Johann Gottlieb Willamov (1736-1777) - Liebesgedichte

 

 


Johann Gottlieb Willamov
(1736-1777)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Sehnsucht nach Daphnen
Im May 1762

Ich fliege! - Führt mich, Götter der Zärtlichkeit,
Zu Daphnen flieg' ich! - Trage mich, leichter West,
Auf Wolken süsser Blumendüfte! -
Seufzer verkünd'gen mich der Geliebten.

Wie öd' und traurig sind mir die Fluren hier,
Die Daphne um mich einsam zurücke liess!
Wie fühllos seh' ich euch verfliegen,
Heitere Tage des lauen Frühlings!

Ich irre klagend oft an dem schroffen Strand
Der stolzen Weichsel, seh' sie, und sehe nichts.
Sie wallt beschwert mit Polens Reichthum
Fern von den rauhen Karpathen nieder.

Mit Ehrfurcht schweigend eilte mein Blick sonst mit,
Zur wilden Ostsee floh der Gedanke nach;
Dann sank zu ihr die Sonn', in Purpur
Königlich eingehüllt und entschlummert.

Diess prächt'ge Schauspiel, ehemals rührender
Für meine Seele, deckt mir ein trüber Flor;
Voll Sehnsucht flieht das nasse Auge
Über Sarmatische Fluren weiter.

Beglückte Fluren, die ihr um Daphnen blüht!
O blühet sanfter! athmet ihr Liebe zu!
Und ihr, ihr güldnen Frühlingsmorgen,
Lächelt ihr Ruhe von Rosenwangen!

O wär' ich bey ihr! Götter der Zärtlichkeit,
Führt mich zu Daphnen! - Führe mich, lauer West,
Sanft wallend auf bethautem Fittig
Hin, wo mich Liebe und Sehnsucht rufen.
(S. 28-29)
_____



An das Schicksal
Im May 1762

Im furchtbaren Gewand heiliger Dunkelheit,
Wie vom stürmenden Pol sich eine Mitternacht
Dick um Eisberge lagert,
Sitzt das Schicksal, ein mächtiger Gott.

Hoch vom ehernen Thron hängt von der schweren Hand
Stets die Wage des Glücks; um ihn herum entstehn
Künft'ge Tage der Menschen,
Und erwarten gebückt ihr Loos.

Hingerafft vom West wölkt sich ein lautes Heer
Eitler Wünsche zum Thron, unbewusst ihrer selbst;
Doch die mächtige Wage
Gibt den Ausschlag - und sie sind hin.

Schicksal, Gottheit voll Ernst, voller Geheimnisse!
Niemals hat dieses Herz ungerecht sich beklagt,
Niemals Wünsche geboren,
Die zu kühn deinen Schluss entehrt.

Weislich sammeltest du Finsterniss um dich her,
Weislich sprach dein Befehl: "Niemand erblicke mich!
Und der Zukunft Gefährte
Sey die strengste Verschwiegenheit!"

Ja, sie sey es auch mir! Tage, die noch nicht sind,
Seyn versiegelt vor mir! Sendest du sie mir einst,
Alsdenn will ich sie brauchen,
Und gebraucht nimm sie wieder hin!

Doch - ein ängstlicher Wunsch dränget sich durch die Brust -
Ist es Ahndung? ist's Schmerz? - o wie erschüttert er
Die empfindende Seele!
Er entflieget ihr, hin zu dir.

Nur ein einziges Wort, nur einen dunkeln Blick
Zum entscheidenden Buch meiner Verhängnisse;
Nur von weitem ein Schimmer
Aus der Zukunft erflehet er.

Sprich allwissend vorher, mächtiges Schicksal, sprich! -
Meine Ruhe sehnt sich diesem Gedanken nach: -
"Wird mich Daphne einst lieben? -
Ist die Zärtliche mir bestimmt?"
(S. 30-32)
_____



Die Schwermuth der Liebe

Umringt mit Nacht und bangen Schrecken
Sank auf mich die Melancholie;
Aus Morpheus Armen mich zu wecken,
Sprach sie zum Morgentraum: Entflieh!
Ich fühlte ringend mit dem Schlummer
Gebirgen gleich den schweren Kummer.
Halbträumend, meiner selbst bewusst,
Keucht ängstlich die beklemmte Brust.

Schnell weckt er mich. - Es graut der Morgen
Am nebelvollen Horizont;
Der Welt ward noch von Müh und Sorgen
Die süsse letzte Ruh vergonnt.
Aus des entwölkten Himmels Mienen,
Die niemals reizender geschienen,
Sprach Hoffnung auf den schönsten Tag,
Der jung schon auf den Fluren lag.

Doch mir schien selbst Aurora trübe,
Der Tag verblichen, ohne Licht;
Sein Lächeln, günstig sanfter Liebe,
Verstand mein leidend Herze nicht.
Ich hörte nur die Donnerstimme
Der Schwertmuth, die mit vollem Grimme
Mir Schrecken in die Seele rief,
Das unter Schaudern mich durchlief.

"Was hoffest du, von Wahn betrogen,
Verwegner? - Dass dich Daphne liebt? -
Nein! - Dein Geschick ist abgewogen:
Erzittre, wenn's den Ausschlag gibt! -
Schon schnaubt der Neid; er wird entbrennen,
Von Daphnens Herz dein Herze trennen,
Und ekler Thoren wüstem Schreyn
Muss einst dein Glück geopfert seyn!"

