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Eliza Wille
(1809-1893)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Die Liebe ohne Hoffnung
Sie ist verändert - sieht mich an -
Wenn ich der Thrän' nicht wehren kann,
So ist's wohl Freud' nach so viel Weh,
Daß ich mein alles wiederseh'.
Von Locken ist die Wang' umwallt,
Doch ach! die Wang' ist blaß und kalt,
Und lächelte sie - ich kann's nicht sehn -
Es spricht von Weh das ihr gescheh'n.
Sie wandelt matt und still einher,
Ihr Auge blickt von Thränen schwer -
Warum erkennst du ihren Schmerz
Mein wund gequältes, ahnend Herz? -
---
Sie sieht ihn sanft, ergeben an -
Ich neid' ihn nicht den reichen Mann,
Ob er sie gleich sein eigen nennt,
Und Sehnsucht mir das Mark ausbrennt.
Ich neid' ihn nicht, dem sie - o sie! -
Sie liebt ihn nicht, sie liebt' ihn nie!
Sie wandelt neben ihm so still -
Er weiß nicht was sie sucht und will.
Er bringt ihr Gold und Edelstein,
Und meint sie müß' befriedigt seyn -
Er sieht die Menschen kommen, geh'n,
Bewundernd nach der Schönsten sehn.
Und sieht er ihre Wange blaß,
So fragt er sie bald dieß, bald das? -
Sein Herz versteht das ihre nicht,
Sonst wüßt' er wohl was ihr gebricht.
---
O traurig ist's ohn' Liebe sein!
Da lebt sich's ohne Sonnenschein,
Im Grab lebendig, ohne Ruh.
Ich kannt' den Schmerz - doch du! o du!
Die Allerschönste die die Welt
In ihrem weiten Umkreis hält,
Die Herrlichste, geehrt und reich,
Auch deine Wang' vor Kummer bleich? -
Und nach dem Land' wo rein und hell
Durch Blumen rinnt der Freude Quell,
Wo Lieb' das stille Veilchen blüht,
Wo jeder Pulsschlag wärmer glüht,
Wo kalte Form und eitle Pracht
Verlieren ihre Herrschermacht,
Wo reich, befriedigt Seel' und Sinn:
Da sehnst auch du umsonst dich hin.
---
Ich sah sie weinen, und ich stand
Vom tiefsten Mitleid festgebannt.
Doch was mich jahrelang zerwühlt,
Das hat der Thränenthau gekühlt.
Es war ein Etwas in dem Blick -
Ich stand vernichtet von dem Glück,
Und in dem Freudenhimmel hielt
Mich das Entzücken: "Sie - sie fühlt!"
Und wie ich schüchtern nach ihr sah,
Saß sie, wie immer, ruhig da,
Und mächt'ger ist mein Schmerz erwacht,
Denn nun ist für uns beide Nacht.
O lebtest du im Sonnenschein,
Ich wollt' ohn' End' im Dunkel seyn!
Und daß du fühlst - mein höchstes Glück -
Was füllt's mit Thränen deinen Blick? -
---
Die Tage kommen und vergehn -
Die Sterne zieh'n an ihren Höh'n,
Wir, wir sind ewiglich getrennt,
O du, die mir kein Name nennt.
Vergiß, vergiß! o acht' es nicht
Wenn die Verzweiflung aus mir spricht;
Du bist nicht glücklich - soll ich's seh'n
Und kalt und stumm vorüber geh'n?
Und fühlen, daß wir beid - o nein! -
Ich weiß es wohl, es darf nicht seyn,
Dem Schmerze wurden wir geweiht,
Für uns blüht nicht die ärmste Freud'.
Und warum bist du wie das Licht
Das durch die Morgenwolken bricht,
Und warum bist du sanft und schön,
Und mußt ohn' Lieb' durch's Leben geh'n! -
Und warum hast du alles Glück
In deinem Wort, in deinem Blick?
Und warum, warum muß ich wallen,
Getrennt von meinen Freuden allen?
Warum hat mir ein Blick gesagt
Was nie sich auf die Lippe wagt?
Du bist so still, so kalt, so blaß -
Erhaben über Furcht und Haß. -
Wärst du ein Kind bei Scherz und Spiel! -
Zeig' einmal, einmal dein Gefühl,
Und wie es werd'? - ich frage nicht,
Ob dann die Welt zusammenbricht?
---
Uns trennt ein bodenloser Fluß,
Wir senden weinend uns den Gruß,
Doch ach! kein Lüftchen leicht beschwingt
Die hoffnungslosen Grüße bringt.
Die Blumen sterben alle ab,
Uns ist die Welt ein weites Grab -
Wir seh'n uns an und weinen still -
Ein's weiß wohl, was das andre will.
Ich bau' aus Wolken mir den Steg,
Ich träum' und träum' den Abgrund weg,
Ich schwimme auf der Wasserblum'
Zu dir, zu meinem Heiligthum.
Dann tobt der Strom, das Wasser braust,
Die Wolke bricht, der Sturmwind saus't -
Dich hüllt der Nebenschleier ein,
Ich steh' am Uferrand allein.
Die Nacht ist lang', die Stern' sind todt -
Ich steh' da bis zum Morgenroth -
Es glänzt der Fluß und lächelt hell,
Doch meine Thrän' fällt in die Well'.
---
Die lauen Lüfte flüstern mir
Von Frühlingsauen und von dir!
Sie sprechen mir in's Herz hinein
Als könnt' ich dennoch glücklich seyn.
Wär' ich nur dort am Uferrand,
Faßt' ich nur einmal deine Hand -
Dann würd' es Licht und ich und du
Wir zögen fort zu Lieb' und Ruh.
Und hat der Strom nicht Kahn, nicht Steg,
So bahn' ich selber mir den Weg,
Ich kämpfe mit empörter Fluth,
Mit Stürmen um mein höchstes Gut.
Kein einz'ger Stern schickt mir sein Licht,
Das Ufer weicht - ich find' es nicht -
Und jeder Augenblick rückt's fort,
Es hüllt in Nebel sich der Ort.
Wo du mir winkst - ich find' ihn nicht,
Kein einz'ger Stern schickt mir sein Licht -
Die Welle trägt mich höhnend hin
Wo ich allein und einsam bin.
Und d'rüben an dem Uferrand
Da steht sie stumm und unverwandt -
Wir seh'n uns an, und keines spricht,
Doch jedes fühlt was ihm gebricht.
(S. 147-153)
_____
Phantasien
Der Frühling und die
Freude
1.
Die Veilchen blicken aus dem Grün,
Die Lerchen durch die Weite ziehn,
Und Frühlingswärme, Frühlingsduft,
Und Frühlingswehn durchwürzt die Luft,
Die Winde flattern hin und wieder,
Der blaue Himmel blickt hernieder,
Und leichte, weiße Wölkchen wiegen,
Sich d'rin mit kindischem Vergnügen,
So leicht gewebt, so duftig und heiter;
Sie ziehen so spurlos wie Barken weiter,
Wie Barken, darin sich Liebende freun,
Auf schweigendem See, bei'm Sternenschein.
Wie sprudelt und tanzt der Wiesenquell!
Es freut sich das Fischlein am Wasser hell,
Es schwellen die Keime, die Knospen erblühn,
Und es summet und regt sich im Wiesengrün.
Ich sitz' und träume ganz allein,
Mich freuen Luft und Sonnenschein.
Mich freut es wie die Vöglein singen,
Den Frühlingsgruß zum Himmel bringen,
Und wie die Blätter leis' sich regen,
Wie kaum die Blumen sich bewegen;
Der Farben frische, helle Gluth,
Wie alles süß, halb träumend ruht! -
Duft, Leben, Fülle, Wonn' und Lust
Umsäuseln, umspielen so warm meine Brust.
Weiß nicht, wohin zuerst ich schau'?
