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Wilhelm Zimmermann
(1807-1878)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
-
Was fragest du, woher ich
stammen (O frage nicht!)
-
Roxolane, Roxolane (Kaiser
Friedrich II. und seine Geliebte)
-
Die Sonne tritt hervor.
Erröthend ihrer Flamme (Raul und Lucia)
-
Kannst du nicht für immer
binden (Macht der Ferne)
-
So bist du ganz von mir
geschieden? (Rafaela)
-
Schlafe wohl, und träume schön
(Schlafe wohl)
-
Siehst du den Glanz dort
ergossen (Sprache der Liebe)
-
Und so muß dies Band zerreißen
(Und so muß dies Band zerreißen)
-
Er ruht in seinen stolzen
Hallen (Des Nixen Traum)
-
Leila, Leila, laß dich sehen
(Leila)
-
Mit dem Adler möcht ich
fliegen (Verlangen)
-
Und bleib ich denn allein mit
meinem Harme? (Sehnsucht)
-
Es zieht ein Bursche still
aus der Stadt (Abschied)
-
Denkst du der Tage noch, so
himmelblau? (Aus der Ferne)
-
Heut Nacht war's, als ich
dich im Traum gewahrte (An die Entfernte)
-
Du schöner Himmelsnachen
(Mondnacht)
-
Hörest du der Glocken
Schallen (Der Tempel der Liebe)
-
Du liebest mich, ich kann
nicht sterben (Fortleben)
-
Woll'n wir nicht zum Meere
gehen (Des Nixen Hochzeit)
-
Die Rosen sind verblichen
(Ersatz)
-
Warum so bleich ich stehe
(Warum so bleich ich stehe)
-
Auf glühendem Marmorhügel
(Frohe Kunde)
-
Vor dem Baume der Muskaten
(An Lilli)
-
Eine Jungfrau weiß ich
prangen (Parabel)
-
Was war's, das mein Verlangen
(Was war's)
-
Mondestochter, stille, reine
(Lilie)
-
So hast du selbst dein Bild
zerschlagen (Das zerschlagene Bild)
-
So hast mich denn auch du
verrathen (Vergeltung)
-
Was ist's, daß ich durch
ferne Weiten (Die Erscheinung)
-
Himmelskönigin, sterngekrönte
(An die Schönheit)
O frage nicht!
Was fragest du, woher ich stamme,
Und wie das heiße, was dich liebt?
Genügt dir nicht die schöne Flamme,
Die frei dir ihren Weihrauch gibt?
Süß athmet die Viole nur, bewacht
Vom Augenlied der Nacht,
Am Tage ist des Duftes Reiz dahin,
O frage nicht, woher und wer ich bin.
Die Liebe lebt von Küssen, Scherzen,
Von süßem Leid und Thränenglück.
Sagt nicht dem liebekund'gen Herzen
Als alle Namen mehr ein Blick?
Es tauchet in des Auges Bronnen stumm
Und flieht zum Heiligthum
Der Seele, die sie liebt, die Seele hin:
O frage nicht, woher und wer ich bin.
Siehst du den Falter dort sich wiegen,
Das frohe Kind des Augenblicks?
Von Blume fort zu Blume fliegen,
Genießend hundertfachen Glücks?
So ist die Schönheit mir ein Rosenstrauch,
Rosen sind Küsse auch,
Nach solchem Honig zieht's mich Falter hin:
O frage nicht, woher und wer ich bin.
Dein Mund ist meine Ruhestelle,
Dein Busen meiner Irrfahrt Bucht,
Dein Aug die tiefe, klare Quelle
Der Treue, die ich lang gesucht.
O laß mich rasten, trinken, schweben hier
In diesem Lustrevier,
Bis todesmüd die Schwingen sinken hin,
Und frage nicht, woher und wer ich bin.
(S. 7-8)
_____
Kaiser Friedrich II. und seine Geliebte
"Roxolane, Roxolane,
Weiße Taube, thu mir auf!
Liebe schwingt die rothe Fahne,
Schöne Freundin, thu mir auf!"
Aus der Schlacht, die er geschlagen,
Kommt in später Mitternacht
Leise sacht er, anzufragen,
Ob das Herz der Liebsten wacht.
Wo auf immergrüne Matten
Ewigklar der Himmel lacht,
Aus der Palmen weichem Schatten
Hat die Rose er gebracht.
Ist auch Allah noch ihr Glaube,
Rein ist ihres Herzens Schlag,
Köstlich ist die goldne Traube,
Welches Laub sie decken mag.
"Hörst du träumend, süße Schöne,
Nicht den wohlbekannten Schall?
Kennst du nicht des Freundes Töne,
Liederreiche Nachtigall?"
Stille lauschend auf den Zehen
Steht er an des Hauses Thor,
Keinen Athem hört er gehen,
Keine Stimme klingt an's Ohr.
"Hörst du nicht den Liebsten klopfen,
Schwarz gelocktes Zauberkind?
Seine Locken sind voll Tropfen,
Naß durchschauert von dem Wind."
Bange rufet er die Worte
In die kühle Nacht hinaus,
Doch verschlossen bleibt die Pforte,
Todtenstill der Liebe Haus.
Lauter hört sein Herz er pochen,
Ueberm Haus so matt, so bleich
Hängt die Mondesscheib, erbrochen
Ist das Thor mit einem Streich.
Auf des Lagers Prachtgerüsten
Schlaft sein Lied im Purpurkleid,
Unter ihren Lilienbrüsten
Klafft die Wunde schrecklich weit.
Todt ist auf dem Heerd die Lohe,
Nur der Mond, der traurig blickt,
Zeigt des Morgenlandes hohe,
Seltne Rose ihm zerknickt.
Und von Gott zur Rach erkoren,
Hält in starrer Todtenhand
Der Getreueste der Mohren
Fest - ein schwarzes Mönchsgewand.
Aus dem Haus ist er gegangen,
Seine Lippe sprach kein Wort,
Ueber seine blassen Wangen
Flog kein Lächeln mehr hinfort.
Aber viele macht erbleichen,
Was um's Kaiserschwert er band,
Als ein grauses Todeszeichen,
Schwarz ein Streif vom Mönchgewand.
(S. 21-24)
_____
Raul und Lucia
Legende
1.