Gedanke, der mich ganz erschüttert,
Welch wildes Chaos braust in mir!
Mein Herz erbebet, ringt und zittert,
Und fühlt mehr als den Tod in dir. -
Getrennt von Daphnen? - - Finstre Tage,
Durchjammert von vergebner Klage,
Bis selbst vor Schmerz die Klage schweigt,
Kommt niemals - oder kommt und weicht!

Verhärtet gegen zarte Triebe,
Empfindlich nur für stäte Pein,
Wird ewig keine andre Liebe
Für mich, und keine Daphne seyn.
Kein Morgenroth wird dann mir lächeln,
Kein Zephyr Lust entgegen fächeln,
Kein schöner Abend mich erfreun,
Und selbst kein Freund den Gram zerstreun.
(S. 33-35)
_____



Den 1. Januar 1763

Es kommt - es kommt - Gold strahlet vom Gefieder
Des jungen Jahrs; es sinkt
Vom Hauch des Nords getragen schauernd nieder,
Da ihm das Schicksal winkt.

Heil dir, o Jahr! - Heil dir, du meiner Wonne
Vorlängst gewünschte Epoche!
Wie huldreich grüsst mich deine erste Sonne,
Und küsst den feuchten Schnee!

Zwar wird nicht stets des Phöbus Auge lachen;
Auch Wolken ziehen mit,
Vom Hagel schwer, auch Donner werden krachen
In weit vernommnem Tritt!

Doch lass ihn nur, den schweren Donner krachen!
Er folge deinem Schritt!
An Daphnens Hand wird mir die Liebe lachen,
Dann lacht mir alles mit.
(S. 38-39)
_____



An meine Daphne
Den 29. May 1766

Nicht bloss Zufriedenheit nach Platons Sinn beglücket
An deiner Seite, Daphne, mich;
Nicht Freundschaft bloss - diess Herz von lauter Freud' entzücket
Wallt von Empfindungen für dich

Noch stets so stark, wie, da von süsser Hoffnung trunken,
Du würdest einst die Meine seyn,
Der Liebe Feu'r entglomm aus lang genährten Funken -
Und dieser Sieg ist gänzlich dein,

O Freundinn! denn dein Herz bleibt ewig werth zu lieben;
Durch dich ist mir das Leben süss;
Durch dich empfind' ich nie, wenn sich die Lüfte trüben,
Das Traur'ge jener Finsterniss,

Worüber Sterbliche so schwer zu seufzen pflegen,
Wodurch die Welt zum Kerker wird!
O Himmel! ist mein Wunsch, diess Flehn nicht zu verwegen,
Das tief aus meinem Busen girrt,

So werde dieser Tag so oft von mir besungen,
Als noch mein Leben in mir glimmt!
Und stockt mein Blut, so sey dann, Hand in Hand geschlungen,
Uns eine Gruft zugleich bestimmt,

Dass unsre Asche selbst sich liebend noch vereine,
Die letzte Ruh uns sanfter sey,
Und keins von uns sein halbes Herz beweine! -
Nicht wahr? du stimmst dem Wunsche bey?
(S. 47-48)
_____



An meine Daphne
Den 29. May 1769

Wie Zephyr sanft durch kühle Bogengänge
Trotz hoher Mittagsgluth sich schleicht,
Von Duft umwallt, begrüsset durch Gesänge
Des Flügelchors, das unverscheucht

Den schattigen Jasmin vergnügt durchhüpfet,
Und Amorn seine Lieder weiht:
So sanft, so schnell, o Daphne, sind entschlüpfet
Die Tage, die die Zärtlichkeit

Uns zu den schönsten Frühlingstagen machte;
Nie schwül, nie stürmisch waren sie.
Gefälligkeit und Eintracht, die uns lachte,
Entwich von unsrer Seite nie;

Und nimmer soll sie künftig uns entweichen,
Der Schwur sey feyerlich erneut!
Des Lebens Nacht wird freylich uns erreichen,
Doch nie das Ziel der Zärtlichkeit.

Ein Lustweg Hand in Hand durch Frühlingshecken,
Fern von des Glückes stolzem Schein,
Doch sicher auch vor unglückdroh'nden Schrecken,
So müsse unser Leben seyn!
(S. 52-53)
_____



An Daphnen
Den 29. May 1770

O meine Daphne, wie so schnell enteilen
Der wahren Zärtlichkeit
Die Jahre, die sich bis zum Überdruss verweilen
Bey kalter Unzufriedenheit!

Zum achten Mal, seit mir bey Hymens Kerzen
Dein Herze sich ergab,
Senkt dieser Tag, ein Fest der Wonne meinem Herzen,
Sich vom Olymp herab.

Wie? sieben Jahre flohn uns schon zurücke,
Seitdem wir uns geliebt?
Nein! sieben Tage sind's, voll süsser Augenblicke,
Wie sie ein Himmel gibt.

Von hohen Alpen stürzt nicht so geschwinde
Ein Strom zum Meere sich,
So schnell verfliegt kein Schall, kein Fittig leichter Winde,
Als diese Zeit verstrich.

O Himmel, lass - o lass sie nicht so eilen,
Die gar zu flücht'ge Zeit!
Mit Daphnen Herz und Wunsch und Glück und Leben theilen,
Ist mir Glückseligkeit,

Die mich um keine Hoheit neidisch machet,
Die in Pallästen thront;
Denn Heiterkeit und Ruh und sel'ge Freude lachet,
Wo treue Liebe wohnt.
(S. 57-58)
_____


Aus: Sämmtliche Poetische Schriften
von Johann Gottlieb Willamov
II. Theil
Erste vollständige Ausgabe
Wien Gedruckt und verlegt
bey F. A. Schraemel MDCCXCIV (1794)

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottlieb_Willamov


 


 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite