Ursula Anna Wörner (1865-1911) - Liebesgedichte

 

 

Ursula Anna Wörner
(1865-1911)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 


Rosa mystica

Schwarze schweigende Nacht -:
Da öffnet sich leise und sacht
Scheuer Liebe Purpurblüte.
Die vor dem Tag sich verschließt,
Leuchtend rot nun ersprießt,
Schimmernd wie von Herzgeblüte, -

Loht in des Mädchens Hand,
Das still und unverwandt
Und innig das Wunder beschauet.
Welche heimliche Macht
Hat die mystische Rose entfacht
Und ihr, der Verschwiegnen, vertrauet?

Getaucht in die rosige Glut
Das Lager, auf dem sie ruht,
Und die Hand, die schüchterne weiße; -
Und es atmet die zärtliche Luft,
Saugt ein den süß schwelenden Duft
Der Mund, der lechzende heiße - -
(S. 5-6)
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Glückliche Fahrt

Die Ufer schwimmen fern in goldnem Scheine
Vorüber mir, leis zitternd in der Glut;
Doch Morgenwind, der kräftig ätherreine,
Beflügelt wie mein Segel meinen Mut.
Zum Schiff des Glückes wandelt sich das kleine
Schwebende Boot: - wie unterm Kiel die Flut,
So wogt und rauscht und jauchzet mit den Wellen
Mein Herz zum Tag empor, dem freudehellen.

Holdkleine Genien, aus den Wassern steigend,
Erklettern kindlich-wild des Schiffes Rand,
Mit Schelmenmienen stürmisch mich umreigend;
Und jene Hohe, die ich froh erkannt,
Frau Minne, grün bekränzt, sich leicht vorneigend,
Das Steuer führt mit ringgeschmückter Hand.
Selig wir schweben, - weil sie mitgezogen,
Lächelt der Tag, lächeln zurück die Wogen.
(S. 6)
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In Sehnsucht wandelnd

Dein Herz strahlt, eine Sonne, groß und rein,
Und um mich weht dein sanfter, frischer Mut:
Da grünt und lenzt der Liebe heiliger Hain
Mit Wipfeln träumend in der Himmelsglut.
In Sehnsucht wandelnd dring' ich tiefer ein -
Durch lichte Auen zieht getragne Flut,
Auf Uferbüschen glänzt der goldne Schein -:
Ein Tempel ragt - - an Marmorsäulen ruht
Beseligt und gestillt nun all mein Sein.
(S. 7)
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Du mir nah ...

Du mir nah, ruht froh befangen
Meine Muse: ihre blauen
Augen an zwei dunklen hangen:
All ihr Tagwerk - müßiges Schauen.

Doch wenn du von mir gegangen,
Wenn so öd die Tage grauen,
Eifert sie der Lieb, der bangen
Einen Stärketrank zu brauen.

Rührt im Kessel, aufgehangen
Über Gluten; mischt: Vertrauen -
Wehmut - Treue - Hinverlangen.
Und an ihrer Wimper tauen

Funkeltränchen - ziehn die Wangen
Abwärts ihre müden, lauen
Spuren als zwei Silberschlangen.
Sähst du's -: würd' es dich erbauen.
(S. 11)
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Himmlische Liebe
Caterina an Alessia

Alessia, teure Tochter mir in Christo!
Die Lilie, jene veilchenblaue, sahst du
Aufragen schlank und spröd und ernst im Garten;
Viel grüne Schwerter hielten um sie Wacht,
Ich aber brach sie dennoch meinem Heiland.
Drei Tage sind es nun, daß ich sie pflückte.
Sie stand am Morgen noch so edelstolz
Im Glas vor den durchstochnen heiligen Füßen,
Doch um die Stunde Golgathas begann
Auch sie ihr geistlich frommes seltsam Sterben.
Die vom erhobnen Haupt sich abwärts senken,
Drei lang und weich hinausgeschwungne Blättchen,
Sind Schleier, dünkt es mich, der Gottesbraut.
Denn als sie nahen fühlte das Verderben,
Rollt' mit Bedacht sie ein die seidig zarten,
Kunstvoll gewebten, - und scheu-leise schlug sie
Sich übers Haupt zusammen Blatt um Blatt.
Ich zog mit sachtem Finger nieder eines,
Doch von der Hand verlassen, allsogleich
Strebts aufwärts wieder, keusch ein Haupt verhüllend,
Das bergen will in jungfräulicher Herbe,
Wie nun der Tod es heimsucht, jedem Aug.
Kein Samenstäubchen löste sich und fiel;
Gesammelt in sich selbst ihr ganzes Wesen,
Nur immer enger sich verschließend, blieb
Am späten Abend, da ich's dir beschreibe,
Vom eitel Irdischen nur ein weniges,
Ein Knöllchen, farblos, unbewegt, verschrumpft -
Solch eine rührend arme kleine Leiche! -
Gerettet aber waren Scham und Stolz.

