Ernst Anton Zündt (1819-1897) - Liebesgedichte




Ernst Anton Zündt
(1819-1897)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Frommer Wunsch

Wer liebt ist selig,
Wer liebt ist reich!
Ob Fürst, ob Bettler,
Ihm ist es gleich.
Ihm schmeckt die Speise,
Ihn labt der Wein.
O möchten Alle
Verliebte sein!

Ein süß Geflüster
Von Liebchens Mund,
Ein Druck der Hände
Zum Treuebund,
Und keine Worte,
Als: mein! und: dein!
O möchten Alle
Verliebte sein!

Sie winket morgens
Ein Grüßchen mir,
Sie harret Abends
An ihrer Thür;
Da schleicht der Liebste,
Und schlüpft hinein. -
O möchten Alle
Verliebte sein.

Und ach, wie schmecket
Ihr Kuß so süß!
In ihren Augen
Welch Paradies!
Nie glänzt der Himmel
So hell und rein.
O möchten Alle
Verliebte sein!

Zwar gab die Mutter
Ein streng Verbot;
Wenn sie uns träfe,
Welch arge Not!
Mein Liebchen, bleibe!
Was fällt Dir ein?
O möchten Alle
Verliebte sein!

Ja, ja, mein Liebchen
Ist meine Welt,
Die meinen Himmel
In Händen hält;
Und dennoch ist sie
So zart und klein!
O möchten Alle
Verliebte sein!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 3-5)

_____



Ihre Locke

Dein Haar, dein Haar, das trug ich lang
Auf treuem Herzen wohl;
Die blonde Locke, die du gabst,
Du, einst so liebevoll.

Du drücktest sie mir in die Hand,
Daß Mutter es nicht sieht,
Und gabst ein Küßchen mir dazu,
Das noch im Herzen glüht.

O denkst du nimmermehr daran,
Du lieblich Angesicht?
War's denn nicht Haar von deinem Haar,
War's deine Locke nicht?

Wie drückt' ich oft an's Wangenpaar
Die gold'nen Schlingen dir!
Und nimmer, Liebchen, soll's gescheh'n
Auf dieser Erde hier? -

Blick' ich die Haare sehnend an,
Mein' ich bei dir zu seyn,
Im Geist umfass' ich wieder dich,
Du warst ja einstens mein.

Ich drücke wieder dir den Kuß
Auf Mund und Augenpaar,
Und wieder gibst du mir dafür
Von deinem gold'nen Haar.

Du stehst vor mir, du schwebst um mich,
Erfüllest meine Welt,
Du, mein Gedanke, der allein
Den Geist noch aufrecht hält.

Wir sind geschieden jetzt, doch bald
Wird Staub die Hülle sein;
Nur deine Locke nehm' ich mit,
Denn die bleibt ewig mein!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 6-7)

_____



Der Himmel im Kleinen

Mein Liebchen ist ein herzig Ding,
So niedlich und so klein,
Ein lieber, leichter Schmetterling,
So rund und gar zu fein.

Da hüpft sie zierlich, daß ihr Fuß
Den Boden kaum berührt,
Wie wenn des leisen Windes Kuß
Das leichte Blatt entführt.

Zum Gruße wird die Hand gedrückt,
Sie sitzt auf meinem Schooß;
Da geht, wie Kuß auf Kuß entzückt,
Die - Busenschleife los.

Wohl senk' ich schnelle Aug' und Sinn
In's Miederchen hinein;
Wie ich nur so begierig bin,
Was mag da drinnen sein.

Sie schlingt den weichen Arm um mich,
Verbirgt mir ihre Not;
Sie scherzt und herzt so inniglich,
Voll Schaam die Wangen rot. -

O welch ein schönes Königreich
Drück' ich an meine Brust;
So klein und doch dem größten gleich,
Voll Blüten jeder Lust!

Ach, und ihr gold'nes Lockenhaar,
Wie fühl' ich es so gern
An meiner Wange, und wie klar
Strahlt ihres Auges Stern!

Bewahre, Himmel, doch mein Lieb,
Das kleine, runde Ding!
Und jedem treuen Buben gib
So holden Schmetterling!


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 8-9)

_____



An die Liebe

Liebe, göttliches Erglühen,
Heißersehnter Morgenstrahl,
Laß an deine Brust mich fliehen,
Seelige im Erdenthal!
Denn allein durch dich erschließen
Sich die Reize der Natur,
Dürfen wir dich froh begrüßen
Feurig nahend deiner Spur.

O, in deinen holden Armen
Schwillt der Busen himmelan;
Dem du zeigtest dein Erbarmen,
Naht ein übersel'ger Wahn.
Alles rings um ihn verkläret
Sich in deiner Harmonie;
Und von keiner Last beschweret,
Schweigt die trunk'ne Phantasie.

Du aus reiner Aetherfülle,
Holde Göttin süßer Lust,
Ach, in dieses Haines Stille
Sankest du an meine Brust;
Und es rauschten goldne Flügel
An des Nackens Fülle dir,
Lenktest mit dem Rosenzügel
Deine Täubchen du zu mir.

Cypris, die des Armen Hütte
Ausgeschmückt zum Königssaal,
O, du führtest meine Schritte
Her in dieses stille Thal,
Ließest auf der Jungfrau Wangen
Meiner Lippen Hauch verweh'n!
Und in schmerzlich süßem Bangen
Möcht' ich so geliebt vergeh'n!

Jeder freue sich der Liebe,
Jeder segne sein Geschick,
Jeder rufe seiner Liebe
Ersten schönen Tag zurück!
Und er kehre immer wieder,
Neue Freuden in dem Schoos,
Neue Kränze, neue Lieder:
Was der Göttin Huld entfloß.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 10-11)

_____



Warnung
Auch die mein Brod essen, reden nichts
Gutes von mir.
Sirach, 20, 18

Ihr Mädchen, hört, ihr schäckert wohl
Zu viel mit euren Treuen,
Und was ihr gabet liebevoll,
Müßt ihr zuletzt bereuen.
Der Wagen fährt gar leicht an's Ziel,
Meint ihr, mit frischen Kräften; -
Da dünkt es euch ein schönes Spiel,
Und ungeduldig heften
Sich eure Blicke auf die Bahn,
Und - was das Pferd nur laufen kann,
Wird es voran getrieben.

Zwar ist die Rennbahn lang und breit,
Und kaum mit bloßen Augen
Sieht klar und deutlich man so weit,
Und gar nichts, sagt ihr, taugen
Die Brillen, die der Vater euch,
Die Mutter vorgehalten: -
Das Herz ist treu, die Hoffnung reich,
Sich Schönstes zu gestalten;
Und so kann's fehlen nimmermehr! -
So denket ihr, und die Gewähr
Habt ihr in's Herz geschrieben.

Und wie man weit und weiter fährt,
Enthüllt sich mehr die Ferne;
Und euer Glaube scheint bewährt,
Wie's helle Licht der Sterne.
Doch plötzlich sehet ihr die Bahn
Sich zweigespalten scheiden;
Ein Abgrund gähnt euch seitwärts an;
Ihr sucht ihn zu vermeiden.
Doch euer Roß im vollsten Lauf
Hält weder Ruf noch Zügel auf,
Hin fliegt es gleich dem Winde.

