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Carl Bernhard Trinius
(1778-1844)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Der Bergesalte
Schlug schon die Stunde zur Abendschicht,
Und noch sah er sein Mädchen nicht;
War vergebens vorbeigegangen
Noch ein Blickchen aufzufangen. -
Wie er nun an der Grube steht,
Spricht der Steiger das Nachtgebet.
Er aber denkt: was quälst mich noch,
Liebe Gestalt! du liebst mich doch!
Und wie er anfährt in Gottes Namen
Hört er tröstlich sagen: Amen.
Aennchen indeß sitzt still daheime
Traurig verloren in süße Träume.
Denn mit dem einzigen reichen Kind
Ist der Vater vor Hoffarth blind,
Sieht im Geiste den Herrn Gauedein
Steigers Aennchen, die reiche, frein.
Wie er ihr aber mit Gutem und Zanken
Nicht kann wenden die lieben Gedanken,
Sinnt er auf arge List und Thaten,
Dem armen Bergmann zu Schimpf und Schaden.
Der am unterirdischen Ort
Pocht und hämmert sein Tagwerk fort;
Denkt der Liebsten, und komm ich morgen
Soll sie am Fenster wohl lauschen und horchen -
Donnert auf einmal mit gräßlichem Knall
Durch die Geklüfte der Wiederhall
Und verwubbert - - - und gift'ger Schwaden
Qualmt und versetzt den keuchenden Athem,
Und gefangen in tiefer Höhle
Liegt verzweifelnd die arme Seele.
Siehe, da kommt's gleich einem Sterne
Näher, und noch aus des Ganges Ferne,
Und einher in der Felsenspalte
Schreitet ruhig der Bergesalte.
Lieber, spricht er, hier ist's beklommen,
Willst du in meine Wohnung kommen?
Und den Zitternden bei der Hand
Führt er, und öffnet die eherne Wand.
Gleich dem Dome ist das Gemach,
Gold'ne Säulen tragen das Dach;
Von Rubin und Saphir zusammen
Strahlt es, erleuchtet von Naphtaflammen.
Als nun, bangen Geistes, der Gast
Sich vom ersten Schrecken gefaßt,
Spricht der Alte mit heitern Blicken:
Danke den Göttern, die Gutes schicken!
Droben war dir Leides erfunden,
Aber das Glück, es wohnt hier unten.
Immer jung das Leben und stark
Hält der Erde kräftiges Mark,
Und aus den Felsen mit reiner Welle
Springt erquickend die frische Quelle.
Durch der Tiefe geheime Stege
Führ' ich dich unerforschte Wege,
Wo im Herzen der ewigen Nacht
Wohnt das Feuer, die heilige Macht.
Hoch auf wallt dem Jüngling das Herz -
Doch ihn foltert der Liebe Schmerz.
Ach! hier soll ich ohne sie weilen,
Nicht mit ihr mein Leben theilen?
Mag ich doch nur mit ihr allein
Glücklich sein!
Spricht der Alte: Was willst du von ihr?
Guter Jüngling, wer gäb' sie dir?
Dein aber ist ihr ew'ger Gedanke
Ihn hält keine Gewalt noch Schranke.
Dort nur wandelt die irdische Hülle;
Ihre Seele ist hier in der Stille.
Und umsäuselt an Lipp' und Wangen
Fühlt der Jüngling ein leis' Umfangen.
Bist du es? ruft er, und bist du mein?
Leise lispelt's: ich bin's, und Dein!
Freudig an seines Erretters Brust
Wirft sich der Jüngling mit Lebenslust.
Komm und zeige, wo lang in den Tiefen,
Die ich suchte, die Geister schliefen.
Oeffne den Schooß der ewigen Fülle,
Daß ich mein durstendes Herz mir stille.
Aber ermatt' ich in rastloser Müh'
Zeige mir sie!
Droben indeß im alten Gleise
Läuft die Welt nach bekannter Weise.
Vater hat Ehr' und noch mehr Leid,
Aennchen hat den Quardein gefreit.
Aber immer zur alten Stunde
Bringt ihr der Geist die tägliche Kunde;
Und wenn Keinem scheint dergleichen,
Ist sie dort in den stillen Reichen.
