Christian Felix Weisse (1726-1804) - Liebesgedichte

Christian Felix Weisse



Christian Felix Weisse
(1726-1804)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 



Der Zauberer

Ihr Mädchen, flieht Damöten ja!
Als ich zum erstenmal ihn sah,
Da fühlt' ich - so was fühlt' ich nie;
Mir ward - mir ward - ich weiss nicht wie:
Ich seufzte, zitterte, und schien mich doch zu freun:
Glaubt mir, er muss ein Zaub'rer seyn!

Sah ich ihn an, so ward mir heiss,
Bald ward ich roth, bald ward ich weiss;
Zuletzt nahm er mich bey der Hand:
Wer sagt mir, was ich da empfand?
Ich sah, ich hörte nicht, sprach nichts als Ja und Nein -
Glaubt mir, er muss ein Zaub'rer seyn!

Er führte mich in diess Gesträuch;
Ich wollt' ihn fliehn, und - folgt' ihm gleich.
Er setzte sich, ich setzte mich;
Er sprach - nur Sylben stammelt' ich;
Die Augen starrten ihm, die meinen wurden klein:
Glaubt mir, er muss ein Zaub'rer seyn!

Entbrannt drückt' er mich an sein Herz.
Was fühlt' ich! welch ein süsser Schmerz!
Ich schluchzt', ich athmete sehr schwer;
Da kam zum Glück die Mutter her:
Was würd', o Götter! sonst nach so viel Zaubereyn
Aus mir zuletzt geworden seyn!
(S. 14-15)
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Die Geburt der Venus

Die Zephyr' wiegten sich auf sanft geschwollnen Wellen,
Der Lenz schwebt' auf dem stillen Meer,
Der Scherz' und Freuden schalkhaft Heer,
Und die sich hüpfend zu ihm gesellen,
Die Grazien, umringten Hand in Hand,
Entgürtelt, den beblühmten Strand:
Da stieg, so sagt uns die Fabel, Cythere,
Vom Schaum geboren, aus dem Meere.

Doch Bibulus verwarf den alten Aberglauben;
Bey einem Glase blanken Wein
Sah er das Ding weit besser ein:
Die frohen Winzer kelterten Trauben;
Der Most schäumt' auf; ein schönes Mädchen sprang
Herbey mit einer Schal' und trank:
Da ward, er sah es ganz deutlich, Cythere
Geboren aus dem Saft der Beere.
(S. 19)
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Die Abbitte

Selinde sah vor wenig Tagen
Den jungen Damon freundlich an.
Wie konnt' ich einen Blick ertragen,
Der viel, sehr viel bedeuten kann?
Ich schwur, ich wollte sie verlassen,
Ich schwur, ich wollte nimmermehr
Sie wieder sehn, ja gar sie hassen,
Wenn - mir es möglich wär'.

Sie rieb die schönen Augenlieder,
Und hob sie schmachtend in die Höh',
Dann fiel ein falsches Thränchen nieder,
Wie Morgenthau auf jungen Klee.
Drauf rang sie ihre weissen Hände,
Und seufzt' ein halb gebrochen Ach!
Ich sah erschrocken an die Wände,
Und - seufzt' ihr heimlich nach.

Sie wollte plötzlich mir entrinnen. -
"Ach hab' ich dir zu viel gethan?"
Durch Seufzen war nichts zu gewinnen,
Drum fing ich laut zu weinen an.
Ich warf mich nieder, auf den Knieen
Bezeugt' ich weinend meine Reu,
Bezeugt' ich, dass ich ihr verziehen,
Dass - ich zu ehrlich sey.
(S. 20-21)
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Die betrogene Welt

Der reiche Thor, mit Gold geschmücket,
Zieht Selimenens Augen an:
Der wackre Mann wird fortgeschicket,
Den Stutzer wählt sie sich zum Mann;
Es wird ein prächtig Fest vollzogen:
Bald hinkt die Reue hinter drein.
Die Welt will ja betrogen seyn:
Drum werde sie betrogen!

Beate, die vor wenig Tagen
Der Buhlerinnen Krone war,
Fängt an sich violet zu tragen,
Und kleidet Kanzel und Altar.
Dem äusserlichen Schein gewogen,
Hält mancher sie für engelrein.
Die Welt will ja betrogen seyn:
Drum werde sie betrogen!

Wenn ich mein Karolinchen küsse,
Schwör' ich ihr zärtlich ew'ge Treu;
Sie stellt sich, als ob sie nicht wisse,
Dass ausser mir ein Jüngling sey.
Einst, als mich Chloe weggezogen,
Nahm meine Stelle Damis ein.
Soll alle Welt betrogen seyn:
So werd' auch ich betrogen!
(S. 23-24)
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Die Haselsträuche

Heil euch verwachsnen Haselsträuchen!
Wie sehr liebt euch die Jugend nicht!
In eure Schatten seh' ich manchen Schäfer schleichen
Mit seiner Schäferinn, so bald die Sonne sticht.
Warum denn schleichen sie hinein? -
Es wird des Schattens wegen seyn.

Heil euch fruchtbaren Haselsträuchen!
Auch wann die Sonne nicht mehr sticht,
Im Herbst, seh' ich sehr oft den Schäfer zu euch schleichen
Mit seiner Schäferinn, des Schattens wegen nicht.
Warum denn schleichen sie hinein? -
Es wird der Nüsse wegen seyn.
(S. 25)
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Auf die Herausfoderung einer Amazone

Du kleine stolze Amazone,
Mit deinem grossen Federhut!
So sehr ich meines Lebens schone,
So hab' ich doch bey dir noch Muth.