Voll Schrecken zerrt ihr es zurück,
Entsetzen in den Zügen,
Denn jeden nächsten Augenblick
Könnt ihr im Abgrund liegen.
Weh euch! Jetzt sinket eure Kraft;
Es ist um euch geschehen;
Das Auge starrt, die Hand erschlafft,
Und ohne Widerstehen
Sinkt ihr in schauervolle Nacht,
Weil ihr es früher nicht bedacht,
Wie bald man schwach sich finde. -

Wie Manche findet so den Tod! -
Die Klugen nur gelangen
Zu ihrer Hoffnung Morgenrot,
Weil ihrer Brust Verlangen
Bedächtig nach dem Ziel geblickt
Mit weiser Ueberlegung,
Mit festem Sinn sie unterdrückt
Die frevelnde Erregung,
Die gegen Alles sich empört,
Nur ihre eigne Stimme hört,
Und zum Verderben eilet.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 12-14)

_____



Betrachtung
Auf dem weichen Pfühle
Schlafe! Was willst du mehr?
Göthe

Ruhig, selig, wie ein Engel,
Liebes Röschen, lagst du da,
Schliefst, gewiegt von süßen Träumen,
Die ich dich umschweben sah.

Draußen in der Nebenstube
Flammte noch ein sterbend Licht,
Und es fiel sein matter Schimmer
Auf dein holdes Angesicht.

Losgegangen war die Schleife,
Die dein Hemd zusammenschloß;
Nur von Locken überströmet
Sah ich deinen Busen bloß.

Deine zarten Wangen glühten,
Und auf deinen Zügen lag
Nicht der Liebe Schmerz - sie glichen
Einem holden Maientag.

Ach, ein Kuß auf deine Wange
Wecket dich, Geliebte, nicht!
Leise thu' ich's, daß er keinen
Süßen Traum dir unterbricht.

Doch, o weh, sie rührt die Arme!
Schnelle fort! Sie ist erwacht.
Sah ich doch des Himmels Reize
In der Erde schönster Nacht.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 15-16)

_____



Wahrer Werth

Die du mich so warm geküßt,
Mädchen, dich soll ich verlassen!
Die ich mir an's Herz gedrückt,
Soll ich nimmermehr umfassen!

Und aus welchem schnöden Grund
Soll ich deine Liebe fliehen;
Meine Brust verschließen dir,
Meine Augen von dir ziehen!

Hast du dein gegeben Wort
Treulos, freventlich gebrochen?
Gabst du einem Andern hin,
Was du ewig mir versprochen?

Nein, du Holde, Süße du,
Deiner Liebe ganzes Streben
Suchte mich; du hast dich mir
Treu und kindlich hingegeben!

Weil du nicht von Adel bist,
Soll ich dir mein Herz entziehen,
Und von deiner warmen Brust
Schnell zu jenen kalten fliehen.

Wer hat euren Adelsbrief,
Ihr Verachtende, geschrieben?
War es nicht ein Erdenfürst?
Seid ihr sterblich nicht geblieben? -

O ihr Stolzen, schaut ihn an!
Nehmt ihn hin für dieses Leben!
Wahrlich, ihren Adelsbrief
Sah ich hoch vom Himmel schweben.

Ja, der Schöpfer selber gab
Diese reine, treue Seele,
Daß sie einem Körper sich,
Der so schön, wie sie, vermähle.

Bauernmädchen, Himmelskind!
Aller Erdentand und Würde
Sind an deiner treuen Brust
Wahrlich eine ekle Bürde!

Darum werf' ich Alles hin,
Was ein König mir gegeben;
Denn ein schöner Loos ist mein,
Darf ich deiner Lieben leben!


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 17-18)

_____



Leben und Tod für Sie

Deinem Dienste stets zu leben,
Ist es nicht die schönste Pflicht!
Wird mich nur dein Geist umschweben,
Schrecken Ewigkeiten nicht. -
Von der blinden Göttin Walten
Wird mein Hoffen nicht zerstört:
Keine leeren Traumgestalten
Haben mir das Herz bethört.

Wenn die Seelen sich umschlingen,
Theile selbst der ew'gen Kraft,
Welche Macht kann sie bezwingen,
Welches Gottes Eigenschaft?
Nicht im Himmel, nicht auf Erden
Fiel einmal, was ewig stand!
Sollte plötzlich sterblich werden,
Was den Gott in sich empfand!

Mag der arme Leib zerfallen,
Der den Flug des Geistes lähmt! -
Durch die Lüfte frei zu wallen,
Wenn ihn keine Fessel zähmt,
Wird ein edler Loos ihm dünken:
Denn er bleibet dir vereint,
Und in Lüften wirst du trinken,
Den dein Auge still beweint! -

So in deines Körpers Engen. -
Aber wenn auch dich einmal
Ewige Gewalten drängen,
Wenn der Erdentage Zahl
Bis zum letzten hingeschwunden:
Wirst auch du ein freier Geist
Alles Hemmenden entbunden,
Der das Sternenheer durchkreist.

Und wir werden uns umschlingen,
Reiner Geister Lebenslust,
Allgewaltig uns durchdringen;
Aller Welten Sonnenglut
Soll in unsern Küssen glühen,
Ewig uns're Wonne sein,
Und in süßen Harmonien
Wird es klingen: Mein und Dein!

Darum eil' ich auch, zu sterben
Deiner Liebe, deiner Huld! -
Nur der Körper kann verderben,
Und Natur bezahlt die Schuld,
Die sie diesem Leib geworden,
Jenem Geiste reichlich ab:
Wandelt der im Lichte dorten,
Mod're jener nur im Grab. -

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 23-25)

_____



Sehnsucht

Manches Lenzes schöne Blüte
Hab' ich hier und dort erblickt;
Doch wie jene Rose glühte,
Die ich fröhlich mir gepflückt
In der heimatlichen Ferne,
Hat mich keine mehr entzückt,
Und ich sah die Erde gerne
Damals nur als Braut geschmückt.

O ihr Blüten! o ihr Lüfte,
Die ihr dorten mich umspielt,
Nimmer jene süßen Düfte,
Die mich einst in euch gekühlt,
Darf ich jemals wieder trinken: -
Froher Jugend Himmelsglück
Sah ich in das Grab versinken,
Und es kehret nie zurück. -

Durch des öden Herzens Sehnen
Klingt ein teuflisch kalter Ton,
Und zum Wahnsinn werden Thränen,
Wütend aufgeregt von Hohn,
Von gebrochnen Liebesschwüren: -
Ein entweihtes, heil'ges Pfand
Heißt die Furien Flammen schüren,
Wo der holde Amor stand.

Fort von mir, ihr Phantasien
Von gehoffter süßer Lust!
Könnt' ich wieder heimwärts ziehen,
Und aus meiner armen Brust
Alle bittern Zweifel scheuchen,
Die die schnöde Welt gebar,
Wieder jenem Kinde gleichen,
Welches einst so selig war!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 26-27)

_____



An Mrtz
Il dit a la flamme: Expire;
Il dit a la fleur:Palis
Victor Hugo

Verflüchtigt euch, ihr drängenden Gefühle,
Die ihr ein heitres Leben stört,
Das Herz verblendet und bethört,
Und nichts für Wahrheit, Alles nur im Spiele.

Wie darf ich oft die zarten Händchen drücken,
Im flücht'gen Scherze dargereicht,
Wenn durch das Herz die Sorge schleicht,
Ob sie in Wahrheit Andre nicht beglücken.

Den Küssen selbst, der Holden kühn entwendet,
Der wahrhaft höchste Reiz gebricht;
Denn, ach, sie fühlt im Herzen nicht,
Welch süße Lust ihr schöner Mund gespendet.

Ihr Händchen pflückte mir Vergißmeinnichte -
Mit Rosen hab' ich sie vereint -
Doch was so schön im Bilde scheint,
Tritt nie ins Leben, spricht nur im Gedichte.

