Albert Traeger (1830-1912) - Liebesgedichte

Albert Traeger



Albert Traeger
(1830-1912)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



 

Als ich Dich zuerst gesehen

Als ich Dich zuerst gesehen,
Wähnt' ich, wieder jung zu sein,
Frühlingslüfte fühlt' ich wehen
Und im Herzen Sonnenschein;

Jener Freude hört' ich's schlagen,
Die so tief ich sonst empfand,
Wenn nach langen Wintertagen
Ich das erste Veilchen fand.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 178)
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Bitte

Bin ich von Dir geschieden einst,
Vergiß mich dann nicht allzu eilig,
Doch daß Du nimmer um mich weinst,
Schwör' mir bei Allem, was Dir heilig.

Wenn ich nur Dich stets fröhlich seh',
Ist all' mein eigen Leid vergessen,
D'rum thät's im Tod mir selbst noch weh,
Sollt ich je Thränen Dir erpressen!


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 185)
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Glühende Asche

Dein Lächeln war mein einzig Glück,
Mein einzig Leiden Dein Erblassen,
Ein Blick von Dir hielt mich zurück,
Ließ ohne Schmerz mich Alles lassen;
Vorbei, vorbei sind jene Zeiten,
Und nur zuweilen, still und mild,
Wie Schwäne durch die Fluthen gleiten,
Zieht durch die Seele mir ihr Bild.

Den trunk'nen Blick auf Dich gewandt,
Zu Deinen Füßen sitz' ich wieder,
Und leise legt sich Deine Hand
Auf meine Locken spielend nieder;
Kein Wünschen kennen wir, kein Streben,
Es hemmt bei uns die Zeit den Lauf,
In weiter Ferne wogt das Leben,
Und sein Geräusch weckt uns nicht auf.

Ein Traum ist's nur, und schnell verweht
Die flücht'ge Täuschung seiner Bilder,
Doch, wie ein tröstendes Gebet,
Stimmt er die Seele weicher, milder;
Das Leben ließ mein Herz erkalten,
Nur in der Asche glimmt die Gluth,
Wo still in seinen tiefsten Falten
Dein heilig Bild begraben ruht.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 143-144)
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Noch niemals

Der Frühling kehrt alljährlich wieder
Mit gleichem Schmuck für Thal und Höh'n,
Und jährlich jubeln unsre Lieder:
Noch niemals war der Lenz so schön!

Ich schaue Dich an jedem Tage
Und lasse keinen doch vergeh'n,
Daß ich nicht freudig staunend sage:
So schön hab' ich Dich nie geseh'n!


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 180)
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Die Rose nur
(Ständchen)

Der Tag schloß im Ermatten
Sein Sonnenauge zu,
Ich stehe tief im Schatten,
Auf hohem Söller Du;
Getrennt sind uns're Loose,
Dir lacht des Lebens Lust,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!

Sanft flüstert in den Bäumen
Der Liebestraum der Nacht,
Nun ist zu stillem Träumen
Dein Herz auch aufgewacht;
Mild ist der Luft Gekose,
Sei mild auch unbewußt,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!

Den Stolz, der bang noch zaudert,
Laß ihn dem Wind zum Spiel,
Nie hat ein Stern geplaudert,
Wenn eine Rose fiel;
Der Nacht verschwieg'nem Schoose
Du still vertrauen mußt,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 115-116)
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Trennung

Die Hand hast Du zum Abschied mir gereicht,
Doch meinem Blick Dein Auge abgewandt:
Du zürntest Dir, daß sich Dein Herz erweicht,
Dies stolze Herz, das mich von Dir verbannt.

Umsonst! ich sah der Perle feuchten Glanz,
Den schönsten Schmuck, darin ich Dich geschaut:
Was ich verloren, da erst fühlt' ich's ganz,
Als Deine Thräne mir Dein Leid vertraut.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 188)
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Die Stunde naht

Die Stunde naht, da ich von Dir mich wende,
Mein Herz erzittert in der Trennung Weh',
Sein schönster Traum geht schon so früh zu Ende,
Wie soll ich leben, wenn ich Dich nicht seh'?!

