Die Liebe
Mag das Leben untergehen,
Liebe muß noch fortbestehen,
Wenn der Zeitenflor zerreißt,
Denn der stärkste meiner Triebe
Kann nicht lügen, nur die Liebe
Hauchet Odem meinem Geist.
Nur die Liebe sprüht den Funken,
Der mich anflammt, wonnetrunken
Schaut der kühne Seherblick,
Meine Lippe freudig bebet,
Und das Wort der Weihe schwebet
Voll Triumph ins Thal zurück:
"Laßt die Wandlung mich umkreisen,
Und den Tod Verwesung heißen,
Und erlöschen jedes Licht;
Doch dem Seherauge taget
Selbst das Dunkel, Liebe saget:
Sey getrost, ich sterbe nicht!
Dieser Tropfen muß zerrinnen,
Unsre Heimfahrt muß beginnen,
Reif und golden ist die Saat!
An des dunkeln Stroms Gestade
Zittre nicht vor Nacht und Made,
Nur des Staubes Sichtung naht.
Fest die Augen zugedrücket,
Nur dem blinden Seher glücket
Süßes Schaun ins Wunderland!
Magst im Todeskampfe liegen,
Liebe wird den Tod besiegen,
Wird bestehn, wenn alles schwand!
Und die Insel mußt du schauen,
Darfst es kühn der Liebe trauen,
Nur die Hülle löst der Tod;
Hat die Grabesnacht gebrütet,
Und Verwesung ausgewüthet,
Färbt die trübe Fluth sich roth;
Rosenlicht zur Heimfahrt leuchtet,
Und der Wonne Zähre feuchtet
Dein verklärtes Angesicht,
Starke Liebe sitzt im Schiffe
Fährt durch Sund und Felsenriffe
Steuerlos und scheitert nicht!"
Aus: Lieder aus Tirol von Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 30-31)
_____
Das Wiedersehen
Heil dir, süßes Wiedersehn,
Wo auf lichten Sternenauen
Gottes Wonne niederthauen
Und um grüne Palmenhöhn
Zarte Minnelieder wehn!
Milde wie die Maienlust,
Wenn die Blüthenflocken regnen
Und den Hauch des Lenzes segnen,
Schwimmt dein Auferstehungsduft
Um den Kranz der Todtengruft!
Duftet süß wie Freundeskuß,
Der durch Leib und Seele dringet,
Schwanenhell im Tode singet,
Und als leiser Engelgruß
Uns vom Staube sichten muß!
Kühnbeschwingt wie Lerchensang
Der aus dunkeln Thalen steiget,
Sich vor Sonn' und Sternen neiget
Lockt dein heil'ger Zauberklang
Um des Dulders heißen Drang!
Säuselt kühl ums kranke Herz,
Daß in allen Nervgeweben
Junge Himmelsschauer beben,
Und die Seele sonnenwärts
Sich erschwingt aus ird'schem Schmerz!
Jubelnd bricht die Freiheit an,
Neue Morgensterne blinken,
Alle Staubgebilde sinken,
Schwindelnd wie der Mondeskahn
Flieget Psyche ihre Bahn,
Fällt bekränzt und siegeswarm,
Vom Gedüfte weich umflossen,
Wo die Hoffnungskränze sprossen,
Frei von Sorg', erlöst von Harm
In der treuen Liebe Arm!
Heil dir, süßes Wiedersehn,
Wo auf lichten Sternenauen
Gottes Wonnen niederthauen
Und um grüne Palmenhöhn
Zarte Minnelieder wehn!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 36-37)
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Gott allein
Die Stimm' in meinem Munde
Ertönt aus Herzensgrunde:
"O diene Gott allein!
Nur Gott kann dich erquicken
Mit Engellust entzücken,
Und ewiglich erfreun!"
Der Hauch aus meiner Kehle,
Er flüstert süß: "O wähle
Zum Bräut'gam Gott allein!
In Gott wohnt alle Süße,
Daß sie voll Trost sich gieße
Ins Menschenherz hinein!"
Das Blut in meinem Herzen,
Es ruft mit Liebesschmerzen:
"O liebe Gott allein!
Für eitle Erdenfreuden
Erkiese Christi Leiden,
Sie bleiben ewig dein!"
Die Seel' in meinem Leibe,
Sie singt hell auf: "O bleibe
Für Gott besorgt allein!
