Alois Zettler (1778-1828) - Liebesgedichte

 

 


Alois Zettler
(1778-1828)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Sehnsucht der Liebe

Hinauf, zum weiten Sternenzelt,
Nur matt vom Mondesstrahl' erhellt,
Mit langsam steigendem Gefieder
Begann um Ruh' und Trost mein Flug:
Wer rief in Schattenhain mich nieder,
Aus dem ein sanfter Gott mich trug?

Der Bach durchdringet still die Kluft,
Kaum säuselt Zephyrs Blüthenduft,
Die Sänger ruh'n in jungen Blättern:
Hier tönte Klagen-Wiederhall?
Hier hört' ich Freudenrufen schmettern?
Wer rief mich? - horch! - Die Nachtigall!

O, Sängerinn des Lenzes, sprich,
Versteht mein Herz voll Liebe Dich:
Erhörung willst Du mir verkünden?
Wie gellt der Freude Jubelschlag;
Nur der entzückten Brust entbinden
Sich Trostes-Töne: "Nimmer zag'!" -

Wie? - Tiefer athmet deine Brust?
Du stöhnest seufzend mir Verlust? -
Ach, Balsam ist auch deine Klage!
Du hast der Liebe Gram gefühlt;
Verwandte Schmerzensfreundinn sage:
Daß nur das Grab die Gluthen kühlt?

Welch' wunderbar gemischter Laut!
Der Liebe Schmerzen halb vertraut,
Und halbvertraut der Liebe Freuden
Ist tiefbewegend jetzt Dein Ton -
Kann Furcht und Hoffnung nimmer scheiden? -
Es tönt vom laubumhüllten Thron:

"Der Trauer schmelzender Gesang,
Der Freude gellend heller Klang
Ist heißer Liebe banges Flehen
Der bald Erhörung freundlich lacht!
Mich kann der Jüngling nur verstehen,
Der sehnend hofft, und mit mir lacht!"
(S. 5-6)
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Das pochende Herz

Seit mich des Mädchens Arm umfing,
Ist mir das Herz voll Liebe;
Es ist ein wunderbares Ding!
Seit sie von meiner Seite ging
Geht stets ein Kunstgetriebe.

Die Unruh' einer Uhr ist drin,
Das hab' ich oft empfunden;
So oft sie kömmt mir in den Sinn,
Halt' ich die Hand zum Herzen hin;
Da pickt es die Secunden.

Und harr' ich ihrer Ankunft lang,
Ein Pochwerk muß ich tragen;
Oft pocht' es, daß es fast zersprang,
So stark wie bey dem Rädergang
Die Stampfen Ärz zerschlagen.

Ach, welch' ein Saugwerk mir es ist,
Wenn ich sie treulos wähne!
Im raschen Zuge schöpft und gießt
Es Wasser, und vom Auge fließt
Der Trennung bittre Thräne.

Wahrhaftig! Blieb sie mir nicht gut,
So ist's um mich geschehen.
Demant wird Staub durch Sonnengluth;
Bey meiner Liebe Flammenwuth,
Muß's Herz wie Wachs vergehen.
(S. 30-31)
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Eros

Erziehet doch den Knaben gut,
Den Schönheit Euch gezeuget!
Er flammt aus leichtem Feuerblut;
Drum dämpfet früh des Säuglings Glut;
Zu dem das Herz sich neiget,
Sey auch der Sinn gebeuget.

Besorglich traut der Mutter nicht!
Der Vater wird geblendet,
Wenn sie für ihren Liebling spricht;
Es wird, was nur dem Wunsch gebricht,
Dem Kinde zugewendet,
Der Schmeichler so vollendet!

Das Bübchen wird zu eurer Qual
Dann keck und ungezogen;
Sein Köpfchen bleibt verschmitzt, doch schaal;
Er prangt zur Noth im Mädchensaal;
Dort wird nicht streng gewogen,
Die Welt durch Schein betrogen.

In Nachsicht wurzelt Euer Schmerz;
Befehl kann er nicht leiden;
Sein Eigensinn zernagt das Herz,
Er spottet Euer frech mit Scherz;
Wo sind dann Vaterfreuden? -
Laßt Klugheit Euch bescheiden:

Sey er kein lock'rer Muttersohn,
Entreißt ihn seinem Stamme;
Entrückt ihn früh der Mutter schon,
Mag auch ihr Auge Kälte droh'n:
Gebt Freundschaft ihm zur Amme;
Sie nährt des Herzens Flamme.

So bald das Kindlein Knabe heißt,
Lehrt ihn vernünftig sprechen;
Vertraut zur Leitung ihm den Geist,
Der ihm die Bahn zum Ziele weist;
Er wird dann Rosen brechen,
Wo keine Dornen stechen.

Wenn er den Frauen Liebe zollt -
Der Sittsamkeit und Treue:
So hat der Leiter es gewollt
Daß Euer Auge feurig rollt,
Und lehrt: "Wie man sich freue
Der Liebe sonder Reue!"
(S. 36-37)
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Das Herz

Armes Herz! Du pochest immer,
Pochest ohne Ruh' und Rast!
Wirst nicht müde? Bist du nimmer
Ein zufried'ner Erdengast?

"Ach! Es zog zum Sinnen-Leben
Himmels-Liebe bey mir ein;
Muß nun einem Doppelstreben
Stets geschloß'ner Kampfplatz seyn!"

"Keinem will der Sieg gelingen,
Immer währt der Wechselzug;
Will sich diese aufwärts schwingen,
Jenes lenkt herab den Flug!"

Armes Herz! Wann darfst du hoffen,
Daß sich endet solcher Streit? -
"Sind des Lebens Gräber offen,
Siegt der Liebe Reinigkeit!"

Wenn sich beyde von dir winden
Nach des letzten Kampfes Lust,
Wem wirst du dich dann verbinden? -
Ruhst du todt in Menschenbrust?

"Wann das Leben kraftlos weichet
Eil' ich in das Grab ihm nach;
Lieb', im Flammenkuße, reichet
Frieden dort, der hier gebrach."
(S. 48-49)
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Lieben und Hassen

Das Leben ist ein Wechselstreit
Vom Hassen und vom Lieben;
Den Haß vernichtend herrscht die Zeit,
Die Lieb' erstrebt die Ewigkeit
Von Siegeslust an's Ziel getrieben.

Des Lebens ausgestecktes Ziel
Ist nicht im Erdenthale;
Hier schließt der Sieg das Waffenspiel,
Und, wenn im Kampfe Hassen fiel,
Thront Liebe hoch im Göttersaale!
(S. 67)
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Verstand und Liebe
An Freund Castelli

Zwey Gefährten leiten Dich durch's Erdenleben;
Jung und froh ein Mädchen, alt und ernst ein Mann.
Wohl, wenn Dir die Hand als Führer Beyde geben,
Gutgehalten kömmst Du dann am Ziele an!

Sie, stets fröhlich, leichten Sinns, kennt nie Gefahren,
Singend zieht sie Dich durch Rosenwege fort;
Er bedächtig, Dich vor Dornenstich zu wahren,
Späht genau erst vor den Schritt den Ort.

Sie, zu rasch, schilt oft des Alten kluges Wanken,
Will mit Dir allein die weite Welt durchziehn,
Wenn Er für Dein Glück, vertiefet in Gedanken,
Brütet - reißt Sie schmeichelnd Dich, ihm zu entfliehn.

Weh, dann Dir, Bethörten! den ihr Reitz verleitet;
Mühsam keucht der Alte, Dich beklagend, nach;
Denn, wann lauernd Unglück, Dir den Weg verschreitet,
Ist zur Gegenwehr das Mädchen oft zu schwach.

Doch, auch ihm allein sollst Du Dich nicht vertrauen;
Er, Du kennst ihn nun, ist grämlich, ernst und alt;
Welt und Menschen lehrt Er Dich zu streng beschauen,
Und dann bleibt das Herz für Freuden leer und kalt.

Suche Beyder Gunst vereint Dir zu erhalten!
Er zeigt Dir durch Berg und Thal die sich're Bahn;
Sie erleicht're Dir den Weg durch freundlich Walten,
So kannst Du dem Lebensziele glücklich nah'n.
(S. 68-69)
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Sonett

Was ich geträumt gewollt mit Dankes-Streben,
Ist Traum und Wunsch gelähmter Kraft geblieben;
Mein Herz kann dich mit aller Inbrunst lieben,
Dem Dankgefühle nicht die Sprache geben.

Im Herzen wohnt ein aufgeregtes Leben,
Die Loderflamm' aus Funken aufgetrieben;
Empfinden kann Empfundenes zerstieben,
Der Phönix sich aus Loderasche heben.

So ward in meines Herzens tiefem Raume
Ein stummes Kind, Empfindung, dir geboren,
O, nimm es freundlich in die Vaterarme!

Einst sagt es Dir im goldnen Wundertraume:
"Das Größte hat das Tiefste sich erkohren,
Ich bin nur stumm in Liebe, Freud' und Harme."
(S. 75)
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Aus: Nachgelassene Gedichte
von Alois Zettler
Mit einer Vorrede herausgegeben
von Chr. Kuffner
Wien Bei Schmidl's Witwe und Jg. Klang 1836

 


Biographie:

Zettler, Alois (lyrischer Poet, geb. zu Brüx in Böhmen 1778, gest. in Wien 7. November 1828). Sohn armer Eltern, erhielt er den ersten Unterricht in seinem Geburtsorte von einem Capuciner, der an der dortigen Normalschule als Katechet angestellt war. Diesem würdigen Priester Namens Tarnowsky verdankt er, wie er in seinen Aufzeichnungen schreibt, alle geistige Anregung, da ihn derselbe zur Mathematik, Musik und Handzeichnung und überhaupt zur Lecture aneiferte. Eilf Jahre alt, trat er in das Gymnasium, und mit dem siebzehnten Jahre bezog er die Prager Hochschule, wo ihm der damalige Kreuzherren-Ordensgeneral Joseph Zeidler ein Stipendium verlieh. Nach vollendeten philosophischen Studien in den Kreuzherrenorden aufgenommen, blieb er nur das Probejahr in demselben und verließ ihn 1799, um in Wien seine Studien fortzusetzen. Durch Privatunterricht brachte er sich kümmerlich fort, erhielt dann 1801 ein Humanitätslehramt an der k. k. orientalischen Akademie, in welcher Eigenschaft er sieben Jahre thätig blieb. Dann wurde er Landschafts-Obereinnehmer der niederösterreichischen Stände, darauf Hofconcipist bei der k. k. Polizei- und Censurhofstelle, zuletzt Hofsecretär, in welcher Stellung ihn im Alter von 50 Jahren, zwei Jahre nach seiner Verheiratung, ein Nervenfieber hinraffte. Eine poetisch angelegte Natur, schrieb er in den Jahren 1810–1816 in den österreichischen Taschenbüchern und Zeitschriften lyrische Gedichte, bald ohne, bald mit erdichtetem Namen. Diese mit anderen aus seinem Nachlasse gab sechs Jahre nach seinem Tode die Witwe, indem sie die Redaction dem Freunde des Verblichenen, dem Dichter Christoph Kuffner[WS 1] anvertraute, unter dem Titel: „Nachgelassene Gedichte von Alois Zettler. Mit einer Vorrede“ (Wien 1836, Schmidl’s Witwe, 8°.) heraus. Zettler gehörte zu dem altösterreichischen, nunmehr – doch nicht ganz mit Recht – verschollenen Poeten- und Schriftstellerkreise, der sich zu Beginn des laufenden Jahrhunderts um Castelli und Kuffner schaarte und in des Letzteren Taschenbuch „Selam“ vornehmlich vertreten war. Zu diesem Kreise gehörten unter Anderen: M. Fischel, Leon, Billmann, Sannens, Timmel, Hassaurek, Eman. Veith, Weschel, Passy, Wallner, Pilat, Justine Freiin von Krufft, die man heute kaum mehr kennt, aber auch Theodor Körner, M. von Collin, Retzer, J. P. F. Richter (Jean Paul).

Goedeke (Karl). Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1859 u. f., L. Ehlermann. 8°.) Bd. III, S. 168, Nr. 286. – Neuer Nekrolog [353] der Deutschen (Weimar 1854, Voigt. kl. 8°.) VI. Jahrg., (1830) S. 972, Nr. 1152.
Anmerkungen (Wikisource)

 


 

 


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