Die Sonne tritt
hervor. Erröthend ihrer Flamme
Aufschauert jeder Baum. Als göße süße Glut
Der erste Strahl darein, durchjauchzet rasches Blut
Die Adern jedes Blatts: Raul, gelehnt am Stamme,
"O meine Sonne," seufzt er, "mein Licht, wärst du da,
O Lucia!"
"Es schlägt! die Glocke schwingt sich schon zum Meßgeläute -
Gesang ertönt! ich hör' des Priors frommes Wort -
Ihm lauscht sie jeden Tag - Schaur'n vor der Zelle dort
Die Blumen nicht? streift nicht ein Schatten jene Seite?
O Schatten meines Lichts, du bist's, ich fühl' dich nah,
O Lucia!"
Zwei Sterne gehen auf - vorm Fenster zittern leise
Die Ros' und Lilien dort - zwei Sterne, groß und klar,
Nacht gießet um sie her ein glänzend Rabenhaar,
Ihr Angesicht verschmilzt ganz in der Lilien Weiße.
Nicht seine Lippe jauchzt, sein Aug nur, wie er's sah:
O Lucia!"
2.
"Du bist des Himmels
Braut, von Männeraugen scheide
Der Schleier ewig nun dein Auge! Keusch und rein,
Wie dort die Seligen, die Geister, sollst du seyn,
Vergessend Jugend, Herz, der Erde Lust und Freude!"
Der Bischof spricht's, sie kniet verschlei'rt vorm Kreuzesstamm,
Ein zartes Lamm.
Und blutend wirft ihr Herz sie in die Opferschaale,
Nie wieder ihn zu sehn, gilt ihr als heil'gste Pflicht.
Ein Gitter schließt, das sie mit eignen Händen flicht,
Ihr Fenster, kaum durchdringt's der Tag mit seinem Strahle.
Doch was sein Aug in ihr schnellzündend angefacht,
Glüht fort in Nacht.
Verwehet vom Altar die feur'gen Funken sprühen,
Weil die Vestalin schläft; erwacht sie, ist's zu spät,
Der Tempel steht in Brand, die Gluthen flatternd weht
Der Flieh'nden Kleid selbst an, sie kann nicht mehr entfliehen:
So glühet Lucia, der eignen Flamme Raub,
Ach früh zu Staub.
3.
"Jerusalem ist hin!
die heil'ge Stadt verloren!
Der Greuel Mahomets entweiht des Heilands Grab!"
So rollt, ein Donnerklang, die Klage auf und ab,
Zur Kreuzesfahne wallts hervor aus allen Thoren.
Raul auch weihet sich, wie sie sich Gott geweiht,
Dem heil'gen Streit.
Die Flotte fliegt durchs Meer, legt an an Syriens Küsten.
Hier: "Gott und unsre Frau!" Dort: "Allah, Saladin!"
So schallts. Raul - er sucht den Tod, der Tod nicht ihn,
Wie roth der Sand vom Blut der Moslims und der Christen.
Vorm Halbmond sinkt das Kreuz in Staub, der Sieger Spott,
So will es Gott.
Fort kämpft Raul, sein Roß es stürzt, er wird gefangen.
"Zur Folter den Giaur! er schwör zu Mahomet!"
Sie greifen ihn, ihn schreckt es nicht. "O Lucia, fleht
Der Held, o laß zu dir mein letzt Gebet gelangen.
Du Heilig-Reine, bitt, - ich lieb im Tode dich -
Zu Gott für mich!"
Die Sinne schwinden ihm, es senket seinen Flügel
Auf ihn der Schlaf so schwer, so dunkel wie die Nacht.
Er wähnt, er schlummre noch und träum', als er erwacht.
"Das ist ihr Kloster hier, dort der Platanenhügel,
Das ihre Zelle!" Still, im ersten Morgenstrahl,
Erglänzt das Thal.
Es schlägt, die Glocke schwingt sich hell zum Meßgeläute,
Gesang ertönt; er lauscht, gelehnt an jenen Baum,
Wo oft er selig stand. "So war es nur ein Traum,
Ein schwerer, langer Traum voll Qual und blut'gem Streite?
Geträumt nur, nicht erlebt? Doch klirrt an Fuß und Hand
Nicht Fesseln-Band?"
Rings wunderbares Licht? Das Grün, vom Thau befeuchtet,
Es ist durchsicht'ges Gold. Wie nie sein Aug sie sah,
Entschleirt, im weißen Kleid, steht vor ihm Lucia,
Von Himmelsglorie der Schönheit ganz umleuchtet.
"O Lucia, du lebst? lebst mir und bist mir nah?
O Lucia!"
""Ich leb, ich lebe, ja, das wahre, ewge Leben.
In Lieb und Schmerz um dich, so glüht' ich frühe ab.
Geh, deine Fesseln leg als Opfer auf mein Grab,
Und danke Gott, der dir der Gnade viel gegeben.
Was sie geliebt, umschwebt die Liebe dort wie hie,
Und läßt es nie!"
Er spannt die Arme aus, das Aug von Glanz geblendet,
Von ihres Wohllauts Schmelz bezaubert Seel und Ohr:
Doch ein Gewölke nur hebt sich zum Blau empor,
Als er befreit den Blick nach ihr, der Seligen, wendet,
Durchleuchtet, sonnenhell, ein goldner Kahn,
Es himmelan. (S.
25-30)
_____
Macht der Ferne
"Kannst du nicht für immer binden
Süße Bande, die du flichst?
Kannst du Herzen nur entzünden,
Daß du bald sie scheidend brichst?
Im Geliebten deinen Himmel,
Göttin, ja du gabst mir ihn,
Doch in's ferne Schlachtgetümmel,
Warum rissest du ihn hin?"
"Auf die Kniee will ich sinken,
Opfern dir, nur dir allein,
Darf ich seinen Athem trinken,
Seiner Augen lieben Schein.
Jede Buße will ich zahlen,
Die des Schicksals Mund mir spricht,
Nur der Trennung Höllenqualen,
Göttin, diese trag ich nicht."
Und sie irrt in Labyrinthen
Wie ein wunder Hirsch im Hain,
Wo den schönen Terebinthen
Sich die starken Eichen reihn,
Liebesdrangvoll an den schlanken
Stämmen auf der Epheu strebt,
Und mit seinen wilden Ranken
All in Eins der Weinstock webt.
Und die höchste Felsenspitze,
Weit ausragend in das Meer,
Wählt sie sich zu ihrem Sitze,
Eine Warte weit umher.
Wo die weiße Küste flittert
Fern im Abendsonnenbrand,
Dort, ein schneller Falke, zittert
Hin ihr Auge unverwandt.
"Meerweit dir, Geliebter, ferne,
Und jetzt fließt vielleicht dein Blut,
Deiner Augen treue Sterne
Löschen mit der Sonne Glut!
Mir dahin für immer! - Immer?
Lehrt nicht unser Priesterthum,
Daß sich Seelen ewig nimmer
Trennen in Elysium?"
"Stürzte nicht mit blindem Triebe
Hunderte von dieser Höh
Wahnsinn unbeglückter Liebe,
Die Verzweiflung in die See?
Soll Verzweiflung nur ermuthen?
Halt ich noch den Schritt zurück?
Einen Sprung in diese Fluthen,
Und ich halt im Arm mein Glück."
Und zum Sprunge vorgebogen
Schwebt sie ob der Felsenwand,
Doch mit Macht zurückgezogen
Fühlt sie sich von Götterhand.
Wie dem Windeshauch die Wolken,
Muß sie rückwärts, willenlos,
Unsichtbarem Zuge folgen
Tief ab in des Haines Schoos.
Aus des Waldes düstrer Fülle
Hebt, ein Schwan aus dunklem Gras,
Sich das hohe, nächtig stille
Heiligthum Uranias.
Wie ihr Stern am Himmel oben,
Strahlt der Göttin Marmorbild
Aus dem Quell, der stolz gehoben,
Klar zu ihren Füßen quillt.
Vor des Heiligthumes Thore
Sinket sie ermüdet hin,
Und wie mit durchsichtgem Flore
Legt sich's ihr auf Aug und Sinn.
Ob des Wachens Licht, des Schlummers
Tiefe Ruhe auch sie flieht,
Das Gewölbe ihres Kummers
Theilet sich, sie hört, sie sieht.
Sieh in grüner Myrthenrahme
Leicht geknüpft ein blaues Band!
Glänzt nicht des Geliebten Name,
Nicht der ihres an dem Rand?
Weiße Tauben nieder schwebend
Fassen da und dort den Rand,
Ziehn, nach Nord und Süden strebend,
Fest und fester nur das Band.
Wie sie froh das Wunder schauet,
Höret sie der Göttin Wort:
"Wer sich meiner Macht vertrauet,
Zweifle nicht an ihr hinfort.
Schon, geführt von meinem Sterne,
Kehret dir der Freund zurück,
Fester knüpfen soll die Ferne,
Trennen nicht der Herzen Glück!"
(S. 33-37)
_____
Rafaela
So bist du ganz von mir geschieden?
Ich bleibe einsam, wie ich bin?
Dem Schwane gleich, der zog nach Süden,
Floh selbst dein Schatten mit dir hin?
Es wieget noch auf selber Stelle
Hier, wo du saßest, hin und her
Den Abendstern des Seees Welle,
Ach, deines Auges Stern nicht mehr!
Ach oder ist dein Reiz zerflossen?
Ist er auf sie, die fern dort gehn,
Die hundert Frauen ausgegossen,
Die Blumen all, die ringsum stehn?
Wohl zeiget jede von dir Splitter,
Doch bist's nicht du, der Demant nicht,
Der tagklar durch der Laube Gitter
Die Nacht erhellt mit seinem Licht.
Sie singen, wie die Alten sangen:
Verloren sey nicht deine Spur,
Du seyest über Meer gegangen
Nach einer schönern Küste nur. -
Ach kann ich jenseits dich erreichen?
Mich schreckt nicht Sturm, nicht Wogenbraus,
Es zeig' der Strand mir Trümmer, Leichen,
Ich stoß vom Land, ich steur hinaus.
Ihr Nebel, weicht! zurück, ihr Wellen!
Durch, Schifflein, durch den Wogenbrand!
Dort winkt es, dort, mit grünen, hellen
Gefilden, Land! Herz, jauchze, Land! -
Wo bin ich? weh, der Traum verwehet
Vor jenes Hafens schwarzem Thor,
Es gähnt der Fels, ein Cherub stehet
Mit blankem Schwerte Wacht davor. -
Wohl Luna schickt von ihrem Throne
Herab den Strahl zum dunkeln Baum,
Es haucht die goldene Citrone
Den duft'gen Geist zum blauen Raum:
Dich, Rafaela, seh ich wieder
Nur, wenn dieß Auge Nacht begräbt,
Kein Seliger steigt vom Himmel nieder,
Zum Himmel keiner auf, der lebt.
(S. 45-47)
_____
Schlafe wohl
Grablied einer
Braut, die dem Geliebten nachstarb
Schlafe wohl, und träume schön!
Wenn des Sommers Wange bleicht,
Und von den geliebten Höh'n
Traurig früh die Sonne weicht,
Geh'n entkleidet Blum und Laub
Schlafen in dem Bett von Staub.
Schlafe wohl, und träume süß,
Weiße Lilie, weiße Braut,
Was das Schicksal rauh zerriß,
Hat der milde Tod getraut.
Liebe folgt der Liebe nach
In das stille Schlafgemach.
Schlafe wohl, und träume leicht,
Schöner als im Sonnenschein,
Von der Bosheit unerreicht,
Wird es in der Nacht dir seyn.
Denn als ewige Lampe hellt
Reines Herz dein Schlafgezelt.
Schlafe wohl, und träume sanft,
Naß wird unser Blick noch seyn,
Wenn schon deines Brautbetts Ranft
Blaue Veilchen fassen ein.
Du hast ausgeweint, gelacht,
Süße Freundin, gute Nacht!
(S. 65-66)
_____
Sprache der Liebe
"Siehst du den Glanz dort ergossen,
Wie Rosen über den Schnee? -"
Mein Kind, jetzt werden erschlossen
Die Thore der himmlischen Höh.
"Siehst du die Wölkchen dort schimmern,
Gekleidet in Lilienweiß? -"
Mein Kind, es machen die Geister
Jetzt um den Himmel die Reis'.
"Siehst du den Mond dort gleiten,
Wie einen silbernen Kahn? -"
Mein Kind, drin fährt jetzt die Liebe,
Die ewige, weltenhinan.
"Und siehst du die funkelnden Sterne
Am dunkelblauen Gezelt? -"
Mein Kind, das sind ja die Fackeln,
Zur Leuchte der Liebe bestellt.
