Georg Trakl (1887-1914) - Liebesgedichte



Georg Trakl
(1887-1914)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Romanze zur Nacht

Einsamer unterm Sternenzelt
Geht durch die stille Mitternacht.
Der Knab aus Träumen wirr erwacht,
Sein Antlitz grau im Mond verfällt.

Die Närrin weint mit offnem Haar
Am Fenster, das vergittert starrt.
Im Teich vorbei auf süßer Fahrt
Ziehn Liebende sehr wunderbar.

Der Mörder lächelt bleich im Wein,
Die Kranken Todesgrausen packt.
Die Nonne betet wund und nackt
Vor des Heilands Kreuzespein.

Die Mutter leis' im Schlafe singt.
Sehr friedlich schaut zur Nacht das Kind
Mit Augen, die ganz wahrhaft sind.
Im Hurenhaus Gelächter klingt.

Beim Talglicht drunt' im Kellerloch
Der Tote malt mit weißer Hand
Ein grinsend Schweigen an die Wand.
Der Schläfer flüstert immer noch.
(S. 10)
_____



Im roten Laubwerk voll Guitarren . . .

Im roten Laubwerk voll Guitarren
Der Mädchen gelbe Haare wehen
Am Zaun, wo Sonnenblumen stehen.
Durch Wolken fährt ein goldner Karren.

In brauner Schatten Ruh verstummen
Die Alten, die sich blöd umschlingen.
Die Waisen süß zur Vesper singen.
In gelben Dünsten Fliegen summen.

Am Bache waschen noch die Frauen.
Die aufgehängten Linnen wallen.
Die Kleine, die mir lang gefallen,
Kommt wieder durch das Abendgrauen.

Vom lauen Himmel Spatzen stürzen
In grüne Löcher voll Verwesung.
Dem Hungrigen täuscht vor Genesung
Ein Duft von Brot und herben Würzen.
(S. 10-11)
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Frauensegen

Schreitest unter deinen Frau'n
Und du lächelst oft beklommen:
Sind so bange Tage kommen.
Weiß verblüht der Mohn am Zaun.

Wie dein Leib so schön geschwellt
Golden reift der Wein am Hügel.
Ferne glänzt des Weihers Spiegel
Und die Sense klirrt im Feld.

In den Büschen rollt der Tau,
Rot die Blätter niederfließen.
Seine liebe Frau zu grüßen
Naht ein Mohr dir braun und rauh.
(S. 13)
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Traum des Bösen
1. Fassung

Verhallend eines Gongs braungoldne Klänge -
Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern
Die Wang' an Flammen, die im Fenster flimmern.
Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge.

Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.
Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.
Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;
Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.

Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.
(S. 17)
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Melancholie
3. Fassung

Bläuliche Schatten. O ihr dunklen Augen,
Die lang mich anschaun im Vorübergleiten.
Guitarrenklänge sanft den Herbst begleiten
Im Garten, aufgelöst in braunen Laugen.
Des Todes ernste Düsternis bereiten
Nymphische Hände, an roten Brüsten saugen
Verfallne Lippen und in schwarzen Laugen
Des Sonnenjünglings feuchte Locken gleiten.
(S. 20)
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Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
(S. 21)
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Der Spaziergang

1
Musik summt im Gehölz am Nachmittag.
Im Korn sich ernste Vogelscheuchen drehn.
Hollunderbüsche sacht am Weg verwehn;
Ein Haus zerflimmert wunderlich und vag.

In Goldnem schwebt ein Duft von Thymian,
Auf einem Stein steht eine heitere Zahl.
Auf einer Wiese spielen Kinder Ball,
Dann hebt ein Baum vor dir zu kreisen an.

Du träumst: die Schwester kämmt ihr blondes Haar,
Auch schreibt ein ferner Freund dir einen Brief.
Ein Schober flieht durchs Grau vergilbt und schief
Und manchmal schwebst du leicht und wunderbar.


2
Die Zeit verrinnt. O süßer Helios!
O Bild im Krötentümpel süß und klar;
Im Sand versinkt ein Eden wunderbar.
Goldammern wiegt ein Busch in seinem Schoß.

Ein Bruder stirbt dir in verwunschnem Land
Und stählern schaun dich deine Augen an.
In Goldnem dort ein Duft von Thymian.
Ein Knabe legt am Weiler einen Brand.