In Christi Todeswunden
Hat jeder Heil gefunden
Für alle ird'sche Pein!"
Der Geist in meiner Seele,
Er lockt so süß: "O quäle
Dich ab für Gott allein!
Erlischt die Erdensonne,
Ist Gottes reichste Wonne
Zum Lohn auf ewig dein!"
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 48-49)
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Die Liebesnacht
Gegrüßt vom lichten Sternenschein,
Schlaf ich mit Jesus friedlich ein!
Er legt sich an mein wundes Herz,
Verscheucht des Lebens bittern Schmerz,
Und läßt die heißen Tagesmühn
Um meinen Schlaf wie Blumen blühn,
Daß rosenhell mein Schlummerbild
In seinen Wonnen grünt und quillt.
Er haucht mir seine Kreuzeslust
Vergeistigend in meine Brust,
Daß ich verklärt im Dornenkranz,
In seiner Wunden Siegesglanz,
Ein Liebesstern der dunkeln Nacht,
In rührendstiller Leidenspracht,
An seinem Herzenshimmel steh,
Und liebend auf- und untergeh!
Er dringt mit heißer Gnadenfluth
Durch meinen Leib in Seel' und Blut,
Daß jede Ader stürmend bebt,
Und jeder Nerve zuckt und strebt,
Und all mein Glutempfinden weint,
Zu lieben meinen Herzensfreund,
Der mich in Liebesseligkeit
Zu seiner liebsten Braut geweiht!
Er lispelt leis in mich hinein,
Wie süß es einst im Tod wird seyn,
Zu liegen in der kühlen Gruft
An seines Athems reinem Duft,
An seines Mundes Schwanenlied,
Von Himmelsträumen heiß durchglüht,
Den Blüthenkeim durchs tiefste Herz
Mit lichten Sprossen himmelswärts!
Da wein' ich süß im heil'gen Traum
Nach deiner Frucht, o Lebensbaum!
Nach jener ew'gen Frühlingsnacht,
Wo Jesus meinem Schlummer wacht,
Wo Jesus mein Geliebter ist,
Und mir den Kuß des Friedens küßt,
Wo Jesus mich ins eigne Seyn
Zur Himmelsblüthe pflanzt hinein!
Er wischt mir selbst die Thränen ab,
Und spricht voll Huld: "Dein süßes Grab
Bin ich mit meiner Lieb' allein,
Drin schließ dich ewigliebend ein!
Dann stirbt die ird'sche Thränennoth,
Dann stirbt im Tode selbst der Tod,
Du bist dem eiteln Schein entrückt,
Und ewig süß in Gott entzückt!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 50-51)
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Kreuzeslust
An Fanny
Sey gegrüßt, o Liebeswonne!
An des Kreuzes Mittagssonne,
Holder Schwan auf dürrem Ast!
Süßes Herz des Heißgeliebten,
Labsal aller Herzbetrübten,
Meiner Seele heil'ge Rast!
Sieh! du hast mit tausend Zungen
Alle Geister wach gesungen,
Dich zu lieben, Gotteslamm!
Leiden will ich, sterben muthig
Dir, o Heiland! der mich blutig
Hat erlöst am Kreuzesstamm!
Stürmend zieht's durch alle Glieder,
Leib und Seele hallt es wieder:
"Sey willkommen Kreuzespein!
Süße Kost in Christi Herzen,
Mir gekocht aus bittern Schmerzen!
Seele! dringe jubelnd ein!"
Tief hinein in Christi Seite!
Heißerglühnd zum heil'gen Streite,
Siege durch die Himmelskost,
Und die Siegespalme pflanze
Auf des Kreuzes hohe Schanze,
Den Verzagten Muth und Trost!
Tief hinein in Christi Wunden,
Um vom Tode zu gesunden,
Aus des Lebens trübster Nacht!
Daß die Seel' in Gott versunken,
Vom Erlöser wonnetrunken,
Himmlischer dem Licht erwacht!
Tief hinein in Christi Liebe,
Mit dem Gluthdrang aller Triebe,
Aus der bängsten Erdennoth!
Feuriger als tausend Sonnen
Flammt dir dort der Gotteswonnen
Seligste, der Liebestod!
