferne stehn,
Und mehr noch einsam und verlassen
Wird auch dein letzter Stern erblassen.
(S. 48)


13.
Ich will dich vor dir selbst verklagen,
Dass mir dein Sinn so feindlich ist.
Du hast mir Lieb' und Trost erschlagen -
Ich will dich vor dir selbst verklagen,
Und hören, ob du schuldlos bist.

Dir hab' ich Alles hingegeben,
Als mich zuerst dein Blick entflammt;
Ein liederklangumtöntes Leben -
Dir hab' ich Alles hingegeben,
Was meiner dunklen Brust entstammt.

Ein Gott auf sichrer Freudenwelle,
Lenkt' ich mein Boot in stolzer Ruh';
Und trug, umblitzt von Sonnenhelle,
Ein Gott auf sichrer Freudenwelle,
Der Zukunft meine Schätze zu.

Da musste dich das Schicksal senden,
Eh' noch mein halbes Ziel erreicht;
Das Steuer brach in meinen Händen -
Dich musste das Geschick entsenden,
Dass all mein stolzer Muth erbleicht.

Ich fleh' es laut: o gieb sie wieder,
Die Perlen, die du mir geraubt!
Der Träume Glanz, die muntern Lieder,
Wo sind sie hin? - o gieb sie wieder,
Da noch mein Herz an Liebe glaubt!

Du Licht in meines Lebens Sturme,
Wird mir dein Hoffnungsstrahl verwehn?
Das Feuerzeichen dann am Thurme
Erlischt, und in des Lebens Sturme
Muss ich verzweifelnd untergehn!
(S. 49-50)


14.
Ich schwebte heut auf weichen Traumesflügeln
Mit dir hinab in heiße Tropengluth,
Wo zwischen Pisangwald-bewachsnen Hügeln
Die Hinde badet in der Morgenfluth.

Hibiskus rankte seine Winterflocken
Zu flammenden Akostablüth' empor,
Und Senega mit ihren Purpurglocken
Einwiegte träumend schon das Zuckerrohr.

Ich wandte mich, indess ich Cyrosollen
Und Pracht-Jolanden dir zum Kranz ersah,
Und warnte treu dich vor den düftevollen
Giftpflanzen Tarpoën und Siliba.

Du zürntest nicht, du schautest in die Wellen,
Dann, wie erwachend, gabst du mir die Hand,
Und neu beseligt las ich in den hellen
Gluthaugen, dass der Täuschung Wahn entschwand.

Ich sprang empor, und küsste dich im Traume -
Da wacht' ich auf, von deiner Gluth besiegt ...
Und war ein Thor nur, der im öden Raume
Des Schlummers noch sein schmerzlich Elend wiegt!
(S. 51)


15.
In heißem Kampfe mit der Welt und dir
Hab' um dein Herz ich lange nun gerungen,
Getrotzt dem Schicksal, und den Spott bezwungen,
Den Glückverbittrer zwischen dir und mir.

Nun fiel mein Loos! In Liedern hab' ich hier
Mein süß Geheimnis dir ins Herz gesungen;
Noch weiß ich nicht, ob mir der Sieg gelungen,
Weiß nicht, ob du mir kündest: "Scheiden wir!"

Sprich aus das Wort! Vereinsamt, trüb und stumm,
Wenn du mich fliehst, hinschreit' ich in die Nacht -
Ein starker Mann doch spräch' ich: Sei es drum!

Noch aber hoff' ich, und Gewährung lacht
Aus deinem Auge siegeshell mir zu -
Nach so viel Kampf Erlösung, Glück und Ruh'!
(S. 52)


16.
Du liebst mich nicht! Nach so viel Leiden
Stößt du mich fremd und zürnend fort!
Kein Gruß, kein Händedruck zum Scheiden -
Du liebst mich nicht! Nach so viel Leiden
Ein kalt und frostig Abschiedswort!

Wohl hab' ich nie dein Herz besessen,
Kein herber Tadel trifft dein Ohr!
Mir ward das Elend zugemessen -
Ich darf, weil ich dich nie besessen,
Nicht klagen, dass ich dich verlor!

So schreit' ich nun ins kalte Leben,
Verhüllt die Wunden, ernst zurück.
Umsonst mein Ringen, Glühn und Streben,
Umsonst vielleicht mein halbes Leben,
Wie mein geträumtes Jugendglück!

Mir ist von Allem Nichts geblieben
Das ich als mein begrüßen darf!
Von all der Gluth, von all dem Lieben
Ist nur die Asche mir geblieben,
Darein ich meine Perlen warf!

Und dennoch möcht' ich ohne Klagen
Festwurzelnd stehn im Meer der Zeit;
Ein Fels im Sturme möcht' ich ragen,
Bis über mir zusammen schlagen
Die Wogen der Vergessenheit!
(S. 53)
_____



Zweiter Cyklus

1.
Wenn deine Liebe gestorben,
Seele, was willst du thun?
Dein Tag verlischt in den Fluthen,
Du kannst nur träumen und ruhn.

Du kannst nur ruhn und träumen,
Ins schaurige Dunkel sehn,
Und Nachts am Grabe der todten
Liebe noch Wache stehn.
(S. 54)


2.
Begraben tief im Herzen
Hab' ich mein Liebesleid,
Und drüber wallt und brauset
Die kühle Fluth der Zeit.

Ich sang ihm ohne Ende
Viel Wiegenmelodein -
Es faltete still die Hände,
Und schlummerte friedlich ein.

Nur manchmal regt' ein Sehnen
Sich Nachts in tiefstem Traum;
Da weint' ich wohl viel' Thränen,
Und wusst' es Morgens kaum.

Was willst du nun, du bleiche,
Begrabne Liebe, von mir?
Bleib still im Schattenreiche,
Gönn Ruh' und Frieden dir!

Umsonst! - In wilden Gluthen
Flammt auf der alte Schmerz!
Umhüllt mich, feurige Fluthen,
Reißt auf, ihr Wunden! - verbluten
Lasst in dem Sturme dies Herz!
(S. 55)


3.
Zwei Jahre sind verrauscht - ich seh' dich wieder,
Du Niegefundne, die ich doch verlor!
Wie einst, umtönen heut dich meine Lieder,
Schon regt der Schwan sein leuchtendes Gefieder,
Und haucht ein Lied zum Sternenzelt empor.

Ein trübes Lied! Ich mag es nicht verhehlen,
Dass noch mein Herz die alten Flammen nährt!
Du bleibst mein Stern - nicht konnt' ich andre wählen;
So lass mich heut der stillen Nacht erzählen,
Dass in Verzweiflung sich mein Herz verzehrt!

Dir bleib' ich stumm! Kein Vorwurf soll dich stören,
Kein Ton der Liebe, kaum ein Blick, ein Wort!
Nicht Einen Laut der Klage sollst du hören -
Die Melodie von tausend Engelchören
Umrausche deine Seele fort und fort!

Dir bleib' ich stumm, auf ewig stumm! Verschließen
Will ich mein Leid, und lächelnd vor dir stehn.
Mein Leben mag in Nacht und Sturm verfließen,
Wenn nur um dich die Rosen hell entsprießen,
Und deine Sonnen niemals untergehn!

Sei glücklich du! Nicht frag' ich, ob uns Beiden
Noch einst den Kranz der Gott der Liebe flicht?
Brich mir das Herz - ich will es ruhig leiden!
Brich mir das Herz - du kannst von dir mich scheiden,
Von meiner Liebe ewig, ewig nicht!
(S. 56)


4.
Als ich dich verlassen, mein liebliches Lieb,
Da blühten im Garten die Rosen;
Um die duftigen, leuchtenden Blüthen trieb
Sich ein Schwarm von Libellen, den losen.
Mein Sommer war gangen, mein Frühling war weit -
Doch über das bunte Getriebe
Erschallte ein Lied voll Lust und voll Leid,
Das ewige Lied von der Liebe.

Als ich dich verlassen, da wallt' ich in Nacht,
Und weinte viel' blutige Thränen;
Viel' traurige Lieder wohl hab' ich erdacht
Voll Weh und voll Klagen und Sehnen.
Die Rose kam wieder, ihr klagt' ich mein Leid,
Dass Winter es ewig mir bliebe:
Mein Sommer ist gangen, mein Frühling ist weit,
Nie grüßt mich die Sonne der Liebe!

Nun kehr' ich zurück - es spiegeln im See,
Dem blanken, entlaubt sich die Wälder;
Zu meinen Füßen den knisternden Schnee,
Hinschreit' ich durch schlummernde Felder.
Doch tief mir im Herzen da lenzt es und mait,
Wie wenn schwellende Rosen es triebe -
O du singende, klingende Frühlingszeit,
O du wonnige Sonne der Liebe!
(S. 57)


5.
Schwärzer steigt mit ihren Schatten
Über meinem Pfad die Nacht empor.
Freude nimmer will mein Loos verstatten,
Und ermatten
Will die Seele, seit sie dich verlor.

Ach, um neues Glück geworben
Hab' ich wohl mit heißem Sehnsuchtshauch -
Doch wie schnell ist all die Lust verdorben!
Und gestorben
Mit der Freude ist die Hoffnung auch.

Froh die Saiten möcht' ich schlagen,
Die zu lange schon gerührt der Schmerz;
Möcht' ein Jubellied gen Himmel tragen -
Doch in Klagen
Müd und todeswund erstarrt mein Herz.