Du sollst mich auf dem Kampfplatz finden,
Ich fechte nach der Ritter Pflicht;
Nur lass die Augen dir verbinden:
Mit deinen Augen fecht' ich nicht.
(S. 29)
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Die Verschweigung

So bald Damötas Chloen sieht,
So sucht er mit beredten Blicken
Ihr seine Klagen auszudrücken,
Und ihre Wange glüht.
Sie scheinet seine stillen Klagen
Mehr als zur Hälfte zu verstehn;
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.

Vermisst er Chloen auf der Flur,
Betrübt wird er von dannen scheiden;
Dann aber hüpft er voller Freuden,
Entdeckt er Chloen nur.
Er küsst ihr unter tausend Fragen
Die Hand, und Chloe lässt's geschehn;
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.

Sie hat an Bluhmen ihre Lust:
Er stillet täglich ihr Verlangen;
Sie klopft ihn schmeichelnd auf die Wangen,
Und steckt sie vor die Brust.
Der Busen bläht sich, sie zu tragen,
Er triumphirt, sie hier zu sehn:
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.

Wann sie ein kühler heitrer Bach,
Beschützt von Büschen, eingeladen,
In seinen Wellen sich zu baden;
So schleicht er listig nach.
In diesen schwülen Sommertagen
Hat er ihr oftmals zugesehn;
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.
(S. 30-31)
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Die Schamhaftigkeit

Wie schamhaft, o wie keusch ist sie,
Mein Mädchen, die kleine Blondine!
Heut in Gesellschaft küsst' ich sie,
Da sprach sie mit zorniger Mine:
Geh, Unverschämter, geh! was denkt die Welt von mir?
Heut Abends noch verlang' ich Rechenschaft von dir.

Wie schamhaft, o wie keusch ist sie,
Mein Mädchen, die kleine Blondine!
Ich kam bey Licht, und küsste sie,
Da rief sie mit drohender Mine:
Halt, Unbesonnener! der Nachbar gukt heraus!
Sie zog den Vorhang vor, ich blies die Lichter aus.
(S. 33)
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Die Einfalt

Unter Rosen und Jasminen
Fand den letzten Frühlingstag
Lindor Chloen, die im Grünen
Überrascht vom Schlummer lag;
Weste spielten mit dem Kleide
Und des Busens leichtem Flohr,
Und der Gott der Lieb' und Freude
Gukt' aus ihrem Strauss hervor.

Lindor setzt sich bey ihr nieder,
Seufzt, so sehr er seufzen kann.
Sie erhebt die Augenlieder,
Dehnt sich, sieht ihn schalkhaft an:
"Wie? Du kannst mich so erschrecken?
Aus der angenehmsten Ruh
Mich mit Küssen aufzuwecken?
Lindor, ey, wie kühn bist du!"

Dich hätt' ich geweckt mit Küssen?
Dich erschreckt? erwiedert er:
Nein, das soll der Himmel wissen,
So was thät' ich nimmermehr!
Doch Amynt hat zugesehen;
Hier lief er ins Holz hinein;
Hurtig will ich zu ihm gehen,
Und er soll mein Zeuge seyn.

Nein, ich selber will ihn fangen,
Spricht die Schöne, warte du!
Eilet, ohne mehr zu sagen,
Dem Amynt im Busche zu.
Lindor bleibt erwartend stehen,
Und wie lange wartet er? -
Man würd' ihn noch warten sehen,
Wenn's nicht Nacht geworden wär'.
(S. 35-36)
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Die Lachtaube
An Phillis

Du fragst, warum diess art'ge Täubchen lacht,
Und was ihm so viel Freude macht?
Das Ding ist freylich lächerlich:
Es schnäbelt mit dem Täuber sich.

Da sieh nur hin! es schnäbelt wiederum,
Und sieht sich lachend nach uns um.
Ich glaub', es lacht uns spöttisch an,
Dass wir's ihm noch nicht nachgethan.
(S. 37)
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Klagen der jungen Lalage

Was fällt doch meiner Mutter ein!
Vorzeiten liess sie mich allein,
Itzt keinen Augenblick.
Ich geh' zum Busch, ich geh' zum Bach,
So schreyt sie mir von weitem nach:
"Heh! Mädchen, komm zurück!"

Die gute Mutter sorget wohl,
Dass mir allein nicht grauen soll.
Nein, dafür steh' ich ihr.
Ich geh' da oder dorten hin,
Mein Thyrsis weiss schon, wo ich bin;
Dann - nun! dann spielen wir.

Denkt sie, wenn sie nicht bey mir ist,
Dass mir der Wolf mein Schäfchen frisst,
Ach so betrügt sie sich.
Der Wolf? Ey! das hat grosse Noth!
Ich glaube, Thyrsis schlüg' ihn todt:
Er liebt es mehr als ich.
(S. 45)
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Die Schwatzhaftigkeit

Schweige, kleine Schwätzerinn!
Immer hast du was zu fragen,
Immer etwas noch zu sagen,
Und so geht die Zeit dahin.

Denke! mancher Augenblick
Ist schon ungenützt verschwunden:
Durch Minuten legt man Stunden,
Durch sie Tag und Jahr zurück.