Lodernd schlägt's mit Läutrungsflammen,
Dich vergeistigend, zusammen,
Schmelzt die ird'schen Stoffe aus,
Daß entsündigt deine Seele
Sich dem Liebesgott vermähle
In dem bräutlich engen Haus,
Daß in süßen Liebesringen
Engellieder dich umklingen,
Himmelskränze dich umblühn,
Daß du warm im Brautgenusse,
Angehaucht vom Liebeskusse,
Schmilzest, um in Gott zu glühn!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 54-56)
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Nachtfeier
Mit dem Duft der Veilchenblüthe
Steig' ich auf zu deiner Güte,
Heiland! nimm mich huldvoll auf!
Labe mich, den Lebensmüden,
Mit des Himmels bestem Frieden
Nach vollbrachtem Tageslauf!
Sieh! der Sünde gift'ges Wüthen
Sengte meine Friedensblüthen
Mit des Lasters starrem Frost:
Kraft und Muth ist mir gebrochen,
Meines Lebens Säfte kochen
Nichts als bittre Thränenkost.
Ach! ich weine krank ins Kissen,
Meine Unschuld muß ich missen,
Tief im Kerne nagt der Wurm,
Brausend schlägt um Schmerz und Wunden,
Heiß in Mark und Bein empfunden,
Qualenvoller Seelensturm!
Selbst aus Gräbern tönt es bange
Wie Geseufz' im Leichensange
Geisterlaut aus dunkler Gruft:
"Weh! die Lieben früh gestorben!
Weh! die Lieb' im Keim verdorben!
Allverkümmert Licht und Luft!"
O mein Jesus! Liebling! strecke
Deines Schlummers weiche Decke
Auf mein abgequältes Herz!
Schlinge dich voll Gotterbarmen
Glühend um die Noth des Armen,
Löschend meinen Flammenschmerz!
Laß mir Leib und Seel' gesunden,
Und aus bittern Todeswunden
Helle Liebesrosen blühn,
Daß der Leib von mürber Erde
Dir zum Lobe tönend werde,
Eine Harfe, hoffnungsgrün;
Daß in tiefster Seelenzelle
Rieselnd hallt des Liedes Welle,
Ein verlorner Himmelston:
"Auf! ihr Schmerzen! seufzt und singet,
Und, ihr Thränen! strömt und klinget
Lautes Lob dem Gottessohn!"
Athme mir um Mund und Wangen,
Mein Geliebter! mein Verlangen!
Deinen bräutlich süßen Kuß,
Daß er mit der Kraft der Liebe
Einschlägt in die Erdentriebe
In des Bluts unheil'gen Flur;
Daß aus warmen Herzensringen
Junge Feuergeister springen
Rasch ins Leben, kühn zur That;
Daß, vom Segenswind gekräuselt,
Tugendlustig wogt und säuselt
Hoch und herrlich meine Saat!
Reiche mir im schönsten Traume
Heldenkost vom Lebensbaume,
Deines Leichnams Fleisch und Blut,
Daß ich von der Gottesspeise,
Schlummernd still und zehrend leise,
Neu ersteh in Kraft und Muth!
Daß vertilgt die Feind' erliegen,
Und die Kreuzeskräfte siegen
Ueber niedern Sinnentrug;
Daß ich kühn zur Liebeswonne
Deiner eignen höchsten Sonne
Richte meinen Siegesflug!
Reine mir die Aeuglein helle
Mit dem Strom der Gnadenquelle,
Die aus deinem Herzen fließt,
Daß des Himmels Huldgestalten
Meinem Blicke sich entfalten,
Und ihr Flüstern mich begrüßt!
Heil dem Schläfer! Süße Neige
Fruchtbeschwerter Palmenzweige
Säuselt um mein geistig Ohr,
Liebeslaute, Engelgrüße,
Schmerzenstillend, honigsüße,
Lispeln mich zu Gott empor!
Du, o Jesus! wandelst blühend
Mit dem Kreuze, seelenziehend,
In der sieggekrönten Schaar!
Deiner Wunden Frühling funkelt,
Von der Grabnacht nicht verdunkelt,
Ewig schimmernd, ewig klar!
Mailich ist auf deinen Wangen
Rosenglühend aufgegangen,
Seelenhold um Lipp' und Mund;
Deiner Augen Flammenleuchte
Strahlt voll Liebe, thränenfeuchte,
Aus der Seele tiefstem Grund!
Deine Siegesfahne steiget,
Mit Olivengrün umzweiget,
Rauschend auf ins ew'ge Licht!
Schlangenknäul! du bist entringelt!
Tod! nun hast du ausgezüngelt!