Die Liebenden in Faltern neu erglühn
Und schaukeln heiter hin um Stein und Zahl.
Aufflattern Krähen um ein ekles Mahl
Und deine Stirne tost durchs sanfte Grün.

Im Dornenstrauch verendet weich ein Wild.
Nachgleitet dir ein heller Kindertag,
Der graue Wind, der flatterhaft und vag
Verfallne Düfte durch die Dämmerung spült.


3
Ein altes Wiegenlied macht dich sehr bang.
Am Wegrand fromm ein Weib ihr Kindlein stillt.
Traumwandelnd hörst du wie ihr Bronnen quillt.
Aus Apfelzweigen fällt ein Weiheklang.

Und Brot und Wein sind süß von harten Mühn.
Nach Früchten tastet silbern deine Hand.
Die tote Rahel geht durchs Ackerland.
Mit friedlicher Geberde winkt das Grün.

Gesegnet auch blüht armer Mägde Schoß,
Die träumend dort am alten Brunnen stehn.
Einsame froh auf stillen Pfaden gehn
Mit Gottes Kreaturen sündelos.
(S. 24-25)
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Heiterer Frühling
2. Fassung

1
Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,
Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.
Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,
Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.

An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,
Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.
Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,
Ein Kind steht in Konturen weich und lind.

Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,
Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.
Hell Grünes blüht und anderes verwest
Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.


2
Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.
Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.
Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.

In Gärten sinken Glocken lang und leis
Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt
Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.

Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!
In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl
Und Knospen knistern heiter dann und wann.


3
Wie scheint doch alles Werdende so krank!
Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
Und öffnet das Gemüte weit und bang.

Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.

So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
Und leise rührt dich an ein alter Stein:
Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
O Mund! der durch die Silberweide bebt.
(S. 27-28)
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Rosenkranzlieder
An die Schwester

Wo du gehst wird Herbst und Abend,
Blaues Wild, das unter Bäumen tönt,
Einsamer Weiher am Abend.

Leise der Flug der Vögel tönt,
Die Schwermut über deinen Augenbogen.
Dein schmales Lächeln tönt.

Gott hat deine Lider verbogen.
Sterne suchen nachts, Karfreitagskind,
Deinen Stirnenbogen.
(S. 32)
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In der Heimat

Resedenduft durchs kranke Fenster irrt;
Ein alter Platz, Kastanien schwarz und wüst.
Das Dach durchbricht ein goldener Strahl und fließt
Auf die Geschwister traumhaft und verwirrt.

Im Spülicht treibt Verfallnes, leise girrt
Der Föhn im braunen Gärtchen; sehr still genießt
Ihr Gold die Sonnenblume und zerfließt.
Durch blaue Luft der Ruf der Wache klirrt.

Resedenduft. Die Mauern dämmern kahl.
Der Schwester Schlaf ist schwer. Der Nachtwind wühlt
In ihrem Haar, das mondner Glanz umspült.

Der Katze Schatten gleitet blau und schmal
Vom morschen Dach, das nahes Unheil säumt,
Die Kerzenflamme, die sich purpurn bäumt.
(S. 34)
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Abendlied

Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn,
Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns.

Wenn uns dürstet,
Trinken wir die weißen Wasser des Teichs,
Die Süße unserer traurigen Kindheit.

Erstorbene ruhen wir unterm Hollundergebüsch,
Schaun den grauen Möven zu.

Frühlingsgewölke steigen über die finstere Stadt,
Die der Mönche edlere Zeiten schweigt.

Da ich deine schmalen Hände nahm
Schlugst du leise die runden Augen auf,
Dieses ist lange her.

Doch wenn dunkler Wohllaut die Seele heimsucht,
Erscheinst du Weiße in des Freundes herbstlicher Landschaft.
(S. 37)
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Aus: Sebastian im Traum

Stundenlied

Mit dunklen Blicken sehen sich die Liebenden an,
Die Blonden, Strahlenden. In starrender Finsternis
Umschlingen schmächtig sich die sehnenden Arme.

Purpurn zerbrach der Gesegneten Mund. Die runden Augen
Spiegeln das dunkle Gold des Frühlingsnachmittags,
Saum und Schwärze des Walds, Abendängste im Grün;
Vielleicht unsäglichen Vogelflug, des Ungeborenen
Pfad an finsteren Dörfern, einsamen Sommern hin
Und aus verfallener Bläue tritt bisweilen ein Abgelebtes.

