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Caroline Gräfin Terlago
(1839-1916)
Paolo und Bice
Auf hohem Schloß, im Ahnensaal,
Da lehnt am Kamin bei Mondenstrahl
Ein Kind mit dunklen Haaren.
Sie blickt nach einem der Bilder hin,
Der Held will nimmer ihr aus dem Sinn,
Sie muß sein Schicksal erfahren.
"Don Paolo! und wenn es wirklich ist,
Daß hier allnächtlich zu sehen Du bist,
Wie Tino, der Jäger, erzählte,
So zeig' Dich mir, Deiner Enkelin,
Und wenn sie zu schauen ich würdig bin,
So bring' am Arm die Erwählte."
Sie stammt' aus gar edlem, aus fürstlichem Blut
Und wollt' in ihrem Uebermuth
Des Herzens Wünsche nicht zügeln.
Das Schwert des Geliebten sprengt das Thor,
Erschlagen liegt ein Bruder davor,
Sie flieht auf der Leidenschaft Flügeln.
Doch Unglück brachte sie mit in's Haus,
Und ach, von Mord und Gräu'l und Graus
Erlauscht' ich manche Geschichte.
Es frug nicht mehr nach Gott und Recht
Das übermüthig' wilde Geschlecht,
So sagen die alten Berichte.
Und wie sie so träumt, und wie sie so sinnt,
Ein Sandgeriesel herniederrinnt
Von der hohen Treppe Geländer;
Und lispelnd und knisternd schwebt den Gang
Verschwommen hörbar ein Etwas entlang
Wie schleppende Seidengewänder.
"Der Epheu, der um den Thurm sich rankt,
Vom Nachtwind bewegt hin und wieder schwankt,
Der ist's, was so lispelt und knistert;
Und über den Mond legt schwarz und schwer
Ein Wetter sich breit nachtend her,
Das rings die Halle verdüstert.
Und doch, und doch, es ist ja kein Traum,
Schon seh' ich sie dorten im dunkeln Raum,
Ganz deutlich die beiden Gestalten.
Wohin, o wohin nun verberg' ich mich?
Sie blicken mich an, o wie fürchterlich!
O schützt mich, des Himmels Gewalten!"
Und näher kommt der bleiche Graus,
Es geht von ihm ein Wehen aus
Und macht das Blut fast gefrieren;
Es stockt der Athem in der Brust,
Und kaum noch ihrer selbst bewußt,
Kann sie sich nicht wenden, nicht rühren.
Der Ritter schreitet stolz und kalt
Mit dröhnendem Schritt, eine Erzgestalt,
Der Blick von Schmerzen umdüstert;
Und wie er langsam die Stufen steigt,
Das Köpfchen sie an die Brust ihm neigt,
Und lächelt, und schmeichelt und flüstert.
Sie flüstert ihm, ach, von schönerer Zeit,
Von längst vergangener Fröhlichkeit,
Von süßer Liebe und Treue.
Da spielt ein Lächeln um Paolo's Mund,
Und thut es keine Freude kund,
Verräth es auch keine Reue.
Und heller sein dunkles Aug' ihr winkt,
Und inniger sie an die Brust ihm sinkt,
Dem erkor'nen, trauten Gemahle.
Ein hallendes Eins vom Thurme ertönt,
Da zittert das Bild, das Gewölbe dröhnt
Und Nacht ward's plötzlich im Saale.
Gedicht
aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 23)
Biographie:
siehe:
http://www.uibk.ac.at/brenner-archiv/publikationen/links/ke.pdf
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