Mein armes Herz, so magst du denn verzagen,
Wenn Liebe dir nur Qualen schafft,
Der schönen Stunde Last entrafft,
Und keine Hoffnung bringt von bessern Tagen.

O wäre dir das Leben ausgesogen,
Stünd'st Du ein Fels im öden Meer;
Dann wärst du aller Wünsche leer,
Vergebens peitschte dich der Drang der Wogen!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 28-29)

_____



Amors Rache

Du, die ich einer Heil'gen gleich
Voll frommer Scheu verehrt
Hast mich, daß alle Menschen gleich,
Zu Deiner Schmach belehrt.

Im treuen Herzen glaubt' ich einst,
Du habest mir vertraut,
Und wenn ich dir ins Auge sah,
Was hab' ich d'rinn geschaut? -

O, nicht mit Küssen nur allein,
Selbst mit dem heil'gen Schwur,
Auf ewig, ewig mein zu sein,
Spielt deine Unnatur.

Du hingest einem Andern an,
Und welche bittre Schmach
Dein Leichtsinn auch dir angethan,
So schmerzt mich doch dein: Ach!

Du bist nicht glücklich: jenes Rot
Von deinen Lippen schwand,
Der Wange Farbe scheint so tot,
Dein Aug' ist ausgebrannt.

Wohl jede Thräne, die sich still
Durch deine Wimpern stiehlt,
Von tiefer Reue sprechen will,
Daß du so bös gespielt.

Doch, was dein Herz darniederbeugt,
Ich - will vergeben dir:
Ob nun der Mund auch immer schweigt,
Du fühlst's am Herzen hier.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 52-53)

_____



Ewige Beschäftigung

Was ich denke, was ich treibe,
Immer bleibst du mir im Sinn,
Und es sagt nur, was ich schreibe,
Wie ich dir ergeben bin.

Tausend schöne Augen winken,
Tausend Busen heben sich,
Tausend süße Lippen trinken,
Doch nur eine labte mich!

Schauen in die blauen Augen,
Drücken deine kleine Hand,
Küsse dir vom Munde saugen,
Ach, und das im Vaterland.

Und das Alles ist vorüber,
Nur das Angedenken blieb,
Stille Sehnsucht zieht hinüber,
Und das Auge wird mir trüb.

Welches Abends Dämmerscheine
Dank' ich wieder solches Glück!
Welcher Stern, du holde Kleine,
Führt mich einst zu Dir zurück!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 56-57)

_____



Thirza

O schöner Sohn des Gebirges,
Ceder von Libanon,
Herrlicher unter den Schönen,
Mir an die Brust!

Miram, o du Lieblicher!
Perle von Morgenthau,
Die aufgeküßt
Der goldene Sonnenstrahl.

Siehe, deine Thirza
Schwimmt in Thränen,
Die mit Liebesqual
Netzen die Wimpern.

Meine Haare fliegen
Deiner Purpurlippen
Hauch entgegen!
Nahe, schöner Geliebter!

Löwe der Berge,
Lamm des Thales,
Mein Himmelsquell!
Labe das Herz!

Schwarzgelockter,
Du, schöner als der Mai,
Schöner als Palmen,
Hochanstrebend!

Trauter, Trauter!
Dein Mädchen banget,
Es weinet sehnlich,
O Süßer, deine Thirza!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 70-71)

_____



Das verzauberte Thal

Wie ändert doch in dieser Welt
So schnell des Menschen Sinn?
Ich glaubte mich so fest gestellt!
Wie ich nun wankend bin!

Wie fand ich ein gewisses Thal
Unwirthlich einst und leer,
Und jetzt, bei Gott, mit einemmal
Find' ich kein schön'res mehr.

Der kleine Fluß, sonst träg zu schau'n,
Lacht mich jetzt freundlich an;
Ich möchte mir ein Nestchen bau'n
In jedem Busch daran.

Die Hügel alle, rings umher,
Sie schienen einst so kalt,
Da jetzt ein reich geschwängert Meer
Von Düften niederwallt.

Einst war mir jeder Weg zu weit,
Jetzt schweif' ich Tage lang
Durch Wald und Feld, und im Geleit
Mein Herz, so sehnlich bang.

Was müssen das für Schmerzen sein?
Tauscht ich die Augen aus?
Verblendet mich ein Zauberschein?
Was zieht mich nun hinaus?

Sollt' es? - Ach ja, in diesem Thal
Fand ich süß Liebchen mein!
Wie änderte sich's sonst zumal:
Sie muß die Zaub'rin sein. -

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 80-81)

_____



Zerstörte Hoffnung

Verachte mich! Verzweiflung sei mein Loos!
Die eig'ne Schuld hat mich ihr hingegeben.
Riß ich mich auch aus ihren Armen los,
So darf ich doch nicht deiner Liebe leben.

Ein düstrer Gram in öder Einsamkeit,
Wo keine Sonne freundlich niederblicket,
Kein holdes Lächeln meinen Blick erfreut,
Kein tröstend Wort das arme Herz erquicket:

Das wird für mich die bittre Strafe sein,
Noch bitterer, weil ich sie selbst verschuldet;
Der Himmel weiß, du bist so gut, so rein,
Daß er mich nicht in deiner Nähe duldet.

Zu deiner Reinheit wollt' ich mich erheben,
In deiner Liebe wollt' ich meiner Brust
Den schwer verlornen Frieden wiedergeben,
Stolz war ich solcher Hoffnung mir bewußt.

Doch ach! Zerstört liegt dieser schöne Wahn
Nach wenig kurzen Tagen schon begraben;
Voll Reue blick' ich nun zu dir hinan,
Der ich nicht werth bin solcher Himmelsgaben.

Die Thräne selbst will mich erleichtern nicht!
Des Todes Bangen in der Brust verschlossen,
Seh' ich es schaudernd, wie der Sonne Licht
Den Tag mir nur zu bittrer Qual erschlossen.

Und wehe mir, die grausenhafte Nacht
Vermehrt den Schmerz! In schwarzen Phantasien
Seh' ich von Schreckengeistern mich bewacht,
In Wahnsinn fühl' ich meine Adern glühen.

O, dürftest du als reiner Engel mich
In deiner rührenden Gestalt erretten,
Die Qual verschwände, und es würden sich
In Rosen dann verwandeln meine Ketten.

Vergib dem Armen, der es schon gewagt
In deiner Liebe sich beglückt zu fühlen.
Es war ein Traum! - die finstre Wahrheit tagt,
Ich seh' den Tod nach meinem Herzen zielen.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 82-83)

_____



Der Geliebten
Bei Erhaltung der Abbildung ihres Wohnhauses

Mit heil'ger Scheu berühr' ich dieses Blatt,
Die Pforte meiner Freuden, meiner Leiden.
Was je ein menschlich Herz beseligt hat,
Empfind' ich heut im Wechseltausch von beiden.

Hast du mich wirklich einmal nur beglückt,
Wie lange zehrt mein Herz an dem Gedanken,
Wie hoch hat solch ein Zauber mich entrückt
Der Wirklichkeit, der ich sonst nichts zu danken!

Und auch, wo du dich fremd mir abgewandt,
Gerechter Zorn dein edles Herz verschlossen,
Auch da war aller Reiz nicht ganz verbannt:
Ist meine Thräne denn nicht dir geflossen? -

Hat meine Reue, meine Sehnsucht nicht
Sich dir, der Reinen, immer zugewendet?
Du führtest mich ja auf den Weg der Pflicht,
Und alles Gute hast nur du vollendet.