So in der köstlichen Einsamkeit
Schwindet dem Glücklichen fröhlich die Zeit.
Tritt zu ihm der Geist ein Mal,
Spricht: "hoch ist der Jahre Zahl.
Würdig hast du dein Werk bestanden;
Wisse! gelöst sind ihre Banden,
Und aus der Tiefe zur heitern Höhe
Ruft dich die Liebe, mein Sohn; so gehe!"
Steh'n geöffnet die alten Pforten,
Und zu der Jugend geliebten Orten
Steigt er weinend empor, und schaut
Wieder die harrende treue Braut.
Selig leben sie nun, in Frieden,
Die ein schwarzes Verhängniß geschieden;
Ob im Licht? ob in irdischen Tagen?
Kann mein sterblicher Mund nicht sagen.
(S. 83-87)
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Orpheus und Euridice
Verfolgt von der Pelasger Gotte
Nimmt, athemlos von flücht'gem Lauf
Euridicen, die fernste Grotte
In sich'rer Nacht Geheimniß auf.
Vergebens späht auf irren Pfaden
Ihr nach des Gottes Racheschwur,
Denn tausend freundliche Dryaden
Verweben ihrer Tritte Spur.
Da läßt er ungeheure Stürme
Aus Thraciens Geklüften los,
Und füllt mit giftigem Gewürme
Umher der Wälder feuchtes Moos.
Vergebens wich die Rettungslose
Der Wuth, die tausendfältig droht;
Und in der Felsen dunklem Schooße
Giebt eine Natter ihr den Tod.
Da tritt der finst're Gott zum Sänger
Und zeigt ihm den erstarrten Leib.
Mit keinen Schmerzen quält nun länger
Mein Herz dies undankbare Weib:
Mir bot sie Schmach für meine Leiden,
Dich hat Euridice geliebt;
Versuche nun die Macht der Saiten!
Ob sie der Orcus wiedergiebt?
Hinstarrend auf die gift'ge Wunde
Steht Orpheus, stumm, von Schmerz verzehrt,
Bis spät dem liedereichen Munde
Die Kraft der Töne wiederkehrt.
Nein! ohne Dich will ich nicht leben!
Ich folge Dir in's Schattenreich.
Und kann es Dich nicht wiedergeben,
Behalt' es mich mit Dir zugleich.
Und sie, die auf den dunklen Pfaden
Der Tiefe nimmer mich verließt;
Die ihr den Fuß der Symplegaden
Am starren Felsen wurzeln hießt;
Die ihr Acetes Riesendrachen
Mit Todesschlafes Zauber schlugt;
Seid an dem rückkehrlosen Nachen
Zum letzten Mal mir jetzt versucht!
So steigt er kühn in seinen Qualen
Hinunter in das ew'ge Grab,
Und auf der Leyer goldnen Strahlen
Rinnt süßer Zauberklang hinab.
Still rollt die wollustvollen Wogen
Der Styx, vom Ufer schwimmt der Kahn,
Und von entzückter Luft umflogen
Langt er am Thron der Göttin an.
Er greift in's Saitenspiel, und Klagen
Entlockt er ihm, und Liebesklang -
Doch wer vermöcht' es nachzusagen
Was dort der hohe Sänger sang?
Ein heit'rer niegenoss'ner Friede
Sinkt auf des Orcus finst'res Haus,
Und jede Qual bei seinem Liede
Ruht von der langen Marter aus.
Jetzt heilt des Rachegeiers Wunde;
Jetzt steigt der Danaiden Fluth;
Dir schwillt der Quell zum durst'gen Munde;
Dein Flügelrad, Ixion, ruht.
An schroffer Felsen Ueberhange
Hält Sisyphus den schweren Stein;
Und einer Thräne darf die Wange
Der Eumeniden sich erfreu'n.
Sie aber an des Thrones Schwellen
Liegt da, voll Schmerz- und Lust-Gefühls,
Und höher stets, und süßer quellen
Die Töne seines Saitenspiels.