Leise rauscht im Acker das gelbe Korn.
Hart ist das Leben und stählern schwingt die Sense der Landmann,
Fügt gewaltige Balken der Zimmermann.

Purpurn färbt sich das Laub im Herbst; der mönchische Geist
Durchwandelt heitere Tage; reif ist die Traube
Und festlich die Luft in geräumigen Höfen.
Süßer duften vergilbte Früchte; leise ist das Lachen
Des Frohen, Musik und Tanz in schattigen Kellern;
Im dämmernden Garten Schritt und Stille des verstorbenen Knaben.
(S. 45-46)
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Unterwegs

Am Abend trugen sie den Fremden in die Totenkammer;
Ein Duft von Teer; das leise Rauschen roter Platanen;
Der dunkle Flug der Dohlen; am Platz zog eine Wache auf.
Die Sonne ist in schwarze Linnen gesunken; immer wieder
kehrt dieser vergangene Abend.
Im Nebenzimmer spielt die Schwester eine Sonate von Schubert.
Sehr leise sinkt ihr Lächeln in den verfallenen Brunnen,
Der bläulich in der Dämmerung rauscht.
O, wie alt ist unser Geschlecht.
Jemand flüstert drunten im Garten;
jemand hat diesen schwarzen Himmel verlassen.
Auf der Kommode duften Äpfel. Großmutter zündet
goldene Kerzen an.

O, wie mild ist der Herbst. Leise klingen unsere Schritte
im alten Park
Unter hohen Bäumen. O, wie ernst ist das hyazinthene
Antlitz der Dämmerung.
Der blaue Quell zu deinen Füßen, geheimnisvoll
die rote Stille deines Munds,
Umdüstert vom Schlummer des Laubs, dem dunklen Gold
verfallener Sonnenblumen.
Deine Lider sind schwer von Mohn und träumen leise auf meiner Stirne.
Sanfte Glocken durchzittern die Brust. Eine blaue Wolke
Ist dein Antlitz auf mich gesunken in der Dämmerung.

Ein Lied zur Guitarre, das in einer fremden Schenke erklingt,
Die wilden Hollunderbüsche dort, ein lang vergangener Novembertag,
Vertraute Schritte auf der dämmernden Stiege, der Anblick gebräunter Balken,
Ein offenes Fenster, an dem ein süßes Hoffen zurückblieb -
Unsäglich ist das alles, o Gott, daß man erschüttert ins Knie bricht.

O, wie dunkel ist diese Nacht. Eine purpurne Flamme
Erlosch an meinem Mund. In der Stille
Erstirbt der bangen Seele einsames Saitenspiel.
Laß, wenn trunken von Wein das Haupt in die Gosse sinkt.
(S. 46-47)
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Im Frühling

Leise sank von dunklen Schritten der Schnee,
Im Schatten des Baums
Heben die rosigen Lider Liebende.

Immer folgt den dunklen Rufen der Schiffer
Stern und Nacht;
Und die Ruder schlagen leise im Takt.

Balde an verfallener Mauer blühen
Die Veilchen,
Ergrünt so stille die Schläfe des Einsamen.
(S. 52)
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Passion
3. Fassung

Wenn Orpheus silbern die Laute rührt,
Beklagend ein Totes im Abendgarten,
Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen?
Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
Der blaue Teich,
Hinsterbend unter grünenden Bäumen
Und folgend dem Schatten der Schwester;
Dunkle Liebe
Eines wilden Geschlechts,
Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht.
Stille Nacht.

Unter finsteren Tannen
Mischten zwei Wölfe ihr Blut
In steinerner Umarmung; ein Goldnes
Verlor sich die Wolke über dem Steg,
Geduld und Schweigen der Kindheit.
Wieder begegnet der zarte Leichnam
Am Tritonsteich
Schlummernd in seinem hyazinthenen Haar.
Daß endlich zerbräche das kühle Haupt!

Denn immer folgt, ein blaues Wild,
Ein Äugendes unter dämmernden Bäumen,
Dieser dunkleren Pfaden
Wachend und bewegt von nächtigem Wohllaut,
Sanftem Wahnsinn;
Oder es tönte dunkler Verzückung
Voll das Saitenspiel
Zu den kühlen Füßen der Büßerin
In der steinernen Stadt.
(S. 68-69)
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Sommer

Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.

Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus;

Windstille, sternlose Nacht.
(S. 74)
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Sommersneige

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden, dein kristallenes Antlitz.
Am Abendweiher starben die Blumen,
Ein erschrockener Amselruf.

Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet
Zur Reise sich die Schwalbe im Haus
Und die Sonne versinkt am Hügel;
Schon winkt zur Sternenreise die Nacht.

Stille der Dörfer; es tönen rings
Die verlassenen Wälder. Herz,
Neige dich nun liebender
Über die ruhige Schläferin.

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden und es läutet der Schritt
Des Fremdlings durch die silberne Nacht.
Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,

Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre!
(S. 75)
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Frühling der Seele

Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind,
Das Blau des Frühlings winkt durch brechendes Geäst,
Purpurner Nachttau und es erlöschen rings die Sterne.
Grünlich dämmert der Fluß, silbern die alten Alleen
Und die Türme der Stadt. O sanfte Trunkenheit
Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel
In kindlichen Gärten. Schon lichtet sich der rosige Flor.

Feierlich rauschen die Wasser. O die feuchten Schatten der Au,
Das schreitende Tier; Grünendes, Blütengezweig
Rührt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukelkahn.
Leise tönt die Sonne im Rosengewölk am Hügel.
Groß ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten am Fluß.

Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes,
Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht
Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund.

Schwester, da ich dich fand an einsamer Lichtung
Des Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers;
Weiße unter wilder Eiche, und es blühte silbern der Dorn.
Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen.

Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische.
Stunde der Trauer, Schweigender Anblick der Sonne;
Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmert
Bläue über dem verhauenen Wald und es läutet
Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit.
Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten.

Leise tönen die Wasser im sinkenden Nachmittag
Und es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind;
Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel.
(S. 77-78)
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Im Dunkel
2. Fassung

Es schweigt die Seele den blauen Frühling.
Unter feuchtem Abendgezweig
Sank in Schauern die Stirne den Liebenden.

O das grünende Kreuz. In dunklem Gespräch
Erkannten sich Mann und Weib.
An kahler Mauer
Wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame.

Über die mondbeglänzten Wege des Walds
Sank die Wildnis
Vergessener Jagden; Blick der Bläue
Aus verfallenen Felsen bricht.
(S. 78)
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Aus: Veröffentlichungen im »Brenner« 1914/15

Das Herz

Das wilde Herz ward weiß am Wald;
O dunkle Angst
Des Todes, so das Gold
In grauer Wolke starb.
Novemberabend.
Am kahlen Tor am Schlachthaus stand
Der armen Frauen Schar;
In jeden Korb
Fiel faules Fleisch und Eingeweid;
Verfluchte Kost!

Des Abends blaue Taube
Brachte nicht Versöhnung.
Dunkler Trompetenruf
Durchfuhr der Ulmen
Nasses Goldlaub,
Eine zerfetzte Fahne
Vom Blute rauchend,
Daß in wilder Schwermut
Hinlauscht ein Mann.
O! ihr ehernen Zeiten
Begraben dort im Abendrot.

Aus dunklem Hausflur trat
 Die goldne Gestalt
Der Jünglingin
Umgeben von bleichen Monden,
Herbstlicher Hofstaat,
Zerknickten schwarze Tannen
Im Nachtsturm,
Die steile Festung.
O Herz
Hinüberschimmernd in schneeige Kühle.
(S. 87-88)
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Klage

Jüngling aus kristallnem Munde
Sank dein goldner Blick ins Tal;
Waldes Woge rot und fahl
In der schwarzen Abendstunde.
Abend schlägt so tiefe Wunde!

Angst! des Todes Traumbeschwerde,
Abgestorben Grab und gar
Schaut aus Baum und Wild das Jahr;
Kahles Feld und Ackererde.
Ruft der Hirt die bange Herde.

Schwester, deine blauen Brauen
Winken leise in der Nacht.
Orgel seufzt und Hölle lacht
Und es faßt das Herz ein Grauen;
Möchte Stern und Engel schauen.

