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Ludwig Tieck
(1773-1853)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Die Sirene
Auf Bergen nicht und nicht im Thal
Wohnt Liebesglück,
Von Thal und Bergen treibt die Qual
Dich bald zurück,
Die Heimath weicht, die Ruhe flieht
Wie Sehnsucht dich in ihre weiten sanften Kreise zieht.
Sehnsucht hat ein Thor erbaut,
Drinnen lacht das Lachen, schmachten
Süße Blicke, dir entgegen schaut
Der Kuß, die Arme nach dir trachten;
O komm zum Schloß, auf Bergen nicht und nicht im grünen Thal,
O endlich, endlich komm zum trauten Kämmerlein einmal.
Rubinen glänzen in dem Saal,
Dir winkt das Hochzeitsbette,
O küßt' ich dich ein einzigmal,
O daß ich dich in Armen hätte,
Dir in die lieben Augen tief zu sehn,
Und Kuß auf Kuß in Wollust zu vergehn.
aus: Gedichte von L. Tieck Erster Theil
Dresden 1821 (S. 179-180)
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Sicherheit
Beglückt, wer an des Treuen Brust,
In voller Liebe ruht,
Kein Kummer naht und stört die Lust,
Nur heller brennt die Glut.
Kein Wechsel, kein Wanken,
Zum ruhigen Glück
Fliehn alle Gedanken
Der Ferne zurück.
Und lieber und bänger
Drückt Mund sich an Mund,
So inn'ger, so länger:
Von Stunde zu Stund
Beschränkter und enger
Der liebliche Bund.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 184)
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Mittag
Ich soll sie sehn!
Faß' ich die Wonne?
O goldne Sonne!
Ich soll sie sehn!
Wo sind sie, die Quellen?
Die Wälder verschwunden.
Wo sind sie, die Höhn?
Es lachen die hellen
Liebäugelnden Stunden:
Du wirst sie sehn. -
Wie fremde Gestalten
Durchwandern die Gassen!
Wie rauschen die Brunnen! -
Ich kann mich nicht fassen,
Mein fliegender Blick
Durchwandert die Gassen,
Durchspäht die Gestalten,
Und suchet mein Glück.
Am Fenster, was siehst du?
Es flimmert der Schein.
O Bildniß, entfliehst du?
Kannst du es wohl seyn?
O seid mir gegrüsset, ihr Wolken fliehend!
Gegrüßt ihr Fremdlings-Häuser!
Ihr Tauben flatternd! ihr Blumen blühend!
Waldrauschen du vom Berg hernieder!
Ich denk' es inniger, sprech es leiser,
Das ganze Herz tönt es wieder:
Ich soll sie sehn!
aus: Gedichte von L. Tieck Erster Theil
Dresden 1821 (S. 139-140)
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Brief der Minne
Ihr süßen Worte,
Ihr leichtbeschwingte sanfte Reime,
Die mit dem zarten Klange,
Summend mit dem harmon'schen Flügel
Durch die Bäume
Ueber Berge fliegt und Hügel,
Liebkoset euch auf eurem Gange
Und nahet euch demüthig jenem Orte,
Wo reizend steht die Schönste unter Schönen,
Da wollet tönen
Und sagen, klagen, wie mein Herz schon lange
Entbehrt des Lebens. Schürzet euch zum Reisen,
Die lieblichste der Weisen
Legt an, und weint und lacht, wenn euch zum Gruße
Die Sprache fehlt, so redet wie die Liebenden im Kusse.
Ihr goldnen Sterne,
Vom hohen blauen Meer ihr Blicke,
Die mir sonst hold gewinket,
Wollt jetzt mit zorn'gen Lichtern scheinen?
Jenes Glücke,
Ach! das seeligste Vereinen
Wie ich es halten will, versinket,
Und ich muß klagen: wieder ist sie ferne!
Ein Widerhall tönt aus dem tiefen Herzen,
Und alle Schmerzen
Beleben heben sich und jeder trinket
Mit schadenfroher Angst von meinen Thränen.
Ach! dürft ich wähnen
Daß bald im Wechsel jener Morgen tage,
Der schlagend Herz zum Herzen, Kuß zum
Zwillingskusse trage.
Schon vormals brannten
Die Blicke, hingejagt vom Sehnen
Das spähend über Klüfte
Noch kaum erkannte sein Verlangen,
Wehmuths-Thränen
Mußten in den Augen hangen,
Die Gartenlauben schienen Grüfte:
Bis liebend sich die Seelen dann erkannten,
Da brach nun auf, gelockt von Frühlings-Sonne
Die goldne Wonne,
Mit Rosen Rosen hauchten Liebesdüfte,
Die Farben glänzten nur von ihrer Schöne,
Es sagten alle Töne:
Sie liebt! ich sah den Wald und Garten prangen,
Von jedem grünen Zweige schaukelnd Liebesgötter hangen.
Doch kaum gefunden
Wonach die durftgen Augen lange
Und das Gehör geschmachtet,
Als beide deine Lieb‘ empfangen,
Wie so bange
Wieder alle Freuden schwanden,
Das Herz, vom Licht geküßt, umnachtet,
Und ungeheilet bluteten die Wunden.
Soll nicht im Dunkel neu Entzücken leuchten?
Auf rosenrothen feuchten
Mund bebtet schwebtet Küsse ihr und lachtet.
Ich mußte schon dem nackten Wort erliegen,
Nun wollt' es kriegen
Und sprang in Rüstung her und rief: Verstehen
Sollst du nun die Gewalt der Lippen und im Kuß vergehen!
Und sanft zerdrücket
Ward nun das Liebeswort, gesprochen
Kaum, ward es Schallen,
Und auch das rothe süße Lachen
Ward zerbrochen,
Und sank unter wie ein Nachen
Wenn stürmend Wogen über Wogen wallen,
So jagte Kuß den Kuß, und wie entzücket
Die Lippen fechten sind empor geschwungen
Die Freudethränen auch zum Kampf gedrungen,
Jedwede Rede wird ein jauchzend Lallen,
Die Seelen grüssen sich und ohne Klänge
Ertönen hell und lieblich die Triumph- und Siegsgesänge.
Spannt eine Brück' ihr her wie Regenbogen,
Ihr lichten Reime,
Daß sie nicht säume
Und mit der Liebe Kriegszeug hergezogen
Aus todter Weite,
Von neuem mit mir streite;
Im Wald, im Quell, umher in allen
Bewegten Blumen hör' ich Kuß und Liebes-götter schallen,
Es tönt von wundersamen Glücke
Ein Strom von Melodieen,
Drum komm zurücke
Daß noch im Sommerglanz neu unsre Herzen blühen.
aus: Gedichte von L. Tieck Erster Theil
Dresden 1821 (S. 172-177)
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Schmerz
Ja, es giebt ein schönes Sehnen,
Das wie aus der tiefsten Nacht
In dem Herzen aufgewacht,
Greift nach Waffen, findet Thränen;
Viele lieben, viele wähnen,
Daß Liebe nur Lust dem Herzen
Schenken soll und keine Schmerzen:
Alle Farben müssen fließen,
Wenn ein Licht sich soll ergießen
Aus dem goldnen Brand der Kerzen.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 215)
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Wunder der Liebe
Glosse
Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!
Liebe läßt sich suchen, finden,
Niemals lernen, oder lehren,
Wer da will die Flamm' entzünden
Ohne selbst sich zu verzehren,
Muß sich reinigen der Sünden.
Alles schläft, weil er noch wacht,
Wann der Stern der Liebe lacht,
Goldne Augen auf ihn blicken,
Schaut er trunken von Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.
Aber nie darf er erschrecken,
Wenn sich Wolken dunkel jagen,
Finsterniß die Sterne decken,
Kaum der Mond es noch will wagen,
Einen Schimmer zu erwecken.
Ewig steht der Liebe Zelt,
Von dem eignen Licht erhellt,
Aber Muth nur kann zerbrechen,
Was die Furcht will ewig schwächen,
Die den Sinn gefangen hält.
Keiner Liebe hat gefunden,
Dem ein trüber Ernst beschieden,
Flüchtig sind die goldnen Stunden,
Welche immer den vermieden,
Den die bleiche Sorg' umwunden:
Wer die Schlange an sich hält,
Dem ist Schatten vorgestellt,
Alles was die Dichter sangen,
Nennt der Arme, eingefangen,
Wundervolle Märchenwelt.
Herz im Glauben auferblühend
Fühlt alsbald die goldnen Scheine,
Die es lieblich in sich ziehend
Macht zu eigen sich und seine,
In der schönsten Flamme glühend.
Ist das Opfer angefacht,
Wird's dem Himmel dargebracht,
Hat dich Liebe angenommen,
Auf dem Altar hell entglommen
Steig' auf in der alten Pracht.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 212-214)
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Trennung
Muß es eine Trennung geben,
Die das treue Herz zerbricht?
Nein, dies nenne ich nicht leben,
Sterben ist so bitter nicht.
Hör' ich eines Schäfers Flöte,
Härme ich mich inniglich,
Seh ich in die Abendröthe,
Denk ich brünstiglich an dich.
Giebt es denn kein wahres Lieben?
Muß denn Schmerz und Trauer seyn?
Wär ich ungeliebt geblieben,
Hätt' ich doch noch Hoffnungsschein.
Aber so muß ich nun klagen:
Wo ist Hoffnung, als das Grab?
Fern muß ich mein Elend tragen,
Heimlich stirbt das Herz mir ab.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 57)
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Auf der Wanderung
Oftmals durch den grünen Wald
Eine liebe Stimme schallt,
Meinen Nahmen ruft es,
Ach! mich fällt so plötzlich dann
Uebergroße Freude an;
Ist es die Geliebte?
Wieder glaub' ich sie zu sehn
Vor mir durch die Büsche gehn:
O mein Herz, wie treibt es!
Aber dann verrauscht im Wind
Das Gebilde so geschwind;
Müde steh ich sinnend.
Wenn der Bach vom Felsen springt,
Mein' ich daß es mir gelingt,
Und ich bin nicht säumig:
Stolz sieht mich der Felsen an,
Und ich schau ihn wieder an
Eben auch nicht freundlich.
Blumen, die am Wege blühn,
Seh' ich ihren Nahmen ziehn,
Jeder Baum rauscht Lila:
Was habt ihr damit gethan?
Bringt mich auf die rechte Bahn?
Keine Kunst ist Necken.
Aber alles macht mich irr',
Immer dummer vom Gewirr,
Seh' ich kaum den Weg mehr;
Werd' ich aber vor ihr stehn,
Will ich um so klarer sehn,
Oder gar erblinden.
aus: Gedichte von L. Tieck Dritter Theil
Dresden 1823 (S. 42-43)
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Schlaflied
Ruhe, Süßliebchen, im Schatten
Der grünen dämmernden Nacht,
Es säuselt das Gras auf den Matten,
Es fächelt und kühlt dich der Schatten,
Und treue Liebe wacht.
Schlafe, schlaf ein,
Leiser rauschet der Hain, -
Ewig bin ich dein.
Schweigt, ihr versteckten Gesänge,
Und stört nicht die süßeste Ruh!
Es lauscht der Vögel Gedränge,
Es ruhen die lauten Gesänge,
Schließ, Liebchen, dein Auge zu.
Schlafe, schlaf ein,
Im dämmernden Schein, -
Ich will dein Wächter sein.
Murmelt fort ihr Melodieen,
Rausche nur, du stiller Bach,
Schöne Liebesphantasieen
Sprechen in den Melodieen,
Zarte Träume schwimmen nach.
Durch den flüsternden Hain
Schwärmen goldene Bienelein,
Und summen zum Schlummer dich ein.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 52-53)
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Klage
Süß ist's, mit Gedanken gehn,
Die uns zur Geliebten leiten,
Wo von blumenbewachsnen Höhn,
Sonnenstrahlen sich verbreiten.
Lilien sagen: unser Licht
Ist es, was die Wange schmücket;
Unsern Schein die Liebste blicket:
So das blaue Veilchen spricht.
Und mit sanfter Röthe lächeln
Rosen ob dem Uebermuth,
Kühle Abendwinde fächeln
Durch die liebevolle Gluth.
All' ihr süßen Blümelein,
Sei es Farbe, sei's Gestalt,
Mahlt mit liebender Gewalt
Meiner Liebsten hellen Schein,
Zankt nicht, zarte Blümelein.
Rosen, duftende Narzissen,
Alle Blumen schöner prangen,
Wenn sie ihren Busen küssen
Oder in den Locken hangen,
Blaue Veilchen, bunte Nelken,
Wenn sie sie zur Zierde pflückt,
Müssen gern als Putz verwelken,
Durch den süßen Tod beglückt.
Lehrer sind mir diese Blüthen,
Und ich thue wie sie thun,
Folge ihnen, wie sie riethen,
Ach! ich will gern alles bieten,
Kann ich ihr am Busen ruhn.
Nicht auf Jahre sie erwerben,
Nein, nur kurze, kleine Zeit,
Dann in ihren Armen sterben,
Sterben ohne Wunsch und Neid.
Ach! wie manche Blume klaget
Einsam hier im stillen Thal,
Sie verwelket eh es taget,
Stirbt beim ersten Sonnenstrahl:
Ach! so bitter herzlich naget
Auch an mir die scharfe Qual,
Daß ich sie und all mein Glücke,
Nimmer, nimmermehr erblicke.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 62-64)
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Treue
Treue Liebe dauert lange,
Ueberlebet manche Stund,
Und kein Zweifel macht sie bange,
Immer bleibt ihr Muth gesund.
Dräuen gleich in dichten Schaaren,
Fordern gleich zum Wankelmuth
Sturm und Tod, setzt den Gefahren
Lieb' entgegen treues Blut.
Und wie Nebel stürzt zurücke
Was den Sinn gefangen hält,
Und dem heitern Frühlingsblicke
Oeffnet sich die weite Welt.
Errungen
Bezwungen
Von Lieb' ist das Glück,
Verschwunden
Die Stunden
Sie fliehen zurück;
Und seelige Lust
Sie stillet
Erfüllet
Die trunkene wonneklopfende Brust,
Sie scheide
Von Leide
Auf immer,
Und nimmer
Entschwinde die liebliche, seelige, himmlische Lust!
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 69-70)
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Erinnerung
War es dir, dem diese Lippen bebten,
Dir der dargebotne süße Kuß?
Giebt ein irdisch Leben so Genuß?
Ha! wie Licht und Glanz vor meinen Augen schwebten,
Alle Sinne nach den Lippen strebten!
In den klaren Augen blinkte
Sehnsucht, die mir zärtlich winkte,
Alles klang im Herzen wieder,
Meine Blicke sanken nieder,
Und die Lüfte tönten Liebeslieder!
Wie ein Sternenpaar
Glänzten die Augen, die Wangen
Wiegten das goldene Haar,
Blick und Lächeln schwangen
Flügel, und die süßen Worte gar
Weckten das tiefste Verlangen:
O Kuß! wie war dein Mund so brennend roth!
Da starb ich, fand ein Leben erst im schönsten Tod.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 48-49)
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Des Mädchens Plage
Was halt' ich hier in meinem Arm?
Was lächelt mich an so hold und warm?
Es ist der Knabe, die Liebe!
Ich wieg' ihn und schaukl' ihn auf Knie und Schooß,
Wie hat er die Augen so hell und groß!
O himmlische, himmlische Liebe!