Die Göttin denkt vergang'ner Tage,
Wo selbst sie fühlt' der Liebe Glück,
Und giebt gerührt von seiner Klage,
Die holde Gattin ihm zurück. -
""Empfange sie, wenn Kraft zum Schweigen,
Dich zu beherrschen Muth du hast.
Denn diesen freudelosen Reichen
Ist jeder Glückliche verhaßt.
D'rum wehre, selbst sie anzuschauen,
Dir, bis zum Strahl der Oberwelt, -
Daß nicht in ew'ger Nacht und Grauen
Des Hades Rache sie behält.""
Und zitternd nur folgt sie dem Gatten,
Noch schüchtern, seiner sich zu freu'n.
Und traurig blicken nach die Schatten,
Wie Eine darf so glücklich sein!
Er aber hemmt der Freude Töne,
Und eilt, bezwingend Blick und Mund,
Ihn selber gern, doch murrend jene,
Entläßt am Thor der Höllenhund.
Die Höh'n, wo still die Kindlein spielen,
Dem Mutterherzen früh geraubt;
Das Thal, wo ach! noch immer fühlen,
Die sichern Trost im Tod geglaubt;
Den Myrthenhain, wo unter Klagen
Verlass'ne Liebe einsam schleicht;
Er sieht sie nicht, das Herz voll Zagen,
Ob nicht die Gattin von ihm weicht.
Das Feld, wo waffenlos, verdrossen,
Gefall'ne Helden schweigend geh'n,
Wo ihn der schweren Fahrt Genossen
Mit Geistes Gruß und Kuß umweh'n;
Er strebt hindurch, den Lauf zu enden,
Den schrecklichen, das Auge fest,
Das tausendmal sich möchte wenden:
Ob ihn die Gattin nicht verläßt?
Jetzt in den neunmal dunklen Bogen
Des Styx, versinkt die grause Bahn,
Und auf des Strom's empörten Wogen
Schwankt fürchterlich der morsche Kahn.
Hier muß ein Sprung hinüber tragen!
Hier gilt's des Helden kühnsten Muth!
Ach! aber sie? wie soll sie's wagen
Allein, auf der erzürnten Fluth?
Er wagt's, er muß, und springt hinüber;
Hoch sprüht der dunklen Wasser Strahl;
Und bebt . . . und streckt den Arm herüber
Und schaut sie . . . ach! zum letzten Mal. -
Die Hölle sieht's mit höhn'schem Lachen.
Wie weit er Stimme schickt und Blick,
Fort wallt der rückkehrlose Nachen;
Sie sinkt in ew'ge Nacht zurück.
(S. 91-96)
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Ogygia
Irgend wo in blauen Meeresweiten
Schwimmt ein Inselchen in linder Luft.
Dort allein mit ihres Herzens Freuden
Wohnt Calypso in krystall'ner Kluft.
Weit umher auf ödem Meer verbreiten
Zauberblumen einen Balsamduft,
Und Gesanges wunderbare Weisen
Hören die vorüberreisen.
Einsam sitzt sie dort die stillen Stunden
Webend ihr ambrosisches Gewand,
Selig; denn sie hat ein Glück empfunden,
Das der Himmlischen noch keine fand.
Einen, den sie liebt, hat sie gefunden
Eine Seele, die für sie empfand!
Und wie viel den Göttern Höh'res bliebe,
Was ist seliger als Liebe?
Staunend sieht sie einst den Schwimmer landen,
Sieht den Kühnen, wie er vor ihr steht,
Der wie einer, dem nichts mehr vorhanden,
Um die Gaben heil'gen Gastrechts fleht.
Gern gewährt sie ihm, der holden Banden
Dankbar, unbewußt, entgegen geht;
Denn sie fühlt mit wunderbarem Triebe
Die Gewalt der ersten Liebe.
Einen Sterblichen? wo sind die Maaße,
Wie du einst sie im Olymp gekannt?
Wo Apollons Wuchs und Stirn und Nase,
Wo Hermeia's Fuß, und Libers Hand,
Ihm, der narbenvoll des Lebens Straße,
Wehvoll, duldend sich hinunter wand?
Wo die Allmacht, die um Götter wehet? -
Und der Nackte hier, der flehet?