Ein Engel, heilig, liebreich, gnadenvoll,
Dem Aug' entzückend, wie dem reinen Streben,
Ein reicher Born, aus dem Erquickung quoll
Für mein, ach! düstres, lichtberaubtes Leben:

Zu schön, um dieser Erde Kind zu sein,
Bist Du mir so mein Ideal erschienen,
Ich hab's gewagt, um deine Huld zu frei'n;
Erlaub mir, Engel, ewig dir zu dienen!


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 88-89)

_____



Hochgenuß
An Johanna

Neuer Reiz in Himmelsgluten
Ew'ger Liebe eingetaucht,
Wo die Sternenheere fluten,
Und der Dampf der Sonnen raucht,
Wo die Engel niederfallen,
In Entzücken still anbetend,
Vor den Stuhl des Höchstens tretend,
Unvermögend Lob zu lallen: -
Solche Seligkeit durchbebte
Ahnungsreicher Schauer voll
Meine Brust, die neubelebte,
Die im trunknen Taumel schwoll.

Lieb', o Leben meines Lebens,
Stern der Sterne meiner Welt,
Hat die Wonne denn vergebens
Mir das Herz so hoch geschwellt?
Wurden nicht als liebe Grüße
Deine Worte mir gesendet,
Himmelsnektar mir gespendet,
Daß der Strom sich frei ergieße,
Der so wild durchs Thal gedrungen,
Erst noch vom Orkan gedrückt,
Den, von Wohllaut jetzt umklungen,
Reichste Harmonie entzückt.

Wo die Felsen überragen,
Und die Klippe ihn gezwängt,
Stürmisch seine Wogen jagten,
In dem schmalen Raum beengt:
Grüßen jetzt ihn schöne Auen,
Winken Blumen ihm entgegen,
Ueber ihm lacht Himmelssegen,
Und an Ufers Büschen bauen
In den reichsten Blütenzweigen
Nachtigallen sich ihr Haus,
Hauchen, wenn die Menschen schweigen,
Ihre Sehnsuchtstöne aus.

Ach, laß wahr, geliebte Seele,
Wahr mir bleiben dieß mein Bild!
Denn du bist es, die ich wähle,
Die mein tiefstes Sein erfüllt.
Deinem Mund, dem süßen, kleinen,
Deinen sehnsuchtsvollen Blicken
Meine Seufzer zuzuschicken,
Mich mit ihnen zu vereinen;
Und so Aug' in Aug' ergossen,
Mund auf Mund nach holdem Streit,
Das ist Wonne, nie genossen,
Das ist meine Seligkeit.

Droben, wo die Sterne leuchten,
Wo der ew'ge Friede wohnt,
Thränen nie ein Auge feuchten,
Kein Verrat die Treue lohnt,
In dem Reich der Seelen droben
Frei von dieses Lebens Engen,
Wo in heiligen Gesängen
Seraphim den Höchsten loben,
Wo Verzweiflung liebend endet,
Phantasie in reichster Pracht
Sich zur Wirklichkeit vollendet:
Dort ist unser auch gedacht! -


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 90-92)

_____



Der Liebe Geschick

Wie mag man dich in enge Strophen schnüren,
Gewalt'ge Liebe, die kein Joch erträgt,
Nie eine Last, die sie bedroht, erwägt:
Wie Zeilen abwärts mit der Feder führen?

Der Drucker setzt dich zierlich in Broschüren,
Dich, ew'gen Blitzstrahl, der das Herz erschlägt,
Das dickste Brett vor Herzen schnell durchsägt,
Und lächelnd spielt mit allen heil'gen Schwüren:

Weswegen magst du solche Schmach ertragen?
Ist's nur Geduld zu leiden, was nicht schadet,
Um für ein Alles weniges zu wagen?

Ich weiß, o Göttin, stets, wenn du gebadet,
Da kommen alle Dichter schnell gesprungen:
Nur, was du abgewaschen, wird besungen.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 100)

_____



Falsche Beschuldigung

Wie dreht die Liebe doch so schnell den Wind,
Besonders die der groß- und kleinen Dichter:
Die Poesie spricht als bestochner Richter,
Und um ein Verschen wechselt sie geschwind.

Leiht Phöbos uns, wo schöne Augen sind,
Zu deren Einsicht seine Sonnenlichter,
Da gießet durch der Begeist'rung Trichter
Die Poesie für's neue schöne Kind

Uns Flammen ein - und was dereinst zum Lied
Das warme Herz, den regen Geist gezogen,
Ist nun gleich Morgennebeln ganz verflogen.

Drum, wo ein solches Unglück noch geschieht,
Sind nicht der Dichter Herzen zu verklagen,
Die Poesie hat alle Schuld zu tragen.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 101)

_____



Meiner Schwester Marie

I.
Dir lacht der Liebe holdes Glück entgegen,
Du hast ein Herz, das dein gehört, gefunden,
In süßen Träumen schwinden deine Stunden,
Und Rosen breiten sich auf deinen Wegen.

An deiner Brust hat nie der Schmerz gelegen,
Umklammernd dich, und bohrend tiefe Wunden;
Nicht wie ein Wahn im leeren Raum entschwunden,
Ward dir die Lieb' ein reicher Himmelssegen.

Doch ich! - nicht heißer kann ein Herz erglühen,
Und dennoch stürzt das schöne Bild zusammen,
Und alle Zauber, die ich träumte, fliehen.

Mein Herz verbrennt in seinen eignen Flammen! -
Doch - mögen dir der Liebe Rosen blühen,
Und zu den Dornen mich mein Loos verdammen!


II.
Die eig'ne Schuld hat mich hinausgestossen,
Zum Bettler mich verdammt in jungen Tagen. -
Wag' ich den Blick auch bittend aufzuschlagen
Zum Auge, das von Himmelsglanz umflossen

Mir neue Hoffnung in die Brust gegossen:
Es wird erschreckt das meine nicht ertragen,
Mein wilder Blick wird meine Schuld ihm klagen,
Und jedes Herz bleibt fürder mir verschlossen.

O, Himmelsglanz, der scheu von mir sich wendet,
Wann wird Vergebung dem Verstoßnen werden,
In kranker Zeit, die mir kein Labsal spendet?

Ihr peinlichen, erdrückenden Beschwerden,
Daß meine Qual der letzte Seufzer endet,
Ach! stecket bald mein Ziel auf dieser Erden!


III.
Dann magst du, Schwester, mein erglühend Streben
In deinem frommen Herzen aufbewahren!
Dir wird sich schönste Zukunft offenbaren,
Und meine Glut dein sanft Gefühl beleben.

Dir wird die Flamme segnend sich erheben,
Die mich verzehrt, der nie ein Glück erfahren,
Das ihn beseligt; dem nur Träume waren,
Was dir ein Gott in Wirklichkeit gegeben.

Und wenn dir einst nach sieggekröntem Sehnen
Das reinste Glück am frohen Tag erscheinet,
Dann weihe mir nur eine deiner Thränen,

Die nicht der Schmerz, die sel'ge Liebe weinet:
Dann wirst du erst mein Leiden ganz erkennen,
Wenn dich mit ihm ein ewig Band vereinet.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 113-115)

_____



An Sie
Es war so ahnungsvoll und schwer,
Dann wieder ängstlich, arm und leer
Göthe

Der letzte, süße Kuß von deinem Munde
War meiner Wonne letzter Augenblick,
Und jedes Wörtchen jener heil'gen Stunde
Ruft, ach, umsonst mich nun zu dir zurück!

Kalt ist die Welt, und schauerlich geworden,
Seit dich mein Auge nirgend mehr erblickt;
Hier aussen scheint mich jeder Blick zu morden,
Und deiner hat zum Himmel mich entzückt.