Frieden such' ich mir vergebens,
Wehrst du feindlich meine Flammen ab.
Ziel und Leuchte bleibst du meines Strebens -
Meines Lebens
Krone sinkt mit ihrer Lieb' ins Grab.

So im alten Zauberkreise
Festgebannt, der stets mich neu bezwingt,
Sang ich diese schwermuthsvolle Weise,
Die sich leise
Durch die Nacht zu dir hinüber schwingt.
(S. 58)


6.
Ach, schon wieder sinkst du nieder
Ohne Freudenglanz und Lieder,
Sturmumrauschter Wintertag!
Bleiern zogen fort die Stunden,
Die so flüchtig mir entschwunden,
Als ich, holden Frühlingskunden
Lauschend, dir im Arme lag.
Liebchen, sag, wann im Hag,
Wo dereinst ich dich gefunden,
Wohl das Veilchen blühen mag?

Wenn des hellen Stromes Wellen
Wieder frei zu Thale schwellen,
Und das Veilchen wieder blüht;
Wenn dem Lenz mit bunten Schwingen
Tausend Vöglein Lieder singen,
Und die tausend Knospen springen,
Die geweckt der laue Süd: -
O, dann sprüht im Gemüth
Neu das alte Sehnsuchtsklingen,
Bis es auf zur Flamme glüht!

Wohl bedaur' ich, dass so traurig
Lang der Winter! Kalt und schaurig
Pfeift der Sturm sein Lied dazu.
Doch es wird die Nacht der Schrecken
Enden bald, und, horch! mit kecken
Liedern wird der Lenz erwecken
Strom und Meere, Wald und Fluh'.
Geh auch du, Herz, zur Ruh' -
Glaube: Schnee und Winter decken
Schützend deinen Frühling zu!
(S. 59-60)


7.
Nun der Tag vorüber,
Den ich dir geweiht,
Sitz' ich dir genüber,
Wie in alter Zeit.

Bei der Sterne Funkeln
Wieder lässt du nun
Deine tiefen, dunkeln
Augen auf mir ruhn.

Träumend singst du leise
Mir den alten Sang,
Der wie Zauberweise
Meinem Ohr erklang;

Schlägst dann träumend nieder
Deiner Wimpern Saum ...
Singst du deine Lieder
Auch noch heut im Traum?

Nimmer soll erschrecken
Dein Verstummen mich!
Leise möcht' ich wecken
Aus dem Schlummer dich;

Wecken mit der Frage,
Ob aus stiller Nacht
Deiner Kindheitstage
Nun du aufgewacht?

Ob mir nun entgegen
Deine Seele zieht,
Und in Liebessegen
Jedes Leid entflieht?
(S. 61-62)


8.
Bad der Flammen, Bad der Schmerzen,
Ew'ge Liebe du,
Gönnst du jetzt dem müden Herzen
Endlich, endlich Ruh'?

Hast du nun der wilden Triebe
Schlacken all' verzehrt,
Dir zum Heiligthum, o Liebe,
Ganz mein Herz verklärt?

All mein Sinnen, all mein Trachten
Wandelt ja zu dir!
Lass mich durstend nicht verschmachten,
Komm, und lächle mir!

Gieb, o gieb dem müden Herzen
Endlich, endlich Ruh',
Bad der Flammen, Bad der Schmerzen,
Ew'ge Liebe du!
(S. 63)


9.
Gewiss! ich wollte dir entsagen,
Als scheu du meine Liebe flohst.
Du sahst mich gehn, und ohne Klagen,
Doch arm an Frieden, Glück und Trost.

Ein Schwimmer, taucht' ich in die Wellen
Des kalten Lebens neu hinein;
Ich sah die Fluth im Sturme schwellen:
Den Stürmen trotzt' ich, und allein!

Manch schimmernd Eiland sah ich blinken,
Manch holde Fei mit Lächeln gab
Den Kelch der Liebe mir zu trinken:
Du botst ihn nicht - ich wies ihn ab!

Nun ist das weite Meer durchschwommen -
Sieh her, ich bin zum alten Port,
Mir selber treu, zurück gekommen,
Und weiß, dass hier mein Heimatsort!

Hier will ich leben, will ich sterben! ...
Verstößt auch heut mich dein Gebot:
So muss ich gehn - doch ins Verderben,
So zieh' ich fort - doch in den Tod!
(S. 64)


10.
Und höre, du Mädchen, und liebst du mich nicht,
Und gibst die Seele nicht frei:
So bricht mein Leben, und mit ihm bricht
Die Harfe des Sängers entzwei!

Am Felsen zerbirst sie in dunkler Nacht
Mit wimmerndem Klageschrei;
Nie rauschte des trotzigen Sturmwinds Macht
So schaurige Melodei!

Bis über den Tod, bis über das Grab
Verfolgt dich ihr gellender Schrei.
Du flehst und betest: "Lass ab! lass ab!"
Sie aber giebt dich nicht frei.

Nichts kann dich erlösen vom Todessang
Der schaurigen Melodei -
Und mit schrillem Klang, wie die Harfe zersprang,
Bricht auch dein Leben entzwei!
(S. 65)


11.
Das war eine trübe Nacht,
Und ein Schlummer
bang und schwer!
Wie ein Kranker bin ich vom Schlaf erwacht ...
Rings sonnige Pracht! und die Erde lacht -
Doch mein Herz ist öd' und leer!

Im Garten die Nelken blühn,
Und im Feld der duftige Klee;
Die Wälder prangen in jungem Grün ...
Was schiert mich das Blühn, das Duften und Glühn?
Mein Herz ist so krank und weh!

Das macht, mein Liebchen ist todt;
Sie starb in Jammer und Leid!
Nun sing' ich vom Früh- bis zum Abendroth:
Mein Liebchen ist todt! - ach, schlimmer als todt,
Verloren in Ewigkeit!

Sie nahm einen falschen Mann,
Sich selber brach sie die Treu'!
Ist Liebe Das? O nein, hör an:
In der Sünde Bann ein Traum - und dann
Ein Wachen voll Schimpf und Reu'!

Ist Liebe Das? O nein!
So schwarz ist Liebe nicht!
Mag von Schuld der Erdball umfinstert sein:
Zu der Sterne Schein doch hebt sie rein
Ihr göttliches Angesicht!

Mich aber fasst ein Graun,
Und die Hände ball' ich vor Schmerz.
Mein weißes Reh in des Jägers Klaun!
Diese Ranke vom Zaun ist stärker, traun,
Als dein thörichtes Mädchenherz!

Fahrwohl, verlorenes Lieb -
Der Giftkelch ist geleert!
Keinen Seufzer, kein Wort, keinen Gruß mir gieb!
Bist ja todt, mein Lieb! - Was übrig blieb,
Ist keiner Thräne werth!
(S. 66-67)


12.
Ja, du bist frei! der Zauber ist zerbrochen,
Verweht die Flamme meiner Leidenschaft!
Von deiner Lippe ward das Wort gesprochen,
Das mich auf ewig deinem Bann entrafft.
Kein Zaudern mehr, kein Hoffen, noch Verlangen,
Du stehst mir heute ferner schon als fern!
O lass erröthen nicht die scheuen Wangen -
Denn eh' ich selbst von hinnen noch gegangen,
Ging unter meiner Liebe Stern!

Wohl möcht' ich flehn, dass anders es gekommen,
Dass ich beglückt dein armes Herz gesehn;
Dann hätt' ich schweigend meinen Stab genommen,
Verwaist, doch klaglos in die Welt zu gehn.
Und nun? ... O, wär' ich lieber doch gestorben,
Eh' ich dein namenloses Weh geschaut!
Von eines falschen Mannes Trug geworden,
Dem Jugend, Freude, Lenz und Glück verdorben -
Die Taube eines Vampyrs Braut!

Du zages Vöglein mit der weißen Schwinge,
Im Winde bebend wie das schwanke Rohr:
Zu Tode wund in jenes Gauklers Schlinge
Schreist bald du wild in deinem Schmerz empor.
An deiner Jugend lichtem Tag sich weiden
Mag heute noch der nächt'ge Höllensohn;
Dann kommt der Fluch, der Reue Fluch euch Beiden -
Es zuckt und bricht dein Herz in tausend Leiden,
Und seine Liebe ist entflohn!

Betrognes Kind, in wirrem Trug verloren,
Zu retten wähnst du jenen finstern Mann,
Der, wie er selber jede Lust verschworen,
Dich einzig zu sich selbst erniedern kann?
Ein Röschen du, noch kaum erblüht zum Leben,
Und er ein stumpfer Greis mit braunem Haar!
Mit Duft und Schimmer magst du ihn umweben -
Doch kannst du ihm die Träume wiedergeben,
Die Jugendträume, licht und klar?

Wie sollt' er trunken deinen Jubel theilen,
Wenn du dich froh in Ätherlüften wiegst?
Verbluten wirst du an des Unmuths Pfeilen,
Bis du, gleich ihm, verwelkt am Boden liegst!
Die Hoffnung todt, zerschellt dein Lebensnachen,
Kein rettend Land, so weit die Blicke spähn ...
Dann wirst du endlich - ach, zu spät! - erwachen;
Ich weiß nicht: wirst du weinen oder lachen?
Ich weiß nur: du wirst untergehn!

Und ich? - wo schlummern meiner Zukunft Loose?
O, lasst sie ruhn! was frag' ich heut nach mir?
Vom Sturm entblättert seh' ich eine Rose,
Und all mein Sehnen, Hoffen flog zu ihr!
In Liebe wollt' ich schützen sie und pflegen,
Entfalten ihres Blumenkelches Pracht -
Nun schaut' ich sie verheert von Wind und Regen,
Und fromm, doch machtlos, folgt mein Dichtersegen
Ihr in des Elends trübe Nacht.
(S. 68-69)


13.
Lichter Quell und grüne Waldesschatten!
Meine Liebe will ich hier bestatten,
Wo die Drossel melancholisch schlägt,
Und kein Windeshauch das Laub bewegt.

Alte Träume lasst mich schmerzlich wiegen,
Bis sie kalt und starr im Grabe liegen,
Und, von keinem Sehnsuchtsruf geweckt,
Ihre Trümmer Moos und Erde deckt.

Leise, leise! Horch, ein letztes Wimmern! ...
Lebt ihr noch? ... O nein, ein mattes Flimmern,
Eine Irrlichtsflamme, trüb und karg,
Stahl sich täuschend über euren Sarg!

Alles todt, vergessen und verloren!
Nicht ein Athmen selbst für Geisterohren!
Nicht ein Herzschlag, der von Lust und Leid
Kunde bringt aus meiner Rosenzeit!

Lieb' und Glück - begraben will ich's heute;
Dieses Lied sein letztes Grabgeläute!
Ohne Kreuz und ohne Leichenstein
Ruh' es hier im stillen Waldesschrein.

Dann hinweg! kein Wehlaut soll mich stören! ...
Dunkle Nacht schon senkt sich auf die Föhren;
Schweigend von der todten Liebe Gruft
Wandl' ich fort, wohin mein Stern mich ruft.
(S. 70)
_____



Maria

1.
Ich sang wohl oft in frühern Tagen
Von Liebe, Freiheit, Lust und Schmerz,
Und manchmal war's, als hört' ich schlagen
In meiner Brust der Menschheit Herz.

Und manchmal war's, als hört' ich tönen,
Wenn ich ins eigne Herz gelauscht,
Die Worte, draus ein Weltversöhnen
Schon fern zu uns herüber rauscht.

Wie ist das Alles schal geworden,
Das eigne Lied wie trüb und kalt,
Seit nun in vollen Klangakkorden
Dein Wort in meine Seele schallt!

Was ich auf irrverschlungnen Bahnen
Als Stern begrüßt im Lebenstraum:
Es war ja kaum ein dämmernd Ahnen,
Ein Lichtatom der Liebe kaum -

So bricht am Tage wohl ein Leuchten
Im Wiederschein aus dunkler Fluth,
Wenn tiefer Schätze Gold im feuchten
Meerschoße still verborgen ruht.

Laß nun die Schätze selbst mich heben!
Kühn steig' ich neu ins eigne Herz,
Und trag' empor ans helle Leben
Der Liebe Gold, der Weisheit Erz.

Und was mir so im Glanz der Tage
Der Schönheit stiller Gott verliehn,
Das mag als Lied, als Ton, als Sage
Von mir zu dir hinüber ziehn!
(S. 98)


2.
Sonne, ich grüße dich!
Empor tauchst du
Über dem schwarzen See,
Dem nächtlich murmelnden,
In dessen finsterem Schoß
- Einsam trübe, -
Statt der freudig strahlenden Welt,
Nur der Mond sich gespiegelt
Und die bleichen, kalt blitzenden Sterne.

Siehe, nun steigst du empor!
Ein Phönix des Himmels,
Schwingst du dich auf,
Und entfaltest dein Strahlengefieder
Über der rosig lächelnden,
Schlummer-enthobenen Welt!
Du wecktest sie alle,
Die da schliefen im Walde,
Die munteren Sänger;
Von den Schwingen schüttelnd
Den Thau der Nacht,
Begrüßen sie dich
Tausendkehlig,
Und singen dir fröhlich
Ein neues Lied.

Sonne, ich grüße dich!
Mich auch wecktest du
Aus des bleiernen
Traumes Umarmung
Wieder ins Leben,
Wieder ins Licht!
Und zum Danke
Singet der Sterbliche
Dir, der oftmals besungnen,
Mit jauchzenden Kehle
Ein neues Lied.

Sonne, wie grüß' ich dich?
Nenn' ich dich Helios,
Freundlich gedenkend,
Wie du dereinst
Mit klingenden Pfeilen
Aus göttlicher Höhe
Den Python erlegtest,
Das missgestaltete
Scheusal der Nacht? -
Oder verlach' ich,
Ein weise belehrter Thor,
Der Völkerjugend
Sinnige Fabeln,
Und bestaune dich
Mit des Verstandes
Pfiffig blinzelnder Schlauheit
Als leuchtende Kugel,
Welche nur scheinbar
Fest am ewigen Himmel steht,
Aber, ein dienender Stern,
Sich in endlos
Rauschenden Bahnen
Nur um andere Welten schwingt? -

Nein, o Sonne!
Mit höherem Namen
Will dich grüßen!
Will dich begrüßen
Mit dem heiligsten Namen des Herzens,
Mit dem Namen des Weibes,
Das mich selber
Aus der Phantasie
Schellenklingenden,
Dumpf belastenden Träumen
Wieder ins Leben
Geweckt, ins Licht!

Lange schlief ich
Verwünschten Schlaf.
Mich geleiteten
- Einsam trübe -
Auf der nächtigen Lebensfluth
Nur ein fernes Abbild
Künftiger Tage
Und der Hoffnung bleiche Gestirne.

Maria,
Sonne des Lebens,
Siehe, da tauchst du empor!
Kraftvoll
Zertheilst du die Nebel
Der finsteren Nacht.
Morgenröthe
Beglänzt schon mit siegendem Strahl
Die erwachte Seele -
Laut jubelt die Seele zu dir!
Du wecktest sie alle,
Die da schliefen im Herzen,
Die munteren Lieder;
Von der Schwinge schüttelnd
Den Thau der Nacht,
Begrüßen sie dich
Tausendstimmig,
Und verwundert
Hörst du sie klingen:
"Sonne des Lebens, wir grüßen dich!
Wonne des Strebens, wir grüßen dich!
Hör uns, hör uns, Maria!"
(S. 98-102)


3.
Armes Wort! wie darfst du wagen
Mit der Töne bleicher Pracht
Bild und Deutung ihr zu sagen,
Ohne Wort und Ton gedacht?
Sprich, wie darfst du jene Kreise,
Die harmonisch leise - leise -
Schwingen, klingen durch das All,
Stören mit des Liedes Weise,
Trüben durch der Stimme Schall?

O, ich weiß: es wird erscheinen
Jener Tag, wo Herz und Herz
Sich in Gluthen wird vereinen
Ohne rauher Töne Schmerz;
Wo dem voll erblühten Leben
Nur ein klangerzitternd Beben
Worterlöste Sprache leiht,
Und in freiem Weltdurchschweben
Seele sich der Seele weiht.

Doch bis jener Tag gekommen,
Aus der Zeiten Schoß getaucht,
Sei, was schauend wir vernommen,
Uns in Tönen hingehaucht;
Bis geweihter, stiller, treuer
Unsichtbar magnetisch Feuer
Unser Wesen ganz durchdringt,
Und bis ohne Wort ein neuer
Sphärenklang das All durchklingt.
(S. 103)


4.
Du liegst in den Kissen so bleich und krank;
Die Winde heulen, die Sonne sank -
Ave, Maria!

Die Stürme pochen ans Fensterlein;
Lass stürmen, lass brausen, schlaf ein, schlaf ein -
Ave Maria!

Schlaf ein, du armes, du krankes Kind,
Der Traum dir fächle die Stirne lind -
Ave Maria!

Lass mich und den Traum dir Hüter sein,
Es wacht und hütet sich gut zu Zwein -
Ave, Maria!

Ave, Maria! mein Licht und mein Stern,
Schlafe, mein Liebchen, der Tod ist fern -
Ave, Maria!

Ave, Maria! das Leben dir lacht!
Mein Lieb und mein Leben, gut' Nacht, gut' Nacht -
Ave, Maria!
(S. 104)


5.
Nun ist die Nacht, die kalte Nacht
Am Himmel aufgezogen,
Und mild beglänzt der Sterne Pracht
Des Lebens stille Wogen.

Dir kam der Schlaf - o brächt' er dir
Im Traum ein süß Gesunden,
Wie dieses Schlummerlied ich dir
Als Kranz von Mohn gewunden.

Ein Lied so leis, ein Lied so sacht
Möcht' ich für dich ersinnen;
Das sollt' in dich durch Schlaf und Nacht
Wie Thau des Friedens rinnen.

Vielleicht am Morgen grüßtest du
Erwacht mich und genesen,
Und ahntest still, dass Heil und Ruh'
Mein Lied für dich gewesen.
(S. 105)


6.
Stolzes Herz, o neige, neige
Dich der jungen Königin!
Wirf der Lieder bunt Gezweige
Rauschend ihr zu Füßen hin!
Ob sie auf geknickten Halmen
Deiner kühnsten Worte schwebt:
Streu ihr Blumen, brich ihr Palmen,
Sprich, wie ihr in Jubelpsalmen
Jeder Nerv entgegenbebt!