Aber dieser Augen stolzes Brennen!
Dieses Willens unbezwung'ner Muth,
Würdiger als das bequeme Können,
Das im Schooß der trägen Götter ruht; -
Und der Kampf, sich selbst nicht zu bekennen,
Was sich matt in seiner Wangen Glut -
Holdes Spiel von Wollen und von Müssen
Lieblich ist es, dich zu küssen!
Denn sie schwelgen dort und blüh'n, und glühen
Dann nur, wann der Trieb sie überfällt,
Und, gesättigt die Begier, entfliehen
Sie der Göttin, die die Last behält.
Dieses Herz will ich mir selbst erziehen;
Sein Bedürfniß sei mir meine Welt.
Mögt ihr hoch ob Erd' und Himmel walten!
Laßt mich mein Geschöpf behalten.
Wie die Mutter sich ihr Kind bewahret,
Liebevoll, doch strenge von Gestalt,
Daß der Schwäche nicht der Sohn gewahret
Und entwächst der zärtlichen Gewalt;
Wachsam stets, daß ihn kein Leid befahret,
Bald mit Küssen und mit Ernste bald;
So Calypso wacht mit Zauberbanne
Ob dem holden wilden Manne.
Denn wie selig er die süßen Freuden
Trauter Nacht in ihren Armen theilt,
Muß sie stets zur Morgenröthe leiden,
Daß er fort zum Meeresstrande eilt.
Oft auch sieht sie Thränen ihm entgleiten,
Unruh'volle, die kein Küssen heilt;
Denn, von Macht gehalten und getrieben,
Möcht' er flieh'n, und ach! muß lieben.
Wie ein Löwe, den aus Lyd'schen Auen
Zahm ein Mann in ferne Länder bringt,
Sehnsuchtvoll den alten Wald zu schauen,
Unvergnügt die fremde Kost verschlingt;
Herrlich ist's zu sehn, und doch mit Grauen,
Wie er rastlos auf und nieder ringt;
So, gedenk der alten Tag' und Lande,
Schweift Ulyß am Meeresstrande.
Aber sie in stets erneu'ter Schöne
Steht vor ihm, wann er am trübsten ist,
Jetzt bezwingt sein Leid die Macht der Töne,
Jetzt, noch süßer, wird es weggeküßt.
Weise braucht sie, bis er sich gewöhne,
Nun der Anmuth Zauber, nun der List;
Aber stets der Kunst, mit holdem Geizen
Nimmer sättigend zu reizen.
Und, auf daß sie jedem Unheil wehre,
Sich zu nah'n der Liebe sel'gem Schooß,
Löset sie von seiner Banden Schwere
Tief im Meeresgrund das Eiland los.
Leise schwimmt's dahin im blauen Meere
Hin und wieder in der Lüftchen Stoß,
Und wie viel im Meer sich Schiffe zeigen,
Keiner wird es je erreichen. -
Trauter, spricht sie, wohl hab' ich errathen,
Welcher Wunsch Dein sterblich Herz berückt.
Wenn sie sich den ew'gen Göttern nah'ten,
Hat es stets die Irdischen gedrückt;
Und sie ringen, eitler Wahn! mit Thaten
Nach der Herrlichkeit, die Götter schmückt;
Doch umsonst! Dir aber will ich's geben:
Sieh! unsterblich sollst Du leben! -
Wisse, spricht er, unserm Loos, dem herben,
Seinen Lohn auch gönnte das Geschick.
Muß ein Mann gleich blutig kämpfend werben,
Ist die That doch seines Busens Glück.
Ohne Murren will ich, heiter sterben,
Aber gieb die Freiheit mir zurück!
Meine Waffen laß mich und die Auen
Meiner Heimath wieder schauen!
Denn ein heil'ges Band, das uns umwindet,
Ihr Unsterblichen, ihr kennt es nicht.
Was ein Mann auch Hold' und Liebes findet,
Ueber Alles doch geht ihm die Pflicht!
Wohl ist nur dem Treuen, den sie bindet. -
Also spricht er; ach! und wie er spricht,
Steht sie da in neuer Schönheit Fülle,
Und dahin ist Kraft und Wille.
