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      Georg Trakl  
      (1887-1914) 
       
       
      Inhaltsverzeichnis der Gedichte: 
  
      
       
       
       
      Romanze zur Nacht 
       
      Einsamer unterm Sternenzelt 
      Geht durch die stille Mitternacht. 
      Der Knab aus Träumen wirr erwacht, 
      Sein Antlitz grau im Mond verfällt. 
       
      Die Närrin weint mit offnem Haar 
      Am Fenster, das vergittert starrt. 
      Im Teich vorbei auf süßer Fahrt 
      Ziehn Liebende sehr wunderbar. 
       
      Der Mörder lächelt bleich im Wein, 
      Die Kranken Todesgrausen packt. 
      Die Nonne betet wund und nackt 
      Vor des Heilands Kreuzespein. 
       
      Die Mutter leis' im Schlafe singt. 
      Sehr friedlich schaut zur Nacht das Kind 
      Mit Augen, die ganz wahrhaft sind. 
      Im Hurenhaus Gelächter klingt. 
       
      Beim Talglicht drunt' im Kellerloch 
      Der Tote malt mit weißer Hand 
      Ein grinsend Schweigen an die Wand. 
      Der Schläfer flüstert immer noch. 
      (S. 10) 
      _____ 
       
       
       
      Im roten Laubwerk voll Guitarren . . . 
       
      Im roten Laubwerk voll Guitarren 
      Der Mädchen gelbe Haare wehen 
      Am Zaun, wo Sonnenblumen stehen. 
      Durch Wolken fährt ein goldner Karren. 
       
      In brauner Schatten Ruh verstummen 
      Die Alten, die sich blöd umschlingen. 
      Die Waisen süß zur Vesper singen. 
      In gelben Dünsten Fliegen summen. 
       
      Am Bache waschen noch die Frauen. 
      Die aufgehängten Linnen wallen. 
      Die Kleine, die mir lang gefallen, 
      Kommt wieder durch das Abendgrauen. 
       
      Vom lauen Himmel Spatzen stürzen 
      In grüne Löcher voll Verwesung. 
      Dem Hungrigen täuscht vor Genesung 
      Ein Duft von Brot und herben Würzen. 
      (S. 10-11) 
      _____ 
       
       
       
      Frauensegen 
       
      Schreitest unter deinen Frau'n 
      Und du lächelst oft beklommen: 
      Sind so bange Tage kommen. 
      Weiß verblüht der Mohn am Zaun. 
       
      Wie dein Leib so schön geschwellt 
      Golden reift der Wein am Hügel. 
      Ferne glänzt des Weihers Spiegel 
      Und die Sense klirrt im Feld. 
       
      In den Büschen rollt der Tau, 
      Rot die Blätter niederfließen. 
      Seine liebe Frau zu grüßen 
      Naht ein Mohr dir braun und rauh. 
      (S. 13) 
      _____ 
       
       
       
      Traum des Bösen 
      
      1. Fassung 
      
       
      Verhallend eines Gongs braungoldne Klänge - 
      Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern 
      Die Wang' an Flammen, die im Fenster flimmern. 
      Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge. 
       
      Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge. 
      Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern. 
      Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern; 
      Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge. 
       
      Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen. 
      Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster; 
      Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster. 
       
      Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen 
      Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen. 
      Im Park erblicken zitternd sich Geschwister. 
      (S. 17) 
      _____ 
       
       
       
      Melancholie 
      
      3. Fassung 
      
       
      Bläuliche Schatten. O ihr dunklen Augen, 
      Die lang mich anschaun im Vorübergleiten. 
      Guitarrenklänge sanft den Herbst begleiten 
      Im Garten, aufgelöst in braunen Laugen. 
      Des Todes ernste Düsternis bereiten 
      Nymphische Hände, an roten Brüsten saugen 
      Verfallne Lippen und in schwarzen Laugen 
      Des Sonnenjünglings feuchte Locken gleiten. 
      (S. 20) 
      _____ 
       
       
       
      Verklärter Herbst 
       
      Gewaltig endet so das Jahr 
      Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. 
      Rund schweigen Wälder wunderbar 
      Und sind des Einsamen Gefährten. 
       
      Da sagt der Landmann: Es ist gut. 
      Ihr Abendglocken lang und leise 
      Gebt noch zum Ende frohen Mut. 
      Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. 
       
      Es ist der Liebe milde Zeit. 
      Im Kahn den blauen Fluß hinunter 
      Wie schön sich Bild an Bildchen reiht - 
      Das geht in Ruh und Schweigen unter. 
      (S. 21) 
      _____ 
       
       
       
      Der Spaziergang 
       
      1 
      Musik summt im Gehölz am Nachmittag. 
      Im Korn sich ernste Vogelscheuchen drehn. 
      Hollunderbüsche sacht am Weg verwehn; 
      Ein Haus zerflimmert wunderlich und vag. 
       
      In Goldnem schwebt ein Duft von Thymian, 
      Auf einem Stein steht eine heitere Zahl. 
      Auf einer Wiese spielen Kinder Ball, 
      Dann hebt ein Baum vor dir zu kreisen an. 
       
      Du träumst: die Schwester kämmt ihr blondes Haar, 
      Auch schreibt ein ferner Freund dir einen Brief. 
      Ein Schober flieht durchs Grau vergilbt und schief 
      Und manchmal schwebst du leicht und wunderbar. 
       
