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Johann Peter Uz
(1720-1796)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
An Amor
Amor, Vater süsser Lieder,
Du mein Phöbus, kehre wieder!
Kehre wieder in mein Herze!
Komm, doch mit dem schlauen Scherze.
Komm und laß zugleich Lyäen,
Dir zur Seite lachend gehen.
Komm mit einem holden Kinde,
Das mein träges Herz entzünde,
Und durch feuervolle Küsse
Zum Horaz mich küssen müsse.
Willst du, Gott der Zärtlichkeiten!
Laß auch Schmerzen dich begleiten:
Ich will lieber deine Schmerzen,
Als nicht küssen und nicht scherzen.
(S. 37-38)
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Die Liebe
Da auf rauschendem Gefieder
Zephyr uns den Frühling bringt:
So erwacht die Freude wieder;
Alles lacht und scherzt und singt.
Tanzt, o tanzet, junge Schönen!
Meiner sanften Leyer nach,
Welche nie mit leichtern Tönen
Unter meinen Händen sprach.
Alles fühlet nun die Triebe,
Die kein Herze stets verschwur:
Alles ladet euch zur Liebe,
Jugend, Frühling und Natur.
Wie bekannt wird euerm Ohre
Nun die Stimme schlauer Lust!
Und wie sträubt im regen Flohre
Sich die halbumflohrte Brust!
Sollt ihr eine Wollust meiden,
Die den Weisen selbst bethört,
Und mit Bildern trunkner Freuden
Auch der Frommen Andacht stört?
Dürft ihr die Natur verdammen?
Ihr aufrührisch widerstehn?
Uns mit Liebe zu entflammen,
Schönen! wurdet ihr so schön.
Liebet, weil ihr lieben sollet!
Fliehet Platons Unterricht!
Wenn ihr niemals küssen wollet,
O so liebet lieber nicht.
Weg mit Liebe, die nur denket,
Und, voll Schul-Gelehrsamkeit,
Stets im kalten Ernst versenket,
Auch Begierden sich verbeut!
Als in jenen dunkeln Jahren
Amor ganz platonisch hieß,
Und ihm von bestäubten Haaren
Keine Rose düftend blies:
Flog er fern vom stillen Scherze,
Bis zum Sirius hinauf,
Und besorgte seine Kerze
Schlechter, als der Sterne Lauf.
Ihn vom Himmel abzubringen,
Da ihn Erd und Menschheit rief;
Kürztet ihr die stolzen Schwingen,
Holde Nymphen! da er schlief.
Da der Himmel ihm entgangen,
Flattert nun der Gott der Lust
Um die rosenvollen Wangen
Und um jede Liljen-Brust.
Aber wie an Frühlings-Morgen
Einer jungen Rose Pracht,
Würdig Zephyrs liebster Sorgen,
Würdig aller Wünsche, lacht;
Die bis Titans niedrer Wagen
Sich im Abend-Meer verliert,
Welket und in künftgen Tagen
Keine Blicke mehr verführt:
So verblühn mit kurzem Prangen
Auch die Bluhmen unsrer Lust,
Diese Rosen frischer Wangen,
Diese Liljen einer Brust.
Amor, fliehend, folgt der Jugend;
Und es fesselt nur Verstand,
In dem Schoose sanfter Tugend,
Ihn durch ein beglücktes Band.
(S. 109-111)
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Laura
Dich, Laura, seh ich? Dich, Petrarchs Geliebte?
Dieß ist das himmlische Gesicht,
Auch dem ein Himmel, den sie oft betrübte,
Durch Grausamkeiten strenger Pflicht?
Du blaues Auge, schmachtend vom Verlangen,
Das Laurens Mund verschweigen muß!
O welche Rosen blühen auf den Wangen!
Die vollen Lippen! welch ein Kuß!
O säht ihr Lauren unter Bluhmen wallen,
Ihr Gang wär einer Göttin Gang!
Und ihre Stimme müßte süsser schallen,
Als einer Nachtigall Gesang!