Sieh, wie ich selbst schwatzhaft bin!
Deine Schuld! Komm, lass dich küssen,
Und dir so den Mund verschliessen:
Schweigst du nun, du Schwätzerinn?
(S. 46)
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Die schöne Aussicht

Wie reizend schön ist diese Flur!
Hier prangt die Kunst, doch lächelt die Natur;
Hier blüht ein junger Mayenwald,
Der von Gesängen wiederschallt.

Dort irrt ein silberheller Bach
Dem krausen Labyrinth der Brombeerbüsche nach;
Hier stralt die bunte Wiese vor,
Dort schwillt ein stolzer Berg empor.

Hier glühen Bluhmen ohne Zahl,
Die Ros' auf dieser Höh', das Veilchen dort im Thal; -
Doch lasst mich hier erst Daphnen sehn:
Ist ohne Daphnen etwas schön?
(S. 47)
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Die stumme Schöne

Als ich die junge Clitia,
Schön wie den Frühlingsmorgen, sah,
Rief ich: Welch reizendes Gesicht!
O Schade, dass sie doch nicht spricht!

Sie sprach, und nun war ich ganz Ohr:
Kaum stammelt' sie zwey Worte vor,
So rief ich: Welch ein schön Gesicht!
Nur ewig Schade, dass sie spricht!
(S. 48)
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Das Kammermädchen

O was für Augen! welch ein Mund!
Die Brust, wie weiss, wie voll, wie rund!
Wie schalkhaft der verstohlne Blick!
Der schlanke Leib, welch Meisterstück!

Wahrhaftig! ja, sie ist zu schön!
Wer kann der Sehnsucht widerstehn?
Mich ladet Mund und Busen ein;
Das Mädchen muss geküsset seyn - - -

Du Chloris schreyst? Nein, halte nicht
Den Fächer spröde vors Gesicht!
Fürwahr! ich redte nicht von dir:
Es galt dein Kammermädchen hier.
(S. 50)
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Der Eremit

Dem stürmischen Geräusch der schnöden Welt entrissen,
In diesem finstern einsamen Hain,
An den gedankenreichen Flüssen,
Will ich mich ernster Weisheit weihn.
Von keinem eiteln Wahn bethört,
Von dummen Narren nicht beschwert,
Soll mich die Stille weislich lehren -
Mein Glas mit frohen Zügen zu leeren.

Dem kritischen Geschwätz der spröden Welt entrissen,
Im Feld, im Thal, im schattichten Hain,
An diesen bluhmenreichen Flüssen,
Will ich mich der Betrachtung weihn.
Wenn itzt der Mond voll Majestät
Dort auf, die Sonn' hier untergeht,
Dann werd' ich weislich eilen müssen -
Mein allerliebstes Mädchen zu küssen.
(S. 51)
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Doris im Nachtkleide

Artig Mädchen, schämst du dich,
Dass ein leichtes Kleid dich decket?
Schäm' dich, dass dahinter sich
Zu viel Schönheit noch verstecket.

Sah man einen Palatin
Auf Cytherens Busen schwimmen?
Liess sie Schnabeleisen glühn,
Um ihr blondes Haar zu krümmen?

Frey liess sie's, der Weste Spiel,
Von den weissen Schultern fallen,
Frey die Brust, der Sehnsucht Ziel,
Jedem Aug entgegen wallen.

Keine Spitze, kein Gewand
Deckte ihre weichen Glieder,
Nur des Gürtels leichtes Band
Floss die stolzen Hüften nieder.

Doch war alles unterthan,
Wo ihr Blick sein Erbrecht übte:
Menschen beteten sie an,
Und der ganze Himmel liebte.

Du, an gleicher Anmuth reich,
Lass dir dieses Recht nicht nehmen!
Du bist einer Göttinn gleich,
Und kannst dich so menschlich schämen?
(S. 52-53)
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Der Arzt und Phyllis

Der Arzt
Sie essen nicht? sie trinken nicht?
Und todtenblass ist ihr Gesicht?
Nichts ist, was ihnen helfen kann,
Als, schöne Phyllis, - als ein Mann!

Phyllis
Ein Mann, Herr Doktor? Wie? ein Mann?
Sie glauben, dass der helfen kann?
Geschwinde gehn sie zum Papa,
Und sagen's - Nun? was stehn sie da?
(S. 58)
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Chloe im Bade

Ich habe Chloen im Bade gesehn,
Wie reizend war sie nicht! wie schön!
Sie stand als eine der Himmlischen da,
Die Paris auf dem Ida sah.

Gleich einer Lilie hinter Crystall,
So glänzte sie jetzt überall:
Ihr Busen glänzte - - -  geblendet zu sehr,
Sah ich vor Glanze gar nichts mehr.
(S. 59)
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Das Gelübde

Unter dicht bewachsnen Linden
Fand mich Damon ganz allein,
Und er glaubt' aus tausend Gründen,
Meiner Liebe werth zu seyn;
Doch ich sprach: Nein, ihren Trieben
Will ich ewig widerstehn;
Freyheit, dich nur will ich lieben,
Wär' auch Damon noch so schön.

Seines Lebens ganzes Glücke,
Seiner Freuden Gegenstand,
Nennt' er mich; mit sanftem Blicke
Drückt' er mir dabey die Hand.
Ja, sein Mund drückt' ein'ge Küsse
Mir aufs glühende Gesicht:
Schmeckten sie gleich noch so süsse,
Mein Gelübde brach ich nicht.