       
      2 
      Die Zeit verrinnt. O süßer Helios! 
      O Bild im Krötentümpel süß und klar; 
      Im Sand versinkt ein Eden wunderbar. 
      Goldammern wiegt ein Busch in seinem Schoß. 
       
      Ein Bruder stirbt dir in verwunschnem Land 
      Und stählern schaun dich deine Augen an. 
      In Goldnem dort ein Duft von Thymian. 
      Ein Knabe legt am Weiler einen Brand. 
       
      Die Liebenden in Faltern neu erglühn 
      Und schaukeln heiter hin um Stein und Zahl. 
      Aufflattern Krähen um ein ekles Mahl 
      Und deine Stirne tost durchs sanfte Grün. 
       
      Im Dornenstrauch verendet weich ein Wild. 
      Nachgleitet dir ein heller Kindertag, 
      Der graue Wind, der flatterhaft und vag 
      Verfallne Düfte durch die Dämmerung spült. 
       
       
      3 
      Ein altes Wiegenlied macht dich sehr bang. 
      Am Wegrand fromm ein Weib ihr Kindlein stillt. 
      Traumwandelnd hörst du wie ihr Bronnen quillt. 
      Aus Apfelzweigen fällt ein Weiheklang. 
       
      Und Brot und Wein sind süß von harten Mühn. 
      Nach Früchten tastet silbern deine Hand. 
      Die tote Rahel geht durchs Ackerland. 
      Mit friedlicher Geberde winkt das Grün. 
       
      Gesegnet auch blüht armer Mägde Schoß, 
      Die träumend dort am alten Brunnen stehn. 
      Einsame froh auf stillen Pfaden gehn 
      Mit Gottes Kreaturen sündelos. 
      (S. 24-25) 
      _____ 
       
       
       
      Heiterer Frühling 
      
      2. Fassung 
      
       
      1 
      Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt, 
      Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr. 
      Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar, 
      Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist. 
       
      An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind, 
      Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat. 
      Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt, 
      Ein Kind steht in Konturen weich und lind. 
       
      Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch, 
      Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst. 
      Hell Grünes blüht und anderes verwest 
      Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch. 
       
       
      2 
      Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin. 
      Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last. 
      Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt; 
      Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin. 
       
      In Gärten sinken Glocken lang und leis 
      Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt. 
      Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt 
      Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß. 
       
      Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann! 
      In seine Hütte fällt ein lauer Strahl. 
      Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl 
      Und Knospen knistern heiter dann und wann. 
       
       
      3 
      Wie scheint doch alles Werdende so krank! 
      Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist; 
      Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist 
      Und öffnet das Gemüte weit und bang. 
       
      Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht 
      Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh. 
      Die Liebenden blühn ihren Sternen zu 
      Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht. 
       
      So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt; 
      Und leise rührt dich an ein alter Stein: 
      Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein. 
      O Mund! der durch die Silberweide bebt. 
      (S. 27-28) 
      _____ 
       
       
       
      Rosenkranzlieder 
      
      An die Schwester 
      
       
      Wo du gehst wird Herbst und Abend, 
      Blaues Wild, das unter Bäumen tönt, 
      Einsamer Weiher am Abend. 
       
      Leise der Flug der Vögel tönt, 
      Die Schwermut über deinen Augenbogen. 
      Dein schmales Lächeln tönt. 
       
      Gott hat deine Lider verbogen. 
      Sterne suchen nachts, Karfreitagskind, 
      Deinen Stirnenbogen. 
      (S. 32) 
      _____ 
       
       
       
      In der Heimat 
       
      Resedenduft durchs kranke Fenster irrt; 
      Ein alter Platz, Kastanien schwarz und wüst. 
      Das Dach durchbricht ein goldener Strahl und fließt 
      Auf die Geschwister traumhaft und verwirrt. 
       
      Im Spülicht treibt Verfallnes, leise girrt 
      Der Föhn im braunen Gärtchen; sehr still genießt 
      Ihr Gold die Sonnenblume und zerfließt. 
      Durch blaue Luft der Ruf der Wache klirrt. 
       
      Resedenduft. Die Mauern dämmern kahl. 
      Der Schwester Schlaf ist schwer. Der Nachtwind wühlt 
      In ihrem Haar, das mondner Glanz umspült. 
       
      Der Katze Schatten gleitet blau und schmal 
      Vom morschen Dach, das nahes Unheil säumt, 
      Die Kerzenflamme, die sich purpurn bäumt. 
      (S. 34) 
      _____ 
       
       
       
      Abendlied 
       
      Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn, 
      Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns. 
       
      Wenn uns dürstet, 
      Trinken wir die weißen Wasser des Teichs, 
      Die Süße unserer traurigen Kindheit. 
       
      Erstorbene ruhen wir unterm Hollundergebüsch, 
      Schaun den grauen Möven zu. 
       
      Frühlingsgewölke steigen über die finstere Stadt, 
      Die der Mönche edlere Zeiten schweigt. 
       
      Da ich deine schmalen Hände nahm 
      Schlugst du leise die runden Augen auf, 
      Dieses ist lange her. 
       
      Doch wenn dunkler Wohllaut die Seele heimsucht, 
      Erscheinst du Weiße in des Freundes herbstlicher Landschaft. 
      (S. 37) 
      _____ 
       
       
       
      Aus: Sebastian im Traum 
       
      Stundenlied 
       
      Mit dunklen Blicken sehen sich die Liebenden an, 
      Die Blonden, Strahlenden. In starrender Finsternis 
      Umschlingen schmächtig sich die sehnenden Arme. 
       