Komm laß aneinander uns schmiegen,
Und Lippen an Lippen gepreßt
In weichen Armen uns wiegen,
Das Herz am Herzen fest.
Dann mit den Geistern auf Wolken,
Mit der ewigen Liebe im Kahn,
Laß über die Welt uns Steigen
Liebselig den Himmel hinan.
(S. 67-68)
_____
Und so muß dies Band zerreißen
Und so muß dies Band zerreißen,
Und es war so schön, so süß,
In die Wüste muß ich reisen
Weg aus meinem Paradieß?
Ewig bleibt, ich hab's versprochen,
Ihn zu lieben süße Pflicht,
Doch das Bündniß ist gebrochen,
Der im Himmel will es nicht.
Wohl ein weißes Tüchlein reichte
Er mir in der Abschiedsstund,
Und von heißen Thränen feuchte
Trag ich's auf des Busens Grund.
Auf die Berge will ich fliehen,
In den Wald mit meiner Qual,
Keine Blumen für mich blühen;
Keine Rose mehr im Thal.
In der Stille will ich weinen,
Wenn um mich die Freude lacht,
Mag der Welt die Sonne scheinen,
Ueber mir ist finstre Nacht.
Nicht in Worten kann ich sagen
Dieses Herzens Schmerzen all,
In das Ohr der Menschen klagen
Soll mein Leid die Nachtigall.
In die Kirch am Ostertage
Führet er die neue Braut,
Mit dem zwölften Glockenschlage
Werden sie vor Gott getraut.
Daß der Himmel Glück ihm gebe,
In der Seele wird mich's freun,
Ob ich sterbe, ob ich lebe,
Der im Himmel weiß allein.
(S. 69-71)
_____
Des Nixen Traum
Er ruht in seinen stolzen Hallen,
Es perlt vor ihm der rosige Wein,
Er hört der Flöten lieblich Schallen,
Die Schönsten tanzen ihm den Reihn.
Er herrscht in ewig grünen Reichen,
Des Frühlings Wiege steht darin,
Doch sucht das Herz stets Seinesgleichen,
Und einsam fühlet sich sein Sinn.
Wohl blinken ihm die goldnen Schaalen
Mit seltner Frucht, mit Blüth und Blatt,
Ihn brennen des Verlangens Qualen,
Er sättigt sich und wird nicht satt.
Ihm mag die Kühle selber füllen
Das schäumende, krystallne Glas,
Er trinkt, und kann den Durst nicht stillen,
Ihm fehlt es, und er weiß nicht was.
Das Mondlicht schläft auf Thal und Hügeln,
Es schimmert taghell das Gemach,
Da naht es wie mit blauen Flügeln,
Da weht's ihn an, sein Aug ist wach.
Es strömen niegefühlte Triebe
Wie Feuer ihm durch Seel und Leib:
"Ich bin, spricht es, der Geist der Liebe,
Und zeige dir das schönste Weib."
Und eine Klarheit sanft und lichte
Ergießt sich um ihn wunderbar,
Mit himmlisch schönem Angesichte
Stellt sich ihm eine Jungfrau dar.
Es zieht ihn hin - er kann's nicht lassen -
Der Augen zauberischer Blick,
Doch schamhaft, will er sie erfassen,
Flieht sie in leichten Duft zurück.
Er sah das Bild, die stolzen Hallen
Verläßt er still und wandert aus,
Muß nach dem schönsten Weibe wallen,
Und heim sie führen in sein Haus.
So wandert er viel hundert Stunden,
Durch Städt' und Burgen klein und groß,
Bis er des Traumes Bild gefunden
Und ausruht in der Liebe Schooß.
(S. 77-79)
_____
Leila
"Leila, Leila, laß dich sehen,
Festlich steht geschmückt das Haus,
Und des Opfers Düfte wehen,
Lang bereit ist Kranz und Strauß,
Und der Tag neigt sich zur Ruh:
Leila, wo, wo weilest du?
Willst dich, holde Braut, nicht zeigen?
Sieh, die Laube harret dein,
Unter ihren stillen Zweigen
Muß es lieblich ruhen seyn,
Sie verräth nicht Lieb und Kuß:
Holde Braut, wo säumt dein Fuß?
Schöne Freundin, säum nicht länger,
Horch, ein Nachtigallenton!
Ja, die kleinen, süßen Sänger
Flöten uns das Brautlied schon,
Niederwinkt der Liebe Stern;
Schöne Freundin, bleib nicht fern!
Schöne Freundin, bleibest ferne?
Flügelt, Wellen, euch, o bringt
Ihrer Augen lichte Sterne,
Blaue Lüfte, leichtbeschwingt,
Fasset sanft ihr goldnes Haar,
Stellt dem Sehnenden sie dar!"
Und vom See jenseits herüber
Schallt der Hochzeitchor der Braut,
Ihr entgegen schwingt hinüber
Sich sein Herz, sein Jubellaut.
Aber still ist's, und heran
Umgeschlagen treibt ein Kahn.
Und auch sie, sie ist gekommen,
Wind und Welle brachten sie,
Stille kam sie angeschwommen,
Stille küßt der Bräutigam sie.
Rosen beut ihr Mund ihm nicht,
Nur ein bleich Vergißmeinnicht.
(S. 80-82)
_____
Verlangen
Mit dem Adler möcht ich fliegen,
Schwebend über Berg und Thal,
Leicht im Himmelblau mich wiegen,
Sonne mich im ewigen Strahl,
In dem tiefen blauen Grund
Würde wohl mein Herz gesund.
Mit den Fischlein möcht' ich spielen
In des Seees klarer Fluth,
An des Wassers Busen kühlen
Meiner Sehnsucht heiße Gluth,
In dem stillen, kühlen Grund
Würde wohl mein Herz gesund.
Mit dem Salamander scherzen
Möcht ich in der Flamme Schein,
Ohne Wunden, ohne Schmerzen
Mich der schönen Gluth erfreun,
Jetzt von heißer Flamme wund,
Wäre wohl mein Herz gesund.
Unter'n Boden mit den Rosen
Möcht' ich Winters schlafen gehn,
Und erweckt vom Frühlingskosen,
Mit den Rosen auferstehn,
In der Erde weichem Grund
Würde wohl mein Herz gesund.