Ob in den Himmel tief und blau,
Ob in das warme Thal hinunter,
Ob in die Wiesen, hell und munter? -
Da seh ich plötzlich des Waldes Grün
Aufdämmern, sich lichten und sonnigt erglühn!
Ein weißer Schimmer wallt daher -
Ein Tritt so leicht - ich frag' nicht mehr!
Und Erd' und Himmel, Blüth' und Licht,
Strahlt mir ihr lächelndes Angesicht.
---
Ich küsse deine Wangen -
Die Blumen still und süß;
In deinem lieben Herzen,
Da blüht das Paradies.
Ich halte dich umfangen -
Du senkst die Augen still,
Und mir - mir ist's wie Träumen,
Geheimnißvoll und still,
Ein Traum, ein warm Entzücken,
Es weht mich an und lebt!
Und dich, und dich zu halten,
Nach der die Seele strebt,
Und dich, und dich zu lieben,
Die mich mit Wonn' durchbebt,
O was, was ist das Leben,
Hab' ich nicht dir gelebt? -
---
Und weißt du wie es brennet,
Wenn man so träumt und wacht,
Und auf der weiten Erde,
Nicht find't was man gedacht? -
Du weißt es nicht, du weißt es nicht!
Dein schönes Aug' von Liebe spricht,
Dein schönes Aug' in Sehnsucht glüht,
Doch deine süße Wange blüht
Wie eine Ros' im Morgenlicht;
Du weißt es nicht, du weißt es nicht!
---
Wie schön du bist! ich spiele -
O laß mich kindisch seyn!
Es sind die süßen Spiele,
Wobei sich Engel freun,
Beug' du dein Köpfchen nieder,
Und lächle hold mir wieder,
Wenn ich mir goldne Ringe,
Um alle Finger schlinge,
Wie ist das Gold so reich,
So schmiegsam sanft und weich
Das um die hohe Stirne,
So weiß wie Elfenbein,
Das um die süßen Rosen
Der heitern Wangen dein,
So weich gesponnen, zart gekräuselt,
Wie holde Blumen spielt und säuselt.
Ich sitze still und spiel' so gerne -
Du senkst auf deine Augensterne
Die langen Wimpern, blickest nicht
Zu mir empor ein einzig mal? -
Da hebst du plötzlich das Gesicht,
Dein Lächeln, wie ein Sonnenstrahl,
So hell, so heiter wecket mich
Aus meinen Träumen wonniglich.
Mit deinen Händen fassest du
Die meinen, ziehst sie nieder -
Und ziehst sie zu der schönsten Ruh,
An deinem Herzen nieder.
Und sprachlos steh' ich da und blicke
In's Auge dir, in's Auge rein,
Und deine tausend jungen Reize,
Und du, o du! - dein Herz ist mein!
---
Wie hast du es nur angefangen,
Daß Seel' und Sinn nur nach dir strebt?
Ist es die Blüthe auf den Wangen,
Der Geist der in den Zügen lebt?
Ist es das Auge seelenvoll,
Das Zauberlächeln auf dem Munde?
Ist's die Gestalt, so anmuthsvoll? -
Ich weiß es nicht zu dieser Stunde;
Ich sah dich und mein Herz erglühte,
O niemals, niemals noch erblühte
Da all's auf Erden hell und rein,
Im Frühlingsglanz, im Morgenschein,
Ein Wesen, so vollendet, wie
Die Einz'ge, die mir Gott verlieh.
---
Wie in den Sternen Reinheit ist,
So strahlte Reinheit wo du bist;
Wie Wonne weht im Blumenhauch,
So weht um dich die Wonne auch;
Wie stärkend kommt des Morgens Licht,
So strahlet freudig dein Gesicht;
Wie Hoheit bei der Lilie wohnt,
Auf deiner Stirn die Hoheit thront;
Wie Freude lebt im Vogelsang,
Wacht Freud' vor deiner Stimme Klang;
Wie Demuth bei den Veilchen ist,
So weißt du nimmer, was du bist.
Und wenn des Frühlings Lust und Pracht
Mit allen Wonnen aufgewacht -
O sprecht mir nicht vom Frühlingsschein!
Ihr mögt an solcher Freud' euch freun,
Mein Frühling welkt und weichet nie,
Mein Born des Entzückens, mein Frühling ist Sie!
2.
Ihr Blumendüfte,
Ihr heitern Lüfte,
Spielt um mich her!
Du Abendstern!
Heut' ist sie fern,
Ich seh' sie nicht mehr.
Herbei ihr Lüfte
Voll Frühlingsfreud',
Ich will euch senden
Zur schönsten Maid,
Sagt ihr mein Träumen,
Ist sie allein!
Sagt es den Bäumen,
Den Blümelein,
Sagt's auch dem Echo
Tief unten im Thal,
Damit sie es höre
Unzähligemal,
Und sagt es auch leise
Den Wellen im Bach,
Da sitzt sie so gerne
Bei'm sinkenden Tag.
So geht denn ihr Lüftchen,
Und glückliche Reise!
Und mich lasset träumen
Nach alter Weise.
Doch morgen ihr Lüfte,
Da brauch' ich euch nicht,
Da schau' ich wieder
In's liebe Gesicht.
Dann mögt ihr nur spielen,
Thun was euch gefällt,
Dann brauch' ich nichts weiter,
Auch nichts auf der Welt.
Ihr Herz und das meine,
Und weiter nichts mehr!
Und heut', hätt' ich alles,
Wär's todt mir und leer.
D'rum eilt nur ihr Lüftchen,
Und eilt nur ihr Sterne,
Und eilt nur, damit doch
Die Nacht sich entferne!
Es schleichen die Stunden,
Die Ruh' macht so müd',
Ihr seyd auch so träge,
Ihr Stunden entflieht!
Der Morgen hat immer
Die Erde geliebt,
Wenn er sie so lange
Dem Dunkel hingiebt;
So geht nur ihr Lüftlein,
Und grüßet sie nicht,
Doch eilt nur und wecket
Der Sonne Licht.
Und morgen da spinne
Der Tag sich lang -
Wie will ich ihm danken
Mit Jubelgesang!
Wie will ich ihn schlürfen
Den Becher der Wonne!
Wie schön ist das Leben,
Wie hell scheint die Sonne!
Ich grüße den Morgen,
Ich juble dem Licht!
Ich grüße das liebe,
Das schöne Gesicht!
Ich lausche den Worten,
Ich bin wie im Traum -
O still meine Seele!
Du trägst es wohl kaum? -
---
Ich hab' drei Veilchen abgepflückt,
Drei Glockenblümlein hell und schön,
Die hab' ich dir zum Gruß geschickt,
Weil sie dir ähnlich seh'n.
Ich mag die stolzen Blumen nicht,
So glänzend, reich und kühn -
Die Liebe sucht das Sternenlicht,
Und wenn ihr Blumen blüh'n,
So müssen's stille Wesen seyn,
Die sich im Schatten leise freu'n.
Die Rosen blüh'n und grüßen schön -
Ein Mensch braucht nur vorbei zu geh'n,
Sie scheinen so einfach und sind doch stolz,
Ihre Wurzel ist stark und dornicht ihr Holz,
Die Veilchen und die Glöcklein sind
Im Thal erblüht für Thau und Wind;
Sie sind so duftig, zart und weich,
Und sprechen doch zum Herzen gleich.
---
O komm! o komm! verweht ist die Nacht!
Die Blumen sind alle schon aufgewacht,
Es strahlet die Schöpfung im farbigten Licht -
Ich seh' wohl die Sonne, doch hell ist's noch nicht;
Im Herzen ist's dunkel, von Wolken umgeben,
Da bringet die Sonne nicht Freud' mir und Leben,
O komm! o komm! dann wird es Tag,
Und alles ist jubelnd und licht und wach!
Dann ist die Erde so freudig, so schön!
Ich könnte bewundernd wohl Stundenlang steh'n.