Rasch zog er mich zu sich nieder,
Setzte mich auf seinen Schooss;
Doch mir bebten alle Glieder:
Kraftlos sank ich auf das Moos,
Nacht umnebelte die Sinnen;
Ich weiss nicht, wie mir geschah.
Kurz: beklagt mich, Schäferinnen,
Mein Gelübde brach ich da!

Götter! wollt ihr ein Versprechen,
Das mein Mädchen halten kann,
Wohl mit euren Donnern rächen?
Göttern stünde diess nicht an!
Nie die Keuschheit zu verscherzen,
Schafft uns andre Sicherheit:
Gebt uns minder zarte Herzen
Und den Schäfern Hässlichkeit.
(S. 64-65)
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Der Spiegel

Ja, Doris, du bist allzu schön!
Sieh, willst du dich im Spiegel sehn?
Sieh her! und sag' mir, ob ich wohl
Dich sehn und dich nicht lieben soll?

Nein, Doris, du bist allzu schön!
Du darfst dich nicht im Spiegel sehn:
Du möchtest sonst, zu meiner Pein,
Ein weiblicher Narcissus seyn!
(S. 66)
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Der Zweifel

Dass jeder Priester heilig lebt,
Der Philosoph nach Weisheit strebt,
Die Unschuld vor Gerichte sieget:
Das glaubt' ich? - Nein!
Dass oft der Fromme menschlich irrt,
Der Philosoph sehr sinnlich wird,
Das Recht der Schönheit unterlieget:
Das könnte seyn!

Wenn sich Beatrix schminkt und schmückt,
Liebäugelt, buhlt, die Hände drückt,
Dass sie dadurch ein Herz entrissen:
Das glaubt' ich? - Nein!
Doch dass, wenn auch kein Putz sie ziert,
Selinde jedes Auge rührt,
Und jeder Mund sie wünscht zu küssen:
Das könnte seyn!

Mein Vetter schüttelt Geld im Hut,
Und ruft: Diess ist das höchste Gut!
Sieh, Kind! diess musst du dir erwerben!
Ihm glaubt' ich? - Nein!
Doch wenn man nicht sein Geld vergräbt,
Mit Freunden lieber lustig lebt,
Dass es dann schön ist, Geld zu erben:
Das könnte seyn!
(S. 67-68)
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Zweykampf mit dem Amor

Vernunft bewaffnet mich:
Nun Amor, streit' ich wider dich!
Du magst ein Gott, ich sterblich seyn!
Doch streite, so wie ich, allein!

Ich sieg', ich schwör' es dir!
Nur musst du, diess beding' ich mir,
Den Bacchus nicht um Hülfe flehn: -
Ein andrer streite wider zween!
(S. 69)
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Was ich will und nicht will

Berette mit den gelben Haaren
Und todtenfarbigem Gesicht,
Jung an Verstand und alt an Jahren,
Will mich; allein ich mag sie nicht.
Themiren, die den Rosen gleichet,
Die man im frühen Thaue bricht,
Stets Lob erhält, und keins erschleichet,
Will ich; allein sie will mich nicht.

Megäre, die bey allen Dingen
Das Köpfchen schüttelt, widerspricht,
Mit Sturm sich Sklaven will erzwingen,
Will mich; allein ich mag sie nicht.
Klimene, die durch Sanftmuth krieget,
Durch Flehn befiehlt, im Weichen ficht,
Und in der Unterwerfung sieget,
Will ich; allein sie will mich nicht.

Lindane, die mit tiefen Schlüssen
Sich selbst und uns den Kopf zerbricht,
Vom Grundtrieb schwatzt, anstatt zu küssen,
Will mich; allein ich mag sie nicht.
Lucinden, die, von Witz beseelet,
Gelehrt nicht, doch vernünftig spricht,
Bescheiden urtheilt, niemals fehlet,
Will ich; allein sie will mich nicht.

Korinne, deren Zauberblicken
Es nicht an Buhlerey gebricht,
Die alle Herzen will bestricken,
Will mich; allein ich mag sie nicht.
Selinden, die die Herzen raubet,
Wann Zucht aus jeder Miene spricht,
Und siegt sie, nie zu siegen glaubet,
Will ich; allein sie will mich nicht.
(S. 70-71)
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Liebe und Wein

Ohne Lieb' und ohne Wein
Was wär' unser Leben?
Alles, was uns kann erfreun,
Müssen diese geben.
Wann die Grossen sich erfreun,
Was ist ihre Freude?
Hübsche Mädchen, guter Wein,
Einzig diese beyde.

Helden, die des Siegs sich freun,
Fragen nichts nach Kränzen:
Sie erholen sich beym Wein
Und bey schlauen Tänzen.
Uns drückt oft des Lebens Pein,
Doch nur, wann wir dürsten;
Aber gebt uns Lieb' und Wein,
O! so sind wir Fürsten!
(S. 77)
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An ein Veilchen

Mein Veilchen, lass die Schmeicheleyen
Des jungen Zephyrs dich nicht reuen,
Du unsrer Gärten erste Zier!
Dich soll ein schöner Loos beglücken:
Den schönsten Busen sollst du schmücken,
Und alle Grazien mit dir.

Ja, an dem Busen von Selinden
Sollst du den stolzen Wohnplatz finden! -
Vor Freuden, seh' ich, zitterst du.
Hier lass dich stolzre Bluhmen neiden,
Und duft' ihr dankbar alle Freuden
Der süssesten Gerüche zu!