Mit den Nachtigallen schlagen,
Wenn das Männchen lockt die Braut,
Möcht ich in des Maies Tagen,
Locken mit der Liebe Laut,
Liebe Augen, lieber Mund
Machten bald mein Herz gesund.
(S. 83-84)
_____
Sehnsucht
Und bleib ich denn allein mit meinem Harme?
Reicht mir zum Kuß die Lippen keine Lust?
Es spannt der Himmel aus die blauen Arme,
Und drückt die Erde an die starke Brust.
Um Blum' und Baum die Lüfte kosend wehen,
Sie necken sich mit liebevollem Scherz,
Es jagen sich die Wasser von den Höhen,
Und Welle sinkt der Well' an's volle Herz.
Des Herzens Heimath ist der Liebe Schoos,
Da ruht es aus am gleichgestimmten Herzen,
Doch ich bin in der Heimath heimathlos,
Und irre in der Fremde noch mit Schmerzen.
Es schließt der Tag sein goldnes Auge zu,
Der Nachtigallen trunkne Wiegenlieder,
Sie lullen alles ein in weiche Ruh -
Mein Herz, mein Herz, wann schläfest du auch wieder?
(S. 85-86)
_____
Abschied
Es zieht ein Bursche still aus der Stadt
Dort über des Stromes Brück,
Ist ihm das Bündel, das Herz so schwer?
Er blickt so schmerzlich zurück.
Ein seiden Tuch aus dem Busen er zieht,
Stumm über's Geländer gebückt,
Das Tuch er hat's wohl von lieber Hand,
Drein weinend die Augen er drückt.
Und dort im Garten steht eine Maid,
Schaut über der Mauer Rand,
Das helle Wasser im schwarzen Aug,
Die Arme ausgespannt:
So willst du ohne Abschied gehn?
O komm noch einmal herein,
Laß auf den Weg mit süßer Frucht
Dich laben, mit kühlem Wein.
"Ich darf nicht kommen zum Garten dein,
Zu deinem lieben Haus,
Leb wohl, ich trag mein brechend Herz
Weit in die Welt hinaus."
O komm noch einmal zu gießen mit mir
Die Blumen roth und blau,
Bald werd ich allein sie gießen ja
Mit meines Herzens Thau.
Bald werd ich sitzen am Webstuhl still
Und weben am weißen Kleid,
Die Fäden feuchtend mit Thränen naß,
Ich arme, verlassene Maid.
"Und wirst du mit Thränen zu gießen gehn
Die Blumen roth und blau,
Man spricht, daß Liebe blüh noch so schön,
Begossen mit Thränenthau."
"Doch ach, die Blumen werden blühn
In deiner Locken Kranz,
Wenn vom Altar dich ein anderer führt
Zum fröhlichen Hochzeittanz."
"Das weiße Kleid, daran du webst,
Wird seyn dein Hochzeitstaat,
Wenn eine Kugel durch's heiße Herz
Mein Leid geendet hat."
O still, o still, du liebes Herz,
Machst ja den Abschied schwer,
Nimm diesen Kuß und diesen Kuß,
Und meinen Eidschwur hör:
Eh diese späten Rosen im Haar
Ich zum Altar will gehn,
Eh sollst du sie auf meiner Bahr
Als Todtenkrone sehn.
Eh dieses Kleid, daran ich web,
Mein Hochzeitstaat soll seyn,
Darin in eines andern Arm
Ich falsch vergäße dein:
Eh will ich, wie die Röslein thun
Dort auf der Alpenhöh,
Im weißen Kleid früh schlafen gehn
Tief untern kühlen Schnee.
Die weiße Decke blank und zart,
Die soll mein Brautbett seyn,
Und Liebe, stark wie Höll und Tod,
Wird finden mein Kämmerlein.
(S. 96-99)
_____
Aus der Ferne
Denkst du der Tage noch, so himmelblau? -
Ein Saal voll Freudenkelchen stand die Au.
Denkst du der Nächte heimlich süßer Zahl? -
Es sah in's Laubgemach des Mondes Strahl.
Ach, davon träumt und singt mir spät und früh
Der Seele Nachtigall, die Phantasie.
Vom Süden ziehn des Frühlings Boten her,
Und milde Lüfte wehn vom Mittagsmeer.
Die Lerchen heiß ich und die Lüfte stehn:
"Sagt, habt ihr meine Liebe nicht gesehn?"
Kein Zeichen ach, von dir, kein liebes Wort,
Sie sehen stumm mich an, und eilen fort.
Der Himmel steht in dunkelblauer Pracht,
Hell strahlt der Stern der Liebe durch die Nacht.
Er ist mir deines Auges treues Bild,
Auf blauem Grund ein Feuer tief und mild.
Und ach, wie dort aus tiefer Nacht der Stern,
So strahlt dein Auge mir aus weiter Fern.
Jetzt ruhst du wohl am grünen Bachesrand,
Der Laute Zauber klingt in deiner Hand,
Die Blumen lauschen und der stille Baum -
Wo träumte Liebe schöner ihren Traum?
O möcht' am Tag und in der Nacht allein
Ich König deiner holden Träume seyn.
Wie Geisterflügel fühl' ichs um mich wehn -
Steigt freundlich ihr herab von euern Höhn?
Dem Herzen schlägt entgegen rasch das Herz -
Ach, kühlt ein Traum der Sehnsucht heißen Schmerz?
O fasset, traget mich an ihre Brust,
Zum Garten meiner Liebe, meiner Lust!
(S. 100-101)
_____
An die Entfernte
Heut Nacht war's, als ich dich im Traum gewahrte -
Vor meinem Auge sanken Berge nieder -
Ein weiß Gewand verhüllt' und offenbarte
Anschmiegend deine edeln vollen Glieder.
Du standest im jungfräulichen Gemach,
Die Arm' ausbreitend, mich an's Herz zu führen,
Und neigtest einen Zweig des Lorbeers nach
Mir hin, als Zauberin mich zu berühren.
Und sieh, ich ward verjüngt: wie frischen Quell
Aus glühndem Felsen Mose's Stab geschlagen,
So sprang aus mir durch deinen Zauber schnell
Zum ersten Mal ein Lied nach langen Tagen.
Geliebte, komm! Was dich zurückhält, stell's
Beiseit, und laß uns Küß' um Küße tauschen,
Mein Busen ist der glühendverschlossne Fels,
Draus nur, berührst ihn du, Gesänge rauschen.