Wenn die sanfte Freud' erscheint,
Wenn das Herz vor Wonne weint,
Wenn die Brust vor Wonne bebt,
Ist's Entzücken daß man lebt.
O komm auf leicht beschwingten Füßen,
Damit wir den thauigten Morgen begrüßen!
3.
Ich habe dich! soll ich's in Worte kleiden?
Wie könnt' ich nur? - Es lebt in mir
Ein heit'rer Tag voll Fried' und Freuden,
Ich bin beglückt und dank' es dir.
Die Menschen sind mir nah - ich liebe,
Das ist mein Leben; oftmals dünkt
Es mir, als ob ich einsam bliebe
In einem Zauberland - dann winkt
Ein Stern mir zu so warm, so helle,
Und das bist du! - mein Herz ist klar,
Wie in dem Wiesenbach die Welle,
Ich liebe dich, und du bist wahr.
An Zukunft denk' ich nicht - ich glaube -
Ich liebe nur - bin froh und reich!
Ich leb' in einer Blüthenlaube,
Ihr guten Geister, still bei euch.
Und wein' ich noch, sind meine Thränen
Von Freude süß; ich bete kaum,
Und fühle Gott so tief - mein Sehnen
Ist Wahrheit worden. Um den Baum
Schlingt froh die Rebe ihre Zweige,
Und lebt mit ihm - durch ihn - und ich?
Sieh' meine Thräne! wenn ich schweige,
Spricht sie zu dir! Ich habe dich!
(S. 175-184)
_____
Die Liebe und der Schmerz
Laß mich, laß mich lieben,
Dir mein Leben weihn!
Alle Blumen schlafen,
Nachtwind wiegt sie ein,
Alle Sterne wachen,
Lächeln still hernieder,
Und es kühlt der Friede
Deine Augenlieder.
Laß mich dir zu Seiten
Stille, stille sitzen,
Will die Hände halten,
Will den Kopf dir stützen.
Leg' ihn stille nieder,
Denn mein Herz ist treu.
Weine du, o weine!
Bis dein Schmerz vorbei!
---
Du hast schon viel gelitten,
Hast Täuschung viel empfunden,
Hast viel gekämpft, gestritten -
Dir haben heiße Stunden
Die Furchen tief gedrücket
In's Herz - ich weiß es wohl!
Dein schönes Auge blicket
Umsonst nicht kummervoll -
Um deine lieben Lippen
Zückt es so schmerzensreich,
Du kannst so bitter lächeln
Und deine Wang' ist bleich -
Ich weiß, dir hat das Leben
Den bittern Kelch gegeben,
Dich haben oft die Menschen
Gekränkt und mißverstanden,
Du hast die Qual empfunden,
Die stets die Besten fanden -
Ich weiß es wohl - doch nun! doch nun
Kannst du vertrauend, stille ruhn
An einem Herzen, das so reich,
So überströmend voll von Liebe.
Was ist dein Antlitz kummerbleich?
Was zuckt's um deine Lippen trübe?
Ist denn die Liebe mein so arm?
Wird dir's bei mir nicht still und warm?
---
O könnt' ich sterben für dein Glück,
Das wär' ein sel'ger Augenblick -
O könnt' ich leben dir zur Wonne -
O Gott! wie wollt' ich jede Sonne,
Begrüßen jedes neue Licht,
Wie eines Engels Angesicht,
Das in der allertrübsten Nacht
Verlaß'nen Seelen Trost gebracht.
Mir ist als müßten Blumen sprießen
Zur Seiten mir, zu meinen Füßen,
Mir ist als müßt' mich Fried' umfächeln,
Als müßten Erd' und Himmel lächeln,
Als müßt' mein Herz von Wonne weit,
Sich lösen in der höchsten Freud',
Als müßt' ich dann zu glücklich seyn,
Wenn du mich liebst und wenn ich dein!
---
Gieb mir die schöne Blume wieder
Die gestern noch so hold geblüht!
Wo ist die schöne Blume geblieben,
Die gestern noch so hold geblüht? -
Sie ist verloren - ist dahin! -
Ich fühle, daß ich traurig bin,
Und lächle doch und blicke nun
Zur Erde wo die Todten ruhn;
Dann schau' ich zu den Sternen wieder,
Und meine Thränen fallen nieder.
Wo ist die schöne Blume geblieben?
Das junge, sorglos heitre Lieben.
---
Die Treue ist so tief, so weit,
Wie droben des Himmels Herrlichkeit,
Die Treue ist so tief, so rein
Wie d'runten der Tiefe Edelstein,
Die Treue ist so stark wie der Tod,
So tröstend wie das Morgenroth,
Das endlich nach langer und trüber Nacht
Dem trauernden, einsamen Wand'rer erwacht.
Die Treue ist ein Felsen im Meer,
Ein Quell der Labung in Wüsten leer.
Die Treue wird erst d'roben erkannt,
Sie geht, ein Engel, unverwandt
In guten und in bösen Zeiten
Dem auserwählten Glück zu Seiten.
Die Treue hat den Sieg erreicht,
Wenn die Hoffnung wankt und die Freude erbleicht.
Gieb mir die Hand, ich bin dir treu,
Was thut es ob dunkel, ob Licht es sey? -
---
Sey still, sey still und bitte nicht,
O bitte nicht so viel!
Es weint mein Herz und wallt und bricht
In seinem Hochgefühl;
Laß mich in deine Augen schauen,
Und dich, dich lieben, dir vertrauen.
So warm, so mild wie Frühlingsluft,
So sanft wie einer Blume Duft
Ist mir dein Lächeln; bitte nicht,
Weil dann mein Herz im Kampfe bricht.
O, wenn ein Engel nun mir käme,
Hinweg, hinweg die Seele nähme
Und führte sie zu jenen Räumen,
Wo's schön wie hier in unsern Träumen,
Und lächelt' mir ein Stern hernieder,
Und brächte meine Kindheit wieder,
O süßer wär's noch dir zu leben,
Dir alles, alles hinzugeben,
Mein ganz Empfinden, all' mein Glück,
Und jeden Athem, jeden Blick.
---
Wie ist dein Auge rein und schön!
Ich kann in die Tiefe so tief nicht seh'n,
Dein Aug' ist wie der Himmel droben,
Da wohnt ein Geist den Engel loben,
Vor dem die Menschen schweigend knien,
Vor dem alle bösen Gedanken entfliehn!
Wenn ich bei dir nun bin und lebe -
Ich hab' kein Wort; ich schweige, bebe -
Der Fuß berührt die Erde kaum -
Ich wund're mich, daß es kein Traum -
Von fern kommt eine Melodie -
Ich hör' sie nicht - ich fühle sie -
Mir ist das Herz so sanft, so weit,
Wo ist nur Täuschung, Schmerz und Leid
Und Sorge dieser Welt geblieben? -
Es ist so süß, so süß zu lieben!
---
O wenn wir beide sterben könnten,
Damit wir nie uns wieder trennten!
Wie wollen wir das Leben tragen?
Die Reihe von langen und trüben Tagen?
Das arme, dumpfe, enge Leben -
Gott wolle dir den Frieden geben!
Ein Daseyn, herrlich wie die Sonne,
Was diese Erde trägt an Wonne,
Und einst den Himmel, wenn dir müd'
Die Seele heimwärts, heimwärts zieht.
O wenn ich dich verlieren muß,
Bring' dir ein Engel meinen Gruß,
Denn wie soll ich das Leben tragen
Und nicht ein Wort der Lieb' dir sagen?
---
Wie ist deine Seele so mächtig, so mild!
Sie hätt' ein Weltall ausgefüllt,
Wie ist dein Herz wie des Kindes Herz!
Du weinest nicht um eignen Schmerz -
So jung bist du und littest viel -
Doch Menschen wie du führet Gott zum Ziel.
