Oswald von Wolkenstein (um 1377-1445) - Liebesgedichte



Oswald von Wolkenstein
(um 1377-1445)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte (Teil 1):
 

 



Minnelieder


XXXII. (32)

1.
Ain tunckle varb | Eine dunkle Farbe
von occident |
von Okzident
mich senlichen erschrecket, |
mich mit Sehnen erschreckt,
seyd ich ir darb, |
seit ich sie vermisse,
und lig ellend |
und liege elend
des nachtes ungedecket, |
des nachts unbedeckt.
die mir zu fleis |
Die sich fleißig
mit ermlein weis, |
mit Ärmlein weiß
und hendlein gleis |
und Händlein hell
kan freuntlich zu ir smucken, |
kann freundlich an mich schmiegen,
Die ist so lang, |
Sie ist so lang [fern],
das ich von pang |
daß ich aus Bange
in mein gesang |
in meinem Gesang
mein klag nit mag verdrucken. |
meine Klage nicht mag unterdrücken.
Von strecken |
Vom Strecken [im Sinne: wach bleiben]
krecken |
krachen
mir all pain, |
mir alle Beine,
bann ich die lieb beseufte, |
wenn ich die Liebe beseufze,
dir mir |
die mir
mein gier |
meine Begierde
nur beckt allain, |
nur weckt allein,
darzu meins vatters teuchte. |
dazu meine Gedanken / Erinnerungen.

2.
Durch wincken wank | Durch das schnelle Wanken [sich hin und her wälzen]
ich mich verker |
ich mich kehre um
des nachtes ungeslaffen, |
des Nachts ohne Schlaf,
gierlich gedanck |
begehrliche Gedanken
mir nahent verr |
nahen sich mir
mit unhilffliehem waffen. |
mit unwiderstehlichen Waffen.
Wenn ich mein hort |
Wenn ich meinen Hort [die Geliebte]
an seinem ort |
an seinem Ort
nit vind alldort |
nicht finde dort
wie oft ich nach im greiffe, |
wie oft ich (auch) nach ihm greife,
So ist nur ach |
So ist nur ach
mit ungemach |
mit Ungemach
fewr in dem tach |
das Feuer auf dem Dach
als ob mich prenn der reiffe. |
als ob mich brennt ein Reifen.
Und winden |
Und winden
pinden |
binden
sunder sail |
ohne Seil
tut sy mich dann gen tage, |
tut sie mich dann bis zum Tage,
ir mund |
ihr Mund
all stund |
alle Stund
weckt mir die gail |
weckt mir die Geile (Begierde)
mit seniklicher klage. |
mit sehnlicher Klage.

3.
Also vertreib | Also vertreib
ich, liebe grett, |
ich, liebe Grete, [mir]
die nacht bis an den morgen, |
die Nacht bis an den Morgen,
Dein zarter leib |
Dein zarter Leib
mein hertz durchget, |
mein Herz durchgeht,
das sing ich unverporgen. |
das singe ich unverborgen.
Kom hoechster schatz, |
Komm höchster Schatz,
mich schreckt ain ratz |
mich schreckt ein Ratz [Ratte]
mit grossem tratz, |
mit großem Tratz [trotzig],
davon ich dick erbache. |
wovon ich mit Schreck erwache.
Die mir kain rue |
Die mir keine Ruhe
lat spät noch fru, |
läßt weder spät noch früh,
lieb darzu tu, |
lieb dazu tut,
damit das pettlin krache. |
damit das Bettlein kracht.
Die freud |
Die Freude
geud |
stelle ich fröhlich
ich auff hohem stuel, |
auf einem hohen Stuhl,
benn das mein hertz bedencket, |
wenn das mein Herz bedenkt,
das mich |
daß mich
höflich |
höflich
mein schoener puel |
meine schöne Buhle [Geliebte]
gen tag freundlichen schrencket. |
am Morgen freundlich umarmt.
[schrenke: die reibende, fegende, aneinander drückende Bewegung zweier Körper in der Einigung, besonders die motus veneri]
(S. 122-124)

_____



XXXV. (35)

1.
Vil lieber grüesse, | Viel liebe Grüsse,
süesse, |
süsse,
sich erheben, |
sich erheben,
streben |
streben
froelich, |
fröhlich,
zoelich, |
selig,
yetten, |
gleiten,
tretten |
treten
in das phad; |
auf dem Pfad;
drat, |
schnell,
fru und spat |
früh und spät
hoert man dringen, |
hört man dringen,
singen, |
singen,
klingen |
klingen
voglein in der auen. |
Vöglein in den Auen.
durch helle doene |
Durch helle Töne
schoene |
schöne
in den strauhen |
in den Sträuchern
rauhen |
den rauhen
esten |
Ästen
glesten |
glänzen
fliegen |
fliegen
kriegen |
bekriegen sich
biderstreit; |
im Widerstreit;
breit | 
[die] breite
augenbeit |
Augenweide
sol man gruenlich |
soll man grün
kuenlich |
künftig [bald]
suenlich |
sinnlich
kürtzlich ane schauen |
bald anschauen
Winder kalt, |
Winter kalt,
ungestalt, |
ungestalt,
dein gewalt |
deine Gewalt
ist enspalt |
ist gebrochen
von den süessen lüfften; |
von den süssen Lüften;
liechten summer |
lichten Sommer
ane kummer |
ohne Kummer
bil ich tummer |
will ich Dummer
als ain frummer |
als ein Frommer
geuden und güfften, |
(ver)geuden und frohlocken,
gruener klee |
grüner Klee
jagt den snee |
jagt den Schnee
jarlang me |
jahrlang mehr
in den see |
in den See
wilder meres fluete. |
wilder Meeresfluten.
nachtigalle, |
[der] Nachtigall,
drosch(e)l schalle, |
[und] Drossel Schallen,
lerchen halle |
[der] Lerche Hallen
uns gevalle |
uns gefalle
für des ofens guete. |
für (anstatt) des Ofens Güte.

2.
Die blumen gele, | Die gelben Blumen,
hele, |
die hellen,
hübsch geverbet, |
hübsch gefärbt,
gerbet, |
gemischt,
praune, |
braune,
schoene, |
schöne,
plabe, |
blaue,
grabe |
graue
mangerlay. |
mancherlei.
may, |
Mai,
dein geschray |
dein Geschrei
sich floriret, |
sich florieret [erblüht],
zieret, |
zieret,
gieret |
gieret
kösstlicher gelüste, |
(nach) köstlichen Gelüsten,
und hübsche wesly, |
und hübsche Rasen,
gresly |
Gräschen
sich entsliessen, |
sich entschliessen,
spriessen |
spriessen
heuglich, |
behutsam,
teuglich, |
geschickt,
pluede, |
Blüten,
fruede, |
Schönheit,
violsprantz, |
Farbenschmelz der Veilchenblüte,
glantz, |
Glanz,
firlafantz |
Firlefantz [Reigen]
aller pame, |
aller Bäume,
zame, |
freundliche,
game, |
lustige
zier aus kalder früste. |
Zier aus den kalten Frösten.
Stauden, stock, |
Stauden, Baumstämme,
machet schock, |
machen schock (belauben sich),
rauhen rock, |
rauhen Rock,
als ein pock, |
als ein Bock,
löblicher bedecket, |
löblich bedecken sich,
swartzer doren, |
(mit) schwarzen Dornen,
weisser koren; |
(mit) weissen Körnern;
gar verloren |
gar verloren
ist der zoren, |
ist der Zorn,
den der winder wecket. |
den der Winter weckt.
Küeler brunn, |
Kühler Brunnen,
barme sunn |
warme Sonne
geit uns bunn, |
gibt uns Wonne,
gail dich nunn |
geil dich (freu dich) Nonne
hinden aus dem kloster |
hinten aus dem Kloster
pey dem reine |
bei dem Rhein
in dem scheine |
in dem Scheine
als ain veine |
als eine feine
pul beg(e)ine |
Buhlerin beginne
raien nach den ostern. |
einen Reihen (Tanz) in die Ostern.

3.
Die sbammen stuppfen, | Die Schwämme [Pilze] stechen,
lupfen |
lüpfen
aus der erde |
aus der Erde
herde; |
Herde;
würmly, |
Würmchen,
türmly, |
drehen sich im Kreise,
bachen, |
(er)wachen,
machen |
machen
newen slauch. |
neuen Schlauch (Haut).
gauch, |
Gauch (Kuckuck)
lock uns auch |
lock uns auch
durch die haide, |
durch die Heide,
raide; |
kraus [schnell]
ir maide |
ihr Mädchen
sucht der stauden winck(e)l. |
sucht der Stauden Winkel.
Da well wir kosen |
Dort wollen wir kosen
losen |
vertraut reden
mit beslossen |
mit geschlossenen
gossen, |
Händen,
barmen |
warmen
armen, |
Armen,
lieplich, |
lieblich,
dieplich |
verstohlen,
in dem pusch, |
in dem Busch,
tusch, |
heimlich,
mündlein kuss, |
Mündlein küssen,
ob die raine, |
ob die Reine,
klaine, |
Kleine,
saine |
langsam
mir emploest ain schinckel. |
mir entblößt einen Schenkel.
An ain knie, |
Bis zum Knie,
ich wer hie, |
wär ich hier,
des nit lie |
das ich nicht ließ
und tet, wie |
und täte, wie
ich das gefuegen künde |
ich das fügen könnte
zu ir rucken, |
zu ihr rücken (näher kommen),
freuntlich smucken, |
freundlich mich an sie schmiegen,
lieplich drucken, |
(sie) lieblich drücken,
biegen, pucken |
(sie) biegen, bücken [niederbeugen]
ob sy mir des günde. |
ob sie mir das gönnte.
So wer quitt, |
So wäre quitt,
was ich litt, |
was ich litt,
hielt sys mit, |
hielt sie mit,
disen str(e)it |
diesen Streit
must ich überbinden, |
musste ich überwinden,
sunder klifen, |
ohne Spaltung [ohne zu zögern]
tasten, grifen, |
tasten, greifen,
mangen lifen |
mancherlei
lust vertrifen, |
Lust erleben,
pleiben bey dem kinde. |
bleiben bei dem Kinde.
(S. 129-131)
_____



XXXVII. (37)

1.
Du auserweltes schoens mein hertz, | Du mein auserwähltes schönes Herz,
dein buniklicher schert, |
dein wonniglicher Scherz,
hat benomen mir besunder schmertz. |
hat von mir genommen den Schmerz.
ey mynikliches valkentertz, |
ei, minnikliches Falkenterz [Liebchen],
wie suess ist dir dein sneb(e)lein wolgevar! |
wie süß ist dir dein schönes Schnäblein

2.
Kain mensch gesach nie lieber diern, | Kein Mensch sah je eine lieblichere Dirne [Mädchen],
ich kan ir nit volziern, |
ich kan sie nicht ganz zieren [schmücken],
beisse brüstlein sy(n)bell als die piern, |
weisse Brüstlein sind rund wie die Birnen,
damit sy köstlich kan hofiern, |
damit sie köstlich kann hofieren,
ir stoltzer leib benymbt mir trauren gar. |
ihr stolzer Leib nimmt mir die Trauer gar.

3.
Und solt ich die vil zarten gesehen nymmermer| Und sollte ich die sehr zarte nimmer sehen
ir ler, zucht, und beiplich er |
ihre Lehre [Unterweisung], und weibliche Ehre
mus ich bedencken, wo ich in der werlt hin ker, |
muss ich bedenken, wo ich in der Welt auch kehre [bin],
senliches schaiden pringt sauer zucker nar. |
sehnliches Scheiden bringt saure Zuckernahrung.

4.
Troestlich gedingen ich zu der guten han, | Tröstliches Vertrauen ich zu der Guten habe,
bie sy mich nit well lan, |
wie [dass] sie mich nicht will lassen,
unvergessen pin ich ir undertan |
unvergessen bin ich ihr untertan
und harr auff guten wan. |
und harre in guter Hoffnung.
(S. 133-134)
_____



XXXVIII. (38)

1.
Frolichen so well wir | Fröhlich wollen wir
schir |
rein
singen, |
singen,
springen, |
springen,
hoch, |
hoch,
uns zbayen, |
uns zweien [gesellen, paaren],
schon rayen |
schön reihen
all in des mayen |
in des Maien
loch, |
Loch [Versteck],
mit frechen |
mit frechem
abprechen |
Abbrechen
der pfifferlingen roch, |
der Pfifferlinge Köpfe [roch: der Turm im Schach],
an wencken |
ohne Wanken
gedencken, |
Gedenken
wo mir die zart empfloch. |
wo mir die Zarte entfloh.
her wider ker, |
kehre wieder,
hertz lieb, das ist mein ger. |
Herzlieb, das ist mein Begier [Wunsch].
du waist wol, wie du mich|
du weißt wohl, wie du mich
und ich dich |
und ich dich
lie, mein hoechster hort, |
ließ, mein höchster Hort,
zwar ich halt stet die wort, |
zwar halte ich stets Wort,
bürd mir der krantz von rosental. |
wird mir [falls mir wird] der Kranz von Rosental.

2.
Dein weipliche gut | Dein weibliches Gut
tut |
tut
mich straffen, |
mich strafen,
zaffen |
[mich] erziehen [züchtigen]
dick, |
dick [sehr],
mit geren |
mit Gieren [mein Begehren]
verkeren, |
verkehren,
des meren |
[über] dessen Mehren
ich erschrick. |
ich erschrecke.
lass varen, |
lass fahren,
nit sparen, |
nicht sparen,
durch mich dein lieplich plick. |
durch mich deine lieblichen Blicke.
mein quelen, |
meine Qualen,
dein helen |
dein Hehlen [Verhehlen]
pald mir troestlichen schick. |
bald mir tröstlichen schicke.
ach traut gesell, |
ach trauter Geselle,
ich sol, was dein gnad well. |
ich soll, was deine Gnade will.
dein frömden gros |
dein grosses Fremden [spröde tun]
mich annt der synnen blos. |
mich der Sinne bloß macht.
mach haimlich zam, |
mach heimlich zahm,
gierlichen sunder scham |
begehrlich ohne Scham
ergetz heuglich meins hertzen qual. |
ergötze behutsam meines Herzens Qual.

3.
Senliche begir | Sehnliche Begier
mir |
mir
pringt achen, |
bringt Ächzen [Seufzen],
wachen |
Wachen
vil; |
viel;
das leyden, |
das Leiden,
und meyden |
und Meiden
sich nyndert schaiden |
sich nirgends scheiden
wil. |
will.
ich lamer |
ich Lahmer
mit jamer |
mit Jammer
nit treffen kan das zil. |
nicht treffen kann das Ziel.
die kluge |
die Kluge
durch fuege |
durch Fügen
mich halt nur, wie sy wil. |
mich hält nur, wie sie will.
der bitter tod |
der bittere Tod
mag helfen wol aus not, |
mag helfen wohl aus der Not,
ob ir gnad |
ob [wenn] ihre Gnade
nit wendt engstlichen schad. |
nicht wendet ängstlichen [gefürchteten] Schaden.
zart liebstes weib, |
zartes liebstes Weib,
den jamer hie vertreib, |
den Jammer hier vertreib,
erkück den man in freuden schal. |
erquicke den Mann in Freudenschall.
(S. 134-136)
_____



XL. (40)

1.
Sag an, hertz lieb, | Sag an, Herzlieb,
nu was bedeutet uns sogar schricklicher hal |
was bedeutet uns der schrecklicher Hall
mit seinem don, |
mit seinem Ton,
aahu, aahu, |
aahu, aahu,
wol auf, die nacken blos! |
wohl auf, die Nacken bloß!
Ainiger man, |
Einziger Mann,
sol uns der gast erstoeren hie |
soll uns der Gast [Wächter] hier stören
so? ach ellend, |
so, ach elend,
wem last du mich? |
wem läßt du mich?
aahu, aahu! |
aahu, aahu,
her get des tages schein! |
es geht her des Tages Schein!
Pald ab dem weg, |
Bald auf den Weg [sich machen],
die geren lag! |
die gerne lagen!
hoer, hoer, hoer, gesell, |
hör, hör, hör Gesell,
klueglichen geschell: |
kleines Geschelle [Getöse]:
stand upp, |
steh auf,
risch upp, |
rasch auf,
snell upp! |
schnell auf!
die vogelein klingen in dem hard, |
die Vögelein klingen im Wald [Gebirgswald],
amsel, droschl, der vinck |
Amsel, Drossel, der Fink
und ain zeyselein, |
und ein Zeisig,
das nennet sich guggugk. |
das nennt sich Kuckuck.

2.
Los, frau, und hoer des hornes schal, | Los, Frau, und hör des Hornes Schall,
perg und tal, |
Berg und Tal,
überall, |
überall,
ane qual. |
ohne Qual.
auch hoer ich dye nachtigal, |
auch hör ich die Nachtigall,
des liechten morgen roete |
des lichten Morgens Röte,
sich vor der pleb her dringt, |
sich vor das Blau herdrängt,
blas schon. |
blass schon.
bachter, ich spür dein zoren michel gros, |
Wächter, ich spür deinen großen Zorn,
Mich ruert ain wint von orient, |
Mich berührt ein Wind vom Orient,
der entrent, |
der zertrennt,
auch plendt |
auch blendet
das firmament, |
das Firmament,
und der uns die freud hie wendt. |
und der uns die Freude hier wendet.
zart mynikliche dieren |
zarte minnikliche Dirne [Mädchen]
das horen pollret grymiklich |
das Horn poltert grimmig
Los, los, los, los, |
Los, los, los, los,
senliche klag, |
sehnliche Klage,
mordlicher tag, |
mörderlich tödlicher Tag,
wie lang sol unser not mit dir bestan? |
wie lang soll unsere Not mit dir bestehen?
hab urlaub, hoechster schatz, |
hab Urlaub [Abschied], höchster Schatz,
kürtzlich herwiderrugk! |
[doch] komme bald zurück!
(S. 138-139)

_____



XLII. (42)

1.
Ach senliches leiden | Ach liebesschmerzliches Leiden
meiden |
meiden
neyden |
Liebesqual empfinden
schaiden |
Scheiden
das tut wee, |
das tut weh,
pesser wer versincken in den see. |
besser wär es versinken in der See.
zart mynikliches beib, |
zart minnigliches Weib,
dein leib |
dein Leib
mich schreibt,  |
mich drängt,
und treibt |
und treibt
gen josaphat, |
gen Josaphat [nach Josaphat reisen=sterben]
hertz mut, syn, gedanck ist worden matt, |
Herz Mut, Sinn, Gedanke ist matt geworden,
es schaidt der tod, |
es scheidet der Tod,
ob mir dein gnad nit helfen wil |
ob [wenn] mir deine Gnade nicht helfen will
aus grosser not, |
aus grosser Not,
mein angst ich dir verhil, |
meine Angst ich dir verhehle,
dein mündlin rot |
dein rotes Mündlein
hat mir |
hat mir
so schir |
so schnell
mein gir |
meiner Gier
erbecket vil, |
erwecket viel,
des wart ich genaden an dem zil. |
das erwarte ich als Gnade für mein Ziel [erhört zu werden].

2.
Mein hertz in jamer vicht, | Mein Herz in Jammer ficht,
erbricht; | zerbricht;
bericht, |
ordne
und slicht |
und schlichte
den kummer jo, |
den Kummer doch,
frau, schindlicher freuntschaft wart ich so. |
Frau, auf leuchtende Freundschaft warte ich so.
recht als der telphin, |
recht wie der Delphin,
bann in |
wenn ihn
der sin, |
der Sinn,
fuert hin |
führt hin
zu wages grundt |
zu Meeresgrund
vor dem sturm und darnach wirt entzundt |
vor dem Sturm und danach wird entzündet [erstrahlen]
von sunnen glast, |
von der Sonne Glanz,
die im erkückt all sein gemuet. |
die ihm erquickt all sein Gemüt.
hertz lieb, halt vast |
Herzlieb, halte fest
durch all dein beiplich gut, |
durch all deine weibliche Güte,
lass deinen gast |
lass deinen Gast
nit sterben, |
nicht sterben,
serben, |
dahinwelken,
werben |
werben
in unfruet |
in Ungedeihen
in ellender pein ich tob und wüett. |
in elender Pein ich tobe und wüte.

3.
Mein haubt das ist beklait | Mein Haupt das ist bekleidet
mit baffen, |
mit Waffen [Waffen: äußerste Wehklage]
slaffen, |
schlaffen,
straffen |
strafen
die natur, |
die Natur,
das mich zbingt ain stund für tausent ur, |
die mich zwingt eine Stunde für tausend Stunden,
wenn ich mein laid betracht |
wenn ich mein Leid betrachte
die nacht, |
die Nacht,
so wacht |
so wacht
mein macht |
meine Macht [ev. gemeint Gemächt, Lendenkraft]
mit klainer kraft, |
mit kleiner Kraft,
und ich freuden gantz wird sigehaft, |
und ich der Freuden werde ganz sieghaft [d.h. ich habe die Freuden ganz besiegt],
mich nymant troest, |
mich niemand tröstet,
und ist mein leiden sicher gros, |
und ist mein Leiden sicher gross,
mein hertz das wirt geroest |
mein Herz das wird geröstet
mit mangem seuftzen stos. |
mit manchem Stoßseufzer.
o wee, wann wirt erlost |
o weh, wann wird erlöst
mein trauren, |
mein Trauern,
tauren, |
Dauern [Warten],
lauren, |
Lauern,
negt und poest, |
nagt und ängstet,
damit ich der synn wird gar emploest. |
damit ich der Sinne werde gar entblößt.
(S. 142-144)

_____



XLIV. (44)

1.
Froehlich, zertlich, lieplich, und klerlich, lustlich, stille, leyse, | Fröhlich, zärtlich, lieblich und hell, lustig, stille, leise,
in senffter, süesser, keuscher, sainer beyse |
in sanfter, süsser, keuscher, langsamer Weise
wach, du mynikliches, schoene beib, |
wach, du minnigliches, schönes Weib,
reck, |
recke,
streck, |
strecke,
breis dein zarten, stoltzen leib. |
schnüre deinen zarten, stolzen Leib.
sleus auff dein vil liechte euglin klar, |
schließe auf deine hellen Äuglein klar,
teugentlich nym war, |
tugendlich nehme wahr,
bie sich verschart |
wie sich versteckt
der sterne gart |
der Sterne Garten
in der schoenen haittern klaren sunne glantz, |
in dem schönen heiteren klaren Sonneglanz,
wol, auff zu dem tantz, |
wohl auf, zum Tanz,
machen ainen schoenen krantz |
machen [wir] einen schönen Kranz
von schonen |
von schönen
praunen, |
braunen,
plaben, |
blauen,
grabenn, |
grauen,
gel, |
gelben,
rot, weis, |
roten, weißen,
viol, pluemlin spranntz. |
violetten, eine Blümleinzierde.

2.
Luntzlot, muntzlot, kluntzlot, und zysplot, bisplot freuntlich sprachen | sanft geöffnet, mündelnd, wenig geöffnet und heimlich flüsternd, wispelnd freundlich sprechen
aus waidelichen, rainen, guten sachen |
aus [von] frischen, reinen, guten Sachen
sol dein poescholochter roter mund, |
soll dein pauschiger (voller) roter Mund,
der |
der
ser |
sehr
mein hertz lieplich hat erzunt, |
mein Herz lieblich hat entzündet,
und mich fürbar tausent mal erweckt, |
und mich fürwahr tausend Mal erwecket,
freuntlichen erschreckt |
freundlich erschrecket
aus slaffes tram, |
aus des Schlafes Traum,
so ich ergam |
als ich bemerkte
ain so wolgezierte rote enge spalt, |
einen so wohlgezierten roten engen Spalt,
lächerlich gestalt, |
von einer lächelnden Gestalt,
zendlin weis darin gezalt, |
die Zähnchen weiß darin gezählt
trielisch, |
mit feuchtlebendiger Lippe,
mielisch, |
sanft (zart, weich),
vöslocht, |
voller Fesen, Fäden [rundlich]
roeslocht, |
rosenfarbig,
hel |
hell
zu fleis |
fleißig
baydelich gemalt. |
weidlich [schön] gemalt.

3.
Wolt sy, solt sy, tet sy, und kaem sy, naem sy meinem hertzen | Wollte sie, sollte sie, täte sie, und käme sie, nähme sie meinem Herzen
den seniklichen grossen herten smertzen, |
den sehnlich großen harten Schmerz,
und ain prüstlein weis darauff gedruckt: |
und ein Brüstlein weiß darauf gedrückt:
secht, |
seht,
slecht |
geradezu
so wer mein trauren gar verzuckt. |
so wäre mein Trauern gar hinweggenommen.
Wie möcht ain zart seuberliche diern |
Wie könnte eine zarte saubere [reine] Dirne [Mädchen]
lustlicher geziern |
lustvoller verzieren
das hertze mein, |
das Herze mein,
an argen pein, |
ohne arge Pein,
mit so wuniklichem zarten rainen lust, |
mit so wonniglicher zarter reiner Lust,
mund mündlin gekust, |
Mund Mündlein geküßt,
zung an zünglin, prustlin an brust, |
Zunge an Zünglein, Brüstlein an Brust,
pauch an |
Bauch an
peuchlin, |
Bäuchlin,
rauch an |
Schamhaar an
reuchlin, |
Schamhärchen,
snell, |
schnell,
zu fleis, |
fleissig,
allzeit frisch getusst. |
allzeit frisch gedrückt!
(S. 145-147)
_____



XLVI. (46)

1. (Er:)
Troestlicher hort, wer troestet mich, | Tröstlicher Hort [Schatz], wer tröstet mich,
hertzlieb, wie lang sol ich dein wesen an, |
Herzlieb, wie lange soll ich ohne dein Wesen sein,
dein frömdikait mir pringet pein, |
dein  Fremde- bzw. Sprödetun bringet mir Pein,
und betruebet ser, |
und betrübet sehr,
ich ger |
ich gehre nach [sehne mich nach]
gnad mit hilff und rat |
Gnade mit Hilfe und Rat
in kurtzer frist. |
in kurzer Frist.
Gesell, gelück, freud, wunn und hail, |
Geselle [Gesellin], Glück, Freude, Wonne und Heil,
pegierlich zeit vertreib ich tag und nacht |
begehrliche [sehnsüchtige] Zeit vertreib [verbringe] ich Tag und Nacht
vil manger herter seuffzen stos |
viele harte Stoßseufzer
mein hertz ser bekranckt, |
kränken sehr mein Herz,
nit wenckt |
nicht wankt [mein Herz]
unzbeyfelichen gar |
ohne Zweifel
staetiklich in gut. |
stetig [bleibt es] gut.
Dein poschotz mündlin freuden pringt, |
Dein rundlich Mündlein bringt Freuden,
dein zendlin zwingt, |
deine Zähnchen bezwingen [mich],
bem da gelingt, |
wem das gelingt,
derselb müglicher singt. |
der wird möglicherweise singen.
mein hertz das wil und mag |
mein Herz will das und mag
an dich nit genesen, |
ohne dich nicht genesen,
zu gevallen dir |
[will] dir gefallen
darumb pistus mir |
darum bist du mir
erbelt |
erwählt
mynikliches weib |
du minnigliches Weib
in eren gunst. |
in ehrerbietiger Gunst.
Mein hertz das prüeft vil oft und dick, |
Mein Herz prüft sehr oft und häufig
das selzam plick |
den seltsamen Blick
pringt freuntlich schrick |
[der] einen freundlichen Schrecken bringt
in der lieben strick. |
in der Liebsten Stricke.
frau, deine dreuch und netz |
Frau, deine Schlingen und Netze
haben mich umbfangen, |
haben mich umfangen,
und vergernet gantz, |
und ganz umgarnt,
nymant kan erloesen mich, |
niemand kann mich erlösen,
nur dein stoltzer leib |
nur dein stolzer Leib
an tad(e)l frey. |
tadellos.

2. (Sie:)
Froehlich das tun ich, | Fröhlich tu ich das,
mein auserwelter man, |
mein auserwählter Mann,
so bis gewaltig mein, |
sei du gewaltig [ganz und gar] mein,
ye lenger, |
je länger,
ye mer |
je mehr
ich dein fru und spat, |
ich [bin] dein früh und spät,
wann du es werlich pist. |
denn du bist es wahrlich.
Freuntlich ane mail, |
Freundlich ohne Fehl [Makel],
ich dir bünschlich betracht, |
ich dich als wünschenswert betrachte,
an freuden sey es (er?) plos, |
an Freuden sei bloss,
der uns verdenck, |
der es uns verdenkt [nicht gönnt],
das sol werden war, |
das soll werden wahr,
vor arg werst dus behuet. |
vor Argem wärest du behütet.
Nur dein |
Nur dein [dich]
allain |
allein
ich main, |
ich meine,
mein |
mein
ain, |
ein [einziger],
all freuntschaft gros und klain, |
aller Freundschaften gross und klein,
pillich sol ich gantzer trewe dir |
billig soll ich ganze Treue dir
dancken schir, |
danken schier,
fro gezelt |
froh gesellt
ich pflig teglich |
pflege ich täglich
steter mynne runst. |
steter Minne Fließen.
Von rechter gir |
Von richtiger Gier [Lust]
ist mir |
ist mir
als dir |
wie dir
in grosser freuden zier, |
in grosser Freuden Zier,
treulich soltu von mir |
treulich sollst du von mir
warten lieber schantz, |
warten einer lieben [guten] Chance,
wuniklich |
wonniglich,
mich, |
mich,
dich, |
dich,
halt |
hält
der eren krey! |
der Kreis der Ehre! [guter Ruf]
(S. 148-150)
_____



XLVII. (47)

1.
Ain mensch von achzeh(e)n jaren klug | Ein Mensch [Mädchen] von achtzehn Jahren klug
das hat mir all mein freud geswaigt, |
das hat mir all meine Freude zum Schweigen gebracht,
dem kund ich nye entwynnen g(e)nug, |
dem konnte ich nie genug abgewinnen,
seyd mir ain aug sein wand(e)l zaigt, |
seit mir ein Auge seinen Wandel zeigte,
an underlass hab ich kain ru |
ohne Unterlass hab ich keine Ruhe
mich zwingt ir mündlin spat und fru, |
mich (be)zwingt ihr Mündlein spät und früh,
das sich als lieplich auff und zu, |
das sich lieblich auf und zu,
mit worten süess kan lencken. |
mit süssen Worten kann lenken.

2.
Wie verr ich pin, mir nahet schir | Wie fern ich (auch) bin, mir nahet glänzend
ir rains gesicht durch alle land, |
ihr reines Gesicht durch alle Lande,
ir zärtlich plickh umbvahent mir |
ihre zärtlichen Blicke umfassen mir
mein hertz in rechter lieb bekant. |
mein Herz in rechter Liebe bekannt.
ach got, und wesst sy mein gedanck, |
ach Gott, und wüßte sie meine Gedanken,
wann ich vor ir senlichen kranck |
wenn ich vor ihr vor Sehnsucht krank
hert stan, und tar in kainem wanck |
hartnäckig stehe, und wagte in keinem Wanken
mich desgleichen rencken. |
mich desgleichen zu bewegen.

3.
Weiblicher weib mensch nie gesach | Ein weiblicheres Weib kein Mensch (je) gesehen hat
so liederlich an tadels punt, |
so ausgelassen ohne des Tadels Anhängsel,
ir schoen gepaerd tut mir ungemach, |
ihre schöne Gebärde tut [verursacht] mir Ungemach,
von hoech der schait(e)l über ab den grund, |
von der Höhe des Scheitels bis in den Grund [zu den Füssen],
wann ich bedenck so gar die mass, |
wenn ich (erst) bedenke so gar die Masse,
kürtz, leng, smel, prait, zbar tun und lass, |
die Kürze, Länge, das Schmale, Breite, fürwahr das Tun und Lassen,
wer möcht der lieben sein gehass, | wer möchte der Lieben mit Hass begegnen [böse sein],
o wolt sy mich bedencken. |
o wollte sie an mich denken.
(S. 150-151)

_____



L. (50)

1.
Gelück und hail, ain mich(e)l schar, | Glück und Heil, eine große Schar,
bünsch ich dir, frau, zum neuen jar, |
wünsche ich dir, Frau, zum neuen Jahr,
mein staet gerechte trew fürbar |
meine stete gerechte Treue fürwahr
in deinem dinst ich nymmer spar, |
in deinem Dienst ich nimmer spare,
des solt du werden ynnen. |
dessen sollst du innewerden.
Das macht dein mündlin wolgevar |
Das macht dein wohlgefärbtes Mündlein
mit benglein rot, ain lieplich par, |
mit Wänglein rot, ein liebliches Paar,
vergläntzt von liechten euglin klar, |
beglänzt von hellen Äuglein klar,
die oerlin klain, darob das har |
die Öhrlein klein, darüber das Haar
raid, krisp(e)l, krümp(e)l, krynnen, |
kraus, gekräuselt, krümmlig, wellig,
kraus, guldlocht, gele durchflocket. |
kraus, goldigfarben, gelb durchflocket.

2.
Nas, zendlin, kynn, kel, der hals zu tal | Nase, Zähnchen, Kinn, Kehle, der Hals
mit gantzer mass hat seinen val |
mit ganzer Masse haben ihren Fall
bis auf der weissen brüstlin sal, |
bis auf der weißen Brüstlein Saal,
der sinckel hert geit reichen schal, |
deren Vertiefung gibt reichen Schall [erfreut mich],
ain yeds gelid durchmessen, |
ein jedes Glied [ist] durchmessen [wohl proportioniert],
Arm, vinger lang, zway hendlin smal, |
Arme, Finger lang, zwei Händchen schmal,
das peuchlin hael sleicht überal, |
das Bäuchlein hell gleitet überall,
und ain volkomne reuch zu mal, |
und ein vollkommenes Schamhaar zumal,
gros hindersetzt gedrolter zal, |
gross hinten gesetzt gerundete Zahl [der Po],
mit herrter mass besessen, |
mit härterer Masse besessen [aus festerem Fleisch gemacht],
die fuesslin klain geschocket. |
die Füßlein klein in ihrer Größe.

3.
Ir zarter leib nie mailes pein | Ihr zarter Leib keinen Makel
verschart, zucht, tugent, eyt(e)l rain |
kennt, Zucht, Tugend, eitel [ganz] rein
junck, ed(e)l, adelicher schein |
jung, edel, vom adligen Schein [Benehmen]
mit wand(e)l sich probiert darein |
mit Wandel sich erproben darin
nach maisterlichen sitten, |
nach meisterlichen Sitten,
An allen tad(e)l ist sy vein. |
Ohne allen Tadel ist sie fein [angenehm].
zart traut gesell, vergiss nit mein, |
zarter traute Geselle [Gesellin], vergiss nicht mein,
seyd ich nu pin geheissen dein, |
seit ich nun bin geheissen dein,
so la dir hertz lieb ab erfreyn, |
so laß dir Herzlieb abgewinnen,
des ich lang hab gepiten, |
des ich lange habe gebeten [erbeten],
und das mich senlich locket. |
und das mich sehnlich lockt.
(S. 153-154)
_____



LI. (51)

1.
[Er]
Von rechter lieb kraft | Von rechter Liebeskraft
land mich gedänck nit frey, |
lassen mich die Gedanken nicht frei,
ain beiplich pild |
ein weibliches Bild
hat betbungen mich, |
hat bezwungen mich,
lass, frau, genad |
lass, Frau, Gnade
an mir beschehen, |
an mir geschehen,
Des gib mir dein trew, |
Dessen gebe mir deine Treue,
ich sey dein liebster man, |
ich sei dein liebster Mann,
den schatz nyemant pärlichen |
den Schatz niemand offenbar
von uns wissen sol. |
von uns [über uns] wissen soll.
[Sie]
Sag an, geselleschaft, | Sag an, Geselle [Liebster],
was deinem hertzen sey, |
was [in] deinem Herzen sei,
mit gerner milt |
mit grosser Gefälligkeit
ich das hoer und sich, |
ich das höre und sehe,
dein eren an schad |
deine Ehre ohne Schaden
sol wil ich yehen, |
soll und will ich geben,
Nain, hoechster hort, an rew |
Nein, höchster Hort [Schatz], ohne Reu
musst du mich han, |
musst du mich haben,
so bis verswigen gerlich, |
so sei du verschwiegen begehrlich,
daran so tust du wol. |
daran tust du wohl.

2.
[Sie]
Mein freuden macker, | Mein Freudenmacher,
meins hertzen zucker nar, |
meines Herzens Zuckernahrung,
dein aigen weib |
dein eigenes Weib
ich wil darumb sein; |
will ich darum sein;
ach traut gesell, |
ach trauter Geselle,
nur lieb und nymmer laid, |
nur Liebe und nimmer Leid,
So bis allzeit staet, |
So sei allzeit beständig,
und zbeyf(e)l nit an mir, |
und zweifle nicht an mir,
und halt dich gar taugen |
und halte dich gar still [heimlich]
vor valscher mercker sag. |
vor falscher Merker [Lauscher] Sagen [Reden].
[Er]
In hertten slaff, frau, | In hartem Schlaf, Frau,
vertreib ich lange zeit, |
vertreib ich [mir] lange Zeit,
treun, nayn ich zbar, |
Traun, verneine ich zwar,
auserweltes ain, |
[mein] auserwähltes Ein [Einzige],
das machen nur |
das machen nur
der melder lugenspil, |
der Melder [Lauscher] Lügenspiele,
Ir verdencken valsch |
Ihr falsches Verdenken [Argwohn]
in arg das tut mir wee. |
das tut mir arg weh.
gib urlob meinem hertzen, |
gib Urlaub meinem Herzen,
wann es wil werden spat. |
denn es will spät werden [es ist schon spät].

3.
[Er]
Du hast all mein swer | Du hast all meine Schwere [Kummer]
benomen sunder gar, |
benommen [weggenommen] gänzlich,
ewr stoltzer leib |
Euer stolzer Leib
pringt mir freud und pein, |
bringt mir Freude und Pein,
was dein gnad well, |
was deine Gnade will,
darzu bin ich berait, |
dazu bin ich bereit,
Wie geren ich das tet |
Wie gerne ich das täte
von rechter gier, |
vor rechter Gier [Begier],
mein hertzen lieb, an laugen, |
mein Herzenslieb, ohne Leugnen,
das tu ich nacht und tag. |
das tue ich Nacht und Tag.
[Sie]
Hast du kain missetreu, | Hast du kein Misstrauen,
das sag mir sunder neyd, |
das sage mir ohne Hass,
barumb sogar |
warum sogar
last du mich allein? |
läßt du mich allein?
durch abenteur |
durch Abenteuer
mus man wagen vil. |
muss man viel wagen.
Die red aus yrem hals |
Die Rede aus ihrem Hals [Mund]
nit lang besste: |
[möge] nicht lange bestehen:
ich wünsch dir hail an smertzen, |
ich wünsche dir Heil ohne Schmerzen,
lieb, kumm herwider drat. |
Liebe, komm bald herwieder [zurück].
(S. 155-156)
_____



LII. (52)

1.
Wol mich an wee der lieben stund, | Wohl mir ohne Weh der lieben Stunde,
do mich ain poscholochter mund |
da mich ein pauschiger voller Mund
an lacht mit wuniclichen smiel, |
anlacht mit wonniglichem Lächeln,
und sich an roeselochter triel |
und sich eine rosenrote Lippe
von ander spielt die hoech zu tal |
von der anderen teilt wie die Höh zu Tal,
mit zendlin weis, geschaiden smal, |
mit Zähnchen weiß, schmal [voneinander] geschieden,
Darob zbay prause euglin klar |
Darob zwei braune Äuglein klar
schelklichen spilen her und dar, |
schalkhaft spielen hin und her,
von plick zu plick, scharff mit gewalt, |
von Blick zu Blick, scharf mit Gewalt,
schriembs üb(e)r ain neslin wolgestalt. |
schräg über einem Näslein wohlgestalt.
Ich graber praech noch disen trutz, |
Ich Grauer breche noch diesen Trotz,
und traut sy mir mit ainem smutz |
und traut sie mir mit einem Kuss
Das must ich sicherlichen wagen |
Das müsst ich sicherlich wagen
an verzagen, |
ohne Verzagen,
still verdagen, |
still verschweigen,
nyemant sagen, |
niemandem sagen,
oder klagen, |
oder klagen,
gar haimlich in dem hertzen tragen. |
gar heimlich in dem Herzen tragen.

2.
Denckisch zu sehen weist mich das, | Linkisch [von links] zu sehen weist mich das,
wann mir gerecht ye was gehass, |
wenn mir von rechts je was war verhaßt,
wie sy vor trug zben synbell knöpff |
wie sie vorne trug zwei runde und schlanke knöpfe
spitzlich gedrat recht als die töpff, |
spitzig gedreht recht wie die Töpfe,
gedrollen auff des hertzen bulst. |
abgerundet auf des Herzens Wulst [Wölbung].
o wee der zarten lieben geswulst, |
o weh der zarten lieben Geschwulst [Busen],
kaem mir die ploeslich an mein brust, |
käme mir die plötzlich an meine Brust,
so wer mein greysen gar umb sust, |
so wäre mein Greise-sein gar umsonst,
der part muest weichen von der heut, |
der Bart müsste weichen von der Haut,
mir zerünn dann messer oder leut, |
[auch wenn] mir zerränne [mangelte] dann (Rasier)Messer oder Leute [Barbier],
und würd mir dann ain umbefangk |
und würde mir dann eine Umarmung
von ermlin blos, erst wer ich kranck, |
von Ärmchen blos, da wär ich erst krank [schwach],
wie sich die lieb also umb mich bünde, |
wie sich die Liebe also um mich bindet,
freuden günde, |
Freuden gönnt,
ich da fünde, |
ich da fände,
ob sy mir günde, |
ob sie mir gönnte,
sölcher pünde, |
solche Bünde,
ich sprach ir ablas für all ir sünde. |
ich spräch ihr Ablaß für alle ihre Sünden.