      Purpurn zerbrach der Gesegneten Mund. Die runden Augen 
      Spiegeln das dunkle Gold des Frühlingsnachmittags, 
      Saum und Schwärze des Walds, Abendängste im Grün; 
      Vielleicht unsäglichen Vogelflug, des Ungeborenen 
      Pfad an finsteren Dörfern, einsamen Sommern hin 
      Und aus verfallener Bläue tritt bisweilen ein Abgelebtes. 
       
      Leise rauscht im Acker das gelbe Korn. 
      Hart ist das Leben und stählern schwingt die Sense der Landmann, 
      Fügt gewaltige Balken der Zimmermann. 
       
      Purpurn färbt sich das Laub im Herbst; der mönchische Geist 
      Durchwandelt heitere Tage; reif ist die Traube 
      Und festlich die Luft in geräumigen Höfen. 
      Süßer duften vergilbte Früchte; leise ist das Lachen 
      Des Frohen, Musik und Tanz in schattigen Kellern; 
      Im dämmernden Garten Schritt und Stille des verstorbenen Knaben. 
      (S. 45-46) 
      _____ 
       
       
       
      Unterwegs 
       
      Am Abend trugen sie den Fremden in die Totenkammer; 
      Ein Duft von Teer; das leise Rauschen roter Platanen; 
      Der dunkle Flug der Dohlen; am Platz zog eine Wache auf. 
      Die Sonne ist in schwarze Linnen gesunken; immer wieder  
      kehrt dieser vergangene Abend. 
      Im Nebenzimmer spielt die Schwester eine Sonate von Schubert. 
      Sehr leise sinkt ihr Lächeln in den verfallenen Brunnen, 
      Der bläulich in der Dämmerung rauscht.  
      O, wie alt ist unser Geschlecht. 
      Jemand flüstert drunten im Garten;  
      jemand hat diesen schwarzen Himmel verlassen. 
      Auf der Kommode duften Äpfel. Großmutter zündet  
      goldene Kerzen an. 
       
      O, wie mild ist der Herbst. Leise klingen unsere Schritte 
      im alten Park 
      Unter hohen Bäumen. O, wie ernst ist das hyazinthene  
      Antlitz der Dämmerung. 
      Der blaue Quell zu deinen Füßen, geheimnisvoll  
      die rote Stille deines Munds, 
      Umdüstert vom Schlummer des Laubs, dem dunklen Gold  
      verfallener Sonnenblumen. 
      Deine Lider sind schwer von Mohn und träumen leise auf meiner Stirne. 
      Sanfte Glocken durchzittern die Brust. Eine blaue Wolke 
      Ist dein Antlitz auf mich gesunken in der Dämmerung. 
       
      Ein Lied zur Guitarre, das in einer fremden Schenke erklingt, 
      Die wilden Hollunderbüsche dort, ein lang vergangener Novembertag, 
      Vertraute Schritte auf der dämmernden Stiege, der Anblick gebräunter 
      Balken, 
      Ein offenes Fenster, an dem ein süßes Hoffen zurückblieb - 
      Unsäglich ist das alles, o Gott, daß man erschüttert ins Knie bricht. 
       
      O, wie dunkel ist diese Nacht. Eine purpurne Flamme 
      Erlosch an meinem Mund. In der Stille 
      Erstirbt der bangen Seele einsames Saitenspiel. 
      Laß, wenn trunken von Wein das Haupt in die Gosse sinkt. 
      (S. 46-47) 
      _____ 
       
       
       
      Im Frühling 
       
      Leise sank von dunklen Schritten der Schnee, 
      Im Schatten des Baums 
      Heben die rosigen Lider Liebende. 
       
      Immer folgt den dunklen Rufen der Schiffer 
      Stern und Nacht; 
      Und die Ruder schlagen leise im Takt. 
       
      Balde an verfallener Mauer blühen 
      Die Veilchen, 
      Ergrünt so stille die Schläfe des Einsamen. 
      (S. 52) 
      _____ 
       
       
       
      Passion 
      
      3. Fassung 
      
       
      Wenn Orpheus silbern die Laute rührt, 
      Beklagend ein Totes im Abendgarten, 
      Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen? 
      Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr, 
      Der blaue Teich, 
      Hinsterbend unter grünenden Bäumen 
      Und folgend dem Schatten der Schwester; 
      Dunkle Liebe 
      Eines wilden Geschlechts, 
      Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht. 
      Stille Nacht. 
       
      Unter finsteren Tannen 
      Mischten zwei Wölfe ihr Blut 
      In steinerner Umarmung; ein Goldnes 
      Verlor sich die Wolke über dem Steg, 
      Geduld und Schweigen der Kindheit. 
      Wieder begegnet der zarte Leichnam 
      Am Tritonsteich 
      Schlummernd in seinem hyazinthenen Haar. 
      Daß endlich zerbräche das kühle Haupt! 
       
      Denn immer folgt, ein blaues Wild, 
      Ein Äugendes unter dämmernden Bäumen, 
      Dieser dunkleren Pfaden 
      Wachend und bewegt von nächtigem Wohllaut, 
      Sanftem Wahnsinn; 
      Oder es tönte dunkler Verzückung 
      Voll das Saitenspiel 
      Zu den kühlen Füßen der Büßerin 
      In der steinernen Stadt. 
      (S. 68-69) 
      _____ 
       
       
       
      Sommer 
       
      Am Abend schweigt die Klage 
      Des Kuckucks im Wald. 
      Tiefer neigt sich das Korn, 
      Der rote Mohn. 
       