Ihr sel'gen Tage, die so schnell zerflossen,
Nichts zaubert wieder euren Reiz hervor:
Ach, jede Freude, fern von Dir genossen,
Ist eine Rose, die den Duft verlor.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 186)
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Im Verborg'nen

Die Welt weiß Deinen Namen nicht,
Sie kennt auch nicht Dein lieb' Gesicht,
Die Welt ist zu beklagen,
Es sollen d'rum zu jeder Frist,
Wie lieblich Du, mein Schätzchen, bist,
Ihr meine Lieder sagen.

Manch' Veilchen, das im Grünen blaut,
Von keinem Auge wird geschaut,
Der Wind nur hat's gefunden
Und trägt den wonniglichen Duft
In's Weite hin auf weicher Luft,
Bis Jeder ihn empfunden.

Zur Ferne wird mit duft'ger Spur
Durch Haus und Stadt, durch Wald und Flur
Dein süßer Zauber gehen,
Ob Keiner Dich gesehen auch,
Sie fühlen Deiner Schönheit Hauch
In meinen Liedern wehen.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 119)
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Auf dem Balle

Ein Elfenkind, das sich verirrt
Aus seines Waldes Mondscheinleben,
Von grellem Kerzenglanz umgeben,
Stehst Du geängstigt und verwirrt.

Der Menschen Neugier thut Dir weh,
Die staunend dicht um Dich sich drängen,
Und bei des Tanzes wilden Klängen
Bebst Du wie ein gescheuchtes Reh.

Du denkst der zarten Melodie'n,
Die nächtig in den Blättern rauschen,
Des Reigens, dem die Sterne lauschen,
Und waldwärts drängt es Dich zu flieh'n.

Thauperlen glänzen Dir im Haar,
Wie Mondesstrahl und Sternenflimmern
Seh' ich in Deinem Auge schimmern
Ein Märchen süß und wunderbar.

Mit Beben halt' ich Dich im Arm,
Wirst nicht in Nebel Du zerfließen
Und auf den feuchten Waldeswiesen
Mich höhnen mit den luft'gen Schwarm?

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 109-110)
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Das Königskind

Es schleicht durch meine Brust sich sacht
Und will sich feucht in's Auge stehlen,
Ich fliehe: was Dein Blick entfacht,
Nicht könnt' ich's länger Dir verhehlen.

Ein schmerzend Heimweh faßt mich an,
Wenn meine Augen an Dir hangen,
Wenn unter Deines Blickes Bann
Vergess'ne Träume mich umfangen.

Ein Heimweh, wie nach fernem Land,
Nach jenen sonnenhellen Tagen,
Da ich, ein Kind, mit scheuer Hand
Das Märchenbuch ergriff mit Zagen,

Und heimlich mich zum Garten stahl,
Hier durft' ich meinen Drang beschwichten,
Verstohlen las der Sonnenstrahl
Mit mir die rührenden Geschichten;

Der ernste Baum, der lose Wind,
Die durften, was ich las, erfahren:
Ich las vom holden Königskind
Mit blauem Aug' und gold'nen Haaren;

Wie das den Hirtenknaben fand,
Mit ihm am Bache spielend weilte,
Bis daß sein Herz es und sein Land
Und alle Schätze mit ihm theilte.

Die Sonne sank mir zu geschwind,
Nicht schlief im Schlummer mein Verlangen,
In Sehnsucht nach dem Königskind
Ist meine Kindheit mir vergangen.

Mit blauem Aug' und gold'nem Haar
Hab' ich es endlich jetzt gefunden -
Doch ach! der seiner würdig war,
Der Knabe ist schon längst verschwunden!


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 111-112)
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Das Muttergottesbild

In der alten Mauerblende
Steht das Muttergottesbild,
Um den Mund, wie Segensspende,
Schwebt ein Lächeln stumm und mild.

Epheu webt mit frischen Ranken
Einen Rahmen auf den Stein,
D'rüber wilde Rosen schwanken,
Wie ein duft'ger Heil'genschein.

Geh' vorüber ich, dann senken
Blick und Knie voll Andacht sich,
Doch im Beten muß ich denken,
Heißgeliebte, stets an Dich.

Unter Trümmern in der Wildniß,
Wie die Muttergottes hier,
Steht, Du Heilige, Dein Bildniß,
Tief versteckt im Herzen mir;

Frische, grünende Gedanken
Zauberst Du aus morschem Stein,
Und mit duft'gen Blüthenranken
Schließt mein wildes Lied Dich ein.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 124-125)
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Die klugen Augen

Laß mich, das Haupt an Deine Brust gelehnt,
Verstohlen lauschen auf des Herzens Schlagen,
Ob es das Wort, das ich so heiß ersehnt,
So lang gehofft, mir endlich wolle sagen.

Ob ich gefleht, ob stürmisch auch ich frug,
Es wollt' es nimmer mir Dein Mund vertrauen,
Er fürchtet Deine Augen, die so klug,
Und die so wachsam auf die Lippen schauen.

D'rum mag Dein Herz, von meinem Haupt versteckt,
Daß es mich liebt, ganz leise mir gestehen;
Was zittert es? was zagt es noch erschreckt?
Die klugen Augen können's ja nicht sehen.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 120)
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Dein liebes Angesicht

O daß Dein liebes Angesicht
Für immer meinem dunkeln Leben
Des heitern Tages mildes Licht
Und stillen Frieden könnte geben!

O daß Dein liebes Angesicht,
Zu dem ich knieend aufgesehen,
Gleich einer fernen Sonne nicht
Mir wieder müßte untergehen!

O daß Dein liebes Angesicht,
Wenn mich des Todes Flügel fächeln,
Wenn unerhört dies Herz zerbricht,
Nur einmal noch mir möchte lächeln!


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 141)
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Mein Stern

O laß Dein Auge freundlich auf mir weilen,
Es blickt mir Ruhe tief in's Herz hinein;
Wie sich die Wolken vor der Sonne theilen,
Flieht all' mein Schmerz vor seinem milden Schein.

Wollt' ich als Kind mein Abendsprüchlein lallen,
Dann sah ich fromm zu einem Stern empor:
Es war mein Stern, ich fand ihn unter allen,
Bis ich mit meiner Kindheit ihn verlor.

Doch ruhen auf mir Deine lieben Augen,
In denen meiner Kindheit Himmel lacht,
Dann sehe stets aus ihrer Tiefe tauchen
Ich den verlor'nen Stern in alter Pracht.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 122)
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O weile noch

O weile noch, Nacht wird's, wenn Du entschwunden,
Oft hab' ich, leis' erbebend, schon geglaubt,
Wenn meine Blicke Dich nicht mehr gefunden,
Das Licht des Auges sei mir jäh geraubt.

Wohl glänzt die Welt in tausend Farben prächtig,
Wenn sie im heitern Strahl des Tages blinkt,
Doch farblos ist sie, wenn der Himmel nächtig,
Und schwarz wird Alles, wenn die Sonne sinkt.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 184)
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Leb' wohl!

O wer zuerst das Wort: Leb' wohl! gesprochen,
In tausend Stücke war sein Herz zerbrochen,
Blind war sein Auge wohl von vielem Weinen,
Und keine Sonne mochte mehr ihm scheinen.

Sein ganzes Leid ist bei dem Wort geblieben,
Mit Blut und Thränen hat er's aufgeschrieben,
Und wer nach ihm verdammt wird, es zu sagen,
Muß seine Schmerzen alle noch ertragen.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 133)
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Winter-Ruhe

Rauh ist es draußen, traulich hier und warm,
Wo frisches Glück und junge Liebe walten,
Leg' ich um Deinen zarten Leib den Arm,
Wähn' ich den Frühling an der Brust zu halten.

Den engen Raum durchzieht ein süßer Duft
Dankbarer Blumen, die wir gastlich hegen,
Und trunk'nen Sinnes fühl' ich weiche Luft
Einschläfernd sich auf meine Augen legen.