Geh hin, zu ihren schönen Händen!
Durch dich, mein  Glücke zu vollenden,
Sey ihr mein treues Herz erklärt! - - -
Umsonst! wie könnte diess geschehen?
Wie bald, wie bald wirst du vergehen,
Da ewig meine Liebe währt!
(S. 78)
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Der Vogel im Sprenkel

Du weinest, schöne Karoline,
Dass sich diess Vögelchen hier in dem Sprenkel quält?
Doch an mir siehst du längst die bange düstre Mine,
Und fragst nicht einmal, was mir fehlt?

Du wünscht die Freyheit ihm zu geben?
Wohlan! es flattre hin! sein Glück verdank' es dir! -
Da sieh! vom nächsten Ast dankt dir sein Lied das Leben,
Allein das meine raubst du mir!

Dich scheint der Vorwurf zu betrüben?
Du rufst: "So grausam! ich? und wie? wann raub' ich's dir?"
Ja, Schönste, raubst du mir die Freyheit dich zu lieben,
Raubst du da nicht das Leben mir?
(S. 81)
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Aufmunterung zum Trinken
An Chloen

Komm, liebe Chloe, trink mit mir!
Sieh nur diess Glas: es winket dir!
Und kannst du noch verschönert seyn,
Vermag es nichts als dieser Wein.

Doch rein, bis auf den Boden rein
Muss dieses Glas getrunken seyn; -
Vielleicht, wann sich der Grund entdeckt,
Hat Amor sich dahin versteckt.
(S. 82)
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Ein Verweis

Mein! sag' mir, Niklas, wie du bist?
Hätt' ich es dir doch nicht erzählet!
Du weinst, weil meine Mutter schmälet,
Dass du mich heut geküsst.

Du Närrchen! schmält sie denn auf dich?
Ich will dir wieder was erzählen:
Lass meine Mutter auf mich schmälen,
Und komm und küsse mich!
(S. 85)
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Der geflügelte Amor

Es wartet Amor hier auf dich,
Bezaubernde Klimene!
Hier in den Büschen, wo ich mich
Nach deinen Küssen sehne;
Er nimmt oft deine Minen an,
Damit er sichrer siegen kann:
O! um geschwinder hier zu seyn,
Lass dir itzt seine Flügel leihn!
(S. 86)
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Die Rose
Lukas und Nanette

Lukas
Wo ist die schöne Rose hin,
Die ich dir heute gab?
Halb aufgeblüht brach ich sie diesen Morgen ab:
Sie war des Frühlings letzte Zier,
Die schönst' am Stock, und sieh, ich gab sie dir!
Gesteh, wo ist sie hin?

Nanette
Ich traf den jungen Damon hier:
Er fand das Röschen schön;
Er sprach: es sey mir gleich. Wie konnt' ich widerstehn?
Er bat darum; ich gab es hin,
Doch nicht umsonst: er gab der Geberinn
Den besten Kuss dafür.
(S. 88)
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Die Liebe ist blind

Hört doch, was meine Tante spricht:
"Mein gutes Kind,
Die Lieb' ist blind:
Verliebe dich bey Leibe nicht!"

Ey ja doch, blind! die schlechte List!
Würd' ich wohl sehn,
Dass Thyrsis schön
Und meine Tante hässlich ist?
(S. 89)
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Die versöhnliche Laura

Ich kenne diese sanften Winke:
Sie laden mich zum Frieden ein.
Versöhnte Laura, komm und trinke
Auf unsern Friedensschluss vom besten deutschen Wein.

O nähmen Könige der Erden
Zum Beyspiel, Laura, dich und mich,
Sie würden bald versöhnet werden:
Des Mittags zanken wir, und Abends küss' ich dich.
(S. 90)
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Klagen

Ach! an dem Ufer dieser Quelle
Hab' ich Damöten oft gesehn.
Wie sanft floss sie mir da, wie helle!
Und ach! wie war Damöt so schön! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig, zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.

Fand ich sein Auge sanft geschlossen,
Wie hab' ich ihn nicht oft erschreckt,
Und ihn mit Bluhmen übergossen,
Und dann mit Küssen aufgeweckt! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig, zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.

Oft, eh die Lerche noch erwachte,
Strich ich schon einsam durch die Au,
Und pflückte, bis sein Blick mir lachte,
Für ihn schon Veilchen voller Thau! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig, zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.

Dann glänzte mir aus seinen Blicken
Der Liebe süsse Trunkenheit,
Und jeder Ausdruck war Entzücken,
Und jeder Kuss war Seligkeit! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig, zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.

Einst wollt' ich zornig von ihm fliehen:
Er bat mit schönem Ungestüm,
Und eh er bat, ward ihm verziehen,
Und fast vor Lust starb ich mit ihm! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig, zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.

Nun scheint er Chloen nachzugehen
Und meinen Blick beschämt zu fliehn.
Nun mag er um Verzeihung flehen:
Umsonst! diess wird ihm nicht verziehn! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Ja, zärtlichstes von allen Herzen,
Du liebst ihn noch zu sehr!
(S. 92-94)
_____



Der Schwur

Du foderst ew'ge Lieb' und Treu?
Ich soll sie dir, o Doris, schwören?
Du dringst darauf? wohlan, es sey!
Doch musst du meinen Wunsch erhören!

Eh hasse Freud' und Jugend mich,
Eh sey mein Wein vom Wasser trübe,
Eh ich nicht dich, - o Doris, dich, -
Wie alle Mädchen, ewig liebe.
(S. 95)
_____



An einen Bach im Winter

Du rauschest, sanfter Bach, auch nicht vor Freuden mehr?
Kein Blühmchen spiegelt sich in dir:
Von Schnee bedeckt, von Eise schwer,
Gleichst du an Schwermuth mir.