      Schwarzes Gewitter droht 
      Über dem Hügel. 
      Das alte Lied der Grille 
      Erstirbt im Feld. 
       
      Nimmer regt sich das Laub 
      Der Kastanie. 
      Auf der Wendeltreppe 
      Rauscht dein Kleid. 
       
      Stille leuchtet die Kerze 
      Im dunklen Zimmer; 
      Eine silberne Hand 
      Löschte sie aus; 
       
      Windstille, sternlose Nacht. 
      (S. 74) 
      _____ 
       
       
       
      Sommersneige 
       
      Der grüne Sommer ist so leise 
      Geworden, dein kristallenes Antlitz. 
      Am Abendweiher starben die Blumen, 
      Ein erschrockener Amselruf. 
       
      Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet 
      Zur Reise sich die Schwalbe im Haus 
      Und die Sonne versinkt am Hügel; 
      Schon winkt zur Sternenreise die Nacht. 
       
      Stille der Dörfer; es tönen rings 
      Die verlassenen Wälder. Herz, 
      Neige dich nun liebender 
      Über die ruhige Schläferin. 
       
      Der grüne Sommer ist so leise 
      Geworden und es läutet der Schritt 
      Des Fremdlings durch die silberne Nacht. 
      Gedächte ein blaues Wild seines Pfads, 
       
      Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre! 
      (S. 75) 
      _____ 
       
       
       
      Frühling der Seele 
       
      Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind, 
      Das Blau des Frühlings winkt durch brechendes Geäst, 
      Purpurner Nachttau und es erlöschen rings die Sterne. 
      Grünlich dämmert der Fluß, silbern die alten Alleen 
      Und die Türme der Stadt. O sanfte Trunkenheit 
      Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel 
      In kindlichen Gärten. Schon lichtet sich der rosige Flor. 
       
      Feierlich rauschen die Wasser. O die feuchten Schatten der Au, 
      Das schreitende Tier; Grünendes, Blütengezweig 
      Rührt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukelkahn. 
      Leise tönt die Sonne im Rosengewölk am Hügel. 
      Groß ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten am Fluß. 
       
      Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes, 
      Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht 
      Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund. 
       
      Schwester, da ich dich fand an einsamer Lichtung 
      Des Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers; 
      Weiße unter wilder Eiche, und es blühte silbern der Dorn. 
      Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen. 
       
      Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische. 
      Stunde der Trauer, Schweigender Anblick der Sonne; 
      Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmert 
      Bläue über dem verhauenen Wald und es läutet 
      Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit. 
      Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten. 
       
      Leise tönen die Wasser im sinkenden Nachmittag 
      Und es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind; 
      Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel. 
      (S. 77-78) 
      _____ 
       
       
       
      Im Dunkel 
      
      2. Fassung 
      
       
      Es schweigt die Seele den blauen Frühling. 
      Unter feuchtem Abendgezweig 
      Sank in Schauern die Stirne den Liebenden. 
       
      O das grünende Kreuz. In dunklem Gespräch 
      Erkannten sich Mann und Weib. 
      An kahler Mauer 
      Wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame. 
       
      Über die mondbeglänzten Wege des Walds 
      Sank die Wildnis 
      Vergessener Jagden; Blick der Bläue 
      Aus verfallenen Felsen bricht. 
      (S. 78) 
      _____ 
       
       
       
      Aus: Veröffentlichungen im »Brenner« 1914/15 
       
      Das Herz 
       
      Das wilde Herz ward weiß am Wald; 
      O dunkle Angst 
      Des Todes, so das Gold 
      In grauer Wolke starb. 
      Novemberabend. 
      Am kahlen Tor am Schlachthaus stand 
      Der armen Frauen Schar; 
      In jeden Korb 
      Fiel faules Fleisch und Eingeweid; 
      Verfluchte Kost! 
       
      Des Abends blaue Taube 
      Brachte nicht Versöhnung. 
      Dunkler Trompetenruf 
      Durchfuhr der Ulmen 
      Nasses Goldlaub, 
      Eine zerfetzte Fahne 
      Vom Blute rauchend, 
      Daß in wilder Schwermut 
      Hinlauscht ein Mann. 
      O! ihr ehernen Zeiten 
      Begraben dort im Abendrot. 
       
      Aus dunklem Hausflur trat 
 Die goldne Gestalt 
      Der Jünglingin 
      Umgeben von bleichen Monden, 
      Herbstlicher Hofstaat, 
      Zerknickten schwarze Tannen 
      Im Nachtsturm, 
      Die steile Festung. 
      O Herz 
      Hinüberschimmernd in schneeige Kühle. 
      (S. 87-88) 
      _____ 
       
       
       
      Klage 
       
      Jüngling aus kristallnem Munde 
      Sank dein goldner Blick ins Tal; 
      Waldes Woge rot und fahl 
      In der schwarzen Abendstunde. 
      Abend schlägt so tiefe Wunde! 
       
      Angst! des Todes Traumbeschwerde, 
      Abgestorben Grab und gar 
      Schaut aus Baum und Wild das Jahr; 
      Kahles Feld und Ackererde. 
      Ruft der Hirt die bange Herde. 
       