3.
Und von der gürt(e)l umbefangk | Und vom Gürtelband
bis auff den fuess stet mein gedanck, |
bis auf die Füsse steht mein Gedanke,
wie sy wol hab die rechten mass, |
wie sie wohl hat die rechten Masse,
doch möcht ich es gefüegen bas, |
doch möchte ich es besser fügen,
das ich die lidmass griff und saech, |
dass ich die Gliedmasse griffe und sähe,
koem sy mir dann in sölh genaech, |
käme sie mir dann in solche Nähe,
das ich die manhait redten solt |
dass ich die Mannheit [männliches Vermögen] retten sollte [unter Beweis stellen]
ich flüch ir nit, gült was es wolt, |
ich würde nicht flüchten vor ihr, gelte es was es wolle,
ob ich des kriegs ernider laeg, |
auch wenn ich des Krieges [Kampfes] wegen danieder läge,
villeicht so wurden mir dennocht täg, |
vielleicht würden mir dennoch Tage kommen,
ze leisten wider in ir haus, |
es zu schaffen wieder in ihr Haus,
darob so het ich klainen graus, |
deswegen hätte ich kleinen Graus [Angst],
ich bolt mich dannocht mit der rainen |
ich wollte mich dennoch mit der Reinen
schier verainen, |
rasch vereinen,
an vermaynen, |
ohne zu denken,
zu ir lainen, |
[mich] an sie anlehnen,
mit leib, hend, fuessen und gepainen. |
mit Leib, Händen, Füssen und Beinen.
(S. 156-158)
_____



LIII. (53)

1.
Gar wuniklich hat sy mein hertz besessen, | Gar wonniglich hat sie mein Herz besessen,
in lieb ich ir gefangen |
in Liebe ich ihr gefangen [verfangen]
pin mit stetikait, |
bin mit Stetigkeit [Treue],
verslossen gar |
verschlossen [eingeschlossen] gar
in der vil zarten ermlin strick. |
in den Stricken der sehr zarten Ärmlein.
mein hoechstes hail, ich pin dein aigen |
mein höchstes Heil, ich bin dein eigen
zbar, des gib ich dir meinen brieff. |
fürwahr, das gebe ich dir verbrieft.

2.
[Sie]
In welcher main hastu dich freud vermessen | In welcher Meinung hast du dich der Freude vermessen
gen mir? doch unergangen |
gegen mich? doch nicht geschehen
so pin ich berait. |
so bin ich bereit.
hertzlieb, nym war, |
Herzlieb, nehme wahr,
das uns nit vach der melder rick, |
dass uns nicht fängt der Melder [Lauscher] Strick,
als ungevell behuet die faigen, |
alles Mißgeschick behüte die Feigen,
yo und geschech in nymmer lieff. |
ja und geschehe ihnen nimmer Liebes.

3.
In aller trew, beib, du solt nit vergessen, | In aller Treue, Weib, du sollst nicht vergessen,
teglich ist mein verlangen |
täglich ist mein Verlangen
dir zu dinst berait, |
dir zu Diensten bereit,
der freuden schar |
der Freuden Schar
ich wart von liechten euglin blick, |
erwarte ich von der lichten [hellen] Äuglein Blick,
dein mündlin rot mit suessem naigen |
dein Mündlein rot mit süssem Neigen
schon mich beraubt der sorgen tieff. |
beraubt mich schon der Sorgen Tiefe.
(S. 158-159)
_____



LIV. (54)

1.
Mein hertz das ist versert, | Mein Herz das ist versehrt [verwundet],
und giftiklichen wunt |
und giftig wund
mit ainem scharffen swert |
mit einem scharfen Schwert
zbir durch bis an den grundt, |
zweifach durch bis auf den Grund,
und lebt kain artzt auff erd, der mich verhailen kan, |
und kein Arzt lebt auf Erden, der mich heilen kann,
nur ain mensch, das mir den schaden hat getan. |
nur ein Mensch, der mir den Schaden hat getan.

2.
Frau kron, dein edle art | Frau Krone [Herrin], deine edle Art
pebar dein schoechsten schatz, |
gebar deinen höchsten Schatz,
das dir nit werd verschart |
dass dir nicht wird verschart [fortgeschafft]
dein bild in schanden latz, |
dein Wild in der Schande Latz [Fessel],
damit kain zungen an dir nicht werd erfreuet, |
damit keine Zunge an dir sich wird erfreuen,
so wirt mein hertz gesunt gar und verneuet. |
so wird mein Herz gesund gar und erneuert.

3.
Ich man dich, lieb, der wort | Ich ermahne [bitte] dich, Liebe, der Worte [um Worte]
mit billiklichem trost, |
mit gemässem Trost,
bedenck das kleglich mort, |
bedenke das klägliche Morden,
damit ich werd erlost |
damit ich werde erlöst
vil pesser ist mit eren kurtz gestorben zbar, |
viel besser ist mit Ehren kurz [früh] gestorben zwar,
dann mit schanden hie gelebt zway hundert jar. |
als mit Schande hier gelebt zwei Hundert Jahr.
(S. 159)
_____



LVI. (56)

1.
Mein hertz jüngt sich in hoher gail, | Mein Herz verjüngt sich in hoher Geile [Begier, Freude],
und ist getroest, |
und ist getröstet,
erlost |
erlöst
von lieber hand, |
von lieber Hand,
die mir zu fleis frey tadels mail |
die mir fleissig frei des Tadels die Makel
zertlich erschos; |
zärtlich erschoss;
entslos |
entschloß [aufknüpfte]
all mein pandt |
all meine Bande
so gar an streflich schand. |
so ganz ohne sträfliche Schande.
Ich lob den tag |
Ich lobe den Tag
stund, weyl, die zeit, minut und quint, |
die Stunde, Weile, die Zeit, Minute und Quinte [Viertelstunde],
do ich es hoert und gaistlich sach, |
da ich es hörte und im Geiste sah,
das mir mein klag |
dass mir meine Klage
unzbeyfelischen so geswind |
unzweifelhaft so geschwind
bard abgenomen, do zerbrach |
ward abgenommen, da zerbrach
meins hertzen ungemach. |
meines Herzens Ungemach.

2.
Mit er(e)n, o seuberliches g, | Mit Ehren, o säuberliches [höfliches, freundliches] G,
du freuest mich |
du freust mich
gleich (glich) |
gleich
in der sele grund; |
in der Seele Grund;
darnach ain ed(e)l r und e |
danach ein edles R und E
mich troesten sol |
mich trösten soll
so wol |
so wohl
durch roten mund, |
durch den roten Mund,
froelich zu aller stund. |
fröhlich zu aller Stund.
An endt der wort |
Am Ende des Wortes
zbay tt beslossen han die treu |
zwei TT beschlossen haben die Treue
von dir zu mir in ewigkait. |
von dir zu mir in Ewigkeit.
nain, hoechster hort, |
Nein, höchster Hort [Schatz],
das lass dir teglich wesen new, |
das lasse dir täglich neu sein,
und dessgeleichen ich berait |
und desgleichen ich bereit bin
mit gantzer stetigkait. |
mit ganzer Stetigkeit [Treue].
[die Buchstaben G R E T T ergeben den Namen Grett = Margarethe Wolkensteins Frau]

3.
Vergis durch all dein weiplich er, | Vergiss durch alle deine weibliche Ehre,
wo ich dein zucht, |
wo ich deine Zucht [Anstand],
frucht, |
dein Geschlecht [deinen Adel],
ye erzürnet han; |
je erzürnt habe;
für all dis werlt liebt mir dein er |
vor allem auf dieser Welt liebe ich deine Ehre
und wil |
und will
der vil |
dieser viel
pas wesen undertan |
mehr untertan sein
loblich an abelan |
löblich ohne abzulassen
ungeschaiden |
ungeschieden
hie auff erd bis in den tod. |
hier auf Erden bis in den Tod.
und darnach hundert tausent jar |
und danach hundert tausend Jahre
von uns paiden |
von uns Beiden [über uns Beide]
kain valsche zung das petenprot |
keine falsche Zunge das Botenbrot
so freuen mer klain umb ain har, |
mehren soll zu Freuden klein um ein Haar,
hertz lieb, got fueg das war. |
Herzlieb, Gott füge [mache] das wahr.
(S. 161-162)
_____



LVII. (57)

1.
Do fraig amors, | Do vrai amour
franz.
adjuva me, |
adiuva me! lat.
ma lot, min ors, |
a ló, mijn ros
ung. / holl.
na moy sercce |
Ter mój srcé
slow.
rent mit gedanck, |
rennt mit Gedanken,
deutsch
frau, puraty, |
Frau, pur a ti
ital.
eck lopp, ick slapp, |
ik loop, ik slaap
holl.
vel quo vado, |
vel quo vado
lat.
we segg, mein krapp, |
tenyleg, mein Kopf
ung. / deutsch
ne dirs dobro, |
ne drž dóbro
slow.
ju gslaff, ee franck, |
io schiav e franc
ital.
merschy voys gry. |
merci vous crie
franz.
Deutsch, welisch mach, |
Deutsch, wälisch mach,
franzoisch wach, |
Französisch wach,
ungrischen lach, |
Ungarisch lach,
prot bindisch pach, |
Brot windisch bach,
flemming so krach, |
Flämisch so krach,
latein die sibend sprach. |
Lateinisch die siebte Sprache.

2.
Mille schenna, | Milij žena
slow.
yme, man gur, |
ime, mon coeur ung. / franz.
per omnia, |
per omnia
lat.
des leibes spur |
des Leibes Spur
deutsch
centza befui |
senza beffe
ital.
met gschoner bar |
met mooie war
holl.
dut serviray |
tutt servirai
ital.
pur tzschatti gais, |
pur tschatti gaisch
slow.
nem tudem fray, |
nem tudom vrai
ung. / franz.
kain valsche rais, |
keine falsche Reise,
deutsch
got wett wol twiu, |
God weet well, wie
holl.
egk de amar. |
Eg' te amar
lat.

3.
Demit mundesch, | te mi mondsz
ung.
margarita well, |
margarita bel ital.
ex profundes, |
es profundis
lat.
das tu ich snell, |
das tu ich schnell
deutsch
dat loff, draga griet, |
dat g'loof, draga
 Grete holl. / slow.
permafoy, |
par ma foi
franz.
in recommisso, |
in recomissio
lat.
dyors ee not |
jour et nuit
franz.
my ty commando, |
mi ti comando
ital.
wo ich trott, |
wo ich trott,
deutsch
yambre twoya, |
jambor tvoja
ung. / slow.
allopp my troy. |
all op min Treu
holl. / deutsch

Exposicio h g

1.
Do fraig amors, ach wars mein lieb, | ach mein wahres Lieb,
adjuva me, hilff mir, |
hilf mir,
ma lot, mein pferd, |
mein Pferd,
myn ors, mein ros, |
mein Ross,
na moy sercce, daru mein hertz, |
dazu mein Herz,
rent mit gedanck, |
rennt mit Gedanken,
frau, pur aty, frau nur zu dir, |
Frau, nur zu dir,
eck lopp, ick slapp, ich lauff und slaff, |
ich laufe und schlafe,
vel quo vado, oder wo ich gee, |
oder wo ich auch gehe,
we segg, berlich, |
wahrlich,
mein krappff, |
mein Haken,
ne dirs dobro, der halt nit vast, |
der hält nicht fest,
ju gslaff, ich aigen, |
ich eigen,
ee franck, und frey, |
und frei,
merschy voys gry, |
dir denclich rueff. |
dir dankbar rufe.

2.
Mille schenna, zart liebstes beib, | zart liebstes Weib,
yme, see hin, |
sieh hin,
man gur, mein hertz, |
mein Herz,
per omnia, überal, |
überall,
meins leibes spur, |
meines Leibes Spur,
centza befui, an allen spott, |
ohne allen Spott,
met gschoner bar, mit schonem pard |
mit schöner Gebärde
dut serviray, ich dien dir gantz |
diene ich dir ganz
pur tschatti gaisch, nur was du wild |
nur was du willst
nem tudem, und bais nit, |
und weiss nicht,
fray, fürbar, |
fürwahr,
kain valsche rais, |
keine falsche Reise
got wett wol twiu, got wais bol bie, |
Gott weiss wohl wie,
eck de amar, ich dich lieb hab. |
ich dich lieb habe.

3.
Demit mundesch, nur was du wild, | nur was du willst,
margarita well, mein schoene gret, |
meine schöne Grete,
es profundes, aus gantzen gründen |
aus ganzen [allen] Gründen
das tu ich snell, |
das tu ich schnell,
dat loff, das glaub, |
das glaube,
draga griet, liebe gret, |
liebe Grete,
permafoy, auff mein treu, |
auf meine Treue,
in recommisso, in dein bevelchnuss, |
in deine Befehlsgewalt,
diors ee not, tag und nacht, |
Tag und Nacht,
my ti commando, mich dir bevilch, |
befehle ich mich dir,
wo ich trott, |
wo ich trete,
jambre, liebe, |
Liebe,
twoya, nur dein, |
nur, dein,
allopp my troy, all auff mein treu. | auf alle meine Treue.

(S. 162-165)

_____



LIX. (59)

1.
[Sie]
Mit günstlichem hertzen | Mit günstigem [zugeneigtem] Herzen
wünsch ich dir |
wünsch ich dir
ain vil gut jar |
ein sehr gutes Jahr
zu diesem new, |
zu diesem Neuen,
und was auf erd |
und was auf Erden
dein hertz begeret, |
dein Herz begehrt,
amen, mein hert, |
Amen, mein Herz,
zwar das ist recht. |
nun ist das recht.
gedenck an mich, |
denke an mich,
geselle mein, |
Geselle mein,
[Er]
dein schallen und schertzen | dein Schallen [Singen] und Scherzen
liebet mir, |
gefällt mir,
das nym ich zwar, |
das nehme ich nun,
dir lon mein treu, |
lohne es dir meine Treue,
der wunsch, lieb, werd |
der Wunsch, Liebe, werde
an uns gemeret. |
an uns gemehrt.
danck hab das bort, |
dank habe das Wort,
ich pin dein knecht. |
ich bin dein Knecht [Diener].
nur freu es dich, |
nun freue es dich,
zwar das sol sein. |
so soll es sein.

2.
[Er]
Mich freuet, traut beib, | Mich freut, trautes Weib,
dein roter mund, |
dein roter Mund,
ich dein allain |
ich [bin] dein allein
mit stetikait, |
mit Stetigkeit [Treue],
ein züchtlich er |
eine züchtige Ehre
mich tieflich senet, |
mich tief sehnt [in Sehnsucht hüllt],
des pin ich fro |
dessen bin ich froh,
an zbeif(e)l gar, |
ohne jeden Zweifel,
das hoer ich gern, |
das höre ich gern,
zart liebe gret, |
zarte liebe Grete,
[Sie]
Dein manlicher leib | Dein männlicher Leib
mich hat erzunt, |
hat mich entzündet [entflammt],
dasselb ich main, |
ich meine dasselbe,
ich dir berait, |
ich bin für dich bereit,
dein tugent mer |
dein Tugendmeer
hoechlich mich zenet, |
mich im höchsten Masse anzieht [bezaubert],
dem ich also, |
dem ist so,
ich sag dir war, |
ich sage dir wahr,
nach deim begern, |
nach deinem Begehren,
oss, wie es get. |
Oss [Oswald], wie es geht.

3.
[Sie]
Vergiss, mein schatz, | Vergiss, mein Schatz,
nit durch all dein guet, |
nicht durch all deine Güte,
wer ist mein hail, |
wer mein Heil ist,
wer troestet mich, |
wer mich tröstet,
des bol mich ward, |
wessen wohl mir wurde,
der grossen freuden; |
der grossen Freuden;
du bendst mir wee, |
du wendest mir das Weh,
du wendst mir pein, |
du wendest mir die Pein,
du wendst mir laid |
du wendest mir Leid
und ungemach. |
und Ungemach.
[Er]
Dein scherflich gesicht  | Dein scharfes Gesicht [dein deutliches Gesicht]
mein hertz durchpluet, |
mein Herz durchpulst,
nur ich an mail, |
nur ich so ohne Makel,
frau, das tun ich, |
Frau, das tu ich,
zbar unverkart |
zwar unverkehrt
sol ich dich geuden, |
soll ich dich bejubeln [mich deiner freuen],
auch du vil me, |
auch du wolle mich,
lieb, das sol sein, |
Liebe, das soll so sein,
zart frau gemait, |
zarte schöne Frau,
dem kumm ich nach. |
dem komme ich nach.
(S. 167-169)
_____



LXIII. (63)

1.
Wol auff, wol an, | Wohl auf, wohl an,
kind, weib und man, |
Kind, Weib und Mann,
seyt wolgemut, |
seid wohlgemut,
frisch, froelich, frut, |
frisch, fröhlich, wohlbehalten,
tantzen, springen, |
tanzen, springen,
herpffen, singen |
Harfe spielen, singen,
gen des zarten |
gen den zarten
mayen garten |
Maiengarten
gruene. |
grün.
Die nachtigal, |
Die Nachtigall,
der drosch(e)l hal, |
der Drossel Hall [Schall],
perg, aw erschallet, |
Berg, Aue erschallen,
zbay gesellet, |
zwei gesellte,
freuntlich kosen, |
freundlich kosen,
haimlich losen, |
heimlich vertraulich tun,
das geit wunne |
das gibt Wonne
für die sunne |
vor der Sonne
kuene. |
kühn.
Amplick herte, |
Den harten Anblick,
der geferte |
das Benehmen
well wir meiden |
wollen wir meiden
von den beiben |
von den Weibern
ungestalt. |
ungestalt [den häßlichen Weibern].
mündlin schoene, |
schönes Mündlein,
der gedoene |
das Getöne
macht uns hone |
macht uns hochgemut
manigfalt. |
mannigfaltig.

2.
Rauha steudly, | Belaube dich Stäudchen,
lupff dich, kreadly. |
Erhebe dich, Kräutlein,
in das pädly, |
in das Bächlein,
össlin, gredlin, |
Össlin [Oswald], Gretlin [Grete],
plumen pluede |
der Blumen Blühen
wendt uns muede, |
wendet uns die Müdigkeit,
laubes decke |
Laubes Decke
rauch bestecke. |
das Rauhe bestecke,
metzly, |
Metzly [Frauenname],
pring den putern |
bring den Bottich
lass uns kuttern, |
lass uns lachen [kichern],
wascha maidly, |
wasche Mädchen,
mir das pfaidly [=schaidly], |
mir das Scheitelchen,
reib mich knäbly, |
reib mich Knäblein,
umb das näbly, |
um das Näblein,
hilfft da mir, |
hilfst du da mir,
leicht vach ich dir |
leicht fange ich dir
das retzly. |
das Rätzlein. [Penis]

3.
Ju heya haig, | Ju heia hei,
zierlicher maig, |
zierlicher Mai,
scheub pfifferling, |
schiebe [bringe heraus] Pfifferlinge,
die maurack pring, |
die Morcheln bringe,
mensch, laub, und gras |
Mensch, Laub und Gras
wolff, fuchs, den has |
Wolf, Fuchs, den Hasen
hastu erfreut. |
hast du erfreut.
die werlt bestreut |
die Welt bestreut
gruenlichen |
grün
und was der winder |
und was der Winter
vast hinhinder |
fest ganz hinten
in die mauer |
in die Mauer
tieffer lauer |
tiefer Lauer
het gesmogen, |
hat angeschmiegt [umschlossen],
ser betrogen, |
sehr betrogen,
die sein erloest, |
die sind erlöst,
may, dein getroest |
Mai, deiner getröstet
froelichen. |
in Frohsinn.
(S. 173-175)
_____



LXV. (65)

1.
[Er]
Sym, gredlin gret, | Ei, Gretchen, Grete,
mein gredelein, |
mein Gretelein,
mein zarter puel, |
meine zarte Buhle [Geliebte],
hertzlieb gemait |
liebstes Herzlieb
dein züchtlich er an mir nit beich. |
deine züchtige Ehre weiche nicht meinetwegen.
[Sie]
Halt wie es get, | Halt wie es nur geht
mein oselein, |
mein Oselein [Oswald],
in deiner schuel |
in deiner Schule
treustetikait |
Treustetigkeit
die wil ich leren ewigkl(e)ich. |
will ich lernen ewiglich.
[Er]
Die bort sol ich behalten mir, | Diese Worte soll ich mir behalten [bewahren],
und schreiben in meins hertzen grundt |
und schreiben in meines Herzens Grund
von deinem roselochten mund, |
von deinem rosigen Mund,
[Sie]
Mein hort, dasselb ist wol mein gier, | Mein Hort [Schatz], dasselbe ist wohl mein Begier,
bann ich will nit bencken, |
denn ich will nicht wanken,
[Er]
das sol ich bedencken, | das soll ich bedenken,
[Sie]
gedenck, liebs öselein, an mich | denke, liebes Öselein [Oswald], an mich
dein gredlein sol erfreuen dich. |
dein Gretlein soll erfreuen dich.

2.
[Er]
Du kanst mich ni(ch)t | Du kannst mich nicht
erfreuen pas, |
erfreuen besser,
bann das ich laeg |
als wenn ich läge
an deinem arm, |
in deinen Armen,
verslossen als ain klauener. |
verschlossen wie ein Klausner.
[Sie]
In deiner pflicht  | In deiner Pflicht
wird ich nit lass, |
werde ich nicht lassen,
an sainlich traeg |
ohne langsame Trägheit [zu zögern]
mach ich dir barm, |
mache ich dich warm,
und ist mir das ain klaine swer. |
das ist mir eine kleine Schwere [Last].
[Er]
Hab danck, mein trauter aidgesell,  | Habe Dank, mein trauter Eidgesell,
das sol ich dir vergessen klain, |
das soll ich dir vergessen klein [nicht vergessen],
wann du pist wol, die ich da main. |
denn du bist es wohl, die ich meine.
[Sie]
An wanck von mir kain ungevell, | Ohne zu wanken, von mir kein Unheil,
hertzlieb, nit enbarte, |
Herzlieb, nicht erwarte,
[Er]
danck so hab die zarte. | so habe Dank die Zarte.
[Sie]
zart liebster man, mir ist so wol,  | zarter liebster Mann, mir ist so wohl,
benn ich dein prust umbsliessen sol. |
wenn ich deine Brust umschliessen soll [darf].

3.
[Er]
Vor aller freud | Vor aller Freude
troest mich dein hertz, |
tröstet mich dein Herz,
darzu dein wu- (wo-) |
dazu dein wo-
nickllicher leib, |
nniglicher Leib,
wenn er sich freuntlich zu mir smuckt. |
wenn er sich freundlich an mich schmiegt.
[Sie]
Gesell, so geud | Geselle, so juble
ich vol den schertz |
ich voll der Scherze
und gailt sich fro |
und freut sich froh
dein ainig beib, |
dein einzig Weib,
benn mir dein hand ainn brüstlin druckt. |
wenn mir deine Hand ein Brüstlein drückt.
[Er]
Ach frau, das ist mein zucker nar, | Ach Frau, das ist meine Zuckernahrung,
und süesst mir alle mein gelid, |
und süsst mir alle meine Glieder,
seyd du mir haltst günstlichen frid, |
seit du mir hältst günstigen Frieden,
[Sie]
Getrau mir sicherlichen zbar.| Vertrau mir sicher nur,
öslein, gar an ende |
Öslein [Oswald], gar ohne Ende
[Er]
gredlin, das nit bende, | Gretlein, das nicht wende,
[Sie]
kain wenden zbischen mein und dir | kein Wenden zwischen mir und dir
sey uns mit hail beschaffen schir. |
sei uns Heil beschaffen rasch.
(S. 176-178)
_____



LXVI. (66)

1.
Mich troest ain adeliehe maid, | Mich tröstet eine adlige Magd [Jungfrau],
die ist fürbar |
die ist fürwahr
durch klar |
durchaus klar
an tad(e)ls mail, |
ohne des Tadels Makel,
Der keuschlich er ist wol so prait, |
Die keusche Ehre ist wohl so breit
das sy verdeckt, |
dass sie verdeckt,
erschreckt |
erschreckt
all strefflich gail |
die sträfliche Geile [Lust]
mit birdiglichen hail. |
mit würdigem Heil.
Sy hat den preis |
Sie hat den Preis [Lob]
in meinem hertzen ewigkl(e)ich |
in meinem Herzen ewiglich
für alle, die ich ye gesach, |
vor allen, die ich je sah,
Ir wand(e)l, beis |
Ihr Wandel, Weise
ist bol so reich, |
ist wohl so reich,
das sy wendt ungemach |
dass sie wendet Ungemach
süesslich an weelich ach. |
süss ohne ein wehes Ach.

2.
Freu dich, du bertlich creatur, | Freu dich, du weltliche Kreatur,
das dir all mass, |
dass dir alles Mass,
tun, lass |
des Tun, des Lassens
recht bol an stat, |
recht wohl ansteht,
Und du nach menschlicher natur |
Und du nach menschlicher Natur
löblichen zart |
loblich zart
von art |
von der Art
keuschliche wal |
keuscher Wahl
besitzt an missetat. |
besitzt ohne Missetat [Sünde].
Dick, smel, kürtz, leng |
Dick, schmal, kurz, lang
von hoch zu tal so ist ir leib |
von oben bis zum Tal [unten] so ist ihr Leib
baidelich posniert unverhoent, |
weidlich zart ausgebildet unverhöhnt [untadelig],
Und dein gemeng |
Und die Buntheit deiner
von amplick, beib, |
Anblicke, Weib,
plaich, weis, durch rot getront, |
bleich [hell], weiss, durch Rot gethrönt [ausgezeichnet],
für alle maid verkroent. |
vor allen Maiden [Mädchen] gekrönt.

3.
Junckfrau, durch all dein köstlich er, | Jungfrau, durch all deine köstliche Ehre,
solt ich von got |
sollte ich von Gott
an spot |
ohne Spott
des wirdig sein, |
dessen würdig sein,
So wolt ich doch nit wünschen mer, |
So wollte ich doch nichts wünschen mehr,
bann das ich möcht |
als wenn ich möchte
getöcht |
denken
nur besen dein |
nur dein zu sein
recht als ain gslefelein. |
recht als ein Sklave.
Erst wolt ich geuden, |
Da erst wollt ich mich freuen,
gailich schallen, singen hell |
laut und froh schallen [tönen], hell singen
von meiner frauen, der ich wer, |
von meiner Frau, deren ich wäre [angehörte],
Und die mit freuden |
Und die mit Freuden
hertz, mut, leib, sel |
Herz, Mut, Leib, Seele
wol hailen mag an swer |
wohl heilen mag ohne Schmerz
mit bort, berch und geper. |
mit Worten, Werken und Gebaren.
(S. 178-179)
_____



LXVIII. (68)

1.
Ain rainklich weib, | Ein reines Weib,
durch jugent schoen, |
durch Jugend schön,
klain aufgedraet |
klein aufgedreht [geformt]
an tadels dro, |
ohne des Tadels Drohung,
Der wand(e)l, leib |
Der Wandel des Leibes
gailt mich so hoen, |
geilt mich [erfreut mich] zu Höhen,
wes sy nur paet, |
wessen [um was] sie nur bittet,
des wer ich fro, |
dessen wäre ich froh,
Der arbait deucht mich nit zuvil, |
Der Arbeit deucht mich nicht zu viel,
ich spaech, hertzlich, nur was du wil, |
ich spräche, Herzliche, nur was du willst,
das sol ich tun an endes zil, |
das soll ich tun ohne anderes Ziel,
bolt es dir nit versmahen. |
wollt es dir nicht verschmähen.

2.
Mich freut furbar, | Mich freut fürwahr,
ir roter mund, |
ihr roter Mund,
darzu ir froelich angesicht, |
dazu ihr fröhliches Angesicht,
aufrüstig gar |
aufrüstig [heiter, freundlich] gar
zu aller stund, |
zu aller Stund,
ir haubt undroelich ist gericht |
ihr Haupt ist undrohend gerichtet
mit gantzem fleis, wort und geper, |
mit ganzem Fleiss, Wort und Gebaren,
gar unverschroten an gever, |
gar unverfehlt ohne Tücke,
ir zarter leib frücht tugend swer, |
ihr zarter Leib schwer von Früchten der Tugend,
das tut mich senlich vahen. |
das tut mich sehnlich fangen.

2.
Sy hat mein hertz | Sie hat mein Herz
mit steter gir |
mit steter Begier
strengklich besessen nacht und tag, |
streng besessen Nacht und Tag,
frau, disen schertz, |
Frau, diesen Scherz,
den klag ich dir, |
den klag ich dir,
dein trost mir wol gehelffen mag, |
dein Trost mir wohl behelfen mag,
mein dinst dir allzeit ist berait, |
mein Dienst dir allzeit ist bereit,
es sey dir, kind, lieb oder laid, |
es sei dir, Kind, Liebe oder Leid,
erhoer mich, stoltz freulin gemait, |
erhör mich, stolzes schönes Fräulein,
lass dir mein ellend nahen. |
lass dir mein Elend [Not] nahen.
(S. 181-182)
_____



LXIX. (69)

1.
Sweig, gut gesell, schimplichen lach, | Schweige, guter Geselle, lache scherzhaft,
lass dir kain fluech zu hertzen gan, |
lass dir keinen Fluch zu herzen gehen,
verantbort nit all krumpe sach, |
verantworte nicht alle krumme Sache,
beich umb, wo du nit solt bestan, |
weich um [kehr um], wo du nicht sollst bestehen,
schreibt uns hans mosmair mit geschray. |
schreibt uns Hans Mosmair mit Geschrei.
Wer seinem richter gibt bevor, |
Wer seinem Richter gibt bevor [im Voraus],
und halt den pfarrer unversmaecht, |
und hält den Pfarrer unverschmäht,
der dunckt mich sicher nit ain tor, |
der dünkt mich sicher nicht ein Tor,
ob er die zbay nützlich volbraecht, |
wenn er die zwei nützlich vollbracht,
und hiess fürbar ain klaueger lay. |
und heisst fürwahr ein kluger Laie.
Wer nesseln zafft, |
Wer Nesseln zieht,
und gilgen strafft, |
und Lilien straft [vernichtet],
der wil das gertlin stoeren gar, |
der will das Gärtlein stören gar,
und sein tauben |
und seine Tauben
tut erlauben |
tut erlauben
rappen und geyren, |
Raben und Geiern,
die nit feyren, |
die nicht feiern,
der bendt sein nutz die lenge zwar. |
der wendet die Länge seines Nutzens nur.

2.
An hass hab ich die wort erzalt, | Ohne Hass habe ich die Worte erzählt,
nu sing wir von den freulein rain, |
nun singen wir von den Fräulein rein,
der ich kain frumme nie geschalt, |
von denen ich kein frommes je gescholten habe,
nur sy wer vor der eren sain |
es sei denn, sie wäre vor der Ehre langsam
in fräuelicher weise. |
in fraulicher Weise.
Wer haimlich sünd, dem wirt sein puess |
Wer heimlich sündigt, dem wird seine Busse
in ainer stille auff gesetzt, |
in einer Stille aufgesetzt [auferlegt],
dasselb bedenkt, liebs freulin suess, |
dasselbe bedenke, liebes Fräulein süss,
eur züchtlich er last unverhetzt, |
Eure züchtige Ehre lasst unverletzt,
und halt ewr freuntschaft leyse. |
und haltet eure Freundschaft leise.

3.
Seyd ich nu haiss die nachtigal, | Seit ich nun die Nachtigall,
und lob auch vast die freulin gut, |
und lob auch fest das Fräulein gut,
doch preis ich wol durch hellen schal |
doch preise ich wohl durch hellen Schall
ain zart schon beib, mit er behut, |
ein zartes schönes Weib, durch Ehre behütet,
für sterck der grossen leuen, |
vor der Stärke der grossen Löwen,
Und pin auch got von hertzen holt, |
Und bin auch Gott von Herzen hold,
das er ain schoen beib tad(e)lz frey |
dass er ein schönes Weib frei von Tadel
schon bürckt, der lob für alles gelt |
schön erschafft, deren Lob vor allem Gold
erleucht, wont tugent, er dabey |
leuchtet, wohnt Tugend, Ehre dabei
an offenbars verstreuen. |
ohne offenbares Verstreuen.
(S. 182-183)
_____



LXXII. (72)

1.
Rot, weis, ain froelich angesicht, | Rot, weiss, ein fröhliches Angesicht,
enploesst aus swartzer varbe klaid, |
entblößt aus schwarzer Farbe Kleid,
ain klain verdackt der stirn slicht |
ein wenig verdeckt die gerade Stirn
mit ainem sla(e)irlin gemait, |
mit einem schönen Schleier,
durchsichtigklich geschittert, |
durchsichtig dünn,
Darinn ain mündlin rosevar, |
Darin ein Mündlein rosenfarbenes,
smielish mit zendlin weis bestecket, |
lächelnd mit weissen Zähnlein bestückt,
verleucht von swartzen euglin klar, |
beleuchtet von schwarzen Äuglein klar,
die meinem hertzen freuden weckt, |
die meinem Herzen Freuden weckt,
das es darinn erzittert, |
dass es darin erzittert,
froelichen kittert. |
fröhlich kichert [lacht].
Ir wort, geper |
Ihre Worte, Gebaren,
ringt mir die swer, |
verringern mir die Schwere [Schmerz],
wann ich das aigentlich beschau, |
wenn ich das genau beschaue,
darzu ir jugent, |
dazu ihre Jugend,
freuntlich tugent |
freundliche Tugend
mit schallen, schimpffen |
mit Schallen [Singen], Schimpfen
pringt gelimpffen, |
bringt sich zurecht fügen,
des freu dich, aller liebste frau! |
dessen freue dich, allerliebste Frau!

2.
Wie wol gedanck mich lan unfrey, | Wie wohl mich die Gedanken unfrei lassen,
so tar ich doch gesprechen nicht, |
so darf ich doch nicht sprechen,
dieselbig vorcht mir bonet pey, |
dieselbe Furcht mir wohnet bei,
nur dester wirser(?) mir beschicht, |
nur desto schlimmer mir geschieht,
das ich die tutzsch sol meiden. |
das ich die deutsche Sprache soll meiden.
Darzu üebt mich mein grobe art, |
Dazu übt mich meine grobe Art,
das ich so selden wird getroest, |
dass ich so selten werde getröstet,
von noeten greiset mir der part, |
von Nöten vergreist mir der Bart,
seyd mein hertz senlich wirt geroesst, |
seit mein Herz vor Sehnsucht wird geröstet,
gar dick mit groessem leiden |
gar dick [sehr] mit grossem Leid
mus ich das reiden. |
muss ich das wenden.

3.
Hüntlichen [=süntlichen] sehen, klaine sprach, | Sündiges Sehen, kleine Sprache,
und wer die teutsch nit wil verstan, |
und wer die deutsche nicht will verstehen,
das pringt offt ainem ungemach, |
das bringt oft einem Ungemach,
das er sein not nit berben kan, |
das er seine Not nicht werben kann [nichts ausrichten kann],
des mus ich offt engelten. |
das muss ich oft entgelten.
Mit eren auserweltes . m ., |
Mit Ehren auserwähltes M. [Margarete],
liebst du mir in meins hertzen grundt, |
liebst du mich in meines Herzens Grund,
dein stoltzer leib mich nit enklemm, |
dein stolzer Leib mich nicht martere,
der mag mir freude machen kund, |
der mag mir die Freude machen kund,
so gar an alles melden |
so gar ohne alles melden
tet ich es selden. |
täte ich es selten.
(S. 187-188)
_____



LXXIII. (73)

1.
Vier hundert jar auff erd die gelten nur ainen tag, | Vier hundert Jahre auf Erden die gelten nur einen Tag,
und wo sich lieb zu lieb haimlich versliessen mag, |
und wo sich Lieb zu Lieb heimlich verschliessen mag,
da ber ich nit ain zag, |
da wäre ich nicht zaghaft,
ich druckt die mynicklichen zu mir auff die prust, |
ich drückte die Minnigliche mir auf die Brust,
nach meines hertzen lust, |
nach meines Herzens Lust,
so wer mein laid vertusst, |
so wäre mein Leid vertuscht,
das hail drung mich zu liebem ungemach. |
das Heil drängte mich zu liebem Ungemach.

2.
Ich rüem den tag und preis den wuniklichen schertz, | Ich rühme den Tag und preise den wonniglichen Scherz,
do sy mich het erwelt so gar an allen schmertz, |
da sie mich erwählt hatte so gar ohne allen Schmerz,
gantz für ir ainigs hertz, |
ganz für ihr einziges Herz,
und desgleichen unvergessen ewigkl(e)ich |
und desgleichen unvergessen ewiglich
ir nymmermer gebeich |
[ich] ihr nimmermehr weiche
in meines hertzen teich, |
in meines Herzens Teich
als ich ir das löblichen hoch versprach. |
als ich ihr das löblich hoch versprach.

3.
Mit urlob, frau, kain schaiden tet mir nie so wee, | Mit Urlaub [Ich verabschiede mich], Frau, kein Scheiden tat mir bisher so weh,
solt ich dein stoltzen leib gesehen nymmerme, |
sollte ich deinen stolzen Leib nimmermehr sehen,
das wer mein giftlich kree |
das wäre mein giftiges Geschrei
und rau mich ser dein pöscholochter, roter mund, |
und machte mich rauh [machte mir Schmerz] dein voller roter Mund,
der mich tiefflichen wunt |
der mich auf tiefste verwundet
in des todes grund, |
in des Todes Grund,
des mordayo, oy my, und ymmer ach! |
des Mordio, oi mei, und immer ach!
(S. 189)
_____



LXXIV. (74)

1.
Hertz, mut, leib, sel, und was ich han, | Herz, Mut, Leib, Seele, und was ich habe,
das freut ain lieplich angesicht, |
das freut ein liebliches Angesicht,
dem sol ich wesen undertan |
dem ich untertan sein soll
zu dienen stetiklich gericht. |
zu dienen stetig gerichtet.
Frau, du solt unvergessen sein |
Frau, du sollst unvergessen sein
in meinem hertzen ewigkl(e)ich, |
in meinem Herzen ewiglich,
und wer das auch der bille dein, |
und wäre es auch dein Wille,
so ward nye kaiser mein geleich. |
so ward nie ein Kaiser mir gleich.

2.
Ich wolt, du wesst an als gever | Ich wollt, du wüsstest ohne alle Gefahr
mein freuntschafft halb, die ich dir trag, |
die Hälfte von meiner Freundschaft, die ich für dir trage,
zbar du erfuerst vil lieber mer |
fürwahr du erführest viel lieber mehr
von dir zu mir an alle frag. |
von dir zu mir ohne alle Fragen.

3.
Wie verr ich pin, so nahet mir | Wie fern ich auch bin, so nahet mir
inprünstiglich dein stoltzer leib, |
inbrünstig dein stolzer Leib,
senlich darnach stet mein begir, |
sehnlich danach steht mein Begier,
du freust mich zbar für alle beib. |
du freust mich fürwahr vor allen Weibern [Frauen].
(S. 189-190)
_____



LXXV. (75)

1.
Ach got, wer ich ain pilger(e)in, | Ach, Gott, wäre ich ein Pilger,
als ich vor zeiten ainer was, |
wie ich es vor Zeiten einer war,
So walt ich zu den swestern mein |
So wallfahrtete ich zu meinen Schwestern
gar bräederlichen ane has, |
gar brüderlich ohne Hass,
Vil abenteu(e)r, neuer mer |
Viele Abenteuer, neue Mären
belt ich in losen |
wollte ich ihnen losen [schön vertraulich tun]
scharpff in das oerichin an gever, |
scharf in das Öhrchen ohne Gefahr,
freuntlichen kosen. |
freuntlich kosen.
Zway stäbichin hett ich pald genaet |
Zwei Stäbchen hätte ich bald genäht
auff ainen mant(e)l, wie ich taet, |
auf einem Mantel, wie ich täte,
darunder klösterlich verdraet |
darunter klösterlich verdreht [verkleidet]
schon als ain prueder, |
schön als ein Bruder,
der seine swestern lieber suechte dann die mueder. |
der seine Schwestern lieber suchte als die Mütter.

2.
Wo hertzenlieb peiander ist, | Wo Herzenliebe beieinander ist,
do werd die nacht ain augenplick, |
da wird die Nacht ein Augenblick,
wie kund ich mich der kurtzen frist |
wie könnte ich mich der kurzen Frist
benuegen, der ich nicht erschrick, |
begnügen, der ich nicht erschrecke,
Und die mein hertz besessen hat |
Und die mein Herz besessen hat
scharff mit gewalte, |
scharf mit Gewalt,
ich kan ir nymmer werden sat, |
ich kann ihrer nimmer werden satt,
die weil ich alde. |
solange ich altere.

3.
Senliches schaiden mich ermart, | Sehnliches Scheiden martert mich,
mit grosser klag ich das verdol, |
mit grosser Klage erdulde ich das,
yedoch mich teglich panget hart, |
jedoch bange ich täglich hart,
das ich mich selden schaiden sol, |
dass ich mich selten scheiden soll,
Und mir undicke wonet pey, |
Und mir selten wohnet bei,
die mich tut freuen |
die mich tut freuen
für aller werlde stampaney, |
vor aller Welten Plackerei,
das mues mich rewen. |
das muss mich reuen.
(S. 190-191)
_____



LXXVI. (76)

1.
Freunntlicher plick | Freundlicher Blick
wundet ser meins hertzen schrein |
verwundet sehr meines Herzens Schrein
mit ainem scharpffen zain, |
mit einem scharfen Pfeil,
zbay euglin rain, |
zwei Äuglein rein,
lautter, klar und vein, |
lauter, klar und fein,
ein, |
ein,
sein gewaltig mein. |
sind gewaltig mein.
Aus slaffes schrick |
Aus des Schlafes schrecken
vil gedänck, melancol(e)y, |
viele Gedanken, Melancholie,
dicke wir bonen pey, |
sehr uns wohnen bei,
zetter ich schrey |
Zetter ich schreie
nach der edlen krey, |
nach der edlen rufe ich,
ey, |
ei,
das sy pey mir sey. |
das sie bei mir sei.
Ir günstlich grus |
Ihr günstiger [wohlwollender] Gruss
von dem mündlein seuss |
aus dem Mündlein süss
mit unmuess |
mit Unruhe
mir pringt senlich puess, |
mir bringt sehnliche Busse,
paide tag und nacht |
beide Tag und Nacht
so ich betracht, |
so ich betrachte,
und acht, |
und achte,
das mich liederlichen umbefacht, |
das mich reizend umfängt,
ermlin macht, |
der Ärmlein Macht,
Mit herttem druck |
Mit festem Druck
kuerlich zu ir smuck, |
reizend zu ihr schmiege ich
und mich tuck, |
mich und drücke,
das sy nit enzuck |
dass sie nicht zucke [sich bewege]
bis ir rotter mund |
bis ihr roter Mund
auff sleust den punt |
aufschließt den wunden
verbunt, |
Verbund,
des sy maisterlich ainen grund |
dessen einen Grund sie meisterlich 
schaffen kund. |
schaffen konnte.

2.
Traut selig weib, | Trautes seliges Weib,
selden sehen überal |
Selten sehen überall
toert mir der synne zal, |
dörrt mir der Sinne Zahl,
seyd mich zumal |
seit mich zumal
deines leibes sal, |
deines Leibes Saal,
gral |
der Gral [Kelch]
werffen wil zutal. |
werfen will zu Tal.
Ellenden leib |
Den elenden Leib
fuer ich auff der yrren pan, |
führe ich auf die irre Bahn,
und hoff auff zweifels wan, |
und hoffe auf des Zweifels Wahn,
recht als ain man, |
recht als ein Mann,
den man |
den man
wil verlan, |
will verlassen,
von freuden mus ich stan |
von Freuden muss ich (ab)stehn
und swebt mein klag |
und meine Klage schwebt
auff ain bilden bag |
auf einer wilden Waage
teglich tag, |
Tag für Tag,
das ich schir verzag, |
dass ich sehr verzage,
seyd mein hoechstes hail |
seit mein höchstes Heil
mir machet fail |
mir machte feil
die gail, |
die Geil [Freude],
und in kainerlay wandels mail |
und in keinerlei Wandels Makel
prach das sail. |
brach das Seil.
Darumb ist, ach, |
Darum ist, ach,
feur in dem tach, |
Feuer auf dem Dach,
kain gemach |
kein Gemach
in meins hertzen vach, |
in meines Herzens Fach,
bann ich recht bedenck |
wenn ich recht bedenke
die zarten renck, |
die zarten Ränke,
gelenck |
Gelenke
mit so mangerlay hendlin schrenck |
mit so mancherlei Händchen verschränkt
sunder wenck. |
ohne Wanken.

3.
Ach raine frucht, | Ach reine Frucht,
lass erbarmen dir mein not, |
lass erbarmen dich meine Not,
was hilft dich nu mein tod, |
was hilft dir nun mein Tod,
dein mündlin rot |
dein Mündlein rot
mag verhailen wol den schrot |
mag verheilen wohl den Schlag,
grot, |
gross,
den mir unfal pot. |
den mir der Unfall bot.
Kain andre flucht |
Keine andere Flucht
nur allaine, frau, zu dir |
nur alleine, Frau, zu dir
lendt sich meins hertzen gier, |
lenkt sich [richtet sich] meines Herzens Gier,
dein köstlich zier |
deine köstliche Zier
wil behelfen mir |
will behelfen mir
schir, |
rasch,
des ich hart empir. |
dessen ich hart entbehre.
bedenncka yo |
bedenke ja
lieb, du waist bol bo, |
Lieb, du weisst wohl wo,
hab also, |
hab [mich] also,
lass mich nit unfro, |
lasse mich nicht unfroh,
nu wenndt meins hertzen laid, |
wende nun meines Herzens Leid,
das mich allraid |
das mich allseits
beklaid |
bekleidet
durch dein seuberlich schoen gemait, |
durch deine reine schöne Anmut,
zierlich prait. |
zierlich breit.
Erst burd ich reich, |
Dann erst würde ich reich [werden],
nyemant mein geleich, |
niemand ist mir gleich,
von dem speich, |
von dem Speicher,
süesser bunne teich, |
süsser Wonne Teich,
urlob geb ich wee, |
Urlaub gebe ich dem Weh,
und gruent mein klee, |
und grünt mein Klee,
als eeeee. |
wie ehedem.
schaiden, pitterlich kalter snee, |
Scheiden, bitterlich kalter Schnee,
scharffer kree |
scharfes Krähen [Schreien]
kumm nit meeeeeee. |
komm nicht mehr.
(S. 191-194)
_____



LXXVII. (77)

1.
[Er]
Treib her, | Treib her,
treib überher, |
treib rüber her,
du trautes agneslein, |
du trautes Agneslein [Agnes],
das mein, zu mir ruck mit den schefflein dein, |
das meine, zu mir komme mit deinen Schäfchen,
kumm schir, mein schoenes agneslein. |
komm schnell, mein schönes Agneslein,
[Sie]
Ich merck, | ich merke,
ich merck |
ich merke
dich wohl, aber ich entun sein werlich nicht, |
dich wohl, aber ich tue es wahrlich nicht,
dein waide die ist gar entwicht, |
deine Weide die ist gar kraftlos,
mein haide stet in gruener pflicht. |
meine Heide stets in grüner Pflicht.
[Er]
Mein baid, | Meine Weide,
mein baid |
meine Weide
die ist bol der massen kuerlich guet |
die ist wohl der massen kürlich gut [über die Massen auserwählt gut]
mit kle, laub, gras, vil pluemlin pluet, |
mit Klee, Laub, Gras, viele blühende Blümlein,
der sne get ab in meiner huet. |
der Schnee geht weg in meiner Hütte.
[Sie]
So hoer, | So höre,
so hoer |
so höre
ich hie vil süesser vog(e)lin gesangk, |
ich hier viel Vogelgesang,
dapey ist mir die beil nit lanck, |
dabei ist mir die Weile nicht lang,
gar frey ist aller mein gedanckh. |
gar frei sind alle meine Gedanken.

2.
[Er]
So han, | So habe,
so han |
so habe
ich hie wol ain kulen klaren prunn, |
ich hier wohl einen kühlen klaren Brunnen,
darumb ain schatten für die sunn, |
darum herum einen Schatten vor der Sonne,
nu kumm meins hertzen hoechste wunn. |
nun komme meines Herzens höchste Wonne.
[Sie]
Von durst | Von Durst
von durst |
von Durst
so hab ich kainerlay(e) hendlin not, |
so habe ich keiner Hände not,
ya keut ich nie das kes und prot, |
ja ich kaute noch nicht den Äse und das Brot,
das heut mein mutter mir gebot. |
das heute meine Mutter mit bot [mitgegeben hat].
[Er]
Vil sbammen, | Viele Schwämme [Pilze],
swemmelein, |
Schwämmelein,
die bachsen hie in disem strauch, |
die wachsen hier in diesem Strauch,
darzu vil junger voglein rauch, |
dazu vieler jungen Vöglein Flaum,
kommstu zu mir, ich gab dir auch. |
kämmst du zu mir, ich gäb dir davon.
[Sie]
Wiltu, | Willst du,
bildu |
willst du
mich sichern gentzlichen mit gemache lan, |
mir versichern gänzlich mich zu lassen mit dem Gemache [in Ruhe lassen]
villeicht so treib ich zu dir hinan, |
dann vielleicht treib ich hinan zu dir,
sust weicht mein vich verrlich herdan. |
sonst weicht mein Vieh ferne weg.

3.
[Er]
Nu fürcht, | Nun fürchte,
nu fürcht |
nun fürchte
dich nicht, mein auserwelte schoene tock, |
dich nicht, meine auserwählte schöne Puppe,
ja flicht ich dir deinen weissen lock, |
ja ich flechte dir deine weissen Locken,
und slicht dir deinen roten rock. |
und glätte dir deinen roten Rock,
[Sie]
das hast | das hast
das hast |
das hast
du mir so offt versprochen pey der wyd, |
du mir so oft versprochen bei der Weide,
vest stet zu halden ainen frid, |
fest stets zu halten einen Frieden,
noch (not?) tett du mir an meim gelid. |
noch tätest du mir [etwas] an meinen Gliedern.
[Er]
Der schad, | Der Schaden,
der schad |
der Schaden
was klaine, der deinem leib alda beschach, |
war klein, der deinem Leib allda geschah,
in mass als es dein swester sprach, |
in Massen wie es deine Schwester sagte,
ich lass dich furpas mit gemach. |
ich lasse dich fürbas [fürder] mit Gemach [in Ruhe].
[Sie]
Das wirt, | Das wird,
das wirt |
das wird
sich sagen erst, so ich werden sol ain praut, |
sich sagen [zeigen] erst, so ich werden soll eine Braut,
ob sich verrucket hat mein ha(u)t, |
ob sich verrücket [verschoben] hat meine Haut.
pfuch dich, du tetst mirs vil zu laut. |
Pfui dir, du tätest mir viel zu laut.

4.
[Er]
Bis will, | Bist will-,
bis will |
bist will-
kommen, du wuniklicher schoener hort, |
kommen, du wonniglicher schöner Hort [Schatz],
du pist mir lieber hie dann dort, |
du bist mir lieber hier als dort,
nu lisp mir zu ain freuntlich wort. |
nun lisple mir ein freundliches Wort.
[Sie]
Und ber, | Und wäre,
und wer |
und wäre
ich dort, wer wer dann, lieb, bey dir alhie, |
ich dort, wer wäre dann, Lieb, bei dir allhier,
mein hertz dich gentzlich nie verlie |
mein Herz dich ganz nie verläßt
an smertz, du waist wol selber wie. |
ohne Schmerz, du weisst wohl selber wie.
[Er]
Des wol, | dessen wohl,
des wol |
dessen wohl
mich ward vil mer dann hundert tausent stund, |
mir ward viel mehr als hundert tausend Stunden,
mich troest dein roesolochter mund, |
mich tröstet dein rosiger Mund,
der loest aus sweres hertzen punt. |
der löst aus des schweren Herzens Bund.

Vil freud, |
Viel Freude,
vil freud |
viel Freude
und wunne ir paider leib allda betrat, |
und Wonne ihr beider Leib allda betrat [genossen],
bis raid der abent zuher yat, |
bis rasch der Abend herzu naht,
an laid schied sich ir paider wat. |
ohne Leid schieden sich ihr beider Kleider.
(S. 194-196)
_____



LXXXI. (81)

1.
Senlich mit langer zeit und weil vertraib | Sehnsüchtig mit langer Zeit und der Weile Vertreib
schaft mir ain mynnikliches beib, |
schafft mir ein minnigliches Weib,
bann ich erwach und vind ir nit, |
wenn ich erwache und sie nicht finde,
die mein gebaltig ist, |
die mein gewaltig [ganz und gar] ist,
Trauren mich besleusset gentzlich überal, |
Trauern schließt mich gänzlich überall ein,
und meret sich mein grosser qual, |
und mehret sich meine grosse Qual,
so mir an meinem arm geprist |
so mir in meinem Arm fehlt
ain schatz an argen list, |
ein Schatz ohne arge List,
Hueglich, |
Erfreut,
tuglich; |
tüchtig,
rueglich |
rührig
wer ich sicher gail, |
wäre ich sicher geil [lustig],
wurd mir die lieb noch ainst zetail. |
würde mir die Liebe noch einst zuteil.

2.
Ach schaid(e)n, du pittre burtz, verderblich krut, | Ach Scheiden, du bittre Wurzel, verderbliches Kraut,
du verrest mir mein liebste brut, |
du entfernest mir meine liebste Braut,
der ich vor kaine nie gewan, |
der ich vor keiner je gewann,
so gar an tad(e)l wech. |
so gar ohne Tadels Weh.
Fürbar, ich bolt, wer schaiden hiet erdacht, |
Fürwahr, ich wollte, wer das Scheiden hätte erdacht,
das im hinfür kain liebe nacht |
das ihm hinfür keine liebe Nacht
von kainer frauen wolgetan |
von keiner Frau wohlgetan
halt nymmermer beschech. |
halt nimmermehr geschähe.
Trauren, |
Trauern,
tauren, |
dauern [warten],
lauren |
lauern
mus ich als ain kind, |
muss ich wie ein Kind,
bis ich die zarten wider vind. |
bis ich die Zarte wieder finde.

3.
Gesell, gelück, freud, wunn, hail und hoechstes g, | Geselle, Glück, Freude, Wonne, Heil und höchstes G [Grete],
nu wendt durch got mein senlich wee |
nun wende durch Gott mein sehnsüchtiges Wehe
vernüfftiglick nach weysem rat, |
vernünftig nach weisem Rat,
das ich dich kürtzlich an schau, |
dass ich dich kurzlich [bald] anschaue,
Seyd das ich gelauben sol, als du da sprichst, |
Seit dem, dass ich glauben soll, was du da sprichst,
dein stete lieb, und nicht embrist, |
deine stete Liebe, und [ich sie] nicht entbehre,
damit dein adeliche sat |
damit deine adlige Saat
nit frücht oedlichen pau. |
nicht früchtet [hervorbringt] einen öden Bau [schlechte Früchte].
Frantze, |
Zierreiche,
glantze, |
glänzende,
sprantze, |
leuchtende,
waideliche gret, |
weidliche [blühende] Grete,
vergiss mein nicht, halt wie es get. |
vergiss meiner nicht, halt wie es geht.
(S. 199-200)

_____



LXXXII. (82)

1.
O wunikliches paradis, | O wonnigliches Paradies,
wie gar zu kostnitz vind ich dich, |
wie gar zu Konstanz find ich dich,
für alles das ich hoer, sich, lis, |
für alles das ich hör, sehe, lese,
mit gutem hertzen freust du mich. |
mit gutem Herzen freust du mich.
Inbendig, auss, und überal, |
Inwendig, aussen, und überall,
zu münsterling und anderswa |
zu Münsterling und anderswo
regiert dein adelicher schal, |
regiert dein adliger Schall [Ton],
wer möcht da ymmer werden grab. |
wer möchte da immer werden Grab.
Vil augenbaid |
Viel Augenweide
in mangem klaid |
in manchem Kleid
slecht, zierlich, raid |
schlicht, zierlich, kraus,
sicht man zu costnitz prangen, |
sieht man zu Konstanz prangen,
von mündlin rot |
von Mündlein rot
an alle not |
ohne alle Not
der mir eins drot, |
der mir eines [eines davon] droht
mit roesolochten bangen. |
mit rosigen Wangen.