(S. 102-103)
_____
Mondnacht
Du schöner Himmelsnachen,
Ach könnt ich nur mit dir
Die schnelle Reise machen
Bis vor der Liebsten Thür.
Im weißen Kahne sitzet
Luna, die Königin,
Im Sterngewande blitzet
Die Erdumseglerin.
Sie fährt im nächtigen Schleier
Einsam vom Götterhaus
Auf süße Abenteuer
Ins Meer der Liebe aus.
Da liegt vor ihr entblößet
Der Schönheit weites Land,
Von jedem Reiz gelöset
Des Gürtels neidisches Band.
Du schöner Himmelsnachen,
O nähmest du mich ein,
Mit ihr die Fahrt zu machen
Vor Liebchens Fensterlein.
(S. 104-105)
_____
Der Tempel der Liebe
Sie
Hörest du der Glocken
Schallen,
Liebster, und der Orgel Braus?
Ladend zu der Kirche Hallen
Ziehen sie als Boten aus.
Durch die Straßen krumm und grad
Wimmelt's schon im Sonntagsstaat,
Jung und Alt, in bunten Reihn,
Wollen heut andächtig seyn.
Er
Laß sie ziehen, laß
sie wallen,
Wenn ich dir in's Auge seh,
Wird die Welt zu heiligen Hallen,
Als Altar erglänzt die Höh,
Und wir sind mit frommem Sinn
Priester ich, du Priesterin,
Durch die Brust zieht froher Klang
Auf zu Gott wie Chorgesang.
Beide
Liebestempel, hell
getrieben,
Wunderbar, aus tiefem See,
Aus dem blauen Aug des/der Lieben,
Daß dein Dach mir ewig steh!
Aber muß es seyn, so brich,
Und verschütt' im Sturze mich,
Daß mein Himmel sey mein Grab,
Unter deine Trümmer hinab.
(S. 106-107)
_____
Fortleben
Du liebest mich, ich kann nicht sterben,
Ich kehre nicht zum dunkeln Ort,
Die Erde mag die Hülle erben,
Ich leb in deiner Liebe fort.
Für alles ist, was du besessen,
Das Leichentuch Vergessenheit,
Doch meiner wirst du nie vergessen,
Vergäßt du auch der Jugendzeit.
Dem Staube mag sich Staub vermählen
Und ruhen in der Erde Grund,
Die Seelen einet erst mit Seelen
Der Tod zum rechten Liebesbund.
Und tief versteckt vor Neid und Schmerzen
Birgt ungesehen und allein
Auf weichem Brautbett unsre Herzen
Ein heimlich liebes Kämmerlein.
In deines Busens warmer Stille
Da halten wir so traulich Haus,
Und schauen in die reiche Fülle
Der schönen Gotteswelt hinaus.
Ich halte dich, du mich umschlossen,
Niemals getrennt, wie Mann und Weib,
Es wird gelebt und fortgenossen,
Ein selig Paar in Einem Leib.
Drum ob die Rosen weiß sich färben,
Und sinkt mein Leib zum dunkeln Ort
Du liebest mich, ich kann nicht sterben,
Ich leb in deiner Liebe fort.
(S. 108-109)
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Des Nixen Hochzeit
"Woll'n wir nicht zum Meere gehen,
Wo die Wasser Kühlung wehen,
Schönes Lieb, zum Meer der Lust?
In den hellen,
Blauen Wellen
Baden uns die heiße Brust?"
""Willst du mit den Wogen scherzen?
Wasserscheu sind Mädchenherzen,
Weißt du, was die Mutter spricht?
Ach, ich sinke
Und ertrinke,
Laß mich aus den Armen nicht!""
Und in glühendem Umfangen
Schwimmt das Paar mit süßem Bangen
Schon im schmeichelnd kühlen Schaum,
Wiegt die weißen,
Liebeheißen
Glieder auf dem Wellenflaum.
Und des Ufers Blumen blicken
Neidisch her, und lüstern bücken
Sie das Haupt in's Meer hinein,
Doch es hüllen
Schnell die Stillen,
Ueberschlagend, Wogen ein.
Unter hoher Fluth begraben,
Tief und tiefer sinkend, haben
Sie vergessen sich und Welt,
Selige Weiten
Sie durchgleiten,
Bis der Grund des Meers sie hält.
Da, wo keine Woge rauschet,
Da genießen unbelauschet
Sie die schöne, holde Nacht,
Lieberfüllend,
Liebestillend,
Und der Mond hält oben Wacht.
(S. 110-112)
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Ersatz
Die Rosen sind verblichen,
Vergelbet ist das Grün,
Der Frühling ist entwichen,
Der Sommer ist dahin.
Kein Röslein ist geblieben,
Kein Strauß im ganzen Ort,
Doch blühn im Aug der Lieben
Die Veilchen ewig fort.
Mag sich der Stock entlauben,
Ins Land der Winter ziehn,
Wenn mir nur fort die Trauben
Auf ihren Lippen glühn.
(S. 113)
_____
Warum so bleich ich stehe
Warum so bleich ich stehe,
So still, so schmerzenbleich,
So oft ich Rosen sehe,
Als rännen mir die Thränen gleich?
Ich brach der Rosen viele
In mancher seligen Stund,
In schönem Liebesspiele,
Von der Allerliebsten Mund.
Da hatt' ich keine Sorgen,
So viel ich Rosen brach,
Mir wuchsen jeden Morgen
Nur immer schönere nach.
Doch als ich einst erstanden,
Da waren die Rosen verweht,
Und blaue Veilchen standen
Im Rosenlippenbeet.
Still nahm ich von ihrem Munde
Die letzte Blume sogleich,
Da wurden zur selben Stunde
Die Wangen mir so bleich.
(S. 120-121)
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Frohe Kunde
Auf glühendem Marmorhügel,
Träumte mir, lag ich in Ruh,
Amor mit weichem Flügel
Wehte mir Kühlung zu.
Unter der schimmernden Fläche,
Bläulichen Schlänglein gleich,
Giengen rieselnde Bäche,
Leise hin, purpurreich.
Ihre Fäden sie floßen
Alle nach Einem Ziel,
Wo eine junge Rose
Glühte an einsamem Stiel.
War mir's, als ob sich der Hügel
Träumerisch innen bewegt,
Und in dem Wasser die Flügel
Badend ein Engelein regt.