Ich möcht' dir Wiesenblumen bringen,
Wir wollen beid' so süß uns freun!
Ich möcht' dir wie ein Vöglein singen,
Ein Lied der Hoffnung hell und rein!
Doch alle Sterne sind verhüllt,
Uns ist die Welt von Weh erfüllt.
O deine Stimme tausendmal,
Hat mich erweckt zu Wonn' und Qual -
Die Nachtigall hat nicht ein Lied,
Das uns so warm durchbohrt, durchglüht;
Und bald soll ich die Stimm' nicht hören?
Soll einsam geh'n und stumm entbehren?
Doch weil du so edel, so stark, will ich
Das Leben durchwandeln würdiglich,
Ich will nicht denken an alles Glück
Das mir versagt und verwehrt vom Geschick.
---
Ich knie und fasse im Geist deine Hände,
Und bitte, daß Gott sich dir gnädig wende,
Und bitte, daß gute Engel dich leiten
Zu tausend Genüssen und tausend Freuden!
Und bitte, daß gute Geister dir rathen,
Dir helfen zu allen Geisterthaten.
Und werden wir einst gestorben seyn,
Dann geh'n wir wohl beide zum Frieden ein.
Es ist so süß zu lieben, zu geben!
O kauft' ich dein Glück mit meinem Leben!
Doch still, o still! es darf nicht seyn!
Wir wandeln trauernd und allein.
Leb wohl, leb wohl! - Mein Vaterhaus
Ist öd' und leer, ziehst du hinaus -
Leb wohl, leb wohl! nun hab' ich nichts mehr -
Es kommen die Tage so trübe, so schwer!
Wer weìß? die Engel sind voll Erbarmen,
Sie heben mich auf in ihren Armen,
Und, werd' ich erst gestorben seyn,
Dann bin ich wieder, wieder dein.
Deckt mich mit schwerer Erde zu,
Ich hätt' im Grab doch keine Ruh.
Wie Blumen aus der Tiefe dringen
Und ihrer Sonn' die Grüße bringen,
So komm' ich auch und suche dich
Auf allen Pfaden ewiglich.
Wohin das Schicksal uns mag tragen?
Wir wissen's nicht - wer kann es sagen?
Was einmal liebt, das trennt sich nicht,
Ein Traum, ein Wunsch, ein Stern und Licht!
Wer trennt und theilt die Wasserwogen,
Die Bäche die vereint der Lauf?
Sie sind hinab in's Meer gezogen,
Das weite Weltmeer nimmt sie auf.
Nun Lebewohl! faß' nicht die Hand,
Sonst wird das Scheiden schwer.
Wir ziehn nun beid' im fremden Land
So fremd und arm einher.
Es muß so seyn - d'rum wandle fort,
Ich hab' für dich kein Abschiedswort,
Das Wort ist doch nur Hauch und Laut,
Und du hast in mein Herz geschaut.
2.
Und müssen wir denn scheiden,
Und sollen nicht länger uns freun?
Und soll es nun uns beiden
Nie wieder helle seyn?
Und müssen wir denn wandern,
Du ostwärts und ich West,
Wenn ein Tag nach dem andern
Uns ohne Tröstung läßt?
Und sollen nie uns finden
Und doch einander seh'n,
Ob wir auf allen Winden
Die weite Erd' umgeh'n.
Nun bringt den Schatz der Freuden
Bringt uns der Welt Genuß,
Wir müssen darben, leiden,
Bei allem Ueberfluß.
Im Lebensbecher perlte
Ein Tropfen hell und rein,
Im Lebensbecher glänzte
Ein flüß'ger Edelstein,
Im Lebensbecher heute,
Ist Bitterkeit und Schmerz;
Es brennt der Trank - ich finde
Nicht Labung für mein Herz.
---
Du stand'st am Quell im Garten
Und schöpftest aus der Fluth -
Und niemand kann mir geben,
Was dort an Wonnen ruht.
Die Wunder alle schweigen -
Ich forsche, frage kalt -
Ich soll wie and're leben?
Und hab' im Licht gewallt!
Ich soll wie and're wünschen
Und habe dich geseh'n -
Ich soll wie and're hoffen
Und ihre Freud' versteh'n!
Versagt ist mir der Garten -
Da d'rinenn ist es Tag,
Da hat doch alles Leben,
Ist warm und mild und wach!
Ich denk' daß wir nur träumen -
Es wird vorüberziehn. -
Wir sind noch in dem Garten
Wo alle Blumen blüh'n.
---
Wie hast du mir so weh gethan!
Siehst mich so still, so schmerzlich an,
Und reichest mir die Hand
Das Antlitz weggewandt!
Auf meinen Knien fleh' ich dich
Um einen Augenblick für mich.
Laß mich die lieben Hände halten,
Noch einmal, einmal mit dem alten,
Dem ewig jungen Hochentzücken
In deine sanften Augen blicken!
Und deiner Stimme süßen Laut,
Den Ton so weich, so leis', so traut,
Noch einmal, einmal, einmal hören!
Wenn wir allein und einsam wären
Auf eines Felsen rauher Höh',
Ach mitten auf der wilden See;
Und um uns alles Nacht und Tod,
Doch in uns, in uns Morgenroth!
Und über uns ein heller Stern,
Und fern eine Küste, wie Nebel fern -
Und läge unser Boot zerschellt,
Wär' uns versagt die weite Welt,
Hab' ich nur dich, nur dich, nur dich!
So leb' denn wohl; entferne mich,
Du weinest doch bei meinem Schmerz,
Und dir und mir zerbricht das Herz.
Verwais't und arm ist mein Gemüth,
Die Freude d'rin ist abgeblüht,
Doch deine Seele ist wie Schnee
Hoch oben auf der Berge Höh'.
Reich' deine Hände mir entgegen
Zum letzten Gruß, zum letzten Segen!
---
Wir sind getrennt - wohl and're seh'n
Dein Lächeln hold, dein Lächeln schön,
Wohl andern klingt die Stimme rein,
Wohl andern glänzt des Auges Schein;
Für mich bist du gestorben nun -
Die Wünsche müsse alle ruh'n;
Du bist für mich auf Erden nicht
Ein lebendes Wesen voll Wärm' und Licht,
Du bist nun todt für mich - ich habe
Wohl viel geweint an deinem Grabe.
Du sagst, der schöne Himmel dort
Ist deinem Schmerz ein Ruheport -
Ich denk', daß du im weißen Kleide,
Im Todeskranze schläfst und lächelst,
Daß du nun in der Engel Freude
Mit Blumen deine Stirne fächelst -
Dann denk' ich, daß du lebst hienieden,
Daß wir getrennt, getheilt, geschieden!
O sieh, da sinkt die Kraft zusammen!
Die Seele ruht auf Höllen-Flammen.
Der Erde Blüth'! der Erde Licht!
O senk' dein Aug' in Thränen nicht!
O weine nicht! - dann stürmt der Schmerz,
Als wär's ein Todtfeind, in mein Herz,
Und hinter ihm in dichten Wogen
Kommt eine wilde Schaar gezogen!
Die stürzen und stürmen und dringen ein,
Und jedes sucht sich Platz und Raum;
Da muß das Herz zermalmet seyn,
Es kämpft und streitet kaum,
Da sinken schlaff die Arme nieder
O weine nicht so schwer, so bange,
Wir wissen ja beid' unser Schicksal schon lange!
Das eine Wort: "wir sind geschieden",
Nimmt alles weg, Glück, Trost und Frieden.
---
Oft wirst du in den Garten wallen,
Oft wird das Laub des Herbstes fallen,
Und mancher Frühling kehret wieder,
Bringt Blüthe, Laub und Vögellieder,
Wohl manche Nacht kommt sanft und bleich,
Wohl mancher Morgen wonnereich!