Mutter muß ums Kindlein zagen;
Rot ertönt im Schacht das Erz,
Wollust, Tränen, steinern Schmerz,
Der Titanen dunkle Sagen.
Schwermut! einsam Adler klagen.
(S. 92-93)
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Aus: Sonstige Gedichtveröffentlichungen

Traumwandler

Wo bist du, die mir zur Seite ging,
Wo bist du, Himmelsangesicht?
Ein rauher Wind höhnt mir ins Ohr: du Narr!
Ein Traum! Ein Traum! Du Tor!
Und doch, und doch! Wie war es einst,
Bevor ich in Nacht und Verlassenheit schritt?
Weißt du es noch, du Narr, du Tor!
Meiner Seele Echo, der rauhe Wind:
O Narr! O Tor!
Stand sie mit bittenden Händen nicht,
Ein trauriges Lächeln um den Mund,
Und rief in Nacht und Verlassenheit!
Was rief sie nur! Weißt du es nicht?
Wie Liebe klang's. Kein Echo trug
Zu ihr zurück, zu ihr dies Wort.
War's Liebe? Weh, daß ich's vergaß!
Nur Nacht um mich und Verlassenheit,
Und meiner Seele Echo - der Wind!
Der höhnt und höhnt: O Narr! O Tor!
(S. 101-102)
_____



In einem alten Garten

Resedaduft entschwebt im braunen Grün,
Geflimmer schauert auf den schönen Weiher,
Die Weiden stehn gehüllt in weiße Schleier
Darinnen Falter irre Kreise ziehn.

Verlassen sonnt sich die Terrasse dort,
Goldfische glitzern tief im Wasserspiegel,
Bisweilen schwimmen Wolken übern Hügel,
Und langsam gehn die Fremden wieder fort.

Die Lauben scheinen hell, da junge Frau'n
Am frühen Morgen hier vorbeigegangen,
Ihr Lachen blieb an kleinen Blättern hangen,
In goldenen Dünsten tanzt ein trunkener Faun.
(S. 105)
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Aus dem Nachlass


Andacht

Das Unverlorne meiner jungen Jahre
Ist stille Andacht an ein Glockenläuten,
An aller Kirchen dämmernde Altare
Und ihrer blauen Kuppeln Himmelweiten.

An einer Orgel abendliche Wiese,
An weiter Plätze dunkelndes Verhallen,
Und an ein Brunnenplätschern, sanft und leise
Und süß, wie unverstandnes Kinderlallen.

Ich seh' mich träumend still die Hände falten
Und längst vergessene Gebete flüstern,
Und frühe Schwermut meinen Blick umdüstern.

Da schimmert aus verworrenen Gestalten
Ein Frauenbild, umflort von finstrer Trauer,
Und gießt in mich den Kelch verruchter Schauer.
(S. 132)
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Das tiefe Lied

Aus tiefer Nacht ward ich befreit.
Meine Seele staunt in Unsterblichkeit,
Meine Seele lauscht über Raum und Zeit
Der Melodie der Ewigkeit!
Nicht Tag und Lust, nicht Nacht und Leid
Ist Melodie der Ewigkeit,
Und seit ich erlauscht die Ewigkeit,
Fühl nimmermehr ich Lust und Leid!
(S. 137)
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Gedicht

Ein frommes Lied kam zu mir her:
Du einfach Herz, du heilig Blut,
O nimm von mir so böse Glut!
Da ward's erhört und klagt nicht mehr!

Mein Herz ist jeder Sünde schwer
Und zehrt sich auf in böser Glut,
Und ruft nicht an das heilige Blut,
Und ist so stumm und tränenleer.
(S. 139-140)
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Nachtlied

Über nächtlich dunkle Fluten
Sing' ich meine traurigen Lieder,
Lieder, die wie Wunden bluten.
Doch kein Herz trägt sie mir wieder
Durch das Dunkel her.

Nur die nächtlich dunklen Fluten
Rauschen, schluchzen meine Lieder,
Lieder, die von Wunden bluten,
Tragen an mein Herz sie wieder
Durch das Dunkel her.
(S. 140)
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Vor Sonnenaufgang

Im Dunkel rufen viele Vogelstimmen,
Die Bäume rauschen und die Quellen laut,
In Wolken tönt ein rosenfarbnes Glimmen
Wie frühe Liebesnot. Die Nacht verblaut -

Die Dämmrung glättet sanft, mit scheuen Händen
Der Liebe Lager, fiebernd aufgewühlt,
Und läßt den Rausch erschlaffter Küsse enden
In Träumen, lächelnd und halb wach gefühlt.
(S. 146)
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Blutschuld

Es dräut die Nacht am Lager unsrer Küsse.
Es flüstert wo: Wer nimmt von euch die Schuld?
Noch bebend von verruchter Wollust Süße
Wir beten: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!