Du gleichest mir, so lang Elise grausam ist:
Da glänzt mir keine Freude mehr;
Mein Herz, das alles Glück vergisst,
Klopft kaum, von Seufzern schwer.

Doch dich löst einst der Lenz zu neuen Freuden auf:
Da singt um dich der Vögel Chor;
Dein murmelnder verliebter Lauf
Lockt Bluhm' und Laub hervor.

O dass mir doch, wie dir, auch einst ein Lenz erschien'!
Ergäb' sich einst Elise mir,
Da würden mir auch Freuden blühn,
Ein ew'ger Lenz in ihr!
(S. 96-97)
_____



Der blöde Liebhaber

Dein schmachtend Auge scheint zu sagen,
Dass du nicht unempfindlich bist,
Dass dir mein Blick, dass dir mein stilles Klagen
Ans Herz gedrungen ist.

Was mir dein schmachtend Auge gönnet,
Hab' ich zu fodern nie gewagt:
Gebeut auch noch, dass dir mein Mund bekennet,
Was dir mein Blick geklagt!
(S. 99)
_____



Der Morgen

Damon
So glänzt die Zier der jungen Flore,
Die Rose, die sich erst entschliesst,
Wann sie die lächelnde Aurore,
Begleitet von dem Zephyr, küsst;
Wie du, wenn du voll Reiz und Leben,
Gegrüsst von Lerchen, früh erwachst,
Und mir, von Grazien umgeben,
Mit sanftem Aug entgegen lachst.

Sylvia
Vergebens fliehen vor Auroren
Die Schatten der bethauten Nacht;
Der junge Tag, bereits geboren,
Ist ohne dich mir finstre Nacht;
Die Bluhmen, die ich für dich pflücke,
Die schlummern noch, nach meinem Wahn:
Mir bricht mit deinem ersten Blicke
Zuerst mein schöner Morgen an.
(S. 100)
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Die Linde
An Chloen

Ach Chloe! von der schönen Linde,
Die unser Lieb' oft Schatten gab,
Fällt bleich, getödtet von dem Winde,
Das Laub, der Stolz des Frühlings, ab.

Doch wird nach trüben Wintertagen
Für sie ein neuer Frühling blühn,
Und dieser Schmuck, den wir beklagen,
In voller Pracht sie überziehn.

Uns aber, liebe Chloe, blühet
Ein Frühling, Einer nur allhier:
Je öfter uns der Lenz entfliehet,
Ach! desto älter werden wir.

O Kind! er blüh' uns nicht vergebens!
Lass uns durch Liebe glücklich seyn!
So darf uns doch im Herbst des Lebens
Des Lebens Frühling nicht gereun.
(S. 101)
_____



Die Eifersucht
Thyrsis und Phyllis

Thyrsis
Mädchen, willst du mir's gestehen?
Neulich küsste Lykas dich.
Aus dem Busch hab' ich's gesehen,
Und das ist mir ärgerlich.

Phyllis
Und warum? das möcht' ich wissen;
Stört dich diess in deiner Ruh?
Denkst du denn, du kannst nur küssen?
O er küsst so gut als du!
(S. 104)
_____



Doris und Damon

Doris
Lieber Damon, dein Begehren,
Dich zu lieben, geh' ich ein;
Aber willst du mir auch schwören,
Ewig mir getreu zu seyn!

Damon
Liebe Doris, dein Begehren
Geh' ich mit Entzücken ein;
Aber willst du mir auch schwören,
Ewig jung und schön zu seyn?
(S. 105)
_____



Der Undankbare

Mein Damon - ach! er fliehet mich,
Entreisset meinen Fesseln sich!
Was gleichet meinem Schmerz?
Er glaubt, dass ich ihm grausam bin,
Und trägt sein Herz zu Daphnis hin:
O kennt' er doch mein Herz!

Macht ihm mein oft verwirrter Blick
Sein mündlich ihm versagtes Glück
Nicht schmachtend offenbar?
O! möcht' er mir nur untreu seyn,
So rächt' ich mich durch Stolz; allein
Er ist auch undankbar.
(S. 106)
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Die Nachtigallen

Ihr dichterischen Nachtigallen
Lasst hier so frühe Lieder schallen!
Die Liebe wecket euch:
Sie wecket mich zugleich.
O wär' ich euch in allem gleich!
Allein, ihr singt der Liebe Freuden;
Ich singe nichts als ihre Leiden:
Wie sehr beneid' ich euch!
(S. 107)
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Der Ruf

Ja, reizende Selinde,
Von unsrer Zärtlichkeit,
So unwahr ich es finde
Spricht man seit langer Zeit:
Man saget, deine Blicke
Verriethen dich zu sehr,
Zu meinem ganzen Glücke,
Ach! fehlte wenig mehr.

Du weisst, wie viel noch fehlet.
Ich wünscht', es fehlte nicht!
Indess, Selinde, quälet
Dich ein so falsch Gerücht,
Hör' auf dich zu beklagen,
Und folge meinem Rath:
Thu, was die Leute sagen,
So schweigt die ganze Stadt.
(S. 112)
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Alexis und Naide

Alexis
Ich nenne dich, ohn' es zu wissen,
Im Traume glaub' ich dich zu küssen,
Abwesend seufzt mein Herz nach dir.
Was um dich ist, zwingt mich zum Neide;
Erblick' ich dich, o welche Freude!
Naide! sprich, was fehlet mir!