Stolzes Herz, - du warst gebunden,
Als du dich so frei geglaubt.
Da erst, als du sie gefunden,
Ward die Binde dir geraubt.
Sieh, es schwand der Wahn der Thoren,
Frei nun fühlst du dich im Zwang;
Und du weißt: in sie verloren,
Aus dir selber neu geboren,
Rauscht melodisch dein Gesang.

Von der Willkür dunklen Stegen
Wardst du kühn emporgerafft,
Mächtig reißt dich ihr entgegen
Lichtentflammte Leidenschaft.
Mit den Erden, mit den Sonnen
Fliegst du durch den Traum der Zeit;
Wandellos, dem Schein entronnen,
Freibewusst im Schoß der Wonnen
Ewiger Nothwendigkeit!
(S. 106)


7.
Dem Wandrer gleich, der, wenn er den Felsensteg
Schon halb erklomm zum Tempel auf Bergeshöh',
Stillrastend einmal noch sich umblickt
Nach des beschrittenen Weges Marken -

Da liegen sie: Lenzauen im Mittagsglanz,
Krystallne Fluth, was tobendes Meer ihm schien,
Darob die unheildrohnde Wolke
Selber in schimmernden Duft zerflattert;

Und strahlend vor ihm hebt sich des Tempels Bau,
Des nahen Ziels glanzhelle Verheißung, schon: -
So mögen wir aus froher Seele
Von der gewonnenen Rast des Lebens

Rückschauen einmal auf die vergangne Zeit,
Die ferner bald uns schwindet im Wonneglanz;
Und sieh, wie traumhaft schnell zerrinnen
Alle die Sorgen in Duft und Nebel!

Zwei Kämpfern gleich, die, starrend in Kriegerschmuck,
Zu liebem Handdruck selten die Zeit erhascht,
Und nur begeistrunghellen Blickes
In dem Gewühle der Schlacht sich trafen:

So lächelt' uns auch selten der heitre Scherz,
So drückten wir auch selten uns froh die Hand,
Und nur im Sturmschrittmarsch des Strebens
Trafen sich leuchtenden Blicks die Augen.

Doch siehe, fern nicht strahlt die Verheißung mehr,
Geblendet stehn wir nahe dem Tempel schon;
Der rauhe Dornpfad selbst des Weges
Schwindet in lustigem Blumgewinde!

Und wie sich zweimal hebt der metallne Vers,
Gehoben mühvoll, dröhnend herniederfällt;
Dann aber, leicht harmonisch fluthend,
Klingenden Spieles in Lust dahinrauscht:

So ladet uns durch starrende Finsternis
Zum Siegesfestmahl wilde Gedankenschlacht,
Bis in des Weltalls Melodieen
- Selige Götter - die Menschen stimmen.
(S. 107-108)


8.
An die Scheiben blitzte der junge Tag,
Die liebliche Kranke zu grüßen.
Auf schneeigem Pfühle dein Köpfchen lag,
Ich kniete zu deinen Füßen.
Ich stahl mich ins Zimmer, so sacht, so sacht,
Dass kein Tritt deinen Schlummer verderbe;
Kein Wort soll dich stören aus Träumen der Nacht -
Dich wecke des leuchtenden Frühroths Pracht,
Maria, du Süße, du Herbe!

Da flammt es empor - ein feuriger Ball!
Auffliegen die Nebel des Thales;
Es schauern die Wälder beim tönenden Schall
Des blitzenden, schimmernden Strahles.
Und weiter flieget der goldne Schein,
Dass der Tag das Dunkel beerbe;
Schon klingen die Lieder aus Feld und Hain -
Sie wollen dir Boten des Lichtes sein,
Maria, du Süße, du Herbe!

Ich öffne das Fenster - nun regst du dich leis -
Dich fächelt der Lüftchen Gekose;
Wie flammt noch die Stirne dir fieberheiß,
Du bleiche, du zitternde Rose!
Herein, du flammende Morgenpracht,
Dein krankes Röschen umwerbe!
Herein, herein! ... Da bist du erwacht,
Es jubelt dein Herz und dein Auge lacht,
Maria, du Süße, du Herbe!
(S. 109)


9.
Sprich, o Holde: war es nicht Gesang,
Wenn dein Wort in meine Seele klang;
Wenn die Rede quoll
Weich und liebevoll,
Und das Herz in Weisheitsgluthen schwoll?

Wenn das Herz in Weisheitsgluthen schwoll,
Weil aus tiefster Brust das Wort erscholl,
Das die Sterne lenkt,
Das die Erde schwenkt,
Und im Menschen nun sich weiß und denkt?

Was im Menschen nun sich weiß und denkt,
Selbst ein Lied, sich fluthend hebt und senkt;
Was in Wort und Klang
Deinem Mund entsprang,
Sag, o Holde: war es nicht Gesang?

Nein, es war, o Holde, nicht Gesang,
Weil noch laut das Wort in Lüften schwang;
Weil ein Ton noch schlägt
Hart und rauh bewegt
An das Ohr, wenn sich die Lippe regt.

Wenn das Ohr, die Lippe nicht sich regt,
Wo das Herz dem Herzen Kunde trägt:
Dann erst wird Gesang,
Was im Ätherklang
Frei von Seele sich zu Seele schwang.
(S. 110)


10.
Es war kein schwächlich Liebewerben,
Was uns auf gleiche Bahnen zog -
Ein Kampf auf Leben und auf Sterben!
Wir schlügen jedes Glück in Scherben,
Dafern uns nur ein Traum belog!

Dafern uns nicht dasselbe Ahnen
Zum selben Menschheitsziele trug;
Dafern nicht stolz im Frühlingsmahnen
Auf zu denselben Zukunftsbahnen
Des Geistes Aar den Fittig schlug!

Und wär' uns Liebe nicht gegeben
Als Schicksalszwang, als heil'ge Noth:
Wir würden fern uns bald entschweben -
Nur jene heil'ge Noth ist Leben,
Und ohne sie ist Liebe Tod!
(S. 111)


11.
Ja! lange hab' ich sie bezwungen,
Die kühne Gluth der Leidenschaft -
Doch nun mit wilden Feuerzungen
Durchbricht sie ihre Kerkerhaft;
Die Haft, darein ich stark sie bannte,
Bis Alles sie zu Staub verbrannte,
Was trügend meinen Geist umwob;
Bis in des Schmerzes heil'gem Feuer
Zerging, was mir an Wahn noch theuer,
Und sich ein Mensch, ein reiner, neuer,
Geläutert aus den Flammen hob.

Ist nun geweiht, wie je auf Erden
Ein Menschenherz, der Seele Brand?
Nein, edler musst du, größer werden,
Bis ganz in dir der Gott erstand.
Doch sei's! nicht länger will sie zagen
In dumpfer Haft, frei will sie schlagen
- Die Flamme - auf zum Himmelszelt!
Was braucht's, dass sie ihr Licht verhehle?
Frei schwingt sie sich als Philomele,
Als Lied, als Klang, als Frühlingsseele
Hinaus in ihre - deine Welt.

Du bist's, o Götterbild der Frauen,
Der ihre Gluth entgegen schlägt.
Lass sie das Wintereis zerthauen,
Das auch noch deine Seel' umhegt!
Sie muss! sie wird! Durch Eiseshülle
Stürmt sie mit heißer Liebesfülle
Der Flamme deines Herzens zu,
In Eine Gluth mit ihr zu glühen
Ein Feuerkelch der Lust zu blühen,
Ein Blitz ihr Leben zu versprühen, -
Dein Tempel ich, mein Weltall du!

Empor den Blick! O lass mich trunken
Aufschaun zu dieser Sterne Pracht!
Lass steigen mich, in Traum versunken,
In deines Herzens tiefsten Schacht!
Ach, Seel' um Seele möcht' ich tauschen,
Und jeden Athemzug belauschen,
Der unsres Lebens Pulse schwellt;
Ich möcht' - ein Lied - aus dir entschallen,
Und dann in tausend Wiederhallen
Zurück in dich unsterblich wallen,
Ein ewiger Akkord der Welt!

Ich fühl's! ich fühl's! mit dir im Bunde
Wird sich mein Wesen ganz befrein,
Im ewigen Genuss der Stunde
Ganz Seele, Lied und Flamme sein!
Dich tragend, selbst von dir getragen,
Will ich zu Ätherhöhen wagen
Den Flug, die noch kein Blick durchdrang.
Sieh her! ich breite schon die Schwingen,
Den ersten Frühlingsgruß zu bringen -
Ein Lied der Liebe will ich singen,
Wie je nur eins das Leben sang!

Der Lieb' ein Lied, ein Lied dem Leben,
Verrausche uns des Daseins Fluth;
Ein Blitz, der Liebe, Lied und Leben
Auslodern lässt in Eine Gluth:
Dass, wenn am letzten unsrer Tage
Der Geist mit sanftem Fittigschlage
Sich neuem Wandlungsstrome weiht,
Wir, noch im Tod von Lust durchdrungen,
Ein Stern, der seine Bahn geschwungen,
Ein Strahl, verglüht - ein Lied, verklungen,
Hinwandeln in die Ewigkeit!
(S. 112-114)


12.
Du sprichst: "Ich harre in des Norpols Eise,
Bis mich der Liebe Flammenstrahl erweckt.
Euch bin ich todt - was stört ihr meine Kreise?
Still harrt' ich auf des Wundervogels Weise,
Der wohl doch endlich meine Spur entdeckt." -

Wärst du ein Weib, das stumm in Trauerflören
Ihr Herz verhüllt, bis ihre Stunde naht;
Gewärtig stets, der Liebe Ruf zu hören,
Zu groß, durch falschen Schimmer zu bethören,
Doch Blüthen spendend rings auf ihrem Pfad:

Dann wollt' ich glauben, dass auf Sehnsuchtswogen
Aus fernstem Ort - wo Indiens Sonne brennt -
Von deiner Gluth magnetisch angezogen,
Zu dir die Liebe käm' einher geflogen,
Die weder Tod, noch Eis und Wüste trennt.

