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Nahida Sturmhöfel
(1822-1889)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Zu den Liedern von der Liebe
Kennst du die Macht - die wunderbare Kraft,
Ein inn'res Sonnenlicht, das unser All belebt
Und seit Äonen schon den Gottgedanken schafft -
Empor aus niedern Trieben, höher, reiner strebt?
Chaotisch wirbeln, - unbeseelt
Im weiten Weltenraume
Die zahllos stofflichen Atome
Noch unberührt vom Lebenstraume,
Bis sie der Liebe Gotteshauch
Im lichten Weltendome
Durchdringt, zu neuem Leben auch
Gestaltend sie zur Harmonie,
Die uns den Himmel erst verlieh.
Dann strebt mit göttlicher Gewalt
Im unbewußten Element
Der Liebe zauberischer Keim
Zu immer edlerer Gestalt,
In der ein heilig Feuer brennt
Allmächtig zu der Quelle heim,
Es wallt empor! es strebt hinauf!
Aus jedem dunklen Drang und Triebe
Empor, empor im Siegeslauf
Zum höchsten Ideal der Liebe!
Zu ihrem Tempel komm! lass' hin uns ziehn!
So lang in Liebe noch das Herz im Busen schlägt.
O komm, o komm! lass' uns vor ihrem Altar knien,
Bis sie die Seele einst in lichte Welten trägt!
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 429)
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Liebeswert
(Priamel)
Nicht der Himmel, der
uns so weit,
Nicht der Erde Herrlichkeit,
Nicht Frühling mit der Rosenzeit,
Nicht all' erträumte Seligkeit,
Nicht Ruhm und Ehre heiß begehrt:
Nur Liebe ist des Lebens wert.
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 430)
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An die Dichtkunst
Keine Lorbeern, Ruhm und Orden
Suchte ich in deinem Dienst.
Keines auch ist mir geworden,
Auch nicht goldener Verdienst;
Aber Rosen sah ich blühen,
Wo der starre Winter lag.
Ew'ge Feuer sah ich glühen,
Wo die Nacht beherrscht den Tag.
Echte Perlen in dem tiefen
Meeresgrund, das Herz genannt,
Hab' ich, wenn die Stürme schliefen,
Aufgelesen aus dem Sand.
Alter Rätsel Lösung machte
Mir die Liebe offenbar;
Doch die schönste Krone brachte,
Muse, deine Gunst mir dar!
aus: Deutsche
Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 194)
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Vergangen
(Priamel)
Wenn die Sonne nicht mehr glüht,
Wenn die Rosen längst verblüht,
Wenn die Bäume unbelaubt,
Traurig schütteln kahles Haupt, -
Ziehet mir ins Herz ein Bangen,
Daß zu früh, zu früh vergangen
Meiner Liebe Rosenzeit,
Und - ich träumt' von Ewigkeit.
aus: Deutsche
Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 194)
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Vor der Leuchte am Meer
Es braust und rauscht der Wogen Sang
Vom tiefen dunklen Meer
Und zieht ins Herz unsäglich bang
Von Liebesleid so schwer.
Da oben blinkt kein Stern hervor
Und grüßt wie sonst herab.
Nur dunk'le Nacht im Wolkenflor
Wie Trauer überm Grab.
Und fern am Strande einsam winkt
Des Leuchtturms stetes Licht,
Damit der Schiffer nicht versinkt,
Wenn ach! sein Schiff zerbricht.
Wo ist die Leuchte für die Nacht,
Die meine Brust durchzieht,
Die in den Hafen mich gebracht?
Ach! alle Hoffnung flieht!
Wie über alle Wonne geht
Der Liebe Seligkeit,
So über Todesqualen steht
Das tiefe Liebesleid.
aus: Deutsche
Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 194-195)
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Am Bach
Ich sah mein Bild im Bache,
Entstellt und todesbleich.
Bin arm und müde, müde!
Und nur an Schmerzen reich.
Und konnt' nicht Ruhe finden
Auf weitem Erdenrund,
Vielleicht, - vielleicht da unten,
Auf tiefem, stillem Grund.
Ich sehe keine Sonne,
Die Wolken ziehen schwer.
Ich glaub' an keine Liebe,
An keine Treue mehr.
Ich will auf kühlen Grund
Mich betten still und sacht,
Da wird das Herz gesund,
Im Schlaf der ew'gen Nacht.
aus: Deutsche
Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 195)
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Biographie:
Sturmhoefel, Nahida, Ps. St. Hadian, geboren 1822 in Flatow,
Westpreussen, Tochter des preussischen Majors Sturmhoefel, Mutter der
Schriftstellerin Nahida Ruth Lazarus. Als eine der ersten
Vorkämpferinnen ernster Frauenemanzipation gründete sie bereits Ende der
1848er Jahre in Dresden eine Frauenzeitung von durchaus freisinniger
Richtung. Zu den mannigfachen Enttäuschungen ihres vielgeprüften Daseins
gehörte der Treubruch des Mannes, mit dem sie einen Bund fürs Leben
geschlossen zu haben glaubte: er verliess sie und Nahida – von nun an
kränkelnd – versuchte unter den schwierigsten Umständen sich in Italien
eine neue Heimat zu schaffen. Sie war abwechselnd Erzieherin –
begünstigt durch ihre ausgezeichneten selbsterworbenen Sprachkenntnisse
und ihr Musiktalent – und Mitarbeiterin verschiedener Tages- und
Unterhaltungsblätter. Oft genug musste sie durch Sticken und Anfertigung
künstlicher Blumen und dergl. ihr Leben fristen. So lernte sie Italien
von Savoyen bis zur Insel Sizilien gründlich kennen und verwertete ihre
Eindrücke von Land und Leuten in charakteristischen
kulturgeschichtlichen Aufsätzen, die leider nicht gesammelt wurden. 1865
gab sie ihre "Freie Lieder" und eine Anzahl religionsphilosophischer
Abhandlungen heraus. Eine tief religiöse und humanitäre Natur, suchte
sie besonders in Flugschriften und Aufrufen fort und fort für den
Frieden zu wirken, hatte sie doch 1860 in den italienischen
Befreiungskriegen und 1866 in den österreichisch-deutschen Grenzländern
die Gräuel des Krieges persönlich erlebt, da sie im Dienste des "Roten
Kreuz" die Verwundeten pflegte. Ihre Hingebung und selbstvergessene
Opferwilligkeit wurde von den massgebenden Personen vielfach bemerkt und
belobt. Merkwürdig anspruchlos und bescheiden blieb sie stets allem
Streben nach Erfolg oder Auszeichnung fern. Schliesslich stand sie fast
nur noch mit ihrer einzigen Tochter in Verkehr. Sie starb 1889 in
tiefster Zurückgezogenheit in dem Fischerdorf S. Terenzo bei Spezzia.
- Freie Lieder. 1865.
- Götzen, Götter, Gott. 1876
aus: Lexikon
deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke
weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem
Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
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