An deinem Herzen soll ich nimmer liegen,
Nicht fühlen mehr den Druck der zarten Hand,
Nicht mehr den Arm um deine Hüfte schmiegen,
Die ich voll heil'gem Schauer oft umwand.

Was hat dieß arme, kranke Herz begangen,
Daß es in solchen Qualen sich verzehrt,
So stürmisch schlägt in glühendem Verlangen,
Und doch umsonst bei dir zu sein begehrt? -

Schon sollt' ich mich nach steifen Formen trennen,
Ein kaltes Wort die letzte Rede sein;
Kein Abschiedskuß auf meinen Lippen brennen:
Und war mein fühlend Herz ein kalter Stein?

Da öffnest du noch einmal mir die Thüre,
Daß wir von Zeugen ferne unser Herz
Erschließen können, daß uns Niemand wehre
Der letzten Küsse bittersüßen Schmerz.

O holder Engel, glaub' es! meinen Worten
In jener Stunde bleib' ich ewig treu!
Dein will ich sein, auf Erden oder dorten,
Dein muß ich sein, in welcher Welt es sei!

Zum Westen geht, es geht zu dir mein Sehnen!
Ich blicke nach dem Abenddämmerschein;
Dort grüße ich dein Bild mit heißen Thränen,
Und tiefste Wehmut dringt in Herzen ein.

Bist du mir treu? Du hast es wohl versprochen,
Gelobt mit Küssen und gebotner Hand. -
Doch tausend Eide wurden schon gebrochen,
Zerrissen wurde manches heil'ge Band.

Ha, wenn du meine Liebe kannst verhöhnen,
Und mich betrügen um mein heilig Recht,
Dann fluch' ich meinem dir geweihten Sehnen,
Mir selbst, und deinem tückischen Geschlecht!

Doch wirst du niemals einem Andern geben,
Was, Heißgeliebte, ewig mein gehört;
Ich will dich mahnend, warnend stets umschweben,
Daß dich kein schwacher Augenblick bethört!

Ich bin bei dir beim frühen Morgenstrahle,
Dich seh' ich, wenn die Abendsonne glüht;
Ihr flieg ich nach zu meinem Heimatthale,
Wo meines Herzens liebe Rose blüht.

Und ist es Nacht, so schmeichelt meinem Schlummer
Ein holder Traum: ich sehe dich verklärt -
Da wecket plötzlich mich der böse Kummer,
Ob auch dein Herz bei mir zu sein begehrt? -

Du standest wohl mit mir an einem Grabe,
Und dort gelobt ich stete Treue dir!
O glaube, dein ist Alles, was ich habe,
So gib auch du dein treues Herz dafür!

Leb' wohl, leb' wohl! und bleibe mir gewogen!
Vergiß des letzten heißen Kusses nicht!
Denk' an das Vöglein, wenn es kömmt geflogen,
Was mir dein süßer Mund für Antwort spricht!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 121-124)

_____



An Johanna

Einst konnt' ich wohl vom letzten Kusse singen,
Doch diesmal hat Herr Amor mich betrogen:
Verkannt, geschmäht bin ich hinausgezogen,
Und meine Wünsche sah ich schnöd mißlingen.

Von jenen Augen, blau, wie sich verkläret
Der Himmel an des Sommers reinsten Tagen,
Zu dem ihr Anblick mich empor getragen,
Ward mir kein letztes Lebewohl gewähret.

Die kleine Hand, so weiß so warm zu drücken!
Und diesmal ließ sie kalt die meine fahren;
Wie innig wir auch oft vereinigt waren,
Sie wies mich fort vom seligen Entzücken!

Auch, wo ich süß berauscht so oft gelegen,
Wo Engel würden kaum zu athmen wagen,
An ihrem Herzen - das für mich geschlagen! -
Jetzt nimmermehr - sie floh auf dunklen Wegen!

Von jenem Munde, der so süße Labe
Für mich ergossen, dem ein heiß Verlangen
Mich zugeführt mit ahnungsvollem Bangen,
Von ihm nicht eine holde, letzte Gabe!

Und was versprach er heilig mir zu schenken!
Welch ein Gelübde herrlich anzuhören!
Wer sollte zweifeln, wo die Götter schwören,
Und an Verrat im höchsten Himmel denken!

Drum, ob auch Hand und Mund, und süße Blicke
Dem Scheidenden versagt in jener Stunde,
Ich traue doch dem festgeschlossnen Bunde,
Und unsrer Liebe, und dem bessern Glücke.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 129-130)

_____



Geisterworte

Vom Sonnenstrahl erglühet
Arabiens Wüstensand,
Doch heißer mir im Herzen
Für dich der Liebe Brand;
Viel schöne Sterne glänzen
Am Himmel rein und klar,
Doch lieblicher als Alle
Dein holdes Augenpaar.

Die stolzen Phrasen höhnend
Zu hören nah und fern,
Lausch' ich nur deinem Flüstern,
Geliebte Seele, gern!
Dein Auge seh' ich schwärmen
Nach einer bessern Welt
Voll sehnender Gedanken
Zum reichen Sternenzelt.

Ein voller Quell ruht stille
In deiner tiefsten Brust,
Nur lieblicher dich schmückend
Weil du dir's nicht bewußt,
Und demutvoll bescheiden
Dir selbst geringe scheinst,
Da du doch allen Liebreiz
So schön in dir vereinst.

Verzeihe, wenn ich zitternd
Zu nahen dir gewagt,
Und wenn voll süßer Ahnung
Mein armes Herz dich fragt,
Ob du sein heißes Lieben
Erwiedern kannst und willst;
Ob du mein Aug' mit Freude -
Mit Schmerzensthränen füllst?

Laß deine lieben Augen
Die stillen Boten sein,
Die mir dein Herz verraten:
Sie führen mich hinein
In sein geheimes Leben,
Und Himmelsseligkeit
Laß mich alsdann genießen,
Der Dir sein Leben weiht.

O höre nicht vergebens
Der Liebe glühend Wort,
Sei du mein süßen Leben,
Mein Himmel und mein Hort!
Doch kannst du nicht verstehen
Mein dir ergeben Herz,
So achte doch im Stillen
Verkannter Liebe Schmerz!


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 131-133)

_____



An Sie. 1842

Sprich, was kann uns beiden frommen,
Spähend durch die Bretter blicken,
Und in tiefer Brust beklommen
Uns verstohl'ne Blicke schicken;
Liebchen, leite meine Tritte,
Oder komm zu mir heran!
Fasse Mut zum ersten Schritte,
Liebe hat ihn bald gethan!

Bist du mir verbot'ne Waare,
Scheinst du doppelt reizend mir.
Daß der Späher nichts erfahre,
Siehst Du mich gekauert hier!
Mit der Tasche auf dem Rücken
Schleicht er eben dort herein;
Laß mich an der Klinke drücken,
Denn du sollst mein Schutzgeist sein!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 134)

_____



Abschied

Der schwersten Schuld hab' ich dich anzuklagen,
Die mich so weit im süßen Wahn geführt,
Die ich im Herzen liebevoll getragen,
Ich, der zum Danke nun verlassen irrt,
Von dir verlassen, die mein Hoffen, Wagen,
Das Feuer, dem du tückisch zugeschürt,
Bestärkend einst, mir süßes Gift gegeben,
Und höhnend siehst das lebenlose Leben!