Die alten Lieblingsplätze sind
Noch alle da - der Abendwind
Wird oft mit deinen Locken spielen,
Mit sanftem Hauch die Brust dir kühlen:
Und manche Rose wirst du pflücken,
Wirst oft noch zu den Sternen blicken;
Musik und Freud' und Kerzenschein,
Sie werden oft noch um dich seyn, -
Und doch - ich weiß es wohl - verdorben
Ist alles dir und abgestorben.
Wir haben beid' nichts mehr hienieden -
Ein Winterblümchen kommt vielleicht,
Wenn selbst Erinn'rung abgebleicht;
Es lächelt kalt - wir nennen's "Frieden"
O uns're reiche Vergangenheit!
Und uns're lebenswarme Zeit!
Wo ist die Blume mit ihrem Duft
Die lau durchwürzte, durchbebte die Luft?
So daß die Sterne selbst irrend gingen
Und träumend nur am Himmel hingen -
Wo ist die weiße Blume geblieben?
Das reiche, entzückende, selige Lieben?
Hat sie ein Engel hinweggenommen?
Trug sie ein Geist zu des Dunkels Gründen?
Ist sie hinab in's Weltmeer geschwommen?
Ist sie entführet von den Winden?
Ich finde ihre Pracht nicht mehr,
Und auch die Stätte ist öd' und leer.
Leb wohl, leb wohl! geh' in den Hain,
Wo ich dich fand und wo du mein -
Leb wohl, leb wohl! geh an den Bach,
Wo wir gelebt den schönsten Tag;
Leb wohl, leb wohl! dort weine du
Dein armes, leeres Herz in Ruh'.
---
Ade! Ade! Ade! Ade!
Da stehst du vor dem Hause,
Legst deine Hände auf die Brust,
Und betest so innig, so leise!
Ich weiß es wohl für wen du betest,
Ich weiß es wohl um wen du leidest,
Ich weine still und bete, wie
Für mich du leidest und betest; du
Mein Engelbild, mein süßes Glück!
Es ist entschwunden, kehrt nimmer zurück.
---
Nun segne meinen Wanderstab
Und brich noch eine Blume ab,
Und wirf sie nieder in den Bach,
Und schau' ihr lange, lange nach -
Dann wende deinen Thränenblick -
Die arme Blum' ist unser Glück.
Ich knie' dir zu Füßen; o heiß mich geh'n,
Sonst bleib ich gebannt, ohne Regung steh'n!
Ich darf nicht rasten, darf nicht weilen,
Muß vorwärts unaufhaltsam eilen -
Aus Wolken neigt dein Bild sich mir,
Aus jeder Blume winkst du mir,
Doch nein, o nein! auch nimmermehr
Kommt uns die ärmste Freude her.
Der Pilger zieht vom Vaterhaus
In fremde Lande froh hinaus,
Er zieht durch Wüsten hoffnungreich,
Was braucht er Quellen und Gesträuch
Und Labung vor des Tages Gluth?
Er hofft daß er einst freudig ruht
Nach allen Schmerzen, allen Wunden,
Wenn er sein Gnadenbild gefunden:
Wir haben nichts zu hoffen mehr
Und Erd' und Himmel sind uns leer.
Wüßt' ich: ich muß dich lang' entbehren,
Doch einst werd' ich die Stimme hören,
Und Jahre müssen trüb' vergeh'n,
Dann werd' ich dich, dich wiederseh'n!
Meinst du ich trau'rte noch? O nein!
Mich freute jedes Abends Schein,
Mich freut' es wenn ein Tag vorüber,
Und wenn die Jahrzeit kälter, trüber,
Wenn wiederum der Schnee zerronnen,
Und wenn vorbei des Sommers Wonnen,
Und ein Herbst fliehend nach dem andern -
Wie wollt' ich stark und freudig wandern,
Und nicht ermatten, nimmer sinken,
Fern seh' ich dich, von ferne winken,
Und immer näher kommt der Schein,
Und endlich! endlich bist du mein!!
Dich halten meine Arme wieder -
An meinem Herzen lebst du wieder,
Sind das die lieben Lippen? das
Die Wangen, und die Haare weich?
Sind das die Händ'? die Augen das?
Wie bin ich glücklich, wie so reich!
Ist das das lieb' bekannte Herz?
Nach soviel Sehnsucht, so viel Schmerz!
Und wie wir jauchzen, wie wir weinen
Und beben, und vor Wonne weinen!
Du thöricht Herz! laß alles ruhn,
Nicht wissen die Menschen was sie thun,
Und wir sind wahnsinnig wohl beide
Weil wir uns trennen von so viel Freude;
Weil wir wie Kinder furchtsam stehn,
Nach alten Schatten gläubig seh'n.
Sag! wer wird uns das Glück ersetzen? -
Was wird die heißen Lippen netzen?
Wir beten still zu uns'rer Pflicht,
Und wissen doch, sie kann es nicht!
Nichts kann sie uns, nichts weiter geben,
Nur dir und mir ein dürftig Leben;
Leb wohl, leb wohl! du willst es haben,
Ich weiß daß wir das Grab uns graben,
Uns beiden welkt des Herzens Blüth',
Wir sind so trüb, so matt und müd'. -
Gott schuf die Menschen doch zur Freude!
Sieh! die Natur im Frühlingskleide,
Sieh! wie sich alle Wesen freun,
Zur Freud' ist kein's zu arm, zu klein!
Wir nehmen nicht was Gott gegeben,
Und schmäh'n die Erd', ihr Licht und Leben,
Wir lauschen was die Meinung spricht
Und folgen uns'rer eis'gen Pflicht.
Und ob wir dabei untersinken,
Nichts nützen uns und nichts der Welt,
Wir müssen doch den Kelch austrinken,
Und kämpfen bis die Kraft zerfällt. -
Und was ist dabei Zweck und Ziel?
Ich weiß es nicht; doch das Gefühl
Das heut' uns trennt, spricht man, wird lohnen
Ich frage nicht nach seinen Kronen.
Wir scheiden von der Erde Pracht
Und tauchen in des Kummers Nacht,
Wir netzen unser Aug' mit Thränen,
Nach Ruh' und Trost ist unser Sehnen,
Und Dank und Freud' und Wonn' und Lust,
Der ganze Frühling in der Brust,
Die junge, starke, freud'ge Kraft
Liegt da verwelkt, im Schmerz erschlaft.
Was soll das Schicksal nur mit Herzen
Die ganz erschöpft von ihren Schmerzen?
Leb wohl, leb wohl! O wanke nicht,
Ob so viel Jammer aus mir spricht!
Du hörtest meine letzten Klagen:
Auch ich kann stumm und still ertragen,
Voll Mitleids wein' ich um uns beide,
Denn süß ist dieses Lebens Freude.
Nun segne meinen Wanderstab,
Wirf alles in die Fluth hinab,
Das Hoffen, Halten, Träumen, Sehnen, -
Die Fluth ist trüb' von unsern Thränen,
Die Fluth nimmt unsre Hoffnung mit,
Die Freude weicht vor unserm Schritt,
Und schweigend, farblos, kalt und stille
Wird all's zur Form, zur todten Hülle
Der Lebenshauch ist abgeschieden -
Behüte Gott, wer's fühlt hienieden!
3.
Hast du mir alles weggenommen?
Und alles, alles auch behalten!
Ich habe dich so warm umfaßt
Und meint' es müsse ewig bleiben
Das süße wonnevolle Leben!
Und nun ist alles mir entschwunden,
Entrücket ist es meinen Augen,
Was ich geehrt, bewundert habe,
Und angestaunt und froh verwebt
Mit jeder Fiber meines Herzens -
Es ist dahin, wie auf den Hügeln
Die langen Schatten die verwehn.
Ich weine nicht; ich weiß, ich werde
Mit meinem Schmerze mich versteh'n;
Wir werden mit einander leben,
Wir werden mit einander wallen,
Uns lieben wie bekannte Freunde,
Denn von dem Schmerze kann man lernen,
Er zeiget uns den Weg zur Ruh'
Zur Duldung und zum stillen Frieden,
Und er erklärt uns jene Worte
Die an dem Himmelsdom geschrieben.