      Schwester, deine blauen Brauen 
      Winken leise in der Nacht. 
      Orgel seufzt und Hölle lacht 
      Und es faßt das Herz ein Grauen; 
      Möchte Stern und Engel schauen. 
       
      Mutter muß ums Kindlein zagen; 
      Rot ertönt im Schacht das Erz, 
      Wollust, Tränen, steinern Schmerz, 
      Der Titanen dunkle Sagen. 
      Schwermut! einsam Adler klagen. 
      (S. 92-93) 
      _____ 
       
       
       
      Aus: Sonstige Gedichtveröffentlichungen 
       
      Traumwandler 
       
      Wo bist du, die mir zur Seite ging, 
      Wo bist du, Himmelsangesicht? 
      Ein rauher Wind höhnt mir ins Ohr: du Narr! 
      Ein Traum! Ein Traum! Du Tor! 
      Und doch, und doch! Wie war es einst, 
      Bevor ich in Nacht und Verlassenheit schritt? 
      Weißt du es noch, du Narr, du Tor! 
      Meiner Seele Echo, der rauhe Wind: 
      O Narr! O Tor! 
      Stand sie mit bittenden Händen nicht, 
      Ein trauriges Lächeln um den Mund, 
      Und rief in Nacht und Verlassenheit! 
      Was rief sie nur! Weißt du es nicht? 
      Wie Liebe klang's. Kein Echo trug 
      Zu ihr zurück, zu ihr dies Wort. 
      War's Liebe? Weh, daß ich's vergaß! 
      Nur Nacht um mich und Verlassenheit, 
      Und meiner Seele Echo - der Wind! 
      Der höhnt und höhnt: O Narr! O Tor! 
      (S. 101-102) 
      _____ 
       
       
       
      In einem alten Garten 
       
      Resedaduft entschwebt im braunen Grün, 
      Geflimmer schauert auf den schönen Weiher, 
      Die Weiden stehn gehüllt in weiße Schleier 
      Darinnen Falter irre Kreise ziehn. 
       
      Verlassen sonnt sich die Terrasse dort, 
      Goldfische glitzern tief im Wasserspiegel, 
      Bisweilen schwimmen Wolken übern Hügel, 
      Und langsam gehn die Fremden wieder fort. 
       
      Die Lauben scheinen hell, da junge Frau'n 
      Am frühen Morgen hier vorbeigegangen, 
      Ihr Lachen blieb an kleinen Blättern hangen, 
      In goldenen Dünsten tanzt ein trunkener Faun. 
      (S. 105) 
      _____ 
       
       
       
      Aus dem Nachlass 
       
       
      Andacht 
       
      Das Unverlorne meiner jungen Jahre 
      Ist stille Andacht an ein Glockenläuten, 
      An aller Kirchen dämmernde Altare 
      Und ihrer blauen Kuppeln Himmelweiten. 
       
      An einer Orgel abendliche Wiese, 
      An weiter Plätze dunkelndes Verhallen, 
      Und an ein Brunnenplätschern, sanft und leise 
      Und süß, wie unverstandnes Kinderlallen. 
       
      Ich seh' mich träumend still die Hände falten 
      Und längst vergessene Gebete flüstern, 
      Und frühe Schwermut meinen Blick umdüstern. 
       
      Da schimmert aus verworrenen Gestalten 
      Ein Frauenbild, umflort von finstrer Trauer, 
      Und gießt in mich den Kelch verruchter Schauer. 
      (S. 132) 
      _____ 
       
       
       
      Das tiefe Lied 
       
      Aus tiefer Nacht ward ich befreit. 
      Meine Seele staunt in Unsterblichkeit, 
      Meine Seele lauscht über Raum und Zeit 
      Der Melodie der Ewigkeit! 
      Nicht Tag und Lust, nicht Nacht und Leid 
      Ist Melodie der Ewigkeit, 
      Und seit ich erlauscht die Ewigkeit, 
      Fühl nimmermehr ich Lust und Leid! 
      (S. 137) 
      _____ 
       
       
       
      Gedicht 
       
      Ein frommes Lied kam zu mir her: 
      Du einfach Herz, du heilig Blut, 
      O nimm von mir so böse Glut! 
      Da ward's erhört und klagt nicht mehr! 
       
      Mein Herz ist jeder Sünde schwer 
      Und zehrt sich auf in böser Glut, 
      Und ruft nicht an das heilige Blut, 
      Und ist so stumm und tränenleer. 
      (S. 139-140) 
      _____ 
       
       
       
      Nachtlied 
       
      Über nächtlich dunkle Fluten 
      Sing' ich meine traurigen Lieder, 
      Lieder, die wie Wunden bluten. 
      Doch kein Herz trägt sie mir wieder 
      Durch das Dunkel her. 
       