Naide
Ein jeder Ort, wo ich dich finde,
Wird mir ein Tempe: diese Linde,
Diess Thal, die Au, das Ufer hier.
Hör' ich hier Philomelen schlagen,
Gerührt sing' ich in ihre Klagen.
Alexis! sprich, was fehlet mir?

Alexis
Entfernt hab' ich dir viel zu sagen:
Du kömmst, und musst mich alles fragen,
Und Abschied nehm' ich stumm von dir.
Bald eil' ich wieder, dich zu suchen,
Und einsam red' ich mit den Buchen.
Naide! sprich, was fehlet mir?

Naide
Dein Auge trauert, und ich weine;
Du lächelst: gleich dem Sonnenscheine
Fliesst Freud' auf mich herab von dir.
Man lobt dich, um mich zu gewinnen,
Doch zittr' ich, thun es Schäferinnen.
Alexis! sprich, was fehlet mir?

Alexis
Mir gelten deine sanften Blicke
Weit mehr als aller Fürsten Glücke:
Naide! diess muss Liebe seyn.

Naide
Gern will ich Trift und Heerde missen,
Um dich zu sehn, um dich zu küssen:
Alexis! diess muss Liebe seyn.
(S. 113-114)
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Das macht sie mir nicht weiss

Lykas, zitternd mit der Brille,
Küsst Belinden; sie hält stille,
Sie bleibt kalt, und er scheint heiss.
Dass er bloss durch Liebkosungen
Hand und Herz ihr abgedrungen:
Nein, das macht sie mir nicht weiss.

Neulich scherzt' ich mit Nerinen:
Trotz der übrigen Ruinen
Sah sie ziemlich roth und weiss;
Doch dass sie vom Schlaf erwachet
Schon so frühlingsmässig lachet:
Nein, das macht sie mir nicht weiss.

Ihrem Mopsus schwört Neäre,
Dass ihr Herz nur ihm gehöre,
Andern sey es Stahl und Eis;
Dass sie lieber sich erstäche,
Als ihm Wort und Eidschwur bräche:
Nein, das macht sie mir nicht weiss.

Über den Verfall der Tugend
Schreyt Beatrix, weil die Jugend,
Was nur Mütter wussten, weiss;
Doch dass Singen, Beten, Lesen
Stets ihr Zeitvertreib gewesen:
Nein, das macht sie mir nicht weiss.
(S. 115-116)
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Der wankende Entschluss

Ja, ja, dem Traubengott allein
Will ich die besten Stunden weihn:
Die Liebe macht mir nichts als Plagen.
Auf, Brüder! helft mir sie verjagen!

Ich sang's; die Brüder sangen drein:
"Was ist die Liebe gegen Wein?
Ein Auge gegen Bacchus Rebe?
Es sterbe Venus! Bacchus lebe!"

Schwört, schwört! fing jeder an zu schreyn,
Und Cydalise trat herein:
Ein Zittern fuhr mir durch die Glieder,
Und schamvoll beugten sich die Brüder.
(S. 117)
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An den Traumgott

Hier schlief ich, hier auf dieser Stelle:
Diess ist das veilchenvolle Gras,
Diess ist der Baum, diess ist die Quelle;
Hier träumte mir vom jungen Licidas!

Er kam, und o! mit welchen Blicken!
Sie sprachen, was sein Mund nicht sprach.
Sein ganzes Herz mir auszudrücken,
Hub er zu seufzen an; ich seufzte nach.

Mit Stammeln klagt' er mir sein Leiden,
Mit Stammeln ich ihm meinen Schmerz:
Da schlug er seinen Arm voll Freuden
Um meinen Hals, und drückte mich an Herz.

Frey küsst' er mich, und, welch ein Glücke!
Ich ward nicht einmal roth dabey:
Ich gab ihm jeden Kuss zurücke,
Erst schwach und schüchtern, dann gleich stark, gleich frey.

Hier schlummr' ich nun von neuem wieder:
O Traumgott, komm mit leisem Schritt,
Und zeige mir den Schäfer wieder! -
Hast du noch mehr der Freuden? bring' sie mit!
(S. 118-119)
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Kupido

Stellt mir der weise Lisidor
Den Gott der Liebe schrecklich vor,
Mit schweren fürchterlichen Pfeilen,
Wovon die Wunden selten heilen,
Und glaubt alsdann, ich fürchte mich:
So irrt er sich.

Malt mir ein zärtlicher Amynt
Den Gott der Liebe als ein Kind,
Sanft, schlau, zu schmeicheln stets beflissen,
Schön wie der Lenz, schön bis zum küssen:
Wie wird alsdann diess Kind für mich
So fürchterlich!
(S. 121)
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An den Amor

Lieber Amor, leihe mir
Einen doch von deinen Pfeilen!
Ich schwör' auch den Raub mit dir,
Chloens Herz, mit dir zu theilen. -

Falscher! du verweigerst sie?
Wart! ich will's der Mutter klagen!
Chloens Augen leihst du sie,
Und mir willst du sie versagen?
(S. 122)
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Philomele

Ach, Thyrsis! welchen süssen Schmerz
Singt Philomele mir ins Herz!
Es schmilzt von ihren Klagen.
Ach, Thyrsis! wenn du jetzo kämst,
Mich küssend in die Arme nähmst,
Was könntest du nicht wagen!
(S. 123)
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Das wird sich weisen

Rosalien, das schöne Kind,
Das jeder Jüngling lieb gewinnt,
Fängt itzt der zärtliche Philint
Im Lieben an zu unterweisen.
Noch färbt, wann er von Küssen spricht,
Ein schamhaft Roth ihr Angesicht:
Ob nach acht Tagen, weiss ich nicht:
Das wird sich weisen.