Umschlinge mich und winde Dich nicht los,
Und fürchte nicht ein wildes Überschäumen,
Das Haupt gebettet sanft in Deinem Schoos,
So laß mich still von einer Rose träumen.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 113)
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Schau' tief ich in Dein Auge nieder

Schau' tief ich in Dein Auge nieder,
Kommt über mich ein Kindestraum:
Die bunten Lichter glänzen wieder
An unserm grünen Weihnachtsbaum

Die Hände wollen mir sich falten,
Es fällt ein frommer Spruch mir ein,
Den andachtsvoll wir Kleinen lallten:
Kind Gottes, kehre bei uns ein!

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 181)
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Erwachen

Schneeglöckchen läuten leis im Thal,
Glöckner ist der Sonnenstrahl,
Die Knospen hören's, die schwellen und treiben,
Veilchen die blauen Aeuglein reiben,
Maiblümchen erwacht, und Lenzesduft
Haucht durch die warme, weiche Luft.

Seit sonnig mir Dein Blick gelacht,
Wieder ist mein Herz erwacht,
Ein schwellendes Knospen, ein säuselndes Klingen,
Vor Frühlingssehnsucht will's zerspringen,
Die Liebe kehret, die längst schon schied,
Und all' mein Denken wird zum Lied.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 107)
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Dein Lächeln

Schön ist der junge Tag, der golden
Empor auf rothen Flügeln eilt,
Der Sonnenstrahl, der auf der holden,
Verschämten Rose kosend weilt.

Schön ist des Sternes lichter Funken,
Vom linden Nachtwind angehaucht,
Der Falter, der vom Thaue trunken
Im Kelch der Blüthe untertaucht.

Doch Eines nur ist ohne Gleichen:
Was schön gepriesen fern und nah,
Sein eitler Schimmer muß verbleichen
Dem Auge, das Dein Lächeln sah.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 121)
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Zigeunerkind

Seit Du, braunes Zigeunerkind,
Mir am Herzen gelegen,
Alle Gedanken zerstreut mir sind,
Schweifen auf lustigen Wegen;
Ach, Du hieltest nur kurze Rast
Bis zu der Sterne Verblassen,
Aber ewige Unruh' hast
Du zurück mir gelassen.

In der Waldschlucht schauriger Hut
Lagern die schwarzen Gesellen
Um der Flamme lodernde Gluth;
Lustig erklingen die Schellen,
Und das rasselnde Tamburin,
Wild fliegt es auf und nieder,
Wie ein Traumbild nahen und flieh'n
Lockend die schwellenden Glieder.

In des Mittag's sengendem Hauch
Brütet die Haide voll Schweigen;
Einsam duftet ein blühender Strauch,
Schwankende Rosen neigen
Sich herab auf das süße Gesicht,
Das vom Schlummer befangen,
Und der Sonne neckisches Licht
Küßt verstohlen die Wangen.

Seit Du, braunes Zigeunerkind,
Mir am Herzen gelegen,
Alle Gedanken zerstreut mir sind,
Schweifen auf lustigen Wegen;
Rastlos treibt es im Traume der Nacht
Mich in die waldigen Klüfte,
Wenn am Tag Deinen Gruß mir gebracht
Blühender Rosen Düfte.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 117-118)
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Morgenständchen

Steh' auf und öffne das Fenster schnell,
Es lacht der Morgen so frisch, so hell,
Und unten im kleinen Garten
Sind Leute, die Deiner warten.

Die Veilchen kamen über Nacht,
Hoffärtig breit sich die Tulpe macht,
Und träumend auf und nieder
Schwankt schon der blaue Flieder.

Die Aermsten haben keine Ruh',
An's Fenster blicken sie immerzu,
Sie glauben nicht an des Lenzes Wehen,
Bis sie die holde Rose gesehen.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 114)
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Mein Herz muß zweifeln immerzu

Wenn du mich liebst, verrath' es nie,
Laß nur von ferne mich es ahnen,
Und wie ein scheues Reh entflieh',
Will zum Geständniß ich Dich mahnen.

Schnell würde der Gewißheit Ruh'
Zu Asche all' mein Feuer dämpfen:
Mein Herz muß zweifeln immerzu,
Und nimmer liebt es ohne Kämpfen.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 183)
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Wenn lind des Waldes Wipfel rauschen

Wenn lind des Waldes Wipfel rauschen,
Und durch die Blätter blinkt der Stern,
Lieg' ich, versenkt in tiefes Lauschen,
In eines Baumes Schatten gern.