Der Schmerz ist wie die heil'ge Mutter,
Die große Meister hergerufen,
Die Mutter, die das Schwerdt im Herzen,
Dasteht am Kreuze ihres Sohn's.
---
Klingt dir mein Name süß? schreibst du
Ihn still mit Thränen nieder?
Ist dir mein Bildniß hell, senkst du
Darin die Seele nieder?
Dich sucht so still mein stiller Sinn,
Fliegt wie die weiße Taube hin,
Die sich den schönen Friedenszweig
Will holen fern aus fernem Reich.
O sage mir, weinst du noch heut'
Bei Klängen aus der alten Zeit?
Bringt, wenn um dich das Leben schweigt,
Wenn sich der Tag zur Ruhe neigt,
Bringt dir ein Hauch, ein Ton, ein Blick
Den alten, sel'gen Traum zurück? -
Und kommt Erinn'rung zum Gemüthe
Und flüstert leis' mit Zaubertönen,
Umsäuselt dich wie Duft der Blüthe,
Bis dir das Auge feucht von Thränen?
Und rufst du mich, wie einst zu dir,
Fühlst meine Näh' und dankest mir?
Oft wenn ich ruhig, still, allein,
(Ich mein' ich könnt' wohl glücklich seyn,)
Da kommt ein Ton, ein Blick, ein Laut -
So war es einst! und sieh! bethaut
Von Thränen ist mein Herz - ich weine -
Und weiß nicht ob vor Schmerz ich weine.
In meinen Thränen bist du immer,
Du bist mir wie ein lichter Schimmer;
Ich seh dich oft vorüber wallen,
Du lächelst, deine Grüße hallen!
Zu Eis erstarren meine Glieder -
Dann tret' ich in das Leben wieder. -
Ich lächle weil ich kindisch bin -
Was todt ist todt - was hin ist hin!
Und weißt du wie wir glücklich beide? -
Kein Wesen war so reich an Freude;
Wie waren alle Blumen schön! -
Wie konnten wir so fröhlich steh'n,
Und jede Kleinigkeit Entzücken! -
Und heut', ich kann so viel's anblicken,
Es steht vor mir als wär's nicht da -
Mir ist als ob ich's oft schon sah. -
Zufrieden bin ich ganz von Herzen;
Gott weiß, ich tadle meine Schmerzen,
O warum bleibt Erinnrung fest,
Ein Geist der sich nicht bannen läßt?
O warum, wenn das Herz nicht glüht,
Ist alles welk und abgeblüht?
Warum möcht' ich viel lieber leiden
Als mich von meinem Schmerze scheiden? -
Ich hab' mir nicht mein Herz gegeben,
Und wie ich bin so muß ich leben,
Und Lieb' und du, warum kamt ihr
Als mächt'ge Herrscher einst zu mir?
Sie sprechen mir von Will' und That -
Und gut und heilsam ist ihr Rath;
Und ob ich auf dem Pfad umsinke
Und Tod mir aus dem Becher trinke -
Ich wandle fort - ich lebe weiter. -
Getröstet bin ich oft und heiter -
Dann wacht die alte Sehnsucht auf;
Ich möcht' die Stern' in ihrem Lauf
Herab, herab, hernieder reissen!
Wie einst dich mein Entzücken heißen!
Und wissen daß du liebst wie einst,
Und fühlen daß du fühlst und weinst -
O Gott! es ist ein traurig Leben
Wenn man so nichts mehr hat zu geben!
---
Bist du beglückt - o pflücke du
Ein Blümchen mir, nur ein's - nicht mehr! -
Leg' es bei Seit'; wenn ich zur Ruh
In's Grab gesunken, komm' daher,
Leg' hin das Blümchen auf mein Grab,
Und dankbar schau' ich dann hinab,
Und Frieden send' ich zu dir nieder,
Und lächelnd wird dein Leben wieder.
Und wenn du wallst im heil'gen Dome,
Wenn dort gleich einem breiten Strome
Gesang und Andacht dich umfluthen,
Wenn hell in ewig hellen Gluthen
Die Kerzen auf dem Altar brennen;
Gefühle die nicht Worte nennen,
Aus den Gemälden, Säulen, Hallen
In Würde zu dir niederwallen,
Und wenn das heil'ge Dämmerlicht,
Wenn Luft des Weihrauchs zu dir spricht,
Wenn zu des Hochaltares Stufen,
Anbetung, Dank dich hingerufen:
O allen Jammer kennest du! -
Dort deckst du alle Schmerzen zu;
Es senkt sich Trost in dein Gemüth,
Du lächelst, und die Sorge flieht -
Dann will ich leise zu dir treten
Und mit dir weinen, mit dir beten,
Gott woll' um uns die Flügel breiten,
Damit wir still durch's Leben schreiten!
---
Ich weiß nun, alles muß vergeh'n -
Ich sah die Frühlingszeit ersteh'n,
Da war das Weltall licht von Freude!
Da blühte auf die dürre Haide,
Die Sonne schien so warm, so hell,
Durch Wüsten floß ein Silberquell,
Und all's so jung, so freudig lag,
Wie einst Natur am Schöpfungstag.
Ein Hüttchen stand verborgen ganz,
Von alten Bäumen hielt ein Kranz
Umfangen dicht des Hüttchens Frieden,
Von aller Welt war's abgeschieden
Und graue Felsen hielten's auch
Bewahrt vor jedem rauhen Hauch.
Nicht Pracht und Glanz war dort zu seh'n:
Der Weinstock schmückt die Wände schön,
Der Teppich war von Blumen ganz,
Da war nicht edler Steine Glanz,
Nicht fremde Tritte hallten dort,
Still wie ein Tempel war der Ort -
Da blühte friedlich jede Lust -
Und stille ward die laute Brust,
Empfand der Erde Freud' und Schmerz,
Wahr, tief, lebendig! Ach, das Herz
Ermattet in der Welt Gewühl,
Ward froh und leicht beim sel'gen Spiel!
Wohl zogen Wolken ferne auf,
Sie zogen vorüber in ihrem Lauf -
Die Stürme kamen dumpf und kalt,
Sie sind vorbei an dem Hüttchen gewallt -
Es kam der sengende Sonnenstrahl,
Erbarmend verschont' es das blühende Thal -
Es kam der Winter mit Frost und Schnee,
Er blieb gelagert auf der Höh';
Das Hüttchen stand, ein Ruheport,
Und grünt' in seinem Frieden fort.
Es hat ein Dämon rauh und kalt
Mit seines Zauberstab's Gewalt
Das reiche, süße Glück zerstört,
Wo ist das Thal das mein gehört?
Wo ist, o Gott, die Hütte
In meines Gärtchens Mitte?
Wo ist die Hoffnung, wo die Lust?
Der Friede wo in meiner Brust?
Hilf Gott, hilf Gott! laß mich genesen,
Laß mich vergessen wie's gewesen!
Ich weiß nun: alles muß vergeh'n,
Ich werd' mein Glück nicht wiederseh'n,
Für mich ist todtenblaß die Freude -
Natur liegt da im Leichenkleide -
Und hab' ich nun die lange Nacht,
Die Nacht der Schmerzen durchgewacht,
Kommt mir kein Morgen tröstend her -
Ich war beglückt und bin's nicht mehr.
Hätt' ich die Welt, wär's froh um mich,
Was wär' es, was? ach! ohne dich!
Ich weiß, mir steht das Leben offen,
So lang man athmet, kann man hoffen,
Doch jede wahre, warme Lust
Ist ewig todt in meiner Brust.