Mein Herz kennt Lauren und klopft ihr entgegen!
Nun fühl ich, daß es möglich sey,
Voll süsser Schwermuth einer Laura wegen,
Nur ihr zu leben, ewig treu;
Fern von der Schönen, wachend sie zu träumen,
Abwesend auch ihr nachzugehn,
An allen Bächen, unter allen Bäumen
Nur sie zu hören, sie zu sehn.
Ach! alle Schönheit dieser schlanken Glieder
Verschloß ein unbarmherzig Grab!
Doch Laura lebet durch des Dichters Lieder,
Den ihr der Gott der Liebe gab.
In seinen Liedern rieselt noch die Quelle,
Mit klarer, kühler, sanfter Fluth,
Lacht noch mit Bluhmen jene werthe Stelle,
Wo sie an grünen Baum geruht.
Der Ort ist heilig! Junge Weste schweigen,
Und kühlen sie mit stiller Lust:
Die weißen Blüthen taumeln von den Zweigen
Verliebt herab auf Laurens Brust.
In süsser Irre sanft herumgetragen,
Verziehn und sinken sie gemach:
Hier herrscht die Liebe! scheinen sie zu sagen;
Hier herrscht die Liebe! seufz ich nach.
(S. 172-173)
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Der Winter
Die Erde drückt ein tiefer Schnee:
Es glänzt ein blendend Weiß um ihre nackten Glieder:
Es glänzen Wald, Gefild und See.
Kein muntrer Vogel singt:
Die trübe Schwermuth schwingt
Ihr trauriges Gefieder.
Der Weise bleibt sich immer gleich:
Er ist in seiner Lust kein Sklave schöner Tage,
Und stets an innrer Wollust reich.
Was Zephyrs Unbestand,
Was ihm die Zeit entwandt,
Verliert er ohne Klage.
Wer euch, ihr süssen Musen! liebt,
Der scherzt an eurer Hand in blumenvollen Feldern,
Wann Boreas die Lüfte trübt.
Der Frühling mag verblühn!
Ihm lacht ein ewig Grün
In euern Lorbeer-Wäldern.
Und wie? Lyäus flieht ja nicht,
Um dessen Epheü-Stab die leichten Scherze schweben!
Noch glüht sein purpurnes Gesicht:
Noch will er guten Muth
Und ächte Dichterglut,
Trotz rauhen Froste, geben.
Dem Weingott ist es nie zu kalt,
Und auch der Liebe nicht, lockt Venus gleich nicht immer
In einen grünbelaubten Wald.
In Büschen rauscht kein Kuß:
Doch Amors zarter Fuß
Entweicht in warme Zimmer.
Ihm dient ein weiches Canapee
So gut und besser noch, als im geheimen Hayne
Beblühmtes Gras und sanfter Klee.
O welche Welt von Lust
An einer Phyllis Brust
Und, Freund, bey altem Weine!
Stoß an! es leb' ein holdes Kind,
Von Grazien gepflegt, erzogen unter Musen
Und schätztbarer, als Phrynen sind,
Durch Unschuld, klugen Scherz
Und durch ein gutes Herz
In einem schönen Busen!
(S. 105-107)
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Die
Eigenschaften einer Geliebten
Nach Marots
Vorschrift
Die ich mir zum Mädchen wähle,
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge seyn.
Holde Sanftmuth, Witz im Scherze,
Rührt mein Herze,
Nicht ein glatt Gesicht allein.
Allzujung taugt nur zum Spielen.
Fleischigt sey sie anzufühlen,
Und gewölbt die weisse Brust.
Die Brunette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.
Setzt noch unter diese Dinge,
Daß sie artig tanz' und singe:
Was ist solchem Mädchen gleich?
Sagt, ihr Mädchenkenner! saget;
Wers erjaget,
Hat der nicht ein Königreich?