Aus Blumenschalen steigen gierige Düfte,
Umschmeicheln unsere Stirnen bleich von Schuld.
Ermattend unterm Hauch der schwülen Lüfte
Wir träumen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!

Doch lauter rauscht der Brunnen der Sirenen
Und dunkler ragt die Sphinx vor unsrer Schuld,
Daß unsre Herzen sündiger wieder tönen,
Wir schluchzen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!
(S. 146)
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Einer Vorübergehenden

Ich hab' einst im Vorübergehn
Ein schmerzensreiches Antlitz gesehn,
Das schien mir tief und heimlich verwandt,
So gottgesandt -
Und ging vorüber und entschwand.

Ich hab' einst im Vorübergehn
Ein schmerzenreiches Antlitz gesehn,
Das hat mich gebannt,
Als hätte ich eine wiedererkannt,
Die träumend ich einst Geliebte genannt
In einem Dasein, das längst entschwand.
(S. 148-149)
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Leuchtende Stunde

Fern am Hügel Flötenklang.
Faune lauern an den Sümpfen,
Wo versteckt in Rohr und Tang
Träge ruhn die schlanken Nymphen.

In des Weihers Spiegelglas
Goldne Falter sich verzücken,
Leise regt im samtnen Gras
Sich ein Tier mit zweien Rücken.

Schluchzend haucht im Birkenhain
Orpheus zartes Liebeslallen,
Sanft und scherzend stimmen ein
In sein Lied die Nachtigallen.

Phöbus eine Flamme glüht
Noch an Aphroditens Munde,
Und von Ambraduft durchsprüht -
Rötet dunkel sich die Stunde.
(S. 155)
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Das dunkle Tal

In Föhren zerflattert ein Krähenzug
Und grüne Abendnebel steigen
Und wie im Traum ein Klang von Geigen
Und Mägde laufen zum Tanz in Krug.

Man hört Betrunkener Lachen und Schrei,
Ein Schauer geht durch alte Eiben.
An leichenfahlen Fensterscheiben
Huschen die Schatten der Tänzer vorbei.

Es riecht nach Wein und Thymian
Und durch den Wald hallt einsam Rufen.
Das Bettelvolk lauscht auf den Stufen
Und hebt sinnlos zu beten an.

Ein Wild verblutet im Haselgesträuch,
Dumpf schwanken riesige Baumarkaden,
Von eisigen Wolken überladen.
Leibende ruhn umschlungen am Teich.
(S. 157-158)
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Klagelied

Die Freundin, die mit grünen Blumen gaukelnd
Spielt in mondenen Gärten -
O! was glüht hinter Taxushecken!
Goldener Mund, der meines Lippen rührt,
Und sie erklingen wie die Sterne
Über dem Bache Kidron.
Aber die Sternnebel sinken über der Ebene,
Tänze wild und unsagbar.
O! meine Freundin deine Lippen
Granatapfellippen
Reifen an meinem kristallenen Muschelmund.
Schwer ruht auf uns
Das goldene Schweigen der Ebene.
Zum Himmel dampft das Blut
Der von Herodes
Gemordeten Kinder.
(S. 160)
_____



Frühling der Seele

Blumen blau und weiß verstreut
Streben heiter auf im Grund.
Silbern webt die Abendstund',
Laue Öde, Einsamkeit.

Leben blüht nun voll Gefahr,
Süße Ruh um Kreuz und Grab.
Eine Glocke läutet ab.
Alles scheinet wunderbar.

Weide sanft im Äther schwebt,
Hier und dort ein flackernd Licht.
Frühling flüstert und verspricht
Und der feuchte Efeu bebt.

Saftig grünen Brot und Wein,
Orgel tönt voll Wunderkraft;
Und um Kreuz und Leidenschaft
Glänzt ein geisterhafter Schein.

O! Wie schön sind diese Tag'.
Kinder durch die Dämmerung gehn;
Blauer schon die Winde wehn.
Ferne spottet Drosselschlag.
(S. 161)
_____



An Angela
1. Fassung

1
Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern
Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten.
An Fenstern fließen Pelagonienbeeten,
Narzissen auch und keuscher im Verkümmern
Als Alabaster, die im Garten schimmern.

In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen.

Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen,
Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen.
In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen,
Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen.

Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen.