Nicht hast du mir in Worten zugeschworen -
O, das vermiedest du mit Aengstlichkeit! -
Dein schwankend Herz, dem ich mich gab verloren! -
Doch, wie dein lieblich Auge mich erfreut,
Wie es in mir den neuen Tag geboren,
Der Morgensonne gleich die Nacht zerstreut,
Wie Küsse selbst von deinem holden Munde
Mir Siegel schienen zu dem schönsten Bunde:

Auch alles dieß war Schein und leeres Träumen,
Ein Zauberbild, vom rauhen Tag zerstört! -
Den Horizont mit reinster Glut zu säumen,
Mit einer Stimme, wie sie nur gehört
Die Himmlischen in jenen lichten Räumen,
Das Ohr zu täuschen, daß es so bethört
Nicht mehr der Erde Mißton kann ertragen -
Das war dein Werck, mit Thränen muß ich's sagen!

Das war dein Werck, und darum ist's geschehen,
Damit ich so im Innersten entzückt
Des Paradieses Wunder möge sehen,
Nun selbst ein Gott, von deiner Huld beglückt.
Doch plötzlich wieder, mit des Sturmes Wehen,
Läßt du verschwinden, was mich so berückt,
Und nur, um wieder, was du gabst, zu nehmen,
Mochtest du dich zu solcher Huld bequemen.

O Grausamkeit, am tiefsten Leben zehrend,
Wie nahmst du alle Jugendlust dahin! -
Es war nur Hohn, wie holde Schaam begehrend
Sich zögernd nahte, mich zum Kuß zu zieh'n,
Es war nur Hohn, wie du mein Feuer nährend
Aus deinen Augen Flammen mir gelieh'n? -
Mich selber höhnend hielt ich dich in Armen,
Und niemals fühltest du dein Herz erwarmen.

Denkst du daran, an jene letzte Stunde,
Da ich von dir den ersten Kuß empfing?
Zum Abschied war's, als ich an deinem Munde
Mit allen tiefsten Lebenskräften hing!
Du schlugst - so glaubt' ich - eine süße Wunde,
Und küßt' und küßte, ging und kam und ging;
Und wiederkehrend wollt' ich nimmer enden,
Und ging und ließ mein Leben dir in Händen!

Lang war die Zeit, die mich von dir geschieden
In düstrer Einsamkeit gefangen hielt;
Was jeden freute, hab' ich gern vermieden,
Und nicht mit meinem heil'gen Schwur gespielt?
Du durftest ganz in meiner Brust gebieten,
Da sie nur deines Anblicks Glück gefühlt: -
So war ich stets in deinem Sein verloren,
Und treue hielt ich, was ich dir geschworen.

Doch aus den Augen war ich dir verschwunden,
Und weiter reichte deine Liebe nicht,
Wenn anders dich die Liebe mir verbunden,
Ein Kuß, wie ich ihn fühlte, Wahrheit spricht.
Du hattest and're Freunde bald gefunden,
Und Andern glänzte deiner Augen Licht:
Vielleicht sind sie, wie ich, von dir geblendet,
Vielleicht, daß zeitig sie sich weggewendet.

Doch lassen wir die früheren Beschwerden!
Ich sah dich wieder! plötzlich! eh' geglaubt. -
Die Wange sah ich rot und röter werden -
Nur dies erkannt' ich - mehr nicht war erlaubt! -
Vor jenen Zeugen meistern die Gebärden,
War höchste Not, und so mein Herz beraubt,
Beim ersten Anblick ganz dich zu genießen,
An deiner Brust in Wonne zu zerfließen.

Oft warst du mein in jenen schönen Tagen,
Und tausend Küsse, ohne Weigerung
Durft' ich dir, Liebliche, zu stehlen wagen -
Wie unerquicklich neckt Erinnerung! -
Und von so manchen könnt' ich wahrlich sagen,
Die du mir selber gabst, doch schnell genung,
Als wenn im Küssen dich der Kuß gereute,
Und dich der Reiz des Mehrverlangens freute!

Du wiegtest mich in Zaubermelodien,
Manch' zärtlich Liedchen sangest du mir vor!
Du lebtest ganz in meinen Phantasien;
Mir war so wohl, so gierig trank mein Ohr
Den holden Ton! Da sah ich keimen, blühen,
Sah volle Frucht, und hob den Arm empor,
Nach Liebesdeutung Schönstes zu erreichen,
Und ward beglückt mit sonst gewissen Zeichen.

Auch diese Zeit war nur zu bald verflossen,
Die Stunde kam, die mir so traurig schlug,
Noch einmal durft' ich dir an's Herz gegossen
Der Lust mich freuen, die zum Himmel trug:
Dort war ich auch von deinem Arm umschlossen,
Und sah in's Auge nimmer dir genug:
Der Schmerz erstickte meine letzten Worte,
Und schweigend ging ich vom geliebten Orte.

O, daß du nie die kleine Hand gegeben,
Den Kuß auf deine Lippen nie erlaubt!
An dich gefesselt nie der Seele Leben,
Mir schmeichelnd, täuschend nie das Herz geraubt:
Dann könnt' ich jetzt das Auge froh erheben,
An deine Liebe hätt' ich nie geglaubt! -
Doch - konnt' ich so das schwache Herz bewahren
Vor deinen lieblich reizenden Gefahren? -

Nicht in die Ferne leuchtet deine Liebe,
Dein Wort ist fremd und kalt auf dem Papier!
Als wenn ein schwarzer Schrecken dich vertriebe,
So eilig rauschest du vorüber mir!
Die sonst in Stunden wonnetrunkner Liebe
Doch selbst vermeinte: gut ist's weilen hier!
Die schamhaft nur, nicht kalt mit mir gesprochen,
Jetzt sieht sie's schweigend, wie mein Herz gebrochen.

Doch auch getäuscht, verraten von der Einen,
Der ich mit meinem ganzen Sein gehört,
Nur lebend noch, im stillen Gram zu weinen
Um ihre Liebe, die mich so bethört,
Mir selbst als Opfer glücklich noch zu scheinen
Auf ihrem Altar - wenn auch hier zerstört -
Doch ewig drüben ihrem Dienst zu leben,
Das sei mein Loos! - sie hat es mir gegeben!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 135-140)

_____



An Johanna

Dir will ich stets mit Wort und Sinn entfliehen,
Doch deine Ketten brechen ewig nicht. -
Vergebens ist das eifrigste Bemühen,
Dein holdes, englisch zartes Angesicht,
Den schwachen Augen gänzlich zu entziehen,
Für deinen Reiz erblinden sie mir nicht,
Ob sie auch sonst nicht taugen in die Ferne,
So dienen sie doch, dich zu sehen, gerne.

Ich zwang gar oft mein Herz in and're Banden,
Doch diese schwachen rissen bald entzwei;
Wo nur die Augen Etwas lieblich fanden,
Da eiltest du schnell zum Vergleich herbei,
Und jene Reize, wüste Träume, schwanden
Vor deiner Huld, und wider Willen treu
Mußt' ich zurück an deinen Altar kehren,
Und neuen Eid dir, falsche Göttin, schwören.

Wie du versteht nicht Eine mich zu quälen,
Doch lohnt auch keine, so wie du, die Qual;
Die Hölle mit dem Himmel zu vermählen,
Vermagst nur du, und Zauber ohne Zahl,
Die nie den vorgefaßten Zweck verfehlen,
Bethören stets mich, wie das erstemal,
Und Eine Stunde in des Himmels Lichte
Macht Jahrelange Höllenqual zu nichte.

Ich schwur dir ab, und doch bin ich der deine,
Ich fliehe dich, und bin doch stets bei dir;
In dunkler Nacht von deinem Heil'genscheine
Umstrahlt erscheinst du wie ein Engel mir,
Und wenn ich so mich wieder glücklich meine,
Nach langem Schmachten mit unbänd'ger Gier
Die Arme breite nach dem theuren Wesen,
Verschwindest du, die nur ein Traum gewesen.