      Nur die nächtlich dunklen Fluten 
      Rauschen, schluchzen meine Lieder, 
      Lieder, die von Wunden bluten, 
      Tragen an mein Herz sie wieder 
      Durch das Dunkel her. 
      (S. 140) 
      _____ 
       
       
       
      Vor Sonnenaufgang 
       
      Im Dunkel rufen viele Vogelstimmen, 
      Die Bäume rauschen und die Quellen laut, 
      In Wolken tönt ein rosenfarbnes Glimmen 
      Wie frühe Liebesnot. Die Nacht verblaut - 
       
      Die Dämmrung glättet sanft, mit scheuen Händen 
      Der Liebe Lager, fiebernd aufgewühlt, 
      Und läßt den Rausch erschlaffter Küsse enden 
      In Träumen, lächelnd und halb wach gefühlt. 
      (S. 146) 
      _____ 
       
       
       
      Blutschuld 
       
      Es dräut die Nacht am Lager unsrer Küsse. 
      Es flüstert wo: Wer nimmt von euch die Schuld? 
      Noch bebend von verruchter Wollust Süße 
      Wir beten: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld! 
       
      Aus Blumenschalen steigen gierige Düfte, 
      Umschmeicheln unsere Stirnen bleich von Schuld. 
      Ermattend unterm Hauch der schwülen Lüfte 
      Wir träumen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld! 
       
      Doch lauter rauscht der Brunnen der Sirenen 
      Und dunkler ragt die Sphinx vor unsrer Schuld, 
      Daß unsre Herzen sündiger wieder tönen, 
      Wir schluchzen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld! 
      (S. 146) 
      _____ 
       
       
       
      Einer Vorübergehenden 
       
      Ich hab' einst im Vorübergehn 
      Ein schmerzensreiches Antlitz gesehn, 
      Das schien mir tief und heimlich verwandt, 
      So gottgesandt - 
      Und ging vorüber und entschwand. 
       
      Ich hab' einst im Vorübergehn 
      Ein schmerzenreiches Antlitz gesehn, 
      Das hat mich gebannt, 
      Als hätte ich eine wiedererkannt, 
      Die träumend ich einst Geliebte genannt 
      In einem Dasein, das längst entschwand. 
      (S. 148-149) 
      _____ 
       
       
       
      Leuchtende Stunde 
       
      Fern am Hügel Flötenklang. 
      Faune lauern an den Sümpfen, 
      Wo versteckt in Rohr und Tang 
      Träge ruhn die schlanken Nymphen. 
       
      In des Weihers Spiegelglas 
      Goldne Falter sich verzücken, 
      Leise regt im samtnen Gras 
      Sich ein Tier mit zweien Rücken. 
       
      Schluchzend haucht im Birkenhain 
      Orpheus zartes Liebeslallen, 
      Sanft und scherzend stimmen ein 
      In sein Lied die Nachtigallen. 
       
      Phöbus eine Flamme glüht 
      Noch an Aphroditens Munde, 
      Und von Ambraduft durchsprüht - 
      Rötet dunkel sich die Stunde. 
      (S. 155) 
      _____ 
       
       
       
      Das dunkle Tal 
       
      In Föhren zerflattert ein Krähenzug 
      Und grüne Abendnebel steigen 
      Und wie im Traum ein Klang von Geigen 
      Und Mägde laufen zum Tanz in Krug. 
       
      Man hört Betrunkener Lachen und Schrei, 
      Ein Schauer geht durch alte Eiben. 
      An leichenfahlen Fensterscheiben 
      Huschen die Schatten der Tänzer vorbei. 
       
      Es riecht nach Wein und Thymian 
      Und durch den Wald hallt einsam Rufen. 
      Das Bettelvolk lauscht auf den Stufen 
      Und hebt sinnlos zu beten an. 
       
      Ein Wild verblutet im Haselgesträuch, 
      Dumpf schwanken riesige Baumarkaden, 
      Von eisigen Wolken überladen. 
      Leibende ruhn umschlungen am Teich. 
      (S. 157-158) 
      _____ 
       
       
       
      Klagelied 
       
      Die Freundin, die mit grünen Blumen gaukelnd 
      Spielt in mondenen Gärten - 
      O! was glüht hinter Taxushecken! 
      Goldener Mund, der meines Lippen rührt, 
      Und sie erklingen wie die Sterne 
      Über dem Bache Kidron. 
      Aber die Sternnebel sinken über der Ebene, 
      Tänze wild und unsagbar. 
      O! meine Freundin deine Lippen 
      Granatapfellippen 
      Reifen an meinem kristallenen Muschelmund. 
      Schwer ruht auf uns 
      Das goldene Schweigen der Ebene. 
      Zum Himmel dampft das Blut 
      Der von Herodes 
      Gemordeten Kinder. 
      (S. 160) 
      _____ 
       
       
       
      Frühling der Seele 
       
      Blumen blau und weiß verstreut 
      Streben heiter auf im Grund. 
      Silbern webt die Abendstund', 
      Laue Öde, Einsamkeit. 
       
      Leben blüht nun voll Gefahr, 
      Süße Ruh um Kreuz und Grab. 
      Eine Glocke läutet ab. 
      Alles scheinet wunderbar. 
       
      Weide sanft im Äther schwebt, 
      Hier und dort ein flackernd Licht. 
      Frühling flüstert und verspricht 
      Und der feuchte Efeu bebt. 
       
      Saftig grünen Brot und Wein, 
      Orgel tönt voll Wunderkraft; 
      Und um Kreuz und Leidenschaft 
      Glänzt ein geisterhafter Schein. 
       
      O! Wie schön sind diese Tag'. 
      Kinder durch die Dämmerung gehn; 
      Blauer schon die Winde wehn. 
      Ferne spottet Drosselschlag. 
      (S. 161) 
      _____ 
       
       
       
      An Angela 
      
      1. Fassung 
      
       
      1 
      Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern 
      Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten. 
      An Fenstern fließen Pelagonienbeeten, 
      Narzissen auch und keuscher im Verkümmern 
      Als Alabaster, die im Garten schimmern. 
       