Am Stab des Glaubens wank' ich weiter -
Ein guter Trost ist mein Begleiter;
Der Will' ist stark - der Schmerz bleibt doch,
Er brennt und nagt und lebet noch,
Sieht mich mit starren Blicken an,
Bis ich vor Graus nicht athmen kann.
Nehmt alles hin! o senket wieder
Die alte Freud' auf mich hernieder!
Die Freud' ist eine Nachtigall -
Sie flieht mit dem Frühling überall.
Doch wenn man nichts mehr hat zu geben,
Läßt sich's wohl still und ruhig leben.
---
Alles bricht und alles stirbt,
Doch die Lieb' in uns verdirbt,
Wankt und bricht und endet nicht;
Ewig ist der Schöpfung Licht
In dem Wechsel aller Zeiten
Wird sie stark und sicher schreiten,
Keine Gluth kann sie verzehren,
Wie die Stern' in ihren Sphären,
Wie die alte, ew'ge Kraft,
Die im Reich des Lebens schafft.
Wenn der Tempel eingefallen,
Flieht sie zu den Blumen allen
Die auf der Ruine leben.
Unermeßlich ist ihr Streben,
Und doch füllt sie alles ganz,
Füget jede Blum' zum Kranz,
Jeden Klang zur Melodie,
Sie zerstört, zertrümmert nie.
Unter Schmerzen, unter Leiden,
Reich ist sie an Hoffnungsfreuden,
Was zerstört die rohe Kraft,
Neu hat sie's und mild erschafft;
Durch das dunkle Leben wallt
Ihre tröstende Gestalt,
Und Geduld und Treue zieh'n
Mit ihr durch die Wüste hin.
Solche Liebe ist es nicht
Vor der ein Herz zerfällt, zerbricht,
Solche Lieb' ist sanft und gut,
Hoffnung ist sie, Glauben, Muth;
Solche Lieb' ist Kraft und Leben,
Kann uns allen Frieden geben,
Solche Liebe ist es nicht,
Vor der ein Herz zerfällt, zerbricht!
Tröstend kommt sie, sanft und rein,
Gleicht der Flur im Mondesschein -
Sanft ist alles, friedensreich -
Aber farblos, matt und bleich.
Eine Liebe giebt es auch,
Wärmer denn des Frühlings Hauch,
Ein Entzücken, eine Sonne!
Lebensfülle, Pracht und Wonne!
Eine Freude, leicht beschwingt,
Wie der weiße Schmetterling,
Der die blaue Luft durchdringt,
Unter Blumen gaukelnd hing. -
In der Freude blüht das Herz,
Und es welkt im langen Schmerz;
Sonne, Kraft und Licht ist Liebe!
Tröstung kommt wie Mondlicht trübe.
---
Zerwühlt ist alles und zerstört,
So wild erschüttert ward die Erd' -
Und der Tempel ist zerfallen,
Seine Säulen, seine Hallen
Sind zerschlagen, sind zersplittert! -
Und der Wand'rer auf den Trümmern
Sieht das Licht des Abends schimmern.
Setzt sich schweigend, sinnend nieder,
Schaut sich um, und sinnet wieder,
Fühlt die eigne Brust erschüttert!
Bricht sich eine Blume stumm,
Die hervor an's Licht sich drängt,
Geht hinweg - schaut ernst sich um -
Und fühlt die Seele eingeengt.
4.
Leise, leise schallen
Lieder durch den Hain!
Wiegen mit den Lüften
Der Nacht die Blumen ein.
Leise, leise rauschen
Blätter, Halm und Blüth',
Leise, leise murmelnd
Durch's Gras das Bächlein zieht.
Und die Wellen gaukeln,
Hüpfen, spielen, flimmern,
Und die Blumen schaukeln,
Glänzen, funkeln, flimmern,
Und am Himmelsmeer
Zieh'n die Stern' einher.
Hast du mir, du schöne Nacht,
Thränen, Thränen mitgebracht?
Bringst erbarmend deinen Thau
Dem ärmsten Blümlein auf der Au';
Hast du mir du schöne Nacht,
Thränen, Thränen mitgebracht?
Schweigend wandle ich dahin,
Will mich an dem Leben freun,
Doch wo ich auch leb' und bin,
Denk' ich, denk' ich dein!
Wie der Pilger sucht die Stätte
Daß er seine Seele rette,
Wo die ew'ge Lampe brennt;
Wie den Port der Fischer kennt,
Wie das Kind die müden Schritte
Lenkt zu seiner Mutter Hütte,
Wie die Blume strebt nach Licht,
Strebt mein Herz und rastet nicht,
Strebt so innig ohne Ruh'
Dem einen, theuren Leben zu.
---
Was ich such' ist mild und schön,
Wie Blumen die am Bache steh'n,
Was ich such' ist groß und hehr,
Wie Tempel in den Wüsten leer;
Was ich suche das ist fern,
Ist reiner denn der Morgenstern!
Was ich suche, ist verweht -
Wie wenn eine Wolke vorübergeht.
Draußen glänzt der Frühling hold,
Trägt die Kron' von Perl' und Gold;
Doch der schöne Frühling weint
Wenn zu warm die Sonne scheint;
Doch der schöne Frühling weicht
Vor den Nebeln kalt und feucht,
Und der schöne Frühling flieht,
Wenn der Sturm vorüberzieht.
Alles stirbt und alles bricht
Nach dem Dunkel kommt das Licht,
Nach der Blüthe kommt die Freude,
Und Vernichtung folgt auf beide.
Hast du mir du schöne Nacht,
Thränen, Thränen mitgebracht?
---
"Alles schläft und alles schweigt,
Der Tag hat sich zu End' geneigt.
Wandle fort, geh' still in Ruh',
Decke deine Schmerzen zu.
Deine Hoffnung ist verdorben,
Deine Liebe ist gestorben,
Und dein ganz Geschick zerstört;
Sprich, was suchst du auf der Erd'?" -
Tief unten in den Felsengründen
Soll ich ein weißes Blümchen finden,
Wo schwarz die Kluft, schwarz wie die Nacht
Da hat's ein Engel hingebracht.
Das ist der Friede - wer ihn findet
Dem hat sich Gott der Herr verkündet.
D'rum nehm' ich meinen Pilgerstab,
Steig' in die dunkle Kluft hinab -
Und hab' ich erst den schönen Segen
Da lächelt mir die Erd' entgegen,
Die Wildniß selbst ist aufgehellt,
Und mein ist, mein die schöne Welt!
Und die Liebe und der Schmerz
Sind zwei Freunde für mein Herz.
Schlafen kann ich nicht und rasten,
Weil Gedanken auf mir lasten;
Die Kämpfer die zum Tode geh'n,
Bekränzt das Leben noch einmal schön,
Doch Herzen kämpfen ganz allein,
Kein Mensch tritt in den Kreis hinein.
Dem Wand'rer kommt auf seinen Wegen
Ein and'rer Wandersmann entgegen,
Doch die den Frieden suchen, wallen
Verlassen von den Menschen allen.
Der Tod ist einsam, ganz allein,
Der Mensch ist's auch im Leide;
Wohl süß ist's, wenn sich and're freun
Und theilen uns're Freude!
Doch wer da leidet, leide still,
Vollende was sein Schicksal will.
Zur Erde beug' er stumm sein Haupt,
Und selig ist wer hofft und glaubt!
Ich wandle zu des Felsthal's Gründen,
Und will das weiße Blümchen finden.
5.
Kennst du den schönen Lindenbaum,
Wo wir einst glücklich waren?
Wo ich so selig bei dir stand
In unsern Wonnejahren? -
Ich ging wohl gestern still hinaus -
Von ferne lag dein Vaterhaus -
Da war der lieb' bekannte Pfad,
Den oft mein Fuß betreten hat!
Ich ging hinaus am Wiesenbach -
Die Stern' am Himmel waren wach,
Und leuchteten so mild, so rein!