Hölle! deine Herrschaft bricht!
Aus: Lieder aus Tirol von Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 57-61)
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Die Braut
Ich fühl' im tiefsten Grunde
Der Seele Lispel wehn
Vom liebeswarmen Munde
Und muß sie wohl verstehn.
Es sind die Athemzüge
Von meinem liebsten Freund,
Der müd vom Kreuzessiege,
Sich liebend mir vereint.
Er schläft so still im Herzen,
Von Lieb' und Leiden roth,
Und träumt hinweg die Schmerzen
Und Nacht und Grab und Tod.
Und mit des Lieblings Träumen
Verfliegt mein eignes Weh,
Und Hoffnungsblüthen keimen
Aus ird'schem Winterschnee.
O kommt von Alpenhügeln,
Ihr Kränze! hell und kraus,
Und schmückt mit wehnden Flügeln
Die Schlummerstätte aus.
Und ihr, o Zartgedanken!
O Gluthgefühl der Brust!
Umsproßt mit Liebesranken
Des Schläfers stille Lust.
O diesen Hauch zu nippen
In reicher Segensfluth,
Von rosenglühnden Lippen,
Es flammt durch Mark und Blut!
Und meine Geister schwingen
Sich aus der trägen Ruh,
Und lodern auf und singen
Dem schönen Schläfer zu.
Dein Athem scheint zu stocken,
Und Seufzer wehn aus dir,
O Freund! das heißt mich locken,
Gewiß du träumst von mir!
Ich kann's nicht länger tragen,
Mir rast der Säfte Lauf,
Ich will, ich muß es wagen,
Ich weck' dich wahrlich auf.
Und meines Liedes Töne
Umsäuseln ihm das Ohr,
Er fährt in frischrer Schöne
Aus Schlaf und Traum empor.
Die Augenstrahlen leuchten
Wie Stern' der Liebesnacht,
Und süße Zähren feuchten
Der Wangenrosen Pracht.
Und süßre Wort' entschweben
Den rothen Lippen sein:
"Ich bin dein einz'ges Leben,
Und du bist gänzlich mein!
Ich hab' dich kühn gewonnen
In banger Leidensnoth,
Mit heißen Blutesbronnen,
Mit grimmer Qual im Tod.
So geh' aus dunkelm Streben
In Himmelswonnen ein,
Ich bin dein einz'ges Leben,
Und du bist gänzlich mein!
Wie könnt' ich Antwort finden!
Im Mund erstirbt der Laut,
In seinen Liebesgründen
Versink' ich still als Braut!"
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 66-68)
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Seelenfrühling
Frühling! hallt's in tiefster Seele,
Frühling! glüht's durch mein Gebein,
Frühling! tönt's aus heller Kehle,
Frühling schlürf' ich durstig ein!
Trunken schwimmt von Sonnenbergen
Gottesgrün um meinen Blick,
Bringt aus heißbeweinten Särgen
Meiner Lieben Kuß zurück.
Ach! mein erstes Frühlingsleben
Lockt erneut mit Honigkost,
Daß die tiefsten Mark erbeben,
Daß verglühen Gram und Rost!
Freude! rauscht's von allen Bäumen,
Liebe lallt's in jedem Laut,
Alle guten Geister keimen,
Alle rufen ihre Braut!
Denn es quillt der Schöpfungsbronnen
Pflanzenweckend durch die Welt,
Und die Kraft von tausend Sonnen
Hat den Liebesstrom geschwellt.
Jubelnd ziehn die Maienkräfte
Ins Gebiet der Seele ein,
Gährend schäumt die Fluth der Säfte,
Wie gerüttelt alter Wein!
Und es kreist ein mächtig Brausen
Durch den Flor der innern Welt,
Alle Lebenswinde sausen
Blüthenregnend durch das Feld!
Und es ragt der Baum der Liebe
Hoch und stolz in Rosengluth,
Safterfüllt die kühnen Triebe,
Hellumblüht von Kraft und Muth.
Von den krausen Aesten schwanken
Holde Nester ohne Zahl
Mit der Brut von Lichtgedanken,
Mit der Sehnsucht Lust und Qual.
Süße Hochgefühle locken
Finkenhell aus seinem Grün,
Herzdurchglühnde Lieder flocken
Sonnenfreudig drüberhin.