Wenn Mund auf Mund der Liebe Siegel drückte,
Mit meinem Haar das deine sich verschlang,
Ein Blick voll Unaussprechlichem entzückte,
Stets überflügelnd träger Worte Gang,
Wenn deine Hand für mich die Rose pflückte,
Und ich sie haltend von der Seele Drang
Ganz überwältigt sank zu deinen Füssen,
Da sah ich deiner Liebe Thränen fließen.

Der Liebe Thränen? - Nein! Mich selbst belügen
Darf ich nicht so; wenn treue Liebe weint,
Will sie ein Herz so grausam nicht betrügen,
Und wenn es einmal treu und redlich meint,
Erfreut sich nicht nur daran, zu besiegen -
Die Liebe ist dem Stolze nie vereint.
Wo Eitelkeit sich hingibt solchem Spiele,
Verrät der Mund die heiligsten Gefühle.

Und das hast du gethan! Ob künft'ge Zeiten
Mit Schmach dir lohnen solchen Hochgenuß? -
Ich weiß es nicht, was Götter dem bereiten,
Der mit der Liebe heil'gem Feierkuß
So Handel treibt. Die Rachegeister schreiten
Oft unbemerkt heran: - ein falscher Gruß
Kann dich sogar, die Meisterin, betrügen,
Und deine Kunst, so wie du mich, belügen.

Auch du wirst dann, wie ich, in Träumen wähnen,
Das Falsche haschen, und im Flammentod
Die Kühlung suchen, wirst die eiteln Thränen
Gleich mir verfluchen, in verlass'ner Not
Umsonst den Tröster dir zurücke sehnen,
Der einst sein Leben dir zum Opfer bot,
Auch du wirst dann den Wurm im Busen haben,
Und, statt geliebt, von Reue früh begraben! -

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 143-146)

_____



Eine Traum
Findet sie ein Häufchen Asche,
Sagt sie: der verbrannte mir
Göthe
An Johanna

In tiefer Trauer lag mein Herz begraben,
Sein Lebensquell war plötzlich ihm versiegt,
Und alle holden, süßerflehten Gaben,
Die Liebe reicht, von Gegenlieb besiegt,
Ich wollte sie nicht fürder mir begehren,
Denn ich erprobte treulos jene Hand,
Die - mocht' ich auch in Sehnsucht mich verzehren -
Sich dennoch nicht an heil'ge Schwüre band.

Ich riß mich los, ach, los aus ihren Armen,
Die mich getäuscht mit falscher Zärtlichkeit,
Von ihr, die mich nur liebte aus Erbarmen,
Nicht, weil ich ihr mein glühend Herz geweiht;
Sie wollte mich mit kalter Gnade höhnen,
Gab ganz ihr Herz dem Treuergeb'nen nicht;
Die äuß're Hülle sollte mich versöhnen
Für den Verlust, um den das Herz mir bricht.

Mit Andern sollt' ich ihre Liebe theilen,
Doch solchen Antrag hat mein Stolz verschmäht;
Ich mochte nimmer ihr zur Seite weilen,
Und ihre Reue nahte mir zu spät;
Was einst von tausend Reizen mich beglückte,
Sah ich nun kalt, nachdem der Schleier fiel;
Das Auge, das mit Himmelsglanz entzückte,
Gab fürder mir nur schauriges Gefühl.

Der letzte Kuß auf ihrem holden Munde,
Den süßen Lippen, die Verrat entweiht,
Ward mir zu Gift ob dem gebrochnen Bunde,
Und wo die Liebe Rosen einst gestreut,
Da lag des Todes Thal jetzt ausgebreitet,
Ins Leere sah mit stummer Wut mein Blick;
Ein böser Geist war's, der mich hingeleitet,
Ich wich vor ihr mit Abscheu nun zurück.

Und jetzt? - - Hat sich die lieblich Ungetreue
Verwandelt? Naht sie reiner mir und frei,
Daß ich des Wiederfindens mich erfreue,
Und nun ein heiliger Bund geschlossen sei?
O holdes Antlitz, das ich oft umfangen,
An dem mein Auge, meine Seele hing,
Nährst du im Herzen immer jene Schlangen,
Von denen ich so tödtlich Gift empfing?

Hat deine Seele sich in neuer Hülle
Mit frommen Wünschen, und nur mir allein
Mit Lieb' ergeben, daß des Segens Fülle
Soll fortan über uns ergossen sein? -
O wenn du's bist, du lieblich holdes Wesen,
Dann fliege mir an die entzückte Brust:
Der lange Schmerz ist nur ein Traum gewesen,
Des neuen Glücks nur bin ich mir bewußt. -

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 147-149)

_____



Der Geliebten
Epistel

Endlich kam die schöne Stunde
Seit du mir entrissen bist,
Die zwar Worte nicht vom Munde,
Von den süßen Lippen küßt,
Aber dennoch liebste Zeilen,
Aus der weiten Ferne bringt: -
Was den Mund zum Lächeln zwingt,
Wo die Augen gerne weilen.

Ach, wie kehrt mit diesen Zügen
Alle Seligkeit zurück,
Da, an deiner Brust zu liegen,
Mir ein holder Augenblick
Voll von Himmelslust gewährte!
Schwingen wünsch' ich, Flügel mir,
Daß sie trügen schnell zu dir,
Wie's das kranke Herz begehrte.

Doch, der Kleine mit dem Bogen,
Der nach allen Herzen zielt,
Und so manches schon betrogen,
Das an Lieb' und Treue hielt,
Sieht mit Lächeln meine Schmerzen,
Mein so heiß Verlangen an:
Wo ein Herz verzweifeln kann,
Wagt der Höhnende zu scherzen.

Doch, wie schwer es auch zu tragen,
Dir, mein Leben, fern zu sein,
Schlürf' ich doch aus jenen Tagen
Neue Kraft voll Hoffnung ein,
Die mich wieder dir vereinen,
Hand in Hand uns wandeln seh'n!
Stürme wird die Zeit verweh'n,
Und die Sonne wieder scheinen.

Wann der Frühling wiederkehret,
Und die Knospe wieder schwillt,
Wird, was jetzt mein Herz begehret,
Wohl auf's süßeste erfüllt.
Holder Stern im trüben Leben,
Magst du treu ergeben sein
Und den trüben Dämmerschein
Einst zum Morgenrot beleben.

Wo die süße Liebe thronet,
Ist verschwunden Zeit und Ort,
Und in ihrem Reiche wohnet,
Sei's hienieden, sei es dort.
Wird sie wirklich wahr empfunden,
Jene ew'ge Himmelsglut,
Die, ein überirdisch Gut,
Nicht ihr Glück ermißt nach Stunden.

Ferne seien alle Zungen,
Die den Wirbelwinden gleich,
Und um schnöden Lohn gedungen,
Nur durch fremde Schande reich,
Vielgeschäftig sich bewegen
Und die Schlangen schlimmste Art.
Aller Treue Widerpart,
Mißtrau'n in den Busen legen.

Wer nach wahrer Liebe strebet,
Muß sich selbst genügend sein.
Wo das Herz im Herzen lebet,
Eins des andern Wiederschein,
Mag die feile Zunft verschwinden!
Wahre Freundschaft sei im Werth,
Die nicht ränkevoll begehrt,
Haß mit Bosheit zu entzünden.