      In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen. 
       
      Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen, 
      Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen. 
      In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen, 
      Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen. 
       
      Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen. 
       
       
      2 
      Die Frühe, die sich rot in Zweigen runden, - 
      Angelens Lippen, die ihr Süßes zeigen, 
      Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen 
      In ruhevollem Anblick lange Stunden, 
      Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden. 
       
      Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele. 
       
      In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle 
      Und Hyazinthnes treibt aus wirren Kressen. 
      Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle, 
      Im Grabesschatten trauriger Zypressen. 
       
      Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen. 
       
       
      3 
      Der Juniweiden abendlich Geflüster; 
      Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen. 
      Wie regungslos im Grau die Vögel hängen! 
      Und hier Angelens Ruh im Zweiggedüster; 
      Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester. 
       
      Von dunkler Kühle ist sein Mund umflossen. 
       
      Im Tal ruhn weiche Nebel hingegossen. 
      Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten 
      Schwebt Goldenes von seinem Mund geflossen 
      Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten. 
       
      Die Nacht umfängt sein trunkenes Ermatten. 
      (S. 163-164) 
      _____ 
       
       
       
      An Angela 
      
      2. Fassung 
      
       
      1 
      Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern. 
      Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten, 
      An Fenstern, rötlichen Geranienbeeten, 
      Narzissen auch und keuscher im Verkümmern 
      Als Alabaster, die im Garten schimmern. 
       
      In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen. 
       
      Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen, 
      Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen. 
      In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen, 
      Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen. 
       
      Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen. 
       
       
      2 
      Den spitzes Gras umsäumt, am Kreuzweg hocken 
      Die Mäher müde und von Mohne trunken, 
      Der Himmel ist sehr schwer auf sie gesunken, 
      Die Milch und Öde langer Mittagsglocken. 
      Und manchmal flattern Krähen auf im Roggen. 
       
      Von Frucht und Greueln wächst die heiße Erde 
      In goldnem Glanz, o kindliche Geberde 
      Der Wollust und ihr hyazinthnes Schweigen, 
      So Brot und Wein, genährt am Fleisch der Erde, 
      Sebastian im Traum ihr Geistiges zeigen. 
       
      Angelens Geist ist weichen Wolken eigen. 
       
       
      3 
      Die Früchte, die sich rot in Zweigen runden, 
      Des Engels Lippen, die ihr Süßes zeigen, 
      Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen 
      In ruhevollem Anblick lange Stunden, 
      Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden. 
       
      Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele. 
       
      In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle 
      Von Fliegen über Fäulnis und Abszessen. 
      Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle, 
      Im Grabesschatten trauriger Zypressen. 
       
      Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen. 
       
       
      4 
      Des Weidenwäldchens silbernes Geflüster; 
      Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen. 
      Im Abend regungslose Vögel hängen! 
      Ein blaues Wasser schläft im Zweiggedüster. 
      Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester. 
       
      Schmerzvolles Sinnen in der dunklen Kühle. 
       
      Von Mohn und Weihrauch duften milde Pfühle 
      Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten 
      Angelens Freude und der Sterne Spiele 
      Die Nacht umfängt der Liebenden Ermatten. 
       
      Der Saum des Waldes und der Schwermut Schatten. 
      (S. 164-165) 
      _____ 
       
       
       
      An Mauern hin 
       
      Es geht ein alter Weg entlang 
      An wilden Gärten und einsamen Mauern. 
      Tausendjährige Eiben schauern 
      Im steigenden fallenden Windgesang. 
       
      Die Falter tanzen, als stürben sie bald, 
      Mein Blick trinkt weinend die Schatten und Lichter, 
      Ferne schweben Frauengesichter 
      Geisterhaft ins Blau gemalt. 
       
      Ein Lächeln zittert im Sonnenschein, 
      Indes ich langsam weiterschreite; 
      Unendliche Liebe gibt das Geleite. 
      Leise ergrünt das harte Gestein. 
      (S. 175) 
      _____ 
       
       
       
      O das Wohnen in der Stille des dämmernden Gartens, 
      Da die Augen der Schwester sich rund und dunkel 
      im Bruder aufgetan, 
      Der Purpur ihrer zerbrochenen Münder 
      In der Kühle des Abends hinschmolz. 
      Herzzerreißende Stunde. 
       
      September reifte die goldene Birne. Süße von Weihrauch 
      Und die Georgine brennt am alten Zaun 
      Sag! wo waren wir, da wir auf schwarzem Kahn 
      Im Abend vorüberzogen, 
       
      Darüberzog der Kranich. Die frierenden Arme 
      Hielten Schwarzes umschlungen, und innen rann Blut. 
      Und feuchtes Blau um unsre Schläfen. Arm' Kindlein. 
      Tief sinnt aus wissenden Augen ein dunkles Geschlecht. 
      (S. 177) 
      _____ 
       
       
       
      Schwesters Garten 
      
      1. Fassung 
      
       
      Es wird schon kühl, es wird schon spat, 
      Es ist schon Herbst geworden 
      In Schwesters Garten, still und stad; 
      Ihr Schritt ist weiß geworden. 
      Ein Amselruf verirrt und spat, 
      Es ist schon Herbst geworden 
      In Schwesters Garten still und stad; 
      Ein Engel ist geworden. 
      (S. 179) 
       
       
      Schwesters Garten 
      
      2. Fassung 
      
       
      In Schwesters Garten, still und stad 
      Ein Blau ein Rot von Blumen spat 
      Ihr Schritt ist weiß geworden. 
      Ein Amselruf verirrt und spat 
      In Schwesters Garten still und stad; 
      Ein Engel ist geworden. 
      (S. 179) 
      _____ 
       
       
       
      So leise läuten 
      Am Abend die blauen Schatten 
      An der weißen Mauer. 
      Stille neigt sich das herbstliche Jahr. 
       