Doch so? - kalt webst du deine Zauberkreise,
Und höhnst der Opfer, die dein Spiel verlockt.
Fast dünkt mich, dass der Wundervogel leise
Dich rief - du hörst ihn nicht! - und nun im Eise
Der letzte Pulsschlag deines Herzens stockt.
(S. 115)


13.
Du stolzes Weib voll irrer Zaubermacht!
An deine Zukunft hab' ich oft gedacht,
Die mir das Herz erfüllt mit düsterm Bangen.
O, nie vergess' ich jenen eis'gen Traum,
Von dem gemartert in der Kissen Flaum
Entsetzt ich barg die glühnden Wangen!

Ein Winter war's, gleich diesem trüb und kalt.
Alleine durch den blätterlosen Wald
Kam ich im späten Abendgold geschritten.
Rings alles Wildnis, die kein Menschenfuß
Vor mir betrat ... Da winkt mir wie zum Gruß
Ein Hüttlein aus des Waldes Mitten.

Eintret' ich rasch. - Ob mich denn Keiner hört?
Nicht oft doch, mein' ich, ihr Bewohner! stört
Ein fremder Schritt das Schweigen dieser Wände.
Halloh, wacht auf! - Da schreitet auf mich zu
Ein blasses Weib ... O Gott, Maria! du
Entflohst an dieser Wildnis Ende?

Sie reicht die Hand mir. - Wenig' Jahre nur,
Seit ich begegnet deiner Flammenspur,
Sind hingezogen über deiner Stirne.
Doch weh, dein Auge grüßt mich kalt und todt,
Dein bleiches Antlitz glüht im Abendroth
Wie Schnee auf eines Gletschers Firne!

Bist du gestorben? Deine Hand ist Eis -
Doch nein, wie ehmals pocht dein Herz noch heiß; -
Was hat an dir die schöne Welt verbrochen?
Was flohst du trotzig aus der Menschen Bund? ...
Ein schmerzlich Lächeln spielt' um ihren Mund,
Und also hat sie trüb gesprochen:

"Nie weckte mich in dieser Welt voll Qual
Zum Tag des Lichts ein warmer Sonnenstrahl,
Nicht Glück noch Freude hab' ich je besessen;
Wenn rings der Frühling junge Blüthen trieb,
Aufküssend jedes Herz zur Wonne, blieb
Nur ich verloren und vergessen!

Ich wollte trunken durch die Spanne Zeit
Hinfliegen, athmend nur in Seligkeit -
Ihr hießt um mattes Erdenglück mich werben.
Von eurer Lust, der halben, will ich Nichts!
Versucher, geh - du bist ein Kind des Lichts -
Lass mich in meiner Wildnis sterben!"

Sie ging. Im Hause ließ sie stehn mich kalt,
Lang scholl ihr irres Lachen durch den Wald,
Erstarren fühlt' ich meines Herzens Pochen.
Eis meine Stirne, meine Seele Eis! ...
Da wacht' ich auf - im Fieber - kalt und heiß -
Mir war's, als sei mein Herz gebrochen.
***

Seh' ich dich heut, unselig Zauberweib!
Mit deinem Weh geputzt, wie um dein Leib
Der Bühnenheldin Prachtgewänder fluthen;
Schau' ich dich buhlen um des Beifalls Zoll
Mit deiner Wunden Leid, statt würdevoll
Und groß an ihnen zu verbluten:

So denk' ich oftmals an den alten Traum,
Und wollt', ich säh' dich an der Wildnis Saum,
Von deinen todten Hoffnungen umgeben;
Und sähe dich, erstarrt in deinem Weh,
Gen Himmel stumm den Blick, wie Niobe,
Aus deinem Waldeszelt erheben.

Dann bahnt' ich mir durch jeder Wüste Graus
Den Weg zu dir, und schritte stark hinaus,
Mit Purpurglanz den Abend dir zu färben;
Aufküssen wollt' ich dich zum Sonnenlicht:
"Wach auf, Maria!" - oder könnt' ich's nicht,
So wollt' ich einsam mit dir sterben!
(S. 116-118)


14.
An myst'schem Wort und dunklem Spruche,
Drin unser Geist gefangen irrt,
Gleichst du dem alten Bibelbuche,
Das manchen Denker schlau verwirrt.

Ist ihm die Deutung dann gekommen,
So schreibt er in bescheidner Ruh',
Was er der eignen Brust entnommen,
Wohl gar dem fremden Irrspruch zu.
(S. 119)


15.
Abend war's. Es zogen deine Lieder
Schwer und klagend in das Feld hinaus.
Meine Stirn in Trauer beugt' ich nieder,
In des Grames Fesseln schlug mich wieder
Deiner Nixentöne Fluthgebraus;
Lockte mich im Schwellen
Weicher Klangeswellen
Tief hinab in dein krystallnes Haus.

Einmal schau' ich noch empor. Verschlingen
Soll mich dann der Töne kühles Meer.
Aber sieh - auf mächt'gen Strahlenschwingen
Rauscht die Sonn', und kränzt mit Feuerringen
Jeder Wolke Saum, von Golde schwer.
Flammen dort und Flammen
Schlagen glüh zusammen,
Purpurfluth und Leuchten ringsumher!

Schau, Maria! jauchzt' ich freudetrunken. -
Kalt und nüchtern starrtest du empor:
"All der Schein ist mir in Nacht gesunken!
Ach, ich weiß, die Gold- und Purpurfunken
Glitzern trügend nur dem Auge vor;
Darf in ihnen lesen
Nicht ihr ewig Wesen,
Das in Dunkel sich dem Blick verlor!"

Seelenlose! nimmer will ich lauschen
Deiner Träume kaltem Wellenlied!
Sorglos will ich Flamm' um Flamme tauschen,
Will in Duft und Schimmer mich berauschen,
Eh' der helle Farbenschein entflieht!
Rosen will ich streuen,
Und im Licht mich freuen,
Dass so schön mein Aug' die Welten sieht!
(S. 119-120)


16.
Sollt' ich vereinsamt sterben müssen,
Von keines Weibes Huld verklärt,
So freut doch Eins mich: - dass zu küssen
Mich nicht dein falscher Mund gelehrt!

Wenn nie in all' den Erdentagen
Zum Gotte mich die Liebe weiht:
O Herz, es wäre schlimm zu tragen,
Ich weiß, du brächst in deinem Leid ...

Doch sollt' ich nie die Stund' erschauen,
In der mein Lebensstern mich grüßt:
Ich trüg' es eher, als das Grauen,
Dass lebend mich der Tod geküsst!
(S. 121)


17.
Nun sind verträumt die flücht'gen Stunden,
Die mich an deine Spur gebannt -
Lebwohl, verzaubert Inselland,
Dem siegend sich mein Geist entwunden!
Geh du in deiner Selbstsucht Hallen,
In deiner Öde Nacht zurück!
Dein Bau, o Circe, muss zerfallen,
Und fern von deinen Liedern allen
Taucht neu empor mein Lebensglück.

Aus seines Winters Frost erretten
Wollt' ich dein wahnumflortes Herz -
Doch sieh, du schlugst mit kaltem Scherz
Mich selbst in schnöden Zaubers Ketten!
Was Seel' und Geist an Schätzen hegen,
Hast du in frevlem Spiel geraubt;
Und als ich all den goldnen Segen
Geopfert, trugst du mir entgegen
Ein tödliches Medusenhaupt.

Fahrwohl! Ich mag dir nimmer grollen,
Dass du, was tief mein Herz erfreut,
Als welke Blumen hingestreut
Auf deinen Weg, den dornenvollen.
Die Zeit, ach, fürcht' ich trüb und bange,
Da du Verzweiflungszähren weinst,
Und da, in all dem Sehnsuchtsdrange
Verwaist, auf deinem Schmerzensgange
Du arm und hoffnungslos versteinst!

Fahrwohl, fahrwohl! Mich ruft die Stunde
Hinweg zu höherm Lebensziel:
Der Menschheit steuert zu mein Kiel,
Mit ihrem Glück und Leid im Bunde!
Ade, verwünschte Zauberhügel,
Wo Circe's Lockung mich umspann!
Die Zukunft leihe mir die Flügel,
Und trage mit verhängtem Zügel
Zu neuen Sonnen mich hinan!
(S. 122-123)
_____




Gebet

Liebe, die in Thrake's Hainen
Einst gehorcht des Sängers Ruf;
Liebe, die aus todten Steinen
Andachtsvolle Hörer schuf;
Die Eurydiken dem Gatten
Selbst aus Hades' finstern Schatten
Wieder an das Licht beschwor;
Die, ein Strahl von Himmelssonnen,
Einmal zu den höchsten Wonnen
Jeden Sterblichen erkor -
Schaumentstiegne Göttin, sprich,
Liebe, warum fliehst du mich?

Zog ich nicht auf deinen Bahnen,
Seit du mich ins Sein geweckt,
Seit ein kindlich frommes Ahnen
Deine Flammen mir entdeckt?
Hab' ich nicht mit Lied und Leben
Dir mich ganz dahingegeben,
Opfernd Freude, Glück und Ruh'?
Willst du nun mit tausend Qualen
Mir die heil'ge Schuld bezahlen,
Winkst mir nie Gewährung zu? -
Ende, Göttin, diese Pein,
Kehr, o Liebe, zu mir ein!

Komm, o komm! du hast geleitet
Mich durch Prüfung, Angst und Schmerz;
Sieh, als Tempel steht bereitet
Dir ein gluthgeläutert Herz!
Deinem Wolkenthron entsteige,
Himmelskönigin, und neige
Lächelnd dich zu mir herab;
Komm und lös' in Wonnethränen,
Sel'ge, all dies stumme Sehnen,
Dem kein Traum Erfüllung gab!
Segenspendend, mild und rein,
Kehr, o Liebe, zu mir ein!

Theil', o Göttin, all mein Denken,
Um die Welt mein herbes Leid!
Wolle du die Pfeile lenken
In der Menschheit wildem Streit!
Wo sich Feinde tödlich hassen,
Hilf das Banner mir erfassen,
Welches jeden Kampf versöhnt;
Sei in all dem Nachtgetriebe
Mir die Sonne du, o Liebe,
Die den Zukunftstag verschönt!
Deinem Werke mich zu weihn,
Kehr, o Liebe, zu mir ein!

Oder willst du, dass in Gluthen
Mich zu dir mein Schicksal rafft?
O, so lehre mich die Fluthen
Wild entbrannter Leidenschaft!
Stürmisch lass in tausend Flammen
Lodern Herz und Herz zusammen,
In ein Meer von Lust getaucht!
Einmal komm, und nimmer sorgen
Wird die Seele, ob sie morgen
Schon im Feuertod verhaucht!
Mag dein Strahl Vernichtung sein,
Kehr, o Liebe, zu mir ein!

Komm, o komm! Als Morgenröthe
Stiegst du nicht zu mir herab,
Die mir eine glanzerhöhte,
Lichtverklärte Jugend gab.
Nun im vollen Tag des Lebens
Rief und ruf' ich dich vergebens,
Aus des Herzens tiefster Noth;
Flehnde Arme sieh mich heben -
Willst du endlich mich umschweben
Als ein reiches Abendroth? -
Weltgeblückerin, o sprich,
Liebe! wann erhörst du mich?
(S. 154-156)
_____



Käthchen

1.
Ich zog in ferne Lande
Hinaus nach Lieb' und Glück;
Ich kam zum Heimatstrande
Enttäuscht und arm zurück.
Mein Hoffen war entschwunden,
Mein Traum verweht im Wind -
Da hab' ich dich gefunden,
Du Balsam meiner Wunden,
Du Trost in trüben Stunden,
Du reines Engelskind!

Wohl hat auch dich mit Wüthen
Des Lebens Sturm umschnaubt,
Und manche deiner Blüthen
Ein jäher Frost geraubt.
Doch wusstest du zu hegen
Den Lenz in deiner Brust -
Und sieh, wie Maienregen
Quillt labend allerwegen
Von dir zu mir ein Segen
Von Lieb' und Frühlingslust!

Hab Dank für deine Güte,
Du sanftes Frauenbild!
Dein freundliches Gemüthe
Schafft mich auch froh und mild.
Du weckest Lust und Lieder
Aufs Neu' im Herzen mir;
Der Schwan der Dichtung wieder
Erhebt sein Glanzgefieder -
Und Lieb' und Lust und Lieder,
Ach, Alles dank' ich dir!
(S. 236-237)


2.
Du hieltest meines Lebens Loose,
Ein Engel, treu in deiner Hand;
Die Sonne warst du mir, die große,
Die hehr an meinem Himmel stand.
Nun ist die Sonne mit entschwunden;
Verbluten soll an meinen Wunden
Allein ich in der kalten Welt.
Der Engel hebt die weißen Flügel,
Und schwingt sich über Thal und Hügel
Fern, fern hinauf zum Himmelszelt.

Aus nun die Lust und aus das Leben!
Still weinend tret' ich in die Nacht.
Werd' ich mich jemals neu erheben?
All' eins! mein Schicksal ist vollbracht.
Kein Blitz kann mich erreichen,
Der nicht mich näher zu dem bleichen
Gespensterland der Todten bringt.
Ob wild sich noch die Wogen bäumen:
Ich will von jener Ruhe träumen,
Die uns in ew'gen Schlummer singt.

Und wie in grauer Vorzeit Tagen
Das Volk den ausgestoßnen Mann,
Den Götterzorn aufs Haupt geschlagen,
Still überließ des Elends Bann:
So lass' auch mich die Welt, die laute,
Vom Strahl, dem ich mein Glück vertraute,
Zerschmettert, der Vernichtung nahn,
Und, frei von ihrem Lob und Schelten,
Geweiht, verflucht - was soll mir's gelten? -
Fortwandeln meine düstre Bahn!
(S. 238-239)


3.
Es quält mich oft, seit du geschieden,
Dass ich, der so viel' Kränze schlang
Um Herzen, die mich kalt gemieden,
Für dich so wenig' Lieder sang.

Wie kam's nur, dass die goldne Leier,
Die jeder Windhauch sonst bewegt,
Zu unsres Liebesfrühlings Feier
Mit Jubelschall sich nie geregt?

Hab' ich in deinen Liljenarmen
Denn thatlos schier die Zeit verträumt,
Und über deinem himmlisch warmen
Den Kuss der Muse ganz versäumt?

Ach! Götter durften uns beneiden,
Es blieb kein Wunsch uns mehr zurück;
Doch wortlos wie das tiefste Leiden,
Ist wortlos auch das höchste Glück.

In deines Auges Glanz verloren,
War all mein Leben Poesie -
Nun hab' ich sinnend neu beschworen,
Die Schmerzensfluth der Elegie.

So nimm dies Lied, das leisen Schwebens
Als Gruß zu dir hinüber wallt
An jenen dunklen Strand des Lebens,
Von wo kein Echo wiederschallt!
(S. 240)


4.
Du schläfst nun unter Rosen und Cypressen
Ein traurig langes Jahr;
Und doch ist dein Bild so unvergessen,
Wie einst es war.

Noch jeden Morgen kränz' ich deinen Hügel
Mit frischer Blumen Zier,
Und überallhin folgt, wie Engelsflügel,
Dein Schatten mir.

Zuweilen, wenn des Tages Mühn und Sorgen
Geräuschvoll mich umgellt,
Hast du dich wohl vor meinem Blick verborgen
Im Lärm der Welt.

Heimwärts dann schritt ich mit gebrochnem Herzen,
Allein, ach! ganz allein,
Und noch im Schlummer wälzt' ich meiner Schmerzen
Ruhlose Pein.

Doch, aufgewacht in nächtig stillen Stunden
Von meiner Thränen Fluss,
Hab' oft ich deines Odems Hauch empfunden,
Wie Geisterkuss.

Auf meine heiße Stirn dann fühlt' ich legen
Sich eine kühle Hand,
Und deiner Nähe Himmelstrost und Segen
Hab' ich erkannt.

Auch Todte, lernt' ich, können Grüße spenden
Und liebend um uns sein,
Und Der, zu dem sie hold ihr Antlitz wenden,
Ist nicht allein.

Wie sie im Leben Lenz und Licht und Labe
Für ihn gewesen sind,
Umfächelt ihn noch tröstend aus dem Grabe
Ihr Odem lind.

So schweb um mich mit weichem Seraphsflügel,
Verklärtes Engelsbild,
Bis jedes Leid der stille Todtenhügel
Auch mir einst stillt!
(S. 241-243)
_____




Henni

1.
Finster war die Nacht, in der ich lebte,
Seit die Heißgeliebte mir entschwebte,
Die mir Licht und Lust und Leben gab.
Ach, mit ihr war all mein Glück verdorben,
Und es dünkte mich mein Herz gestorben,
Und die weite Welt ein ödes Grab.

Trüb und traurig barg in stiller Klause
Ich mein Leid im blitzgetroffnen Hause,
Das kein frohes Lachen mehr durchklang.
Meines Lebens Sonne war geschieden,
Und nach Liebe nimmer, - nur nach Frieden
Seufzte meine Seele schwer und bang.

Sieh, da tratst auf meinen nächt'gen Wegen
Plötzlich du, o Holde, mir entgegen,
Strahlend wie ein lichtes Engelsbild;
Von der Himmelsgüte Reiz umflossen, -
Und die lieben blauen Augen gossen
Tröstung auf mich nieder süß und mild.

In der Hand den weißen Liljenstengel
Seh' ich blinken; ja, dem Reich der Engel
Bist du hehr und göttergleich entschwebt.
Und die Hände muss ich betend falten:
"Dank, o Götter, dass mit gnäd'gem Walten
Ihr dies Kind von Eden's Flur mir gebt!"