Wieder und deutlich inwendig
Silbern ein Stimmchen spricht:
"Vater, ich seh dich und kenn dich,
Siehst du und kennst du mich nicht?"
"Bald bin ich los meines Bannes,
Bad ich und wachs ich im See,
Mutter, die kennt mich, die kann es
Sagen, zur Seit dir die Fee."
Wach oder träum' ich? Da schlag ich
Zweifelnd das Aug in die Höh,
Auf jetzt und zu jetzt: da lag ich
Selig am Busen der Fee.
Lächelnd zu Küssen und Grüßen
Reichte den Mund sie mir dar,
Und in dem Auge, dem süßen,
Wurde gleich Alles mir klar.
(S. 122-124)
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An Lilli
Vor dem Baume der Muskaten
Sinkt der Paradiesesvogel,
Goldbeschwingt, doch todestrunken
Von den Düften, in das Grün.
Lilli, so von den Muskaten
Deiner Augen todberauschet,
Sinkt mein Geist aus Aethers Lüften
Zu den schönen Füßen dir.
Daß ich nicht im Tod ersterbe,
Thut die Rose deines Mundes
Ihre Wunder, neu auflebe
Ich an ihrem Hauch und Thau.
Und vom Tod ganz zu gesunden
Schlaf ich himmlisch wie die Biene,
In dem Rosenkelch des Mundes
Saug' und sing' ich mich in Schlaf.
(S. 125-126)
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Parabel
Eine Jungfrau weiß ich prangen
In der Hoffnung grünem Kleid,
Purpurn brennen ihre Wangen,
Wie der Braut zur Festeszeit.
Mit der Liebe heißstem Feuer
Liebt ein Götterjüngling sie,
Mit dem Bogen, mit der Leyer
Fehlt er seines Sieges nie.
Bräutlich liegt sie da, so hellen,
Heitern, liebevollen Blicks,
Ihren schönen Busen schwellen
Träume manches süßen Glücks.
Jeden Abend, jeden Morgen
Naht der Gott ihr auf den Zehn,
Um der Schlafenden verborgen
Perlen in den Schooß zu säh'n.
Oft nach heißem Liebesbrande,
Wenn vor süßer Lust sie weint,
Schmückt mit strahlendfarbigem Bande
Dankbar sie der hohe Freund.
Und von seinen glühnden Küssen
Wird der zarte Leib ihr reich,
Und nach wenig Monden grüßen
Kinder ihn der Mutter gleich.
Aber schnell, wie sie entsprossen,
Muß die Liebeslust verblühn,
Denn das Höchste ist genossen,
Und das Schönste ist dahin.
Nur um wen'ge Monden älter
Ist der holde Reiz getrübt,
Und die Küsse werden kälter,
Seltner, die der Gott ihr gibt.
Die verachtete Geliebte
Nimmt den welken Kranz vom Haupt,
Trauernd, eine Tiefbetrübte,
Steht sie alles Schmucks beraubt.
Jene grünen Hoffnungsfarben
Und des Glückes goldnes Kleid
Schmücken nimmer sie, es starben
Mit der Liebe Lust und Freud.
Nimmer mit des Balsams Düften
Salbt sie das gebräunte Haar,
Einsam weint sie auf den Triften
Thränenströme immerdar,
Bis sie sich ermannt und sieget
Ueber ihr gekränktes Herz,
Und an ihrem Stolz erlieget
Ihrer Liebe Qual und Schmerz.
Auch das höchste, tiefste Sehnen
Bricht der Stunden Allgewalt,
Ihre langgefloßnen Thränen
Hängen starr im Aug und kalt.
Wo das Herz, das jugendheiße,
Sonst sich hob in Schmerz und Lust,
Decket eine blendendweiße
Rüstung die erstarrte Brust.
Schimmernd, eine Göttergleiche,
In des Harnisch Silberfarb,
Ist sie lebend eine Leiche,
Da des Lebens Reiz ihr starb.
Doch der Gott, besiegt vom Triebe,
Wendet bald sein Angesicht,
Schlummern kann die ächte Liebe,
Aber sterben kann sie nicht.
Aus der Nacht geheimem Schoose
Nimmt der Tag den schönen Lauf,
Und es blüht der Liebe Rose
Selbst im Schoos des Hasses auf
Reuig kehrt er, sehnsuchtsvoller,
Zur Verlassenen zurück,
Schöner fühlt sich, seelenvoller,
Des erneuten Bundes Glück.
Goldne Liebespfeile dringen
Siegend auch durch Stahl und Erz
Und des Gottes Gluthen zwingen
Bald das kalt verschlossne Herz.
Mit dem grünen Hoffnungskleide
Wird auf's Neu sie angethan,
Und es fängt die alte Freude
Lustig schon zu blühen an.
Inniger vermählt und treuer,
Küssen sie sich, Brust an Brust,
Süß ist, wie die erste Feier,
Auch die zweite Liebeslust.
(S. 131-135)
_____
Was war's
Was war's, das mein Verlangen,
Du kleines, blondes Kind,
In sichrem Netz gefangen
Beim ersten Blick geschwind?
Im schwarzen Aug dir schwamm
Und schlief die Liebe schön
In Träumen wundersam:
Das hatt' ich nie gesehn.
Was war's, das tiefe Wunden,
Du Schönste fern und nah,
Mir gab, dem Froh-Gesunden,
Als ich dich wiedersah?
Erwacht die Liebe war,
Und schüttelte voll Scherz,
Schalkhaft, das goldne Haar:
Das traf wie Pfeil in's Herz.
Was ist's, daß ich nun täglich
Durch deine Straße geh',
Verstohlen, unbeweglich,
Nach deinem Fenster seh'?
Ein Flor von Rosen steht
Mit zauberhaftem Glühn
In deines Mundes Beet:
Wie gern ach, bräch ich ihn!
Ich hoff', ich harr' wie lange!
Ach, bleibst du ewig fern,
Und leuchtest meinem Gange
Nur wie der Liebesstern?
Komm, reich die Rosen mir,
Die Nacht leiht uns ihr Kleid,
Ich gebe dir dafür,
Kann ich's, Unsterblichkeit.
(S. 136-137)
_____
Lilie
Mondestochter, stille, reine,
Lilie im weißen Kleid,
Stehst verklärt vom Abendscheine,
Wie von Glanz der Seligkeit.