(S. 62-63)
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Die Sommerlaube
Die Laube prangt mit jungem Grün:
Es tönen ihre dunkeln Buchen
Von Vögeln, die voll Wollust glühn,
Von Frühlingstrieben glühn und Scherz und Schatten suchen.
Soll, was der Wahn Geschäfte nennt,
Uns um so schöne Zeit betrügen?
Freund! wer des Lebens Kürze kennt,
Der legt es klüger an und braucht es zum Vergnügen.
Geneuß den feuervollen Wein:
Beym Weine herrscht vertraulich Scherzen.
Oft labet Amor sich mit ein,
Und sein verborgner Pfeil schleicht in die offnen Herzen.
Der schlaue Gott ist niemals weit;
Ich wittre seine sanften Triebe:
Denn grüner Lauben Dunkelheit
Ist für den Weingott schön, noch schöner für die Liebe.
Geliebte Schatten! weicher Klee!
Ach! wäre Galathee zugegen!
Ach! sollt ich, holde Galathee,
Um deinen weissen Hals die Arme brünstig legen!
Wo süsser Lippen Rosen blühn,
Wer kann sie sehn und nicht verlangen?
Die jugendlichen Küsse fliehn
Bey welkem Reiz vorbey und suchen frische Wangen.
Ein leblos Auge rührt mich nicht;
Kein blödes Kind wird mich gewinnen,
Das reizt, solang der Mund nicht spricht,
Und eine Venus ist, doch ohne Charitinnen.
(S. 98-99)
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An Chloen
Ich merke, wann sich Chloe zeiget,
Daß nun mein Auge nicht mehr schweiget;
Daß Suada nach den Lippen flieget
Und glühend roth im Antlitz sieget;
Daß alles sich an mir verjüngt,
Wie Blumen, die der Thau durchdringt.
Ich seh auf sie mit bangem Sehnen,
Und kann den Blick nicht weggewöhnen:
Die Anmuth, die im Auge wachet
Und um die jungen Wangen lachet,
Zieht meinen weggewichnen Blick
Mit güldnen Banden stets zurück.
Da strömt mein Blut mit schnellen Güssen;
Ich brenn', ich zittre, sie zu küssen;
Die Glut verstirbt in meinen Blicken
Und Ungedult will mich ersticken,
Indem ich immer Sehnsucht voll
Sie sehn und nicht umarmen soll.
(S. 21)
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Amor
Mädgen lernet Amorn kennen!
Läßt er sich nur Freundschaft nennen:
Seht ihm ins Gesicht.
Seht ihr feuervolle Blicke,
Voll Zerstreuung, voller Tücke,
Das ist Amor, zweifelt nicht.
Seht ihr einen Proteus lauern,
Der bald lacht, bald nur von Trauern,
Halb verzweifelt spricht;
Heute lauft und morgen schleichet,
Und sich keine Stunde gleichet,
Das ist Amor, zweifelt nicht.
Artig weis er liebzukosen:
Seine Lippen düften Rosen,
Wenn er mit euch spricht.
Seht ihr ihn urplötzlich wüthen,
Anfangs bitten, dann gebiethen,
Das ist Amor, zweifelt nicht.
Kommt er ohne Pfeil und Bogen,
Wie die Unschuld selbst geflogen:
Seht ihm ins Gesicht.
Seht ihr ihn, bey Scherz und Spielen,
Nach dem Busen lüstern schielen,
Das ist Amor, traut ihm nicht.
(S. 150-151)
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An ***
Mit finstrer Stirne stehn wir da,
Und ordnen das Geschick der Staaten,
Und wissen, was bey Sorr geschah,
Und wissen Oesterreich zu rathen.
Indeß wird nicht daran gedacht,
Daß itzo Zeit zu küssen wäre.
Denn steigt nicht schon die braune Nacht,
Die Freundin Amors, aus dem Meere?
Erkennet euren Eigensinn
Und daß die Zeit geflügelt scheide.
Ihr schwatzt, sie fliegt, sie ist dahin,
Mit aller angebotnen Freude.
Ich will zu jenen Büschen gehn,
Die sanft von Zephyrs Ankunft beben.