Hier zu siegen, muß ein Gott sich zeigen!
Und dem Willigen erscheint er bald.
Sieh, er naht. Aus dunklen Lorbeerzweigen
Steigt herab die heilige Gewalt.
Jene sieht ihn, schauernd; ihresgleichen,
Aber wie viel höher an Gestalt! -
Würdig, doch mit innerlichem Bangen,
Wird der hohe Gast empfangen.
Niederruhend Der, auf gold'nem Throne,
Nektar kostend und Ambrosia,
Schaut, wie wonniglich die Nymphe wohne,
Staunenvoll, so lieblich ist es da.
Göttin, spricht er, Heil dem Erdensohne,
Der so Köstliches mit Augen sah;
Denn, wie viel er seh'n mag und erfahren,
Das wird stets sein Herz bewahren!
Doch nun so geschieht der Götter Wille,
Daß nicht länger dieser Mann hier weilt.
Nicht Genießen ward ihm, nicht die Stille,
Sondern Kampf und Dulden zugetheilt.
Darum, daß er sein Geschick erfülle,
Laß ihn jetzt, daß er von hinnen eilt,
Und nach mancher Noth, Gefahr und Wehe
Endlich seine Heimath sehe.
Schweigend hört, mit hingesenktem Haupte,
Alles sie, die endlich also spricht:
Wunderbar! als ich dem Meer ihn raubte,
Kannt' ich selbst der Wonnen höchste nicht!
Ach! und nun, da ich mich glücklich glaubte,
Ist er mein nicht, und gehört der Pflicht! -
Spricht's und eilt, und birgt in stiller Grotte
Ihre Thränen vor dem Gotte.
Doch nach einer kleinen stillen Weile
Tritt sie ruhig, herrlicher, heraus.
Selbst sie führt nun in geschäft'ger Eile
Den Erstaunten an's Gestad' hinaus;
Sucht ihm selbst mit scharf geschliff'nem Beile
Aller Stämm' umher die besten aus.
Und besorgt Geräth' und Trank und Speise
Emsig, freundlich, für die Reise.
Und wie alles nun zuletzt vollendet,
Schon das Segel bläht am hohen Mast
Vom gelinden Fahrwind, den sie sendet,
Treibt sie fort den heißgeliebten Gast;
Der wie träumend geht, und oft sich wendet,
Zaudernd, ungewiß, unwillig fast;
Aber fort rafft ihn des Windes Wehen;
Und der Gott taucht in die Höhen. -
Einsam jetzt in Meeres blauen Weiten
Lebt die Göttin, selig, unbekannt!
Jener Tage süßgenoss'ne Freuden
Schuf unsterblich ihre Götterhand.
Traun! es mußt ein Gott den Raum durchschreiten,
Zu erschau'n das wunderbare Land!
Denn wie viel im Meer sich Schiffe zeigen,
Keines wird es je erreichen.
(S. 97-104)
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Liebesandacht
Umgiebt's mich hier mit blühenden Gestalten?
Blickt dieser Augen Strahl? spricht dieses Wort?
So frag' ich schweigend hier; sie schweigend dort:
"Umgiebt's mich hier mit blühenden Gestalten?"
Was will mich hier ein fremder Zauber halten?
Ist, wo Du bist, nicht meine Seele dort?
So frag' ich schweigend hier; sie schweigend dort:
"Was will mich hier ein fremder Zauber halten?"
Mich schauen hier, sie dort die Menschen an:
Wo warst du Schwärmer? Wo du Schwärmerin?
Sind's Geister die dich fragen, oder wir?
Und wie des Sonnenstrahls, des Blitzes Bahn,
So fliegst du, Liebesandacht, her und hin;
Dort lächelnd ist sie wieder, und ich hier.
(S. 111)
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Die Liebe
Ein Sänger sprach zur Muse seiner Lieder:
Göttin! gieb mir zurück die Liebste mein.
Der Glückliche, er fand in jedem Stein
In jeder Blum', im Schmetterling sie wieder.