Und die Arme breit' ich voll Verlangen
Nach dir aus, dich liebend zu umfangen -
Weh! da bist du wie ein Geist enteilt!
Doch die Welt liegt rings in Morgenhelle,
Und geweiht ist meines Hauses Schwelle,
Drauf dein flücht'ger Elfenfuß geweilt.

Stürmisch fragt mein Herz mit süßem Schrecken:
Bist du nur ein Traumbild, das zu necken
Und zu trügen meine Hoffnung kam?
Göttliche, o kehr zurück, erwähle
Dir zum Tempel diese Menschenseele,
Die entzückt den Himmelsruf vernahm!
(S. 243-244)


2.
Und immer noch frag' ich: Ach, bist du ein Traum?
Denn wie Träume kommst du und gehst du;
Auf all' meine Fragen erwiderst du kaum,
Und all' meine Küsse verschmähst du!

Du huschest herein und du huschest hinaus,
Wie Irrwischflämmchen entschweifen;
Du jagst dich mit mir durch Garten und Haus,
Und lässt dich nicht fassen und greifen.

Du süßes, du liebliches Schelmengesicht,
Und will ich dich küssen und herzen,
So sträubst du und sperrst dich und leidest es nicht,
Und entfliehst unter Lachen und Scherzen.

Du süßes, du liebliches Schelmengesicht
Mit der lerchenliedzwitschernden Kehle: -
Was Lieb' ist, du Kobold, Das weißt du wohl nicht,
Und hast keine menschliche Seele?

O hüte dich, hüte dich, Schelmengesicht,
Schon hat dich die Liebe beim Schopfe;
Das kühle Herzchen, sie achtet es nicht,
Noch den klugen Verstand in dem Kopfe.

Das kühle Herzchen brennt lichterloh,
Der kluge Verstand geht auf Reisen -
Und kehrt er wieder, so wird er froh
Die Lieb' als Herrscherin preisen!
(S. 245)


3.
Neckisch fragst du: "Bin ich
Solch ein störrig Kind,
Sag: wie kommt's, dass Alle
Dennoch gut mir sind?

Sag: wie kommt's, dass stets ich
Aller Liebling bin,
Dass mit mir zu scherzen
Jedem dünkt Gewinn?" -

Lose Schelmin, höre,
Was der Dichter spricht,
Der vom Buch der Räthsel
Alle Siegel bricht.

Sieh, du gleichst der Quelle
Tief im Waldesgrund,
Die da süß und helle
Klingt wie Kindermund;

Die ein Lied verkündet,
Das in jeder Brust
Neu die Gluth entzündet
Todter Jugendblust;

Die in jedem Herzen
Einen Traum erweckt,
Den mit bittren Schmerzen
Längst das Grab bedeckt.

Sollen sie's nicht danken,
Dass in deinem Lied
Sterne, die versanken,
Neu ihr Auge sieht?

Dass aus deiner Weise
Tönt ein holder Klang,
Welchen süß und leise
Jeder Mund einst sang,

Eh' der Ton verhallte,
Eh' der Stern erblich,
Eh' der Lenz entwallte
Und die Lieb' entwich!

Darum sei gepriesen,
Eh' dein Zauber flieht,
Gruß von Paradiesen,
Jugendwunderlied!
(S. 246-247)


4.
Du sagst: "Ich bin ein loser Schalk,
Den kirrst du schwer, o glaube!
Und nimmer wird der wilde Falk
Zu einer sanften Taube.

Trotz allem Sträuben, Flehn und Schrein,
Du musst, soll es dir nutzen,
Wohl gar dem armen Vögelein,
Die Flügel weidlich stutzen."

O nein! die Liebe lacht und spricht:
Wer möchte so dich zwingen?
Solch arger Vogler bin ich nicht,
Heil lass' ich dir die Schwingen.

Ein güldnes Ringlein heft' ich nur
Dir an die Flügelspitzen;
Das wird, wenn du durchschweifst die Flur,
Im Sonnenscheine blitzen.

Und unsichtbar ein Zauberband
Ist an dem Ring befestigt,
Das, ob es auch den Reif umspannt,
Dich drückt nicht, noch belästigt.

Frei in den Lüften regst du dann
Dein schimmerndes Gefieder; -
Doch zieh' ich leis das Kettchen an,
So fliegst du rasch hernieder,

Und wirst dich fromm nach Taubenart
Mir auf der Schulter wiegen,
Und bald dein Köpfchen weich und zart
An meine Wange schmiegen.

Die Lieb' ist auch ein loser Schalk,
Sie kirrt dich schon, o glaube!
Und bist du heut ein wilder Falk,
Sie schafft dich doch zur Taube!
(S. 248-249)


5.
(Sie spricht:)
"Du fragst so stürmisch,
Du böser Mann,
Ob ich dich liebe?
Was ficht dich an!
Wie soll ich's wissen,
Und dir es künden,
Da ich mich selber
Nicht fassen kann?

Sonst hab' ich lustig
Die Welt durchschwirrt -
Nun stockt mein Odem,
Mein Auge flirrt!
So groß das Leben,
So fremd die Wege!
Ach, hat mein Fuß sich
Denn ganz verirrt?

Ich seh' dich gerne -
Was willst du mehr?
Mit dir zu scherzen
Ist mein Begehr.
Allein dich küssen,
Und mit dir kosen,
Und zärtlich flüstern,
Das fällt mir schwer.

Nie hab' ich ernst mir
Die Welt beschaut,
Und lachen muss ich,
Nennst du mich 'Braut'.
Dann wirst du traurig,
Und schiltst mich Thörin,
Und drohst zu scheiden -
O schlimmer Laut!

Ach, wenn du schiedest,
So raubt' ich hier
Aus deinem Garten
Ein Blümchen dir.
Und wenn's verwelkte,
So käm' ich wieder,
Dich selbst zu stehlen
Auf ewig mir!

Musst dich gedulden
Fein still und sacht!
Kann Ja nicht sagen,
Bis ich erwacht -
Doch Nein dir sagen
Könnt' ich wohl nimmer,
Dann wär' ja Alles
Mir finstre Nacht!

Nun rathe selber,
Wie mir zu Sinn,
Ob ich dich liebe
Und gut dir bin?
Und kannst du's rathen,
Und kannst du's deuten,
Und mir es künden,
So nimm mich hin!"
(S. 250-252)


6.
Weißt du noch, wie mir dein Mund
Streng die Lippen wehrte,
Als zu küssen ohne Grund
Jüngst ich ihn begehrte?

Leis erröthend hast du mir
Lipp' und Wang' entzogen,
Und ich war drum minder dir
Wahrlich nicht gewogen.

Sprudelnd floss der Rede Quell
Uns im Seelentausche,
Und wir merkten nicht, wie schnell
Uns die Zeit verrausche.

Sprachen viel und sprachen lang,
Tief aus Herzensgrunde,
Bis zum Aufbruch mahnend klang
Uns die Trennungsstunde.

Wie ich nun als Kavalier
Meine Pflicht erfüllte,
Und den Mantel sorglich dir
Um die Schultern hüllte,

Bogst du hold dein Haupt zurück,
Sanft wie Turteltauben,
Und ich durfte dir - o Glück! -
Sacht ein Küsschen rauben.

Und ich fühlte: Was dem Zwang
Jungfräulich sich wehret,
Wird im Liebesüberschwang
Froh und frei bescheret.
(S. 253-254)


7.
(Sie spricht:)
"Fortgewandert bin ich in ein fremdes Land,
Seine Sprache dünkt mich halb noch unbekannt.

Nun vor meinen Blicken plötzlich ragt ein Thor,
Und mit zagem Herzen steh' ich still davor.

Räthselthor, was birgst du - Täuschung oder Glück?
Ein Weg führt hindurch nur, keiner führt zurück.

Soll ich heimwärts wandern jetzt zum alten Port?
Ach, der alten Heimat Blüthen sind verdorrt.

Hinter mir verwehte meines Pfades Spur,
Und verschmachten würd' ich auf der öden Flur.

Manche meiner Schwestern sind hindurch gewallt,
Lang ist in der fremden Stadt ihr Tritt verhallt.

Keine gab mir Kunde, wie's ihr drin gefiel,
Ob sie dort gefunden ihrer Sehnsucht Ziel.

Nur von fern herüber schallt ein dunkler Sang:
'Musst dein Herz befragen, ob dir's räth den Gang.'

Herz, mein Herz, was pochst du gar so unruhvoll?
Weiß nicht, was dein Pochen mir bedeuten soll.

Herz, mein Herz, was hebst du mir so hoch die Brust?
Nur die Lieb' ist Leben, nur die Lieb' ist Lust!

Nun, so will ich schreiten fröhlich durch das Thor,
Denn der Liebe Engel hält die Wacht davor.

Er, der mich geleitet aus der Heimat Aun,
Wird im fremden Land mir Heimatshütten baun."
(S. 255-256)


8.
Das war eine herrliche Liebesnacht,
Die wir durchwacht
Mit süßem Plaudern und Kosen!
Die Wanduhr tickte, dein Mütterchen schlief,
Durch das stille Dorf nur der Wächter rief,
Doch im Herzen tief
Erblühten uns flammende Rosen.

Von den Bäumen fiel das raschelnde Laub,
Dem Herbst zum Raub,
Und der Wind pfiff über die Heide.
Wir aber wandelten, Hand in Hand,
Durch künftiger Tage Zauberland,
Und vor uns stand
Die Welt im Frühlingsgeschmeide.