2
Die Frühe, die sich rot in Zweigen runden, -
Angelens Lippen, die ihr Süßes zeigen,
Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen
In ruhevollem Anblick lange Stunden,
Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden.

Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele.

In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle
Und Hyazinthnes treibt aus wirren Kressen.
Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle,
Im Grabesschatten trauriger Zypressen.

Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen.


3
Der Juniweiden abendlich Geflüster;
Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen.
Wie regungslos im Grau die Vögel hängen!
Und hier Angelens Ruh im Zweiggedüster;
Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester.

Von dunkler Kühle ist sein Mund umflossen.

Im Tal ruhn weiche Nebel hingegossen.
Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten
Schwebt Goldenes von seinem Mund geflossen
Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten.

Die Nacht umfängt sein trunkenes Ermatten.
(S. 163-164)
_____



An Angela
2. Fassung

1
Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern.
Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten,
An Fenstern, rötlichen Geranienbeeten,
Narzissen auch und keuscher im Verkümmern
Als Alabaster, die im Garten schimmern.

In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen.

Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen,
Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen.
In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen,
Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen.

Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen.


2
Den spitzes Gras umsäumt, am Kreuzweg hocken
Die Mäher müde und von Mohne trunken,
Der Himmel ist sehr schwer auf sie gesunken,
Die Milch und Öde langer Mittagsglocken.
Und manchmal flattern Krähen auf im Roggen.

Von Frucht und Greueln wächst die heiße Erde
In goldnem Glanz, o kindliche Geberde
Der Wollust und ihr hyazinthnes Schweigen,
So Brot und Wein, genährt am Fleisch der Erde,
Sebastian im Traum ihr Geistiges zeigen.

Angelens Geist ist weichen Wolken eigen.


3
Die Früchte, die sich rot in Zweigen runden,
Des Engels Lippen, die ihr Süßes zeigen,
Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen
In ruhevollem Anblick lange Stunden,
Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden.

Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele.

In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle
Von Fliegen über Fäulnis und Abszessen.
Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle,
Im Grabesschatten trauriger Zypressen.

Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen.


4
Des Weidenwäldchens silbernes Geflüster;
Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen.
Im Abend regungslose Vögel hängen!
Ein blaues Wasser schläft im Zweiggedüster.
Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester.

Schmerzvolles Sinnen in der dunklen Kühle.

Von Mohn und Weihrauch duften milde Pfühle
Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten
Angelens Freude und der Sterne Spiele
Die Nacht umfängt der Liebenden Ermatten.

Der Saum des Waldes und der Schwermut Schatten.
(S. 164-165)
_____



An Mauern hin

Es geht ein alter Weg entlang
An wilden Gärten und einsamen Mauern.
Tausendjährige Eiben schauern
Im steigenden fallenden Windgesang.

Die Falter tanzen, als stürben sie bald,
Mein Blick trinkt weinend die Schatten und Lichter,
Ferne schweben Frauengesichter
Geisterhaft ins Blau gemalt.

Ein Lächeln zittert im Sonnenschein,
Indes ich langsam weiterschreite;
Unendliche Liebe gibt das Geleite.
Leise ergrünt das harte Gestein.
(S. 175)
_____



O das Wohnen in der Stille des dämmernden Gartens,
Da die Augen der Schwester sich rund und dunkel
im Bruder aufgetan,
Der Purpur ihrer zerbrochenen Münder
In der Kühle des Abends hinschmolz.
Herzzerreißende Stunde.

September reifte die goldene Birne. Süße von Weihrauch
Und die Georgine brennt am alten Zaun
Sag! wo waren wir, da wir auf schwarzem Kahn
Im Abend vorüberzogen,

Darüberzog der Kranich. Die frierenden Arme
Hielten Schwarzes umschlungen, und innen rann Blut.
Und feuchtes Blau um unsre Schläfen. Arm' Kindlein.
Tief sinnt aus wissenden Augen ein dunkles Geschlecht.
(S. 177)
_____



Schwesters Garten
1. Fassung

Es wird schon kühl, es wird schon spat,
Es ist schon Herbst geworden
In Schwesters Garten, still und stad;
Ihr Schritt ist weiß geworden.
Ein Amselruf verirrt und spat,
Es ist schon Herbst geworden
In Schwesters Garten still und stad;
Ein Engel ist geworden.
(S. 179)


Schwesters Garten
2. Fassung

In Schwesters Garten, still und stad
Ein Blau ein Rot von Blumen spat
Ihr Schritt ist weiß geworden.
Ein Amselruf verirrt und spat
In Schwesters Garten still und stad;
Ein Engel ist geworden.
(S. 179)
_____



So leise läuten
Am Abend die blauen Schatten
An der weißen Mauer.
Stille neigt sich das herbstliche Jahr.