      Stunde unendlicher Schwermut, 
      Als erlitt' ich den Tod um dich. 
      Es weht von Gestirnen 
      Ein schneeiger Wind durch dein Haar. 
       
      Dunkle Lieder 
      Singt dein purpurner Mund in mir, 
      Die schweigsame Hütte unserer Kindheit, 
      Vergessene Sagen; 
       
      Als wohnt' ich ein sanftes Wild 
      In der kristallnen Woge 
      Des kühlen Quells 
      Und es blühten die Veilchen rings. 
      (S. 181) 
      _____ 
       
       
       
      Der Tau des Frühlings der von dunklen Zweigen 
      Herniederfällt, es kommt die Nacht 
      Mit Sternenstrahlen, da des Lichtes du vergessen. 
       
      Unter dem Dornenbogen lagst <du> und es grub der Stachel 
      Sich tief in den kristallenen Leib 
      Daß feuriger sich die Seele der Nacht vermähle. 
       
      Es hat mit Sternen sich die Braut geziert, 
      Die reine Myrthe 
      Die sich über des Totes anbetendes Antlitz neigt. 
       
      Blühender Schauer voll 
      Umfängt dich endlich der blaue Mantel der Herrin. 
      O die entlaubten Buchen und der schwärzliche Schnee. 
      Leise der Nord weht. Hier den braunen Pfad 
      Ist vor Monden ein Dunkles gegangen 
       
      Allein <?> im Herbst. Immer fallen die Flocken 
      In das kahle Geäst 
      Ins dürre Rohr; grünes Kristall singt im Weiher 
       
      Leer die Hütte von Stroh; ein Kindliches 
      Sind die wehenden Birken im Nachwind. 
      O der Weg der leise ins Dunkel friert. 
      Und das Wohnen in rosigem Schnee. 
      (S. 181-182) 
      _____ 
       
       
       
      Träumerei 
      
      1. Fassung 
      
       
      Sanftes Leben wächst im Stillen 
      Schritt und Herz durchs Grüne eilt 
      Liebendes an Hecken weilt, 
      Die sich schwer mit Düften füllen. 
       
      Buche sinnt; die feuchten Glocken 
      Sind verstummt, der Bursche singt 
      Feuer Dunkeles umschlingt 
      O Geduld und stumm Frohlocken. 
       
      Frohen Mut gib noch zum Ende 
      Schön beseelte, stille Nacht, 
      Goldnen Wein, den dargebracht 
      Einer Schwester blaue Hände. 
      (S. 190) 
       
       
      Träumerei 
      
      2. Fassung 
      
       
      Sanftes Leben wächst rings im Stillen 
      Durchs Grüne eilt Schritt und Herz. 
      Liebendes weilt an Hecken, 
      Die sich mit Düften füllen. 
       
      Tiefsinnige Buche im Wirtshausgarten. Die 
      feuchten Glocken 
      Sind verstummt; ein Bursche singt 
      - Feuer das Dunkles sucht - 
      O blaue Stille, Geduld! 
       
      Frohen Mut auch gib 
      Grünende Nacht dem Einsamen, 
      Dem sein Stern erlosch, 
      Lachen in purpurnem Wein. 
      (S. 190-191) 
       
       
      Träumerei 
      
      3. Fassung 
      
       
      Verliebte gehn an den Hecken, 
      Die sich mit Düften füllen. 
      Am Abend kommen frohe Gäste 
      Von der dämmernden Straße. 
       
      Sinnige Kastanie im Wirtshausgarten. 
      Die feuchten Glocken sind verstummt. 
      Ein Bursche singt am Fluß 
      - Feuer, das Dunkeles such - 
       
      O blaue Stille! Geduld! 
      Wenn jegliches blüht. 
       
      Sanften Mut auch gib 
      Nacht dem Heimatlosen, 
      Unergründliches Dunkel 
      Goldne Stunde in Wein. 
      (S. 191) 
      _____ 
       
       
       
      Lebensalter 
       
      Geistiger leuchten die wilden 
      Rosen am Gartenzaun; 
      O stille Seele! 
       
      Im kühlen Weinlaub weidet 
      Die kristallne Sonne; 
      O heilige Reinheit! 
       
      Es reicht ein Greis mit edlen 
      Händen gereifte Früchte. 
      O Block der Liebe! 
      (S. 194) 
      _____ 
       
       
      
      Aus: Georg Trakl Dichtungen 
      und Briefe 
      Herausgegeben von Walther Killy und Hans Szklenar 
      2. Auflage 1971 Otto Müller Verlag Salzburg 
      (Diese Ausgabe bringt vollständig den Text 
      des erstes Bandes der historisch-kritischen Ausgabe 
      1969 und 1970) 
      
       
  
      
       
      Biographie: 
       
      
      https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Trakl 
      
       
       
   
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