Im Wasserfall stieg sie zu ihm hernieder,
Im Morgenduft, in Sonn- und Mondenschein;
Zuletzt, o Wunder! fand die Liebste sein
Das treue Herz in jedem schlanken Mieder.
O Laura, sieh, so lieben, leben sie!
So seh' ich schaudernd alle Weg' um mich
Erneut das Bild des alten Sündenfalles. -
Fern bist Du mir, vielleicht seh' ich Dich nie,
Und habe doch und liebe nichts als Dich,
Und hab's in Dir, und lieb' in Dir doch Alles!
(S. 112)
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Die sieben Wochentage
1.
Was macht mein
Mädchen? sprich geschwind,
Wie sah sie aus das holde Kind?
Ach! einsam sitz' ich hier zu Haus,
Allein mit meinem Sehnen.
Sie schauet stumm zum Fenster 'naus,
Und weinet helle Thränen.
2.
O sag', wie sie mein
Briefchen nahm;
Was sagte sie, daß ich nicht kam?
Ach! hat sie doch den treuen Schwur,
Und weiß, daß ich ihn halte!
Sie sprach: ich weiß, er prüft mich nur,
Und kommt wohl balde, balde. -
3.
Wohl denk' ich heut
den ganzen Tag
Ob ich nicht geh'n soll, zweifelnd noch;
O! Marter! Prüfung, hartes Joch! -
Doch Seligkeit am Ende!
Sie sprach: er täuschte doch mich, doch!
Und rang die schönen Hände.
4.
Ihr holder Kummer! o!
so süß,
Er zaubert mir ein Paradies!
Doch wer auch treu am Glauben hält,
Soll nur um Liebe werben.
Sie aber schluchzte: falsche Welt!
Im Kloster will ich sterben.
5.
Wie? Himmel! sollt'
ich dennoch hin,
Daß ich nicht noch ihr Mörder bin?
Du sah'st doch, wie mein Auge weint,
Und wie ich "Lilli"! lalle?
Sie sprach: Geh' geh' mit deinem Freund,
Ein Heuchler ist's, wie Alle!
6.
O Nacht, in
Sehnsuchtsglut verwacht!
Ein Tag nur noch, dann ist's vollbracht.
O sprich, noch ist doch nichts gescheh'n?
Darf ja noch nicht von hinnen!
Sie hat mich seitwärts angeseh'n;
Sie scheint auf was zu sinnen.
7.
O Gott, o Gott, du
armes Kind;
Ich merk' es wohl, worauf sie sinnt. -
Doch wie, wenn nun, beim Abendstern,
Ich ihr zu Füßen falle?
Wer weiß. - Sie sprach: grüß deinen Herrn;
Und zog sich an zum Balle.
(S. 113-115)
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Die Rose
Die Blumen sprechen zu der Nachtigall:
Was störst du unsern Schlaf um deine Rose
Bei stiller Nacht mit deinem Liebesschall?
Und warum liebst du mehr denn uns, die Rose?
Sie spricht: der Himmel prangt, die Erd' in ihr;
Das Morgenroth wird zu Smaragd erhoben
In ihrem Kelch; sie sprechen: so auch wir
Sind, wie die Ros', aus Erd und Licht gewoben.
Spricht Nachtigall: es streitet mit dem Thau
Die Quelle sich, wer bei dem Kelch der Rose
Soll Schenke sein; sie sprechen: so genau
Tränkt uns der Thau, die Quelle, wie die Rose.
Spricht Nachtigall: Tags von der Sonne Licht
Erleuchtet, Nachts vom Strahl des Monds, der Sterne,
Prangt ihr Gemach; sie sprechen: minder nicht
Strahlt uns, wir ihr, das gold'ne Licht der Ferne.
Spricht Nachtigall: tief aus metall'nem Rost,
Mit Naphtaglut bereitet für die Rose
Der Gnom' unsichtbar ihre Blumenkost;
So nimmt, gleich den Unsterblichen, die Rose
Aus gold'nen Bechern ihr ambrosisch Mahl,
Daß sie, mit Recht, mein Lied vor allen preiset,
Die Göttliche! - sie sprechen: so zumal
Sind alle wir, wie sie, bedient, gespeiset.