Aber Thränen seh ich scheinen,
Perlen, auf der Wangen Schnee,
Und mir wird, als müßt' ich weinen,
Wenn ich dir in's Auge seh.
Frag ich noch, was mich betrübe,
Und was mich an dir erfreut?
Gleichest du nicht meiner Liebe,
Meiner Liebe Lust und Leid?
Noch stehst du im Garten prangend,
Und, ich darf mich deiner freun,
Fest an deinem Glanze hangend
Wähnen, ach, du seyest mein.
Doch es wird die Stunde schlagen,
Rinnen ab des Glückes Sand,
Ohne mich und dich zu fragen,
Pflückt dich eine fremde Hand.
Und ich darf nicht weiter fragen,
Holdes Lunakind, nach dir,
Still nur um die Todte klagen,
Denn du lebst ja nimmer mir.
(S. 141-142)
_____
Das zerschlagene Bild
So hast du selbst dein Bild zerschlagen,
Das ich im Herzen dir erbaut,
Und das, verklärt von schönern Tagen,
Ich oft mit Andacht angeschaut?
Still, wie der Mond die nächtigen Fluthen,
So helltest du mein Innres aus,
Dort loderten dir reine Gluthen,
Wie's ewige Licht im Gotteshaus.
Da fährt, verhüllt in Wetterschwärzen,
Herab die Göttin, zorneswild,
Der Sturm verlöscht die heiligen Kerzen,
Gestürzt, zerschmettert liegt ihr Bild.
So mag es denn zum Kirchhof wandern,
- Was soll der Schutt im Tempel thun? -
Und als ein Trümmer bei den andern
Zerstörten Götterbildern ruhn.
Dort mag es unter Regengüssen
Verwitternd sich mit Moos umziehn,
Und einsam zwischen seinen Rissen
Der Distel traurige Blume blühn.
(S. 146-147)
_____
Vergeltung
So hast mich denn auch du verrathen,
Auch du bist nur, wie andre viel,
Und Liebesblick und Red' und Thaten,
Sie waren nur ein Alltagsspiel?
Rein liebt' ich dich und ohne Fehle,
Mir ward mit Recht Verrath dafür,
Denn Untreu an der treusten Seele
War ja der erste Blick nach dir.
Sie ist durch dich an mir gerochen,
Ihr stahl ich mich und gab mich dir,
Ich hab ein treues Herz gebrochen,
Du brachst dafür das meine mir.
Doch Eines lindert meine Schmerzen,
Sonst wär' ich gar zu übel dran:
Daß man ganz leidlich ohne Herzen,
Wie du mir zeigest, leben kann.
(S. 148-149)
_____
Die Erscheinung
Was ist's, daß ich durch ferne Weiten
Dich Aug in Aug, Geliebte, schau?
Uns trennen Ströme, Länderbreiten,
Doch schweifst du mit mir durch die Au.
Kommst du, weil mich ein Sturm bedräut,
Als Engel meiner Einsamkeit?
Ich sah dich bleich zu mir dich neigen,
Du saßt an meinem Bett zur Nacht,
Sahst unverwandt mich an mit Schweigen,
Bis in's Gemach der Tag gelacht.
Du warst's, es war der Augen Strahl,
Der mich durchdrang, wie ehemal.
Jüngst sah ich vor mir her dich schreiten
Im Dämmerschein durch Feld und Wald,
Sah wie des Mondes Strahlen gleiten
Durch's Dickicht deine Lichtgestalt.
Du warst's, es war der Fuß, der fliegt
Durch's Grün und nicht ein Gräschen biegt.
Der Himmel traur't, des Winds Gestöhne
Seufzt durch's Gebüsch am Uferrand,
Und draus vernehm' ich Klagetöne,
Wie eine Stimme wohlbekannt.
Du bist's, es ist der Stimme Klang,
Die oft mir klang als wie Gesang.
Bist du nicht irdisch mehr, Geliebte?
Ist, was ich schau, dein sel'ger Geist?
Was ist's, das unsern Himmel trübte,
Daß sich dein bleiches Bild mir weist?
O sprich, o sprich es aus, dein Leid,
Du Engel meiner Einsamkeit!
(S. 150-151)
_____
An die Schönheit
Himmelskönigin, sterngekrönte,
Ewige Schönheit, heißersehnte,
Aphrodit-Urania,
Laß dich schauen, laß dich schauen,
Wie ich einst mit süßem Grauen
Dich in deinem Tempel sah.
An des Heiligthumes Säulen
Lehnte, an die wolkensteilen
Berge stumm die Mondenacht sich,
Strom und Bach sang dir Gedichte,
Priesterhemd trug Eich und Fichte,
Nebelweißes, feierlich.
Fern aus Rosenpforten schrittest,
Sacht zum Hain hernieder glittest
Du im Mondkahn schleierlos
Durch den Schaum der Nebelwellen,
Und die stern- und mondeshellen
Glieder glänzten göttlich bloß.
Ueber Berge stieg und Klüfte
Ueber Seen und Meere schiffte
Mancher schon nach einer Braut:
Ruhelos auf allen Fluren
Folgt' ich, Göttin, deinen Spuren,
Lauschte deines Mundes Laut.
Leuchtend steht seit jener Stunde
Mir dein Bild im Busengrunde,
Heißgeliebte, still und rein,
Und in tausend Augenlichtern
Und in tausend Angesichtern
Seh ich deinen Wiederschein.
Eng in dumpfen Klostermauern
Mußt' ich meinen Mai vertrauern.
Doch in schwerer Wetterstund
Bliebst du meine Sonne immer,
Sanften Regenbogenschimmer
Malend auf den düstern Grund.
In der Oede banger Nächte,
Wenn um mich die finstern Mächte
Spannen ihren dunkeln Flor,
Kamst du, wie aus dem Gewölke,
Eine goldne Himmelsnelke,
Glänzt der stille Mond hervor.
Himmelskönigin, sterngekrönte,
Heißgeliebte, heißersehnte,
Segne gastlich du mein Haus,
Daß im Abglanz deiner Schöne,
Reine Schwanen, meine Töne
Ziehen in die Welt hinaus.
(S. 156-158)
_____
Aus: Gedichte von
Wilhelm Zimmermann
Zweite, sehr bereicherte und verbesserte Auflage
Stuttgart J. Scheible's Buchhandlung 1839
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Zimmermann_(Theologe)
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