Aus des Laubes nächt'gem Dunkel
Blitzt des Geist allmächt'ger Strahl,
Sprüht im hellsten Goldgefunkel
In die Welt das Ideal,
Daß die Bäume sich bewegen,
Und die Marmorstufen glühn,
Daß sich alle Farben regen
Und zum Meisterbild erblühn!
Denn verschwunden ist der Norden
Aus des Lebens tiefstem Grund,
Süden ist's in mir geworden,
Alle Kräfte werden kund!
Singend aus enteister Zelle
Steigt die Seel', ein Sonnenaar,
Auf zur höchsten Schönheitsquelle,
Auf zu Gottes Hochaltar!
Ewighelle Frühlingsblüthe,
Sitzt sie still am Vaterherz,
Und verträumt in seiner Güte
Allen ird'schen Winterschmerz!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 80-82)
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Die Thräne
Nach dem Altkastilischen
Die Thräne, die dem Herz entquillt,
Und spiegelnd dir das Auge füllt,
Sie schimmert hell und sonnenrein
In meine Schmerzensnacht hinein!
Sie träuft, von Gottes Strahl erhellt,
Aufs welke Grün der Seelenwelt,
Und Frühling wird es plötzlich drin,
Und tausend Liebeskränze blühn!
Aus jedem Blatt, aus Stamm und Stiel,
Dringt saftig junges Maigefühl.
Und badet sich im Thau und spricht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"
Aus allen Farben flammt es hell,
Es singt im Traum der Plätscherquell,
Ein honigsüßes Lenzgedicht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"
Aus Blumenherzen haucht der Duft
Durch laue, linde Schmeichelluft,
Und lispelt auf ins goldne Licht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"
Die Thräne flüstert liebesheiß
Aus Rosenroth, aus Lilienweiß:
"Wenn auch das Herz im Tode bricht,
Die treue Liebe stirbt ja nicht!"
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 139-140)
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Die Alllebende
Nach einem bergomaskischen
Volksliede
Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr fei'rt die Einz'ge nur!
Weizen spitzt aus schwarzer Hülle
Sein Erwachen, kindlich grün:
"Ach! Sie selbst aus heil'ger Stille
Aufgetaucht voll Gottesfülle,
Mich in ihre Fluth zu ziehn!"
Zitterlaub am Wiesensteige
Rauscht mit süßem Flüsterlaut:
"Koseluft der Myrtenzweige,
Liebeslallen, Kussesneige
Meiner Holdin, meiner Braut!"
Weste flattern blüthestäubend
Durch den Flor des Lindenhains:
"O ihr Athmen! grambetäubend,
Herzenstürmend, Kränze treibend
Um das Geistersprühn in Eins!"
Aus der scharfen Rebenwunde
Thaut des Lebens feinster Duft:
"Schmeichelfluth vom Rosenmunde,
Reinster Hauch der Siegesstunde,
Kranken Herzens Lab' und Luft!"
Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr feirt die Einz'ge nur!
Spiegelklar der Waldesquelle
Blitzt aus letztem Winterschnee:
"Zärtlichbange Thränenschwelle
Ihrer Aeuglein, silberhelle
Sprudelnd auf mein Herzensweh!"
Stille Schmerzenszähren blicken
Aus dem frischen Birkenschnitt:
"Ach! das bittre Herzensdrücken
Ihres Kummers Glühn und Zücken,
Das sie um den Einz'gen litt!"
Seufzend hallt aus Schäferhainen
Halbverklungner Flötenton:
"Geisterstimme! Süßes Weinen
Ihrer Schmerzen um den Einen,
Der ihr, ach, so bald entflohn!"
Feuer leckt um Felsgeschiebe,
Hirtenfreudig aufgeflammt:
"Zornesblüthen! Flammentriebe
Ihrer kühnsten Seraphs-Liebe,
Welche Raum und Zeit verdammt!"
Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr feirt die Einz'ge nur!
Ewig Sie und ewig Eine
In dem wechselvollen Spiel!
Selbst aus todtem Kieselsteine
Strahlt mir licht die Himmelsreine
Mit dem wärmsten Maigefühl!
O so laßt mich lustig weben
In der tiefsten Liebesfluth,
Schwalbenfröhlich ziehn und streben
Um ihr goldnes Frühlingsleben,
Bis mein Leib im Grabe ruht!
Und noch in der dunkeln Tiefe
Stärker mich ihr Labewein!
Ist's ja nur als wenn ich schliefe
Und im Traum die Holde riefe:
"Ewig, Liebling! ewig dein!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 145-147)
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Platons Traum
Aus dem Neugriechischen
Leise lockt auf Windesflügeln
Ueber Seen, über Hügeln
Meine herzensliebe Braut;
In den grünen Frühlingsstunden,
Zart gesponnen, heiß empfunden.
Hat mich Gott mit ihr getraut.
Frische Eichenzweige wehen,
Wo die Brautaltäre stehen,
Um der Huldin Angesicht,
Und der Thräne Lebensfunkeln
Glänzt wie Hoffnungslicht im Dunkeln,
Tröpfelt: "Dich vergeß' ich nicht!"
Ach! ich kann die Lust nicht fassen,
Diese Seufzer, dieß Erblassen,
Dieser stumme Geisterlaut,
O sie stürmen mir die Seele
Donnern mir ins Herz: "Vermähle
Dich mit deiner süßen Braut!"
Auf den weichen Jungfrauwangen
Blüht der Liebe Gluthverlangen,
Kränzt die Lippen, schwellt die Brust,
Junge Mandelblüthen regnen
Auf den zarten Schleier, segnen
Ihren Schmerz und ihre Lust.
O mir fährt's durch alle Glieder,
Im Gebeine hallt es wieder
Ihr getreues: "Ewig dein!"
Alle Geister glühn und wandern,
Eine Ader singt's der andern,
Jede Fieber zuckt es: "Mein!"
Aus des Auges Wellenspiegel
Steigt die Seele, schwingt die Flügel
Sündenlose, engelrein.
Weg mit allen Sinnesstelzen!
Schwinde Zeit und Raum! es schmelzen
Leib und Erdgedanken ein!
Aus der Stoffe Dichtungsbrausen
Läutert sich mein Geist, es sausen
Neue Winde um mich her,
Niederschwebt die süße Reine
Mit dem Brautkuß, ach! die Meine!
Meine! mich verschlingt das Meer!
Von der Erde Schuld genesen,
Ausgeprägt zum Himmelswesen,
Schlürf' ich ihren Athem ein,
Bade mich in Gluth und Flammen,
Lodernd schlägt's um mich zusammen,
Endlich ist die Liebste mein!
Mit den Sternen kann ich spielen
Wie ein Kind mit Halmen, fühlen
Wie der ält'ste Sonnengeist,
Denn mich hält die Braut umschlungen,
"Lebehoch!" hat's angeklungen
Und die Nektarschale kreist:
Wo die höchste Sonne waltet,
Schweb' ich jung und unveraltet
Auf dem blitzelichten Strahl,
Würfle mit den Ungewittern,
Daß des Mondes Säulen zittern,
Schaukle Meere, Berg und Thal.
Denn mir pocht's am vollen Herzen
Mit der Liebe Gluth und Schmerzen,
Mit dem Kelch des Taumelweins;
Ach! es schlingt uns heiß zusammen,
Seufzer wehn, es lodern Flammen,
Alles strebt und schmilzt in Eins.
Niemand kann's verstehn, ergründen,
Nur genießen, nur empfinden
Läßt sich das verschmolzne Seyn;
Erd' und Himmel mögen scheitern,
Diese Wonne, dieses Herzerweitern,
Ewig ist es, ewig mein!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 148-151)
_____
Das Grab
Du lockst so süß, o Liebesschooß!
Mit Küssen traut, mit Armen bloß,
Und wiegst aus gift'gem Wirbelwind
In heil'gen Schlaf das Menschenkind.
Du spielst bekränzt in enger Kluft
Mit Rosenglühn, mit Veilchenduft
Und hauchst die ew'ge Sonnengluth,
Der kühnsten Geister Sprudelfluth,
Von tausend Wurzelsprossen kraus,
In unsern Grabesschlummer aus,
Daß jede Ader, saftgefüllt,
Dem ew'gen Seyn entgegenquillt.
O nimm vom dunkeln Pilgerlauf
Die Allerliebste liebend auf!
Ihr mattgequältes, armes Herz,
Das überreich geblüht in Schmerz,
Ihr Auge noch von Thränen naß,
Ihr Angesicht so schön, so blaß,
Ihr Mund, von süßen Liedern hell,
Der Stirne Lichtgedankenquell,
Das ganze holde Engelsbild,
So sonnenrein, so frühlingsmild,
O nimm es sanft in treuer Lust
An meine volle Blüthenbrust,
In deines Schlafes liebsten Traum
Auf zartem Grün am Hoffnungsbaum,
In deiner Keime heißen Drang
Bei hellem Grabeslerchensang!
Und ruht sie weich und brütewarm,
Von Gott gewiegt, in deinem Arm,
So laß auch mich aus Sehnsuchtsnoth
Zu ihr ins Geistermorgenroth.
Mich zieht's hinab, ich muß hinein,
Ihr Schlafgeselle will ich seyn,
Ich bin ja ganz an sie gewöhnt,
Ihr Athem lockt, ihr Ruf ertönt,
Sie liebt mich fest und todestreu,
Im Grabe keimt die Liebe neu,
Nur mir vereint, erwacht sie hell
Ins ew'ge Blühn am Liebesquell!
Aus: Lieder aus Tirol von
Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 152-153)
_____
Das Geheimniss
Immer stiller, immer tiefer
Wird die Sonntagsruh' im Hain,
Ficht' und Esche, Birk' und Kiefer
Stellen ihre Lispel ein.
Und der Wind vergißt zu rauschen,
Und zu rieseln Quell' und Bach,
Fink' und Meis' und Amsel lauschen
Zahm vom grünen Epheudach.
Selbst der Nestling auf den Zweigen
Reckt sich aus dem Flaum empor;
In das heil'ge Waldesschweigen
Allvertieft mit Aug' und Ohr.
Und in regungsloser Stille
Glühet ohne Wort und Laut
Gott in reinster Liebesfülle
Wie ein Kuß vom Mund der Braut,
Schmeichelt alldurchwärmend leise
Mit dem zärt'sten Geisterhauch
Durch des Forstes luft'ge Kreise,
Um den kleinsten Brombeerstrauch,
Und von mächt'gen Liebesfunken
Strecken sich voll süßer Lust
Alle Fasersprossen trunken
An des Gottes warmer Brust.
Und die Baumessäulen dunkeln
In des Laubes üpp'ger Pracht,
Und die Blüthenkronen funkeln
Selig aus der Liebesnacht.
O die allgewalt'ge Liebe,
Nicht von Worten tönt ihr Pfad,
Ihre Kraft zum Lebenstriebe
Ist die stillallmächt'ge That!
Aus: Vormärzliche Lieder
aus Tirol
Jena Druck und Verlag von Fr. Frommann 1850 (S. 33-34)
_____
Die Ehe im Himmel geschlossen
Schön Liese stieg vom grünen Plan
Im Schwung den Eschenbaum hinan,
Und blätterte mit schlankem Stab
Das Futterlaub von Zweigen ab.
Sie hing versteckt hoch über'm Weg,
Das Herz so voll, die Geister reg',
Und hielt gerad' auf schwachem Ast,
Vertieft in sich, Gedankenrast.
Und als sie dacht' an ihren Klaus,
War's mit dem Gleichgewichte aus,
Sie fiel vom schatt'gen Frühlingsbaum
In ihres Lieblings schönsten Traum.
Er war gekommen von der Stadt,
Von Liebe heiß, vom Wandern matt,
Ganz in die eigne inn're Welt
Mit Aug' und Sinn hineingestellt.
Er setzte sich im Schweißesglüh'n
Auf's abgefallner Laubwerk hin
Und grübelte in einem fort
Am ersten leisen Liebeswort
Und lallt im Geist: "O Lies'! ich bin
Mit allertreustem Hirtensinn
Voll Innigkeit auf ewig dein
Mit Leib und Seele, ganz und rein."
Da lag sie selbst in banger Lust
Erschrocken an des Liebsten Brust,
Gefaßt von seinem kräft'gen Arm
Und wurd' an seinem Hauche warm.
Die Thräne drang aus ihrem Blick,
Er hielt die sein'ge nicht zurück,
Kein Wort erklang, kein leiser Laut,
Er war der Bräut'gam, sie die Braut,
Vom Himmel kam der theure Fund,
Gott selber schloß den Ehebund.
Zwar schien's dem Pfarrer gänzlich neu,
Doch trat er auch bescheiden bei,
Und weihte sie zur süßen Noth
Sich heiß zu lieben bis zum Tod!
Aus: Vormärzliche Lieder aus Tirol
Jena Druck und Verlag von Fr. Frommann 1850 (S. 65-66)
_____
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Beda_Weber