Mit offnem Angesicht die Rose stirbt:
Um Mitleid flehend, halb entblättert, blickt sie
Erbittert kläglich, daß ihr Tag vorbei.
Und rosenleicht gefüget sind wir Frauen;
Zerflattern, faßt uns Leid an, blicken kläglich,
Erbarmung heischend, um nach Trost und Hilfe,
Ein schwaches und verachtetes Geschlecht.
Ich aber sage dir, ich will nicht, daß
Von uns Genossinnen des Wegs zum Heil
Das gleiche gelte. - Die ich Euch berate
(Vom Herrn mir auferlegt) - ich, Eure Mutter,
Gebiete, daß Ihr abtut Weibesschwäche,
Nicht heimfallt an die Furcht und Schmach des Fleisches.
Erharrt den Tod, verhüllt vom heiligen Schleier,
Er find Euch still gefaßt wie diese Lilie,
Denn nur das starke Herz liebt, der ihn sendet,
Der herrschgewaltige süße Ritter Christ. -
Daß ich es dir und allen wiederkünde,
Gab milde Lehre selbst das stumm Geschaffne.
In Liebe grüßet dich die Magd des Herrn,
Die Jungfrau aus Siena, Caterina.
(S. 18-20)
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Irdische Liebe

Im Abendlicht träumt vor sich hin Giuditta, -
Weich angeschmiegt dem Schoß ihr Hündchen ruht.
Nun drückt sie's leicht an sich, steht auf und steigt
Mit ihm empor zu ihres Gastes Kammer,
Und öffnet dort mit zager Hand den Schrein.
Da hängen viel Gewande, eng gesellt,
Die täglich schlichten und die reich verbrämten.
Mit scheuen Fingerspitzen streicht sie glättend,
Liebkosend über Wolle, Gold und Seide -
Und sonderbar benimmt es ihr den Atem:
Sie weiß von jedem, wie's ihm stehen würde,
Sieht so geschmückt ihn schreiten - flüchtig-eigen,
Doch ebenmäßig gut und treu dahin.
Das Hündchen drängt sich schnobernd in die Kleider,
Die starr in runder Würde hängen, oder
Geschmeidig hingegeben abwärts fließen.
"Komm" - flüstert sie ins dichtbefranzte Ohr -
"Neugierig sind wir, meine Cora" - und
Traumwandelnd wie sie kam, den Hund im Arm,
Geht sie zurück nun durch die dunklen Gänge
- Da webt und lauscht die schwarze Nacht im Winkel,
Hoch oben blinzelt rund und trüb ein Fenster,
Das noch den letzten roten Abendstrahl
Ums sanft geneigte braune Haupt ihr windet -
Steigt sacht hinab verschlungne Wendelstufen
Und tritt hinaus, verliert sich unterm Laubgang,
In seiner Wölbung wucherndem Gerank.
Das Hündchen hebt sie an die hurtigen Lippen,
Faßt seufzend in sein wolliges Gelock,
Ins keck gekrauste, üppige, lebenswarme -:
Ach, und sein Haar, das sich so blond aufwellt,
Nicht dunkel fest sich anlegt wie das ihre.
Ach, und sein Auge, nordisch farblos schillernd,
Der kurz geschweifte, allzuherbe Mund! -
Da fallen Tränen eilig perlend nieder,
Mattschimmernd Marmelstein wird ihr Gesicht,
Vom weichen Dämmer blaß-kühl überhaucht;
Ein Funke nur im halbgeschloss'nen Aug,
Ein Funke nur glimmt unter müden Wimpern
Entgegen ihm, der eilig-lässig naht, -
Unachtsam, ob nicht schon der frische Hauch,
Den er im Schreiten durch den Abend trägt,
Anwehend diesen Flammenkeim entfache ...
(S. 20-22)
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Der Liebe Schein