2.
Gepaer, wort, beis, an tadel spech | Gebärde, Wort, Weise, Rede ohne Tadel
schaut man durch heug(e)lichen trit |
schaut man durch den behutsamen Schritt
von manger stoltzen frauen bech, |
von mancher stolzen Frauen Weg,
sand peter lat michs liegen nit, |
Sankt Peter läßt mich nicht lügen,
Des lob ich nymmer preysen sol |
Dessen Lob ich nimmer preisen soll
andächtiglich in meim gepet, |
andächtig in meinem Gebet,
wann er ist aller eren vol, |
denn er ist aller Ehren voll,
und wer mir laid, wer anders redt. |
und wäre mir Leid, wer anders redet.

3.
Vil zarter, engelischer beib, | Viele zarte, engelhafte Weiber [Frauen],
durchleuchtig, schoen mit liechtem glantz |
durchleuchtend [strahlend], schön mit lichtem Glanz
besessen haben meinen leib |
haben besessen meinen Leib
all in der katzen pey dem tantz, |
alle in der 'Katze' bei dem Tanz,
Und der ich nit vergessen bil |
Und der ich nicht vergessen will
das macht ir myniklich gestalt |
das macht ihre minnigliche Gestalt
mit eren, lustlich freuden spil |
mit Ehren, lustiges Freudenspiel
vindt man zu costnistz manigfalt. |
findet man zu Konstanz mannigfach.
(S. 201)

_____



LXXXIV. (84)

1.
O wuniklicher, wolgezierter may, | O winniglicher, wohlgezierter Mai,
dein süess geschray |
dein süsses Geschrei
pringt freuden mangerlay, |
bringt Freuden mancherlei,
besunderlich(e)n, wo zway |
besonders, wo zwei
an ainem schoenen ray |
an einem schönen Reihen [Tanz]
niutiklich verhandelt han. |
angenehm verhandelt haben [sich einig wurden].

2.
Gruen ist der wald, perg, aw, gevild und tal, | Grün ist der Wald, Berg, Aue, Gefilde und Tal,
die nachtigal, |
die Nachtigall,
und aller voglin schal |
und aller Vöglein Schall [Gesang]
ma hoeret ane zal |
man höret ohne Zahl
erklingen überal. |
erklingen überall.

3.
Seyd nu die zeit wendt froelich ungemach, | Seit nun die Zeit wendet fröhlich Ungemach,
so wach, |
so wach,
lieb, ach, |
Lieb, ach,
zbar mir sol wesen gach |
zwar mir soll schnell werden
zu hengen der hin nach, |
der nachzuhängen [nachzueilen],
der ich lang nie gesach, |
die ich lange nicht gesehen habe,
und mich ir ermlin beis umbfan. |
und mich ihre weissen Ärmlein umfangen.
(S. 203)
_____



LXXXV. (85)

1.
[Er]
Wach auff, mein hort, | Wach auf, mein Hort [Schatz],
es leucht dort her |
es leuchtet dort her
von orient der liechte tag, |
vom Orient der lichte Tag,
plick durch die prab, |
blicke durch die Augenbrauen [Wimpern],
vernim den glantz, |
vernimm den Glanz,
wie gar vein plab |
wie gar fein blau
des himels krantz |
des Himmels Kranz
sich mengt durch grab |
sich mengt durch das Grab
von rechter schantz, |
von rechter Schanze,
ich fürcht ain kürtzlich tagen. |
ich fürchte in Kürze [sehr bald] ein Tagen [Tagesanbruch].

2.
[Sie]
Ich klag das mort, | Ich klage das Mord(en) [Unheil, grosses Weh],
das ich nit ger, |
das ich nicht begehr,
man hoert die voglin in dem hag |
man hört die Vöglein in dem Hag
mit hellem hal |
mit hellem Hall [Schall]
erklingen schon. |
erklingen schon.
o nachtigal, |
o Nachtigall,
dein speher don |
dein kunstreicher Ton
mir pringet qual, |
mir bringet Qual,
des ich nit lon, |
des ich nicht Lohne,
unweiplich mus ich klagen. |
unweiblich muss ich klagen.

3.
[Er]
Mit urlob fort, | Mit Urlaub fort [Ich verabschiede mich],
deins hertzen sper |
deines Herzens Speer
mich bunt, seyd ich nicht bleiben mag. |
mich (ver)wundet, seit ich nicht bleiben kann.
schildliche not |
scheidende Not
mir trauren bringt, |
mir Trauern bringt,
dein mündlin rot |
dein rotes Mündlein
mich senlich zbingt, |
mich sehnlich [sehnsüchtig] zwingt,
der pitter tod |
der bittre Tod
mich mynder dringt, |
mich minder drängt,
mich schaiden macht verzagen. |
mich Scheiden macht Verzagen.
(S. 203-204)

_____



LXXXVIII. (88)

1.
[Sie]
Kumm, liebster man, | Komm, liebster Mann,
meins leibs ich dir wol gan |
meinen Leib ich dir wohl gebe
an abelan. |
ohne abzulassen.
kumm, traut gesell, |
komm, trauter Geselle,
glücklich fleuch ungevell, |
fliehe glücklich dem Unglück,
kumm, hoechster schatz, |
komm, höchster Schatz,
zu tratz |
zum Trotz
der valschen zungen latz. |
der falschen Zungen Schling.
kumm schir, meins hertzen laid vertreib, |
komm schnell, meines Herzens Leid vertreibe,
und troest mich vil armes weib,  |
und tröste mich ein sehr armes Weib,
dein manlich leib |
dein männlicher Leib
reicht synn und mut |
reicht Sinn und Mut
an mir für aller berlde gut. |
an mir vor aller Welten Gut.

2.
[Er]
Dein wort, gepaer | Dein Wort, Gebärde
ringt all mein swer, |
macht leicht all meine Schwere [Kummer],
frau lieber mer, |
Frau noch lieber [mir]
seyd mein begert |
seit meiner begehrt
ain stoltz beib, jungk, hoch und werd, |
ein stolzes Weib, jung, hoch und wert,
die mir das hertz |
die mir das Herz
an smertz |
ohne Schmerz
verjüngt mit liebem schertz, |
verjüngt mit liebem Scherz,
gar buniklichen manigfalt. |
gar wonniglich mannigfalt.
ir myniklich, schon gestalt |
ihr minnigliche, schöne Gestalt
macht mich nit alt, |
macht mich nicht alt,
und pin ergezt, |
und ich bin ergötzt,
von klaren euglin mich benetzt. |
von klaren Äuglein benetzt.

3.
[Sie]
Schaiden mich nott, | Scheiden nötigt mich [stürzt mich in Not],
dein schaiden mich ertoett, |
dein Scheiden ertötet mich,
mein euglin roett, |
meine Äuglein rötet,
und pin verzuckt, |
und ich bin ausser mir [vor Schmerz],
des synnen ploslich entruckt, |
der Sinne plötzlich entrückt,
mein beiplich zucht, |
meine weibliche Zucht [Anstand],
die frucht |
die Frucht
fleust senlich ir genucht, |
fliesst sehnsüchtig ihrer Erfüllung [entgegen],
ob du mir kürtzlich nit enschreibst, |
wenn du mir nicht bald schreibst,
und selb lang von mir beleibst, |
und selbst lange fern von mir bleibst,
wie du das treibst, |
wie du das treibst,
so fürcht ich ser,|
so fürchte ich sehr,
oder ich gesech dich nymmermer. |
oder ich sehe dich nimmermehr.
(S. 211-212)
_____



LXXXIX. (89)

1.
Ich hoer sich manger freuen lat | Ich höre  [wie] sich manche (er)freuen lassen
ain yglich frau geporen hoch. |
eine jegliche Frau hoch geboren [zu kennen].
aus welchem landt slos oder stat |
aus welchem Land Schloss oder Stadt
die bürtig sey, das wirff ich roch |
die gebürtig sei, das werfe ich roh
zu rugk aus meines hertzen grundt. |
zurück aus meines Herzens Grund.
was ich der land ye hab erkunt, |
was ich in den Landen je habe erkundet,
dafür liebt mir ain roter mund |
dafür liebt mich ein roter Mund
von swaben her, |
aus Schwaben her,
bort, |
Wort,
fort, |
Betragen,
geper, |
Gebärde,
person, gestalt, |
Person, Gestalt,
gemainiklich. |
insgesamt.

2.
Ain stoltze swebin das bebaert, | Eine stolze Schwäbin das gewährt,
an der ich nie kain tad(e)l vand, |
an der ich nie einen Tadel fand,
die mainem hertzen ist vermert |
die meinem Herzen ist vermehrt
für alle die ich ye erkant, |
vor allen die ich je gekannt,
ir euglin, nas, mund, kinn und kel, |
Ihre Äuglein, Nase, Mund, Kinn und Kehle [Hals],
gformiret schon, darob das fel, |
schön geformt, darüber das Fell [Haut],
rot, beis, ain klain verplichen, hel, |
rot, weiss, ein wenig verblichen [blass], hell,
ir ermlein, hend, |
ihre Ärmlein, Hände,
brust |
Brust
lust |
Lust
an end, |
ohne Ende,
hert, weis vermalt, |
hart [fest], weiss gemalt,
gar rainiklich. |
gar reinlich.

3.
Klain in der mitt, ain dicken sitz, | Klein in der Mitte, ein dicker Sitz,
keyff, rund verbelbt, schon underspreutzt, |
dick, rund gewölbt, unten schön gespreizt,
zbaj diechlin waidelicher hitz, |
zwei Dickbeine [Oberschenkel] von weidlicher Hitze,
zu tal die painlin unverscheutzt, |
zu Tal die Beinchen unverhöhnt [tadellos],
mit ainem fuesslin, smal und klain, |
mit einem Füsslein, schmal und klein,
klug untersetzt, ir wand(e)l rain, |
klug untersetzt, ihr (Lebens)Wandel rein,
unstrefflich ist der werlt gemain. |
unsträflich ist der Welt allenthalben.
der rechten mass, |
das rechte Mass,
mit, |
mit,
sitt, |
Sitte,
tun, lass |
Tun, Lassen
hat gebalt |
hat Gewalt
gantz ainiklich. |
ganz einiglich.
(S. 212-213)

_____



XCIII. (93)
(Wienerhandschrift)

1.
Ain ellend schyd | Ein elend [bejammernswertes] Scheiden
durch zahers flins |
durch der Tränen Schimmern
mir bey der wyd |
mir bei der Weide
verlegt den zins, |
verlegt den Zins,
der frewden |
der Freuden
gewden |
geuden [vergeuden, fröhlich sein]
ich wol mag. |
ich wohl mag.
von klag, |
von Klage,
sag |
sage
trag |
trage
ich baide nacht und tag. |
ich beide Nacht und Tag.

2.
Ir oeglin mir | Ihr Äuglein mir
ain wang begoss, |
eine Wange begoss,
der ermlin zier |
der Ärmlein Zier
mich da besloss |
mich da umschloss
mit drucken, |
mit Drücken,
smucken, |
Schmiegen,
an den leib. |
an den Leib,
ach weib, |
ach Weib,
nicht treib, |
nicht treib,
schreib |
schreib
mich von dir, ich bleib. |
mich von dir, ich bleibe.

3.
Urlob so nam | Urlaub so nahm
dy myniklich |
die Minnigliche
mit lieber zam, |
mit lieber Zahmheit [Freundlichkeit],
des froew ich mich |
dessen freue ich mich
vernünftig |
vernünftig
künftig |
künftig-
kleicher beyt |
glicher Warten
an leyd, |
ohne Leid,
neyd, |
Neid,
meyd |
meide
mich, fraw, ain klaine zeit. |
mich, Frau, eine kleine Zeit.
(S. 218-219)
_____



XCIV. (94)
(Wienerhandschrift)

1.
[Sie]
Rue mit sorgen, | Ruhe mit Sorgen,
mein verborgen- |
mein verborge-
licher schacz! |
ner Schatz!
sleus dein augen schricklich zu |
schliesse deine Augen erschrocken zu
gen des liechten tages hacz, |
gegen des lichten Tages Hass,
im ze tracz. |
ihm zum Trotz.
herczen lieb, es ist noch frw, |
Herzenslieb, es ist noch früh,
all dein trawren, |
all dein Trauern,
lauren | lauern
las, |
lasse,
freuden hoff und halt die mass, |
Freuden hoffe und halte das Mass,
tustu das, |
tust du das,
so bistu wol mein. |
so bist du wohl mein.
[Er]
ach liebe diren, das sol sein. | ach liebe Dirne [Mädchen], das soll sein.

2.
[Er]
Frau thu mich straffen, | Frau tue mich straffen,
ich verslaffen |
ich verschlafen
hab die stund, |
habe die Stunde,
lucifer verswunden ist. |
Lucifer [Morgenstern] ist verschwunden.
ey du roselachter mund, |
ei du rosiger Mund,
mach gesund, |
mache gesund,
ker dort hie, wo mir enprist, |
kehre (von) dort hier, wo es mir ermangelt,
dein haubt naig(t), |
dein Haupt neige,
saig |
senke
auff mein hercz. |
auf mein Herz.
ermlein schrenck sunder smercz, |
Ärmlein schränke ohne Schmerz,
treyb den schercz, |
treib den Scherz,
der uns fraw mach gail. |
der uns, Frau, macht geil [froh].
[Sie]
zart lieber man, das sey mit hail. | zarter lieben Mann, das sei mit Heil.

3.
[Sie]
Der glancz durch grebe | Der Glanz durch das Graue
von der plebe |
von der Blaue
ist entrant, |
ist verdrängt.
ich hore voglin doene vil. |
ich höre der Vöglein Tönen viel.
tag, wer hat nach dir gesant? |
Tag, wer hat nach dir gesandt?
dein gewant, |
dein Gewand,
unser scham nicht tecken wil, |
unsre Scham nicht decken will,
zwar dein greys |
zwar dein Grau
ich preys |
ich preise
doch klain. |
doch klein.
[Er]
guten morgen, liebstes ain, | guten Morgen, liebste Einzige,
nicht ser wain, |
nicht sehr weine,
meiner kunft der wort schir, |
meine Rückkehr erwarte bald,
mit urlaub, fraw, hail wünsch ich dir. |
mit Urlaub, Frau, Heil wünsch ich dir.
(S. 219-220)

_____


Aus: Die Gedichte Oswalds von Wolkenstein
Mit Einleitung, Wortbuch und Varianten
herausgegeben von Beda Weber
Innsbruck im Verlage der Wagner'schen Buchhandlung 1847

Siehe auch Teil 2

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_von_Wolkenstein





 

 


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