Stunde unendlicher Schwermut,
Als erlitt' ich den Tod um dich.
Es weht von Gestirnen
Ein schneeiger Wind durch dein Haar.

Dunkle Lieder
Singt dein purpurner Mund in mir,
Die schweigsame Hütte unserer Kindheit,
Vergessene Sagen;

Als wohnt' ich ein sanftes Wild
In der kristallnen Woge
Des kühlen Quells
Und es blühten die Veilchen rings.
(S. 181)
_____



Der Tau des Frühlings der von dunklen Zweigen
Herniederfällt, es kommt die Nacht
Mit Sternenstrahlen, da des Lichtes du vergessen.

Unter dem Dornenbogen lagst <du> und es grub der Stachel
Sich tief in den kristallenen Leib
Daß feuriger sich die Seele der Nacht vermähle.

Es hat mit Sternen sich die Braut geziert,
Die reine Myrthe
Die sich über des Totes anbetendes Antlitz neigt.

Blühender Schauer voll
Umfängt dich endlich der blaue Mantel der Herrin.
O die entlaubten Buchen und der schwärzliche Schnee.
Leise der Nord weht. Hier den braunen Pfad
Ist vor Monden ein Dunkles gegangen

Allein <?> im Herbst. Immer fallen die Flocken
In das kahle Geäst
Ins dürre Rohr; grünes Kristall singt im Weiher

Leer die Hütte von Stroh; ein Kindliches
Sind die wehenden Birken im Nachwind.
O der Weg der leise ins Dunkel friert.
Und das Wohnen in rosigem Schnee.
(S. 181-182)
_____



Träumerei
1. Fassung

Sanftes Leben wächst im Stillen
Schritt und Herz durchs Grüne eilt
Liebendes an Hecken weilt,
Die sich schwer mit Düften füllen.

Buche sinnt; die feuchten Glocken
Sind verstummt, der Bursche singt
Feuer Dunkeles umschlingt
O Geduld und stumm Frohlocken.

Frohen Mut gib noch zum Ende
Schön beseelte, stille Nacht,
Goldnen Wein, den dargebracht
Einer Schwester blaue Hände.
(S. 190)


Träumerei
2. Fassung

Sanftes Leben wächst rings im Stillen
Durchs Grüne eilt Schritt und Herz.
Liebendes weilt an Hecken,
Die sich mit Düften füllen.

Tiefsinnige Buche im Wirtshausgarten. Die
feuchten Glocken
Sind verstummt; ein Bursche singt
- Feuer das Dunkles sucht -
O blaue Stille, Geduld!

Frohen Mut auch gib
Grünende Nacht dem Einsamen,
Dem sein Stern erlosch,
Lachen in purpurnem Wein.
(S. 190-191)


Träumerei
3. Fassung

Verliebte gehn an den Hecken,
Die sich mit Düften füllen.
Am Abend kommen frohe Gäste
Von der dämmernden Straße.

Sinnige Kastanie im Wirtshausgarten.
Die feuchten Glocken sind verstummt.
Ein Bursche singt am Fluß
- Feuer, das Dunkeles such -

O blaue Stille! Geduld!
Wenn jegliches blüht.

Sanften Mut auch gib
Nacht dem Heimatlosen,
Unergründliches Dunkel
Goldne Stunde in Wein.
(S. 191)
_____



Lebensalter

Geistiger leuchten die wilden
Rosen am Gartenzaun;
O stille Seele!

Im kühlen Weinlaub weidet
Die kristallne Sonne;
O heilige Reinheit!

Es reicht ein Greis mit edlen
Händen gereifte Früchte.
O Block der Liebe!
(S. 194)
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Aus: Georg Trakl Dichtungen und Briefe
Herausgegeben von Walther Killy und Hans Szklenar
2. Auflage 1971 Otto Müller Verlag Salzburg
(Diese Ausgabe bringt vollständig den Text
des erstes Bandes der historisch-kritischen Ausgabe
1969 und 1970)

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Trakl



 

 


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