Sie spricht: verkündet nicht der Waffen Zier,
Der scharfe Dorn, die hohe Fürstin Rose?
Die Schlehe spricht: gleich mächtige hat mir
Geburt verlieh'n, und stärk're, denn der Rose.
Spricht jene: doch wohl Throne nur verschönt
Der Sänger Preiß, und ihrer Hymnen Schallen;
Sie sprechen: Nachtigall! auch uns ertönt
Dein und der Sänger Lied; wie ihr, uns allen.
So ward euch Alles denn, auch mein Gesang,
Spricht Nachtigall, ihr Blumen, wie der Rose.
Wohl tönend fliegt vorüber euch der Klang,
Empfunden nur vom Busen meiner Rose.
Die Liebe nur versteht des Liedes Schall;
Ihr sammlet sich der Klang aus allen Räumen!
Da lächeln sie, und sprechen: Nachtigall,
Man hört es wohl, du träumst, wie Sänger träumen.
(S. 126-127)
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An die Geliebte
1797. Eisleben
Die letzten Veilchen, die ich fand,
Bring' ich, Geliebte, Dir,
O wären sie von meiner Hand
Lieb und willkommen Dir.
Was grünt und blüht und webt und lebt,
Was Odem trinkt um mich,
Das grünt und athmet, lebt und webt,
Geliebte, nur für Dich.
Ach nichts, was blüht und lebt und webt,
Begehrt mein Herz für sich,
Dieß Herz, von allem was da lebt,
Denkt, weiß, und liebt nur Dich!
(S. 148)
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Die Teichnixe
1805
Im Nachtthau, am sternigen Teich,
Da starrte mit ringendem Herzen
Anselmo, der Sohn der Schmerzen,
Hinab in das magische Reich.
Es ruhten in sammtener Nacht
In tiefhin prangender Ferne
Der Mond und die silbernen Sterne,
Versammlet in himmlischer Pracht.
Schön ruhte das liebliche Grab.
Es glitt der buhlende Sylphe
Vom leis' erschauernden Schilfe
Zur Najas, der trauten, hinab.
Es rann durch hangendes Moos
Von Wimpern der sehnenden Erle
Hinab die blinkende Perle,
Hinab in den heimlichen Schooß.
Und drüben mit wirthlicher Kluft
Umwölbten, beschattet von Sträuchen,
Die Felsen, in heiligem Schweigen
Die Ruhe der kühligen Gruft.
Still bückte, mit schwimmendem Haar
Dem seligen Ruhegefilde
Voll winkender Schwestergebilde
Die hangende Weide sich dar.
Es spielte in magischem Schein,
Auf leis' entringelnden Wogen,
Die Nixe in hüpfenden Bogen
Am hochbemoosten Gestein.
Und ihm, aus der Tiefe der Kluft
Ward lind, wie Echo von Klagen,
Dies Wort herüber getragen
Auf weichem Flügel der Luft:
"Hier unten im Arme der Ruh,
Umstrickt von der weißen Ranunkel,
Schließt friedlich ein purpurnes Dunkel
Hoch über dem Schläfer sich zu.
Ob schäumend die Welle sich bricht,
Es fährt auf zerrissenem Spiegel
Der Stürme sausender Flügel
Und wecket hier unten uns nicht."
Ihm klopfte die schwellende Brust.
Er horcht in die schweigende Tiefe
Hinunter, ob's abermal riefe,
Hinab mit unendlicher Lust.
Da faßt ihn ein wonniger Muth,
Schon zerrt ihn am tauchenden Kleide
Die Nix', und über sie beide
Verschloß sich die schäumende Fluth.
(S. 177-179)
_____
Amalie
1807. Hasenpoth
Wir saßen eine Marmor-Runde da;
Mich trieb's und hielt's mit unbekannten Qualen,
Ich wußte nicht, was meiner Brust geschah -
Da rührt's mich an mit himmelblauen Strahlen,
Und hocherröthend, freudig und betroffen,
So mußt' ich zittern, huldigen, und hoffen.