Vergeblich irrt das Herz nach Licht und Trost
Über die dunkle Erd' zum dunklen Himmel;
Da facht es heller an die eigne Glut,
Weil langgestreckt und sternlos ist die Bahn,
Und wirft der Liebe sanftgenährten Schein,
Von seiner Armut noch am Weg mitteilend.
(S. 78)
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Silbern die Stunde

Wir sitzen Stirn an Stirne gelehnt
Vor dem Teppich von Licht, der zu Füßen sich dehnt;
Des Fensters Kreuz schwarz schattend teilt
Die flimmernde Fläche, die wandert und weilt.

Von Schimmer und Schatten wechselnd umsponnen,
Stehn die Geräte seltsam versonnen;
Ihre Ecken und Kanten verwischt und verschämt,
Dunkel, mit glänzenden Streifen verbrämt.

Nun behauchet den Spiegel der flüssige Schein
Mit silberner Kühle und wandert dann fein
Genüber zu einem vielteueren Bilde,
Auf daß sich's belebe zu lächelnder Milde.

Silbern die Stunde, sacht jede Regung,
Gehemmt der Gedanken und Worte Bewegung - -
Die Gefühle nur wallen mondscheinweich
Durch unsrer Seelen verschwiegenes Reich.
(S. 80)
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Abschied

Du gingst von mir und meine Tränen flossen,
Und in die harten Falten deines Kleides,
Im Schamgefühl des übergroßen Leides,
Verbarg ich mich, und deine Arme schlossen

Sich noch einmal um mich. Einsam verflossen
Uns lange Jahre. Ach, ein Meer, ein weites,
Durchpflügt dein Schiff mit Kraft; Treuwunsch geleit' es
Zurück, wo Dank und Liebe für dich sprossen.

Ich will mich emsig schmückten für dein Kommen,
Und Blumen sammeln in der Zeiten Stille,
Die einzig deinem weisen Auge frommen.

Geduld erblühe mir und reiner Wille,
Daß abgeklärter, milder der Willkommen
Als erst der Abschied dir das Herz erfülle.
(S. 80-81)
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Eros

Des wolkigsonnenlosen Maitags Schwüle,
Ein grau Gespinste, legt sich weich und stumpf
Und jeden Glanz verlöschend auf
Den üppig grünen Park.
Doch in der Luft der Vögel lautes Locken,
Die dreiste Frag' und Antwort,
Und in dem See die aufgeregten Schwäne,
Mit ihres Leibs Gewalt das Wasser peitschend,
Und durchs Gebüsch zuweilen
Glänzend des Rehes zärtlich feuchtes Aug':
Mit allen meinen Sinnen
Fühl' ich mich bang verwundert
In eines Liebesgartens schwerem Bann.

Eros! allbeherrschend du von Anbeginn!
Der einst die scheuen, lässigen Elemente
Sich finden ließ im Feuerball,
Und durch den mächtigen Reiz der Anziehung
Die Welt in sich geformt zur starren Feste,
Zur ewig reg gewillten Flüssigkeit
Und leicht gestaltigen Luft.
Bis eine frühe Pflanze
Zartreife Sporen trug,
Die schwärmend aus in heftiger Bewegung
Den Weg sich fanden zu der Zelle Schoß,
Und bis im starken Tiere
Der Trieb wild fordernd war erwacht.

Eros! vorüber geh' ich leise dir -
Ein Auge nur, die Welt in sich zu spiegeln,
Ein Herz nur, ein verstehend lauschendes,
Ein dankbar Lächeln nur,
Wo sie in Schönheit blüht, ihr sanft gezollt.
(S. 90-91)
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Gedichte aus: Gedichte von U. Carolina Woerner
Berlin 1906 Verlag von Bruno Cassirer


Biographie:

Woerner, Ursula Anna (nicht Uta oder Ulrike; Pseud.: U. Carolina Woerner)
geb. 7.8.1865 in Bamberg
gest. 14.1.1911 in Freiburg / Br.
Vater Post- und Bahnbeamter und Schriftsteller Woerner (1828-1872). Ihr Bruder war der Literarhistoriker Roman Woerner (geb. 1863, lebte 1911 in München); bei ihm lebte sie in Freiburg. Sie war leidend.

aus: Elisabeth Friedrichs Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jh. 1981

 

 

 


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