Da hoff ich, Lesbien zu sehn,
Wann sichre Schatten uns umgeben.
Bereits ertönt in stiller Luft
Der Nachtigall verliebte Klage.
Sie hüpft von Zweig auf Zweig und ruft
Mit süssern Liedern, als am Tage.
Was wunder, wenn sie brünstig girrt,
Seit Amor mit gespanntem Bogen,
Bey dem ein voller Köcher schwirrt,
Dem jungen Frühling nachgeflogen.
(S. 58-59)
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An Chloen
O Chloe! Höre du!
Der neuen Laute zu,
Die jüngst, bey stiller Nacht,
Mir Cypripor gebracht.
Nimm diese, war sein Wort,
Statt jener Stolzen dort.
Die buhlt so lange schon
Um Pindars hohen Ton:
Doch da sie Siegern fröhnt,
Wird sie und du verhöhnt.
Thu, wie der Tejer Greis,
Der keines Helden Preis
In seine Leyer sang,
Die nur von Liebe klang.
Er sang voll Weins und Lust
Und an der Mädchen Brust.
Da sang er erst ein Lied,
Das noch die Herzen zieht:
Das machten ihm alsdenn
Ich und die Grazien.
Auf! trit in seine Spur;
Da trit man Rosen nur:
Und singe nur berauscht
Und wo man Küsse tauscht.
Lyäen kennst du schon,
Doch nicht Cytherens Sohn.
Den mache dir anitzt
Ein Blick, der feurig blitzt;
Und meine schnelle Hand
Durch diesen Pfeil bekannt.
Kaum sprach der Bube so,
So schoß er und entfloh;
So fühlte schon mein Herz
Noch ungefühlten Schmerz;
So sah ich, voll Begier,
O Chloe! nur nach dir.
Nun siege, wer da will!
Mein neues Saitenspiel
Soll nur dem frohen Wein
Und Chloen heilig seyn.
(S. 19-20)
_____
Ein
Traum
O Traum, der mich entzücket!
Was hab ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Thale nieder,
Wo einen Teich, der silbern floß,
Ein schattigtes Gebüsch umschloß.
Da sah ich durch die Sträuche
Mein Mädchen bey dem Teiche.
Das hatte sich, zum Baden,
Der Kleider meist entladen,
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftgen widerstand.
Der freye Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb sehnend stehen
Bey diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies
Und sich die Wollust greifen ließ.
Sie fieng nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden;
Doch, ach! indems geschiehet,
Erwach ich und sie fliehet.
O schlief ich doch von neuem ein!
Nun wird sie wohl im Wasser seyn.
(S. 24-26)
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Frühlingslust
Seht den holden Frühling blühn!
Soll er ungenossen fliehn?
Fühlt ihr keine Frühlingstriebe?
Freunde! weg mit Ernst und Leid!
In der frohen Blumenzeit
Herrsche Bacchus und die Liebe.
Die ihr heute scherzen könnt,
Braucht, was euch der Himmel gönnt,
Und wohl morgen schon entziehet.
Denn wer ists, der wissen mag,
Ob für ihn ein Frühlingstag
Aus Aurorens Armen fliehet?
Hier sind Rosen! Hier ist Wein!
Soll ich ohne Freude seyn,
Wo der alte Bacchus lachet?
Herrsche, Gott der Fröhlichkeit!
Herrsche, denn es kommt die Zeit,
Die uns trübe Stirnen machet.
Aber, Phyllis läßt sich sehn!
Seh ich Amorn mit ihr gehn?
Ihm wird alles weichen müssen.
Weiche, Wein! Wo Phyllis ist,
Trinkt man seltner, als man küßt:
Bacchus, weg! ich will nun küssen.
(S. 30-31)
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Alle Gedichte aus: Johann Peter Uz, Sämtliche Poetische Werke, Hrsg. von
August Sauer, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1964
(Unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1890;
Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts Nr. 33-38)
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Peter_Uz
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