Und als verbleichend nach ihr hingewandt,
Im Blicke sterbend, lebend nur im Schweigen,
Viel schwere Monden mir das Jahr gesandt,
Da zeigte sich mir das geliebte Zeichen,
Da mußte sie, mit seelenvollen Blicken,
Den Druck der Hand mir zärtlich wiederdrücken.
Und als verschwelgt des Augenblickes Lust,
Der Sieg erobernd kühn sich weiter dehnte,
Und Wort und Schwur die ungestüme Brust
Von der Vestalin heil'ge Lippe sehnte,
Da wurde, sanft wie Nachtigallenklage,
Die süße Antwort meiner Liebesfrage.
Und als ich selig, aber glücklich nicht,
Mit meiner Bitten letzter, wähnt' ich, kniete,
Und zitternd vor dem Engel-Angesicht
Der Liebe schönsten Kelch zu trinken glühte,
Da schlug des Kusses bräutlich späte Stunde
Und liebetrunken hing sie mir am Munde.
O Stunde meines Lebens, warm und licht!
Ich kann mit Dir das weite Herz nicht füllen.
Wohl überschwenglich reich, doch glücklich nicht.
Wo ist ein Kelch, der Liebe Durst zu stillen?
Nur einen giebt's mit schrecklichem Verderben,
Weib! Dich besitzen - oder sterben.
(S. 184-185)
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Erinnerung
1807. Wangen in
Curland
Ich denke Dein im Lindengange,
Du fernes Weib der treuen Liebe,
Mir ist so weh, mir ist so bange,
Mich zieht's mit unnennbarem Triebe!
Dort sucht und irrt mein trüber Blick,
Dort ist der Himmel und die Ruh',
Hier ist der Kummer, dort das Glück,
Hier ist die Sehnsucht, dort bist Du.
Und blickt'st Du zärtlich, blickt'st Du gern
In meines Auges Sehnsucht her?
Es strahlte Ruh' der schöne Stern
In meiner Brust bewegtes Meer.
Und dürft' ich Deine Hand berühren,
Und sie mit langem Kusse küssen,
Und selig mich in Dir verlieren,
Und nichts von dieser Erde wissen!
Und sänke, wie von Gott bewegt
Dein Mund an meiner Lippen Glut,
Und hauchte, was Dein Herz Dir schlägt,
Dein süßer Mund: ich bin Dir gut! -
O leeres Träumen! eitles Wähnen!
Kein Gott will meiner sich erbarmen,
Ich muß Dich seh'n in meinen Thränen -
Und nun Dein Schattenbild umarmen.
Vielleicht da oben, wo die Pracht
Der Sonne strahlt, umarm' ich Dich,
Vielleicht da unten, wann die Nacht
Mein Grab umdämmert, suchst Du mich.
(S. 187-188)
_____
An die Rose
1807
Es nickt ein Röschen in Zephyrluft,
Seiner Schöne ganz unbewußt,
Jungfräulich erröthend verbirgt's den Duft
Tief in der nektarischen Brust!
Kaum dringt ein Bienlein mit zartem Mund
Hinunter in den balsamischen Grund.
Alcest zur Knospe hinab sich bückt,
Trinkt lang' im süßen Geschwelg!
"O Rose! wie hat mich dein Hauch erquickt,
Geathmet aus heimlichem Kelch!
O holder Busen! balsamische Brust!
Schleuß auf den Becher der blühenden Lust!"
Und, ach! das hört's mit stolzem Gemüth
Und glüht zum Jüngling hinan;
Es dehnt sich der Schleier und üppig entblüht
Des Duftes vestalische Bahn,
Und schwellender unter dem Busenflor,
Erglüht's und drängt sich purpurn hervor.
Weit wallt der Duftenden blühend Rad,
Und rings das Geflügel vom Beet
Beschwärmt den lockenden Wonnepfad,
Doch seufzet der Jüngling und geht:
Weh Dir, dort wallet der Mittag her,
Dann schließt keine Rose den Busen mehr.
(S. 192-193)
_____
Aus: Gedichte von Dr.
Carl Bernhard Trinius
Mit der Biographie des Verfassers
nach seinem Tode herausgegeben von
zweien seiner Freunde
Berlin 1848 Verlag von G. Reimer
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Bernhard_Trinius
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