Wie Heimathsgruß tönt aus dem Klingen
Dein Name leise mir in's Ohr,
Und aus dem müden Herzen dringen
Die Lieder-Thränen still hervor.

Ein Heil'genbild schnitt in die Rinde
Des Baum's ich Deinen Namen ein,
Versteckt, daß nie die Welt ihn finde,
Nie Menschenaugen ihn entweih'n.

Dir ward ein schönes Loos erlesen:
Um Dich ist Frieden, Lenz und Licht,
Und bin ich nichts auch Dir gewesen,
In Deinem Glück vergiß mich nicht!

Wenn einsam ich im Walde liege,
Der Stunde denkend, da ich schied,
Dann sing' an Deines Kindes Wiege
Des fernen Dichters traurig Lied.


aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 135-136)
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Wie Lenzeshauch

Wie Lenzeshauch hast Du mich stets erquickt,
Was wild und schmerzlich mir die Brust bewegte,
Wenn Deines Kleides Saum ich nur erblickt,
War mir es schon, als ob der Sturm sich legte.

Und über mich kommt eine süße Ruh',
Schau' ich Dein Antlitz an, das schöne, milde,
Voll Andacht wendet sich mein Herz Dir zu:
So kniet der Pilger vor dem Gnadenbilde.

Kein steinern Bild bist Du, fühllos und kalt,
Mit todten Reizen, die nur Leben lügen:
Zum Herzen spricht mit siegender Gewalt
Das schönste Herz aus Deinen schönen Zügen.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 123)
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Ein Gruß

Bei Dir sah ich die Rosen blühen,
Ich folgte Dir durch Wald und Au,
Wir schauten still den Tag verglühen,
Es kühlte uns des Abends Tau.

Wie weich die Luft, wie zaubrisch helle!
Dein Auge feucht, Dein Blick so mild
Und auf des Stromes flücht'ger Welle
Wiegt schaukelnd sich des Mondes Bild.

Wie hab' ich ganz und voll genossen
Des Sommers und der Liebe Lust!
Die süßen Bilder sind zerflossen,
Doch blieb die Freude in der Brust.

Da ist kein Bangen und Verzagen,
Kein Seufzen nach verlornem Glück:
Ein jeder von den schönen Tagen
Ließ Reiz und Duft in mir zurück.

Sind längst entblättert auch die Rosen,
Sie blühen stets im Herzen mir;
Die Welle rauscht, die Lüfte kosen
Und alles träumt und spricht von Dir.

Da hat der Tag nicht eine Stunde,
In der ich treu nicht Dein gedacht
Und macht der Mond die stille Runde,
Sag' ich Dir leise: Gute Nacht!

Nicht um Vergangnes laß mich klagen,
Nein, hoffend mich der Zukunft weih'n;
Du schiedest mit des Sommers Tagen -
Mir bleibt der Trost: Auch Du denkst mein!

Zwei Herzen, die sich ganz verstehen,
Ob eines von dem andern schied;
Ich weiß, ich muß Dich wiedersehen -
Bis dahin grüße Dich mein Lied!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 793-794)
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Im Verborgnen

Die Welt weiß Deinen Namen nicht,
Sie kennt auch nicht Dein lieb Gesicht,
Die Welt ist zu beklagen!
Es sollen drum zu jeder Frist,
Wie lieblich Du, mein Schätzchen, bist,
Ihr meine Lieder sagen.

Manch Veilchen, das im Grünen blaut,
Von keinem Auge wird geschaut,
Der Wind, er hat's gefunden
Und trägt den wonniglichen Duft
Ins Weite hin auf weicher Luft,
Bis jeder ihn empfunden.

Zur Ferne wird mit duft'ger Spur
Durch Haus und Stadt, durch Wald und Flur
Dein süßer Zauber gehen!
Ob keiner Dich gesehen auch,
Sie fühlen Deiner Schönheit Hauch
Durch meine Lieder wehen!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 792-793)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Traeger


 

 


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