Es war das Herz dir so reich und voll,
Dass es überquoll
Von losen, lieblichen Scherzen.
"Und bin ich dein Frauchen", so riefst du aus,
"Dann führ' ich das Zepter gar streng im Haus,
Dann darfst du - o Graus! -
Mich nimmer küssen und herzen."

Doch als ich dir lachend ins Auge sah,
Wie ward dir da
Von Purpur die Wang' übergossen!
Dein Necken verstummte, dein Stolz entwich,
Mit beiden Armen umschlangst du mich:
"Wie lieb' ich dich!"
Und hieltest mich fest umschlossen.

Ein letzter Kuss noch! dann stürmt' ich hinaus,
Und eilte nach Haus
Durch des Herbstwinds schaurig Getriebe.
Doch wie silberne Glöckchen hell und rein
Erklang der Ruf mir ins Herz hinein:
"Du mein! ich dein!"
O Frühlingswunder der Liebe!
(S. 257-258)


9.
Nein, Das heiß' ich mir ein Wunder,
Wie es nur die Liebe thut!
Steht die kühle Maid jetzunder
Schon in lichter Flammengluth!

Während sonst dein Herz mit Bangen
Jedem Brief entgegen sah,
Fragst du jetzo voll Verlangen
Täglich: "Ist kein Briefchen da?"

Wolltest lange nicht erwarmen,
Jeder Kuss erschreckte dich -
Aber heut, mit weichen Armen
Mich umhalsend, küsst du mich!

Und derweil ich deine Grüße
Sonst zu holden Liedern spann,
Fängt mir selber meine süße
Henni jetzt zu dichten an!

Ja, wir haben unsre Rollen
Mählich ganz und gar vertauscht,
Und ich hab' an deinen tollen
Versen köstlich mich berauscht.

Muss ich nun die Kunkel nehmen,
Kinder wiegen, Köchin sein?
Oder willst du dich bequemen,
Auch noch Diesem dich zu weihn?

Engelskind aus Paradiesen,
Unsichtbare Zauberkraft,
Liebe, Liebe, sei gepriesen,
Welche solche Wunder schafft!
(S. 259-260)


10.
In ihr Album
Du ew'ge Macht, die über Sternen thronet,
Und in des Herzens tiefster Tiefe wohnet:
Gieb, dass sich diese junge Mädchenseele
In mir den rechten Stab und Führer wähle;
Dass ich mit ihr den goldnen Pfad beschreite,
Der uns zu allem Guten, Schönen leite;
Dass ich der Liebe reine Himmelsblüthe
Vor Sturm und Frost und Brand getreu behüte;
Dass mein Glück ihr Glück sei, und sonder Klage
Ich lächelnd ihre Last zu meiner trage!

O lass mein Herz nicht irren und nicht wanken,
Ihr weh nicht thun in Worten, noch Gedanken;
Lass starken Armes mich mein Lieb erheben,
Und mit ihm in das Reich der Dichtung schweben,
Dass sich die Wirklichkeit uns hold verschöne,
Und alles Leid des Liedes Macht versöhne.
Wär' uns ein finstres Wetter je beschieden,
So sei mein Theil der Kampf, ihr Theil der Frieden,
Auf dass durch mein Verschulden ihrer Seele
Im Kranz der Freuden keine Blüthe fehle!
(S. 261)


11.
(Sie spricht:)
"Ich las deine Lieder - o wonnige Lust!
Wie hallen sie wieder mir tief in der Brust!

Es tönen die Klänge so weich und so warm,
Mir ist, als umschlänge mich liebend dein Arm;

Als müsst' ich dir geben mein Sinnen und Sein,
Als müsst' ich mein Leben alleinzig dir weihn;

Und müsste dir klagen, was bang mich bedrückt,
Und müsste dir sagen, was hoch mich entzückt.

O, wollt' es gelingen, was süß mich durchzieht,
In Worte zu bringen, so würd' es ein Lied.

Das sollte dir danken mit freudigem Klang,
Und hold dich umranken im Wechselsang.

Doch eh' ich zu bannen die Worte gewusst,
Entfliehn sie von dannen aus pochender Brust.

Ach decken die Grüfte sie ewig mit Nacht?
Ach, haben die Lüfte zu dir sie gebracht?

Noch eh' ich gesungen, verhallte mein Sang,
Das Lied ist verklungen, bevor es erklang!

So lass mich dir geben mich selber allein,
Mein Herz und mein Leben, mein Sinnen und Sein.

Das soll dich umtönen mit fröhlichem Schall,
Das magst du verschönen mit lieblichem Hall!

Und nimmer wohl bliebe das Glück uns verwehrt,
Wenn Leben wie Liebe zum Lied sich verklärt,

Wenn Lieb' uns und Leben mit seligem Klang
Von selber sich weben zu hehrem Gesang."
(S. 262-263)


12.
Wenn uns der Menschen eitle Gunst
Verlässt in wintertrüben Tagen,
So wird versöhnen unsre Klagen
Die Schmerzenströsterin, die Kunst.
Es hat ein Strahl von ihren Weihen
Uns Beiden ja die Stirn umflammt:
Dich rief sie in der Tonkunst Reihen,
Mich zu der Dichtung heil'gem Amt.

Eil ans Klavier, heb an mein Lied,
Stürm durch die Tasten wild und wilder!
Schau, wie die Fluth der goldnen Bilder
Dein Spiel mir aus der Seele zieht!
Der schöne Gott, der Herzerweicher,
Tritt vor uns Beide strahlend hin -
Lass sehn, ob du an Klängen reicher,
Ob reicher ich an Liedern bin!

Verklärend werde Leid und Glück
Von Dichtung und Musik umsponnen!
Es spiegelt reiner Schmerz und Wonnen
Der Zauberquell der Kunst zurück.
Klingt nicht von deiner Thränen Flusse
Der Nachhall meiner Poesie?
Und lodert nicht von meinem Kusse
Die Gluth in deiner Melodie?

O Schöpfungsmacht, die nimmer flieht!
O Liebeswunder, das nicht endet!
Dein wild Allegro ist vollendet,
Und schau - vollendet ist mein Lied!
Wir standen in der Götter Reigen,
Hoch über Wechsel, Staub und Zeit ...
Ein Blick noch - und der Rest ist Schweigen
Im Wonnemeer der Seligkeit!
(S. 264-265)


13.
Du trautes Kind, das mir sein Herz ergeben,
Es ist dein Herz ein Blatt voll Zukunftsleben,
Das rein und hell im Morgenwinde bebt; -
Ein Blatt, drauf wenig Namen deiner Lieben,
Der Eltern und Geschwister, eingeschrieben,
Und sich ein einzig schwarzes Kreuz erhebt.

Ihr Schicksalsmächte in den Himmelsauen,
Wollt ihr dies edle Herzblatt mir vertrauen,
Dass meine Hand ihm sein Verhängnis schreibt:
So leicht die Kraft mir, dass zu holden Zügen
Sich dichtgereiht der Liebe Lettern fügen,
Und fleckenlos sein duft'ger Schimmer bleibt!

O, wollt Erhörung meiner Bitte senden,
Dass, wenn der Tod den Griffel aus den Händen
Mir nimmt, ich sagen darf mit stillem Glück:
"Dies Herzblatt, das ihr mir befahlt zu lieben,
Ich hab' es bunt und kraus vielleicht beschrieben,
Doch bring' ich's rein und unentweiht zurück."
(S. 266)


14.
Am ersten Jahrestage des Hochzeitsfestes
Ein Jahr ist hingeschwunden -
Wie schnell es schwand, wir fassen's kaum.
Was wir gelebt, empfunden
In seinen flücht'gen Stunden,
Es dünkt uns fast ein goldner Traum.

Seit ich zuerst, du Reine,
Dein liebes Auge leuchten sah,
Das mit verklärtem Scheine
Auf mir geruht, - ich meine,
Dass mir Das gestern erst geschah!

Erst gestern, mein' ich, fanden
Die Herzen sich auf immerdar,
Und liebe Hände banden
Den Myrtenkranz, und wanden
Den Schleier dir ins volle Haar.

Ach, Alles ist gekommen
Viel schöner gar, als wir's gedacht!
So oft ein Tag verglommen:
Er hat uns Nichts genommen,
Und immer neuer Glück gebracht.

Ob längst die Hochzeitskerzen
Der sel'gen Nacht erloschen sind:
Stets dünkt uns, Herz an Herzen,
Dass unter Lust und Scherzen
Erst heut der Liebeslenz beginnt.

Und wenn durch Haus und Garten
Erschallt dein heller Lerchensang:
Noch heute kaum erwarten
Kann ich der froh erharrten,
Der süßen Vogelstimme Klang.

Gestillt ist jedes Sehnen,
Kein Räthsel giebt es mehr zu schaun -
Und doch in Wonnethränen
Zerfließen wir, und wähnen,
Noch Etwas bliebe zu vertraun.

O holdes Liebesleben,
Du schaffst die Welt zum Paradies,
Wo Zauberkräfte weben,
Und Wunder uns umgeben,
Die Gott den ersten Menschen wies!
(S. 267-268)
_____


Aus: Gedichte von Adolf Strodtmann
Zweite, stark vermehrte (Gesammt-) Ausgabe
Hamburg Hoffman und Campe 1870

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Strodtmann



 

 


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