Der Junge hat schön krausgoldnes Haar,
Den Mund wie Rosen hell und klar,
Wie Blumen die liebliche Wange;
Sein Blick ist Wonne und Himmel sein Kuß,
Red' und Gelach Paradiesesfluß,
Wie Engel die Stimm' im Gesange.
Und liebst du mich denn? - Da küßt er ein Ja!
Und wie ich ihm tief in die Augen nun sah,
Da schlägt er mir grimmige Schmerzen;
O böses Kind! ei wie tückisch du!
Wo ist deine Milde, die liebliche Ruh?
Wo deine Sanftmuth, dein Scherzen?
Nun geht ein süß Lächeln ihm über's Gesicht:
Ich liebe dich nicht! ich liebe dich nicht!
Da setz' ich ihn nieder zu Füssen.
O weh mir! so ruft nun und weinet das Kind,
Du Böse, o nimm mich auf geschwind,
Ich will, ich muß dich küssen.
Ich heb' ihn empor, er schreiet nur fort,
Er hört auf kein liebkosendes Wort,
Er spreitelt mit Beinen und Händen:
Mich ängstet und betäubt sein Geschrei,
Mich rühren die rollenden Thränen dabei,
Er will die Unart nicht enden.
Und größer die Angst, und größer die Noth,
Ich wünsche mir selbst und dem Kleinen den Tod,
Ich nehm' ihn und wieg' ihn zum Schlafe:
Und wie er nur schweigt, und wie er nur still,
Vergeß ich, daß ich ihn züchtigen will,
Meine Lieb' seine ganze Strafe.
Da schlummert er süß, es hebt sich die Brust
Vom lieben Athem, ich sätt'ge die Lust
Und kann genug nicht schauen:
Wie ist er so still? Wie ist er so stumm?
Er schlägt nicht, und wirft sich nicht wild herum,
Er tobt nicht! es befällt mich ein Grauen.
O könnte der Schlaf nicht Tod auch seyn?
Ich weck' ihn mit Küssen; nun hör' ich ihn schrein,
Nun schlägt er, nun kos't er, meine Wonne, mein Sorgen,
Dann drückt er mich an die liebliche Brust,
Nun bin ich sein Feind, dann Freund ihm und Lust: -
So geht's bis zum Abend vom Morgen.
aus: Gedichte von L. Tieck Erster Theil
Dresden 1821 (S. 152-155)
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Heimliche Liebe
Wie lieb und hold ist Frühlingsleben,
Wenn alle Nachtigallen singen,
Und wie die Tön' in Bäumen klingen
In Wonne Laub und Blüthen beben.
Wie schön im goldnen Mondenschein
Das Spiel der lauen Abendlüfte,
Die, auf den Flügeln Lindendüfte,
Sich jagen durch die stillen Haine.
Wie herrlich glänzt die Rosenpracht,
Wenn Liebreiz rings die Felder schmücket,
Die Lieb' aus tausend Rosen blicket,
Aus Sternen ihrer Wonne-Nacht.
Doch schöner dünkt mir, holder, lieber,
Des kleinen Lichtleins blaß Geflimmer,
Wenn sie sich zeigt im engen Zimmer,
Späh' ich in Nacht zu ihr hinüber,
Wie sie die Flechten lößt und bindet,
Wie sie im Schwung der weißen Hand
Anschmiegt dem Leibe hell Gewand,
Und Kränz' in braune Locken windet.
Wie sie die Laute läßt erklingen,
Und Töne, aufgejagt, erwachen,
Berührt von zarten Fingern lachen,
Und scherzend durch die Saiten springen;
Sie einzufangen schickt sie Klänge
Gesanges fort, da flieht mit Scherzen
Der Ton, sucht Schirm in meinem Herzen,
Dahin verfolgen die Gesänge.
O laßt mich doch, ihr Bösen, frei!
Sie riegeln sich dort ein und sprechen:
Nicht weichen wir, bis dies wird brechen,
Damit du weißt, was Lieben sey.
aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821 (S. 171-172)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck
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