Da lag noch der bemoos'te Stein,
Wo du so oft gesessen,
Wo ich so oft in's Auge dir
Geschaut mit sel'gem Beben,
Wo ich so oft die Hand gefaßt,
Wo du mein ganzes Leben!
Wie haben wir so süß gespielt,
Wie haben wir so warm gefühlt!
Dein Lächeln war so schön!
Wie lauschten wir dem Vogelsang,
Wie saßen wir wohl Stunden lang
In unserm stummen Leben,
Und konnten nur uns still ansehn,
Und lächeln, weinen, beben.
Wir waren eins und waren reich,
Und jeder Ton klang sanft und weich;
Wir wünschten noch, und wußten nicht,
Wie der Moment so hell, so licht.
Sind deine Finger noch rosigt und weich?
Und schmiegen die schönen Locken
Sich noch um deine reine Stirn?
Und deine süßen Lippen,
Und deine sanften Augen,
Mit ihrem Blick voll Seele,
Mit ihrem Kindesblick!
Dort saßest du - du winkst mir schön!
Laß mich gebannt, wie damals stehn -
Du hebst die Hände leis' empor,
Die süße Stimm' berührt mein Ohr!
Und sieh, da kommt das alte Glück,
Mit jedem Ton und Traum zurück!
Ich meint' es hab' das Leben
Gestählet mein Gemüth -
Ich meint', daß jede Täuschung
An mir vorüber zieht!
Ich meint', ich sey geworden
So fest wie Eis im Norden;
Ich stand am offnen Grabe,
Weiß was das Leben hält,
Ich hab' wohl viel ertragen,
Gekämpft auf dieser Welt.
Was flossen meine Thränen?
Was schlangen meine Arme
Sich um die liebe Stelle,
Sich um den kalten Stein?
Was wachte auf die alte Zeit,
Mit ihrer jungen, sel'gen Freud'.
Was kamen Töne wieder,
Und senkten leis' sich nieder.
Du saßest wo du einst gesessen,
Nichts war verloren, nichts vergessen! -
Und was, was hat die Welt gewährt,
Seit ich den sel'gen Traum entbehrt?
Sie gab so wenig, nannt' es viel,
Verwirrte täuschend das Gefühl.
O kannst du mir es wiedergeben,
Das reiche, süße, sel'ge Leben? -
Komm wieder, o wieder zum Lindenbaum,
Zurück zum alten, bemoos'ten Stein.
Die Vögel singen wie damals süß,
Der Frühling ist auch nicht erstorben,
Und Sonne und Sterne sind da wie einst,
Und nichts ist anders geworden.
Nur unsre Herzen mit ihren Thränen,
Mit aller Erfahrung und allem Leid'.
Gieb mir die Hand, dann ist es vorüber,
Und alles erwacht zur Seligkeit!
Du bist das Kind, der Engel wieder -
Ich bin der Jüngling, der dir vertraut.
Leb' wohl! leb' wohl! Die Nebel fallen -
Ich hab' in den offnen Himmel geschaut.
(S. 185-219)
_____
Lieder
1.
Gut' Nacht
Gut' Nacht, gut' Nacht, mein Leben,
Du schöne holde Maid!
Dich soll ein Traum umschweben,
Von lauter Wonn' und Freud'.
Wie Thau auf Veilchen nieder,
So senke sich die Ruh,
Auf deine Augenlieder,
Und schließ' sie lächelnd zu.
Schlaf ein, o schlaf in Frieden,
Viel tausend Engelein
Sind allzumal beschieden,
Dir Schutz und Schirm zu sein.
Und Gottes Sterne blicken
Herab in sel'ger Ruh -
Sie blinken dir und winken:
"Wir wachen, schlafe du!"
Nun schweigt und ruht das Leben;
Die Liebe hofft und wacht.
O du mein Glück und Streben,
Du schöne Maid, gut' Nacht!
(S. 220-221)
_____
2.
Gut' Morgen
Der Morgen kommt hernieder,
Die Lerche schwingt sich auf!
Nun wachen alle Wesen,
Beginnen neu den Lauf.
Vor deinem schönen Hause,
Da blüh'n viel Blümelein,
In deinem schönen Garten,
Glänzt hell der Morgenschein.
Der Thau hat alles Leben,
Mit neuer Kraft erquickt -
Es hat die Morgenröthe
Die schönste Sonn' geschickt.
Ei, schöne Maid, gut' Morgen!
Was schläfest du so lang'?
Die Schnitter zieh'n mit Singen
Schon an dem Bach entlang,
Der Thau wird bald getrocknet
Auf allen Blumen seyn; -
Es liebt doch sonst ein Mädchen,
Der edlen Perle Schein.
Die Lerche hat gesungen,
Schon bald ihr schönstes Lied,
Und wenn du länger säumest,
Der Morgenduft entflieht,
Der kommt ganz g'rad vom Himmel,
Hat nicht der Erde Hauch -
Nachher schickt aus dem Thale,
Das Hüttchen seinen Rauch.
So komm, so komm hernieder!
Ich hab' den schönsten Strauß,
Wir woll'n zum Bache wallen,
In's grüne Eichenhaus.
Und dann auch zu den Feldern
Wo gold'ne Saaten glühn,
Und dann auch zu den Hügeln,
Die sich am Fluß hinziehn.
Ei, schöne Maid, gut' Morgen!
Was säumest du so lang'?
Ich mag nicht länger harren
Auf deinen Gruß und Dank.
(S. 221-222)
_____
Die Veränd'rung
Auge das so zärtlich blickt,
Herz so reich, so blühend,
Warme Hand die leise drückt,
Liebe tief und glühend!
Blüth' und Pracht der Jugend dein!
Und wenn ich träumte, warst du mein.
Auge das verändert blickt;
Herz das nicht mehr blühet,
Kalte Hand, die nicht mehr drückt,
Lieb' die ausgeglühet;
Ach, der Frühling auch ist hin,
In deiner Brust, in meinem Sinn.
(S. 223)
_____
Ich dachte dein!
Das Abendroth lag auf dem Meer,
Dem blauen, tiefen, weiten Meer
Die leichten Barken wiegten sich
Auf seinen Wassern wonniglich,
Wie Wächter sahn die Felsen kühn,
Und ruhig auf die Wogen hin,
Es glühten Orangen im dunkeln Hain -
Ich dachte dein!
Die Erde war mit Wonn' getränkt,
Der Himmel schien in Wonn' versenkt!
Die Sterne blühten auf so still,
Wie Lieb' die kaum sich zeigen will.
Die Wellen schliefen auf dem Meer -
Die Düfte wehten hin und her -
Und alles war friedlich und schien sich zu freun.
Ich dachte dein!
Ich stand auf rauher Alpen Höh',
Und über mir hing Eis und Schnee;
Ein wilder Strom durchbraus't das Thal -
Tief unten glänzt kein Sonnenstrahl -
Und Schweigen herrschte ernst und groß -
Da riß ein alter Fels sich los,
Und stürzt in die brausende Fluth hinein.
Ich dachte dein!
Ich stand vor mächt'gen Wundern auch,
Vor Steinen belebt durch Menschenhauch,
Ich stand, wo Geister pilgernd ziehn,
Vor Tempeln, Trümmern groß und kühn!
Form, Ton und Bild! - lebendig stand,
Was ich in Träumen dämmernd fand -
Ich wollte vergessen - erhoben mich freun. -
Ich dachte dein!
Ich stand vor'm Hüttlein, stand im Thal,
Wo ich dich sah zum erstenmal;
Die Stürme wehten bang' und schwer,
Und Winter war's - das Haus stand leer -
Das Laub war todt - der Himmel trüb' -
Ich fand den Platz, uns einst so lieb!
Da ging ich hinweg, ging stumm und allein,
Und dachte dein!
(S. 223-225)
_____
Gedichte aus: Dichtungen von
E. Sloman
Hamburg 1836 Bei Hoffmann und Campe
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eliza_Wille
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