Selinde zieht den Bellamor
Dem seufzervollen Lisidor
Und seiner Augensprache vor.
Er droht mit Gift, Pistol und Eisen;
Man lässt ihn ungeschlossen gehn,
Lässt alles ihm im Wege stehn:
Ist's um sein Leben nun geschehn?
Das wird sich weisen.

Wie ruhig kann Agnese nicht,
Wenn eine Frau Gesetz und Pflicht
Und die geschworne Treue bricht,
Sich wegen ihrer Tugend preisen!
Bald setzt der flatternde Kleant
Ihr unversuchtes Herz in Brand:
Hat ihre Tugend noch Bestand?
Das wird sich weisen.

Jost, der das Geld nach Säcken zählt,
Dem nichts als nur Verstand gefehlt,
Geht, weil ihn Muhm' und Oheim quält,
Mit Wechseln wohl versehn, auf Reisen.
In Frankreich, Welschland, Engeland
Wird bald der reiche Jost bekannt:
Was bringt er mit? vielleicht Verstand?
Das wird sich weisen.
(S. 124-125)
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Selinde

Schön ist Selinde, wenn sie lächelt;
Schön, wenn sie schweigt; schön, wenn sie spricht;
Schön, wenn sie scherzt, sich schalkhaft fächelt;
Schön, wenn sie zornig mit mir bricht.

Schön, wenn sie tanzt; schön, wenn sie spielet;
Schön, wenn sie singt; schön, wenn sie liest;
Schön, wenn sie Lieb' und Mitleid fühlet:
Am allerschönsten, wenn sie küsst!
(S. 126)
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Der Vorwurf
Phyllis an Damon

Wie? Damon, du beklagest dich,
Dass du weit stärker liebst als ich?
Sprich, was hast du noch je gewagt?
Von mir gefodert? ich versagt?

Du kömmst: entgegen lauf' ich dir;
Du sprichst: es wallt mein Herz in mir.
O fodre mehr! dann siehe zu,
Wer stärker liebt, ich oder du.
(S. 129)
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Die boshafte Schäferin

Thyrsis
Der Frühling ist schon wieder da,
Und du liebst noch nicht, Sylvia?
Wann wird einmal dein Herz empfinden?
Glaubst du, du seyst dazu zu jung?
Nein! Schäferinnen, die entzünden,
Sind auch zur Liebe reif genung.

Sylvia
Ich glaubt' es, und ich folgte dir:
Wie oft riethst du die Liebe mir!
Wie schön hab' ich den Rath gefunden!
Ja, Thyrsis, dich werd' ich zwar fliehn;
Doch heute noch werd' ich verbunden:
Mich liebt Amynt, und ich lieb' ihn!
(S. 130)
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Der verschwundene Amor

Ich trank mit Chloen Malaga:
Schnell war der Gott der Liebe da.
Ach! seufzte Chloe, sieh, schon stört er unsre Freuden!
Hasch' ihn mit mir; ich will die Flügel ihm beschneiden.
"Halt, liebste Chloe! sagt' ich, halt!
Die Flügel wachsen ihm zu bald,
Dem kleinen Bösewicht! Wir wollen ihn ersticken:
Nicht wahr? so kann er uns in Zukunft nicht berücken."

Wir haschten: eh man sich's versah,
War er bald dort, bald wieder da.
Zuletzt verschwand er gar; doch als wir ausgetrunken,
Da fühlten wir, er war in unsern Wein gesunken.
(S. 132)
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Der Kuss

Ich war bey Chloen ganz allein,
Und küssen wollt' ich sie;
Jedoch sie sprach, sie würde schreyn,
Es sey vergebne Müh.

Ich wagt' es doch, und küsste sie
Trotz ihrer Gegenwehr.
Und schrie sie nicht? Ja wohl, sie schrie, -
Doch lange hinter her.
(S. 135)
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Die Sicherheit in der Flucht

Mein Thyrsis! dürft' ich dir doch sagen,
Warum ich dich so schüchtern flieh',
Du würdest nicht voll Wehmuth klagen,
Ich wäre hart, und fühlte nie.
Ach, Thyrsis! grausam gegen mich,
Flieh' ich, - aus Liebe flieh' ich dich!

Oft sitz' ich in verschwiegnen Büschen,
Und seufze: Thyrsis, wärst du da!
Es rauscht ein Westwind in den Büschen,
Ich flieh' und glaube, du bist da.
Aus Hass nicht, grausam gegen mich,
Flieh' ich, - aus Liebe flieh' ich dich!

Ja, Thyrsis, willst du nichts begehren
Als diess mein zärtlich Herz allein,
So will ich, schöner Jüngling, schwören,
Mein zärtlich Herz bleibt ewig dein;
Doch, Himmel! wenn du mehr wirst flehn,
Was werd' ich dir nicht zugestehn!
(S. 139)
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Aus: Kleine lyrische Gedichte
von C. F. Weisse
I. Theil
Wien Gedruckt und verlegt bey F. A. Schraembl
MDCCXCIII. [1793]



Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Felix_Weiße

 

 


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