Ach, geliebte Seele, höre
Meines tiefsten Herzens Wort!
Traue mir! Kein Wahn zerstöre
Meines Glückes schönen Hort!
Dauernd wie das Licht der Sterne,
Ewig sei der Liebe Band!
Hier und auch in jener Ferne
Laß' uns wandeln Hand in Hand! -

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 150-153)

_____



Immer Er

Nach ihm - was kann ich deinem Herzen sein?
Am Weg vielleicht ein mißgeformter Stein.
Tritt mich dein Fuß, o laß ihn ruh'n auf mir!
Aus Schmerz wird Wollust, kommt der Schmerz von dir!
Laß deinen Haß zerschmettern mein Gebein!
Im Tode selbst will ich verbleiben dein:
Er kam von dir: ich werde selig sein? -

Nur ihn allein - nur diesen einen Stern
Am klaren Abendhimmel siehst du gern!
Tief in die Wolken will ich hüllen mich,
Aus seinem Lichte nur glänzt Lust für dich;
Lebt er dir auch mit seinen Strahlen fern,
Im Dunkel blickt dir doch nur dieser Stern:
Er labt dein Aug! - für dich ertrag' ich's gern.

Nur süße Blumen kosen mit der Luft,
Aus einer Rose saugst du nur den Duft!
Trägst sie allein an liebevoller Brust;
Aus ihrem Anblick keimt dir süße Lust!
Laß meine Blume welken in der Gruft,
Ich pflegte dorten sie, die sehnend ruft
Ein Wörtchen stets - verhallt's auch in der Luft.

Nach ihm - sollt' er vergessen dein vielleicht
Auf seinem Wege, dem mein Hoffen weicht,
Tret wieder ich aus dunkler Wolke vor
An seine Statt, wenn ihn dein Blick verlor.
Labt mich ein Wörtchen, das den Gram verscheucht
In ferner Zeit, dann ist mein Ziel erreicht.
Es wäre Seligkeit - und doch geschiehts vielleicht.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 173-174)

_____



An die Geliebte
Die Fingals-Höhle

Die Stürme jagen rastlos wilde Flut
Den Fels hinan in ungestümem Drängen!
Es tobt die See, als wollte sie voll Wut
Ihr Wasser all in eine Spalte zwängen.
Der Strudel netzt der höchsten Klippe Saum,
Und donnernd stürzt er zornig in die Tiefen
Von stolzer Wand, unmächt'ger Brandung Schaum,
Vom kalten Stein, aus dem die Thränen triefen
Gequeläter Geister, wo kein Morgen tagt;
In jener Nacht, die nie den Schleier lüftet,
Wo banger Seufzer nach Erlösung klagt,
Wo keine Rettung naht, und kein Befreier,
S'ist Fingals Höhle! - Säul' an Säule schließt
Die von Natur mit Kunst geformten Hallen;
Du gehst auf Wogen die das Meer ergießt,
Und hörst der Geister Waffen dumpf erschallen.
Nur Blitze hellen ewig finst're Nacht,
Ein Sternchen kaum erreicht den Ort der Schrecken,
Wo rastlos nur ein holder Seufzer wacht,
Dein Haupt zum Sturz bereite Felsen decken,
Dorthin, Geliebte, hieß das Loos mich zieh'n,
Doch, Engel, dir bestimmt's, mich zu begleiten:
Vor dir wird jedes Schreckliche entflieh'n,
Die Wildniß wird zum Eden dir zur Seiten:
Ist's auch dein Geist nur, der mich dort umweht,
Und schöne Bilder bringt vor meine Sinnen,
So wird die Klage mir zum Dankgebet,
In holde Zauber wird der Graus zerrinnen.
In deiner Nähe werd' ich selig sein,
Der Sturmwind soll als Lüftchen mich umspielen,
Das kosend flüstert tief in's Herz hinein:
Dein denkt die Ferne! Magst du's freudig fühlen!
Dann wird der wolkenschwere Himmel klar,
Empörte Flut besänft'gen meine Thränen,
Zum Himmel wird, was noch so schrecklich war,
Verzweiflung wird zu liebevollem Sehnen.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 177-178)

_____



Ständchen an Johanna

I.
Ich trockne dir gern die Thränen,
Und finde sie doch so schön!
Ich freu' mich des Wiedersehens,
Und kann nicht von dir geh'n!


II.
Sie glaubten, ich sei von Sinnen,
Sie hielten mich für verrückt.
Sie mögen das glauben, und halten!
Hast du mich dafür nicht beglückt?

Als sie sich freuten des Narren,
Wie weintest du, Liebste, so sehr!
Ihr Gelächter kann er vergessen,
Deine Thränen nimmermehr!


III.
Ich stand in einem Garten,
Da blühten der Blumen viel
Mit ihren stolzen Farben
Im buntesten Gewühl.

Und eine weiße Rose
Stand dort auch ganz allein,
Den Kelch bekränzt mit Thränen
Von Himmels-Edelstein.

Des Morgenthaues Strahlen
Auf ihrem Angesicht
Sprach sie so hold und schmachtend:
Vergiß mich Arme nicht!

Und von derselben Stunde
Labt mich ihr Duft allein;
Sie soll den Stolzen ferne
Mein Zaubergarten sein!


IV.
Mein Lieb, sie wollten uns trennen,
Und reißen uns Herz von Herz;
Bald schickten sie die Verläumdung,
Bald Bosheit, und bald den Scherz.

Doch haben sich unsere Herzen
Nicht längst schon besser erkannt?
Hat nicht unsterbliches Feuer
Auf unserm Altare gebrannt?

Wir lachen der bösen Gesellen,
Und schmiegen uns enger an;
Wir haben die Probe bestanden,
Schau, wie sie sich ärgern daran!


V.
Deine Wachtel hat oft geschlagen
In herrlicher Mondesnacht,
Die ich voll liebender Sehnsucht
Deinem Kämmerchen nahe verwacht.

Da gab es keine Gespenster,
Der Wächter mit seinem Speer,
Und mit der finstern Laterne
Zog einzig die Straße daher.

Ich stand im Schatten der Linden,
Und er schritt ruhig vorbei;
Was kann auch Herzens Diebstahl
Bekümmern die Polizei.


VI.
Wir hatten vergnügte Stunden,
Da gab es nur Gegenwart;
Wir küßten selige Küsse,
Das fiel uns gar nicht hart.

Und jetzt kommt plötzlicher Abschied,
Jetzt treiben sie mich fort!
Wie viel noch möcht' ich dir sagen,
Und finde doch kein Wort.

Kein Wort könnt' es auch sagen,
Was mir das Herz beklemmt;
Deine Thränen haben die Worte,
Die süßesten, weggeschwemmt!


VII.
Auf meines Vaters Grabe
Hab ich dich angeblickt,
Und einen frommen Seufzer
Dem Todten zugeschickt.

Der du so viel geduldet,
O theurer Vater mein,
Sieh trauernd deinen Sohn hier
An deinem Grabesstein!

Sieh auch an seiner Seite
Die Heißgeliebte steh'n!
Du weißt, was wir verlangen,
Du weißt, um was wir fleh'n!

Erbitt uns du Gewährung
Vor seinem Gnadenthron,
Erfleh' uns du den Segen,
Der treuer Liebe Lohn!


VIII.
Wie heißt denn mein Vergehen,
Wie heißt doch meine Schuld,
Daß mir der Himmel gänzlich
Entzogen seine Huld?

Mich wärmt nicht seine Sonne,
Freut nicht sein reines Blau,
Die Welt tritt mir vor Augen
So fahl und geistergrau!

Auf einem Todtenacker,
Da geh' ich ganz allein,
Und kalter Schauer rüttelt
Das bebende Gebein.

Ein einzig Flämmchen leuchtet
Aus weiter Ferne hier;
Doch, ach, so weit, so ferne,
S'ist deine Lieb zu mir!


IX.
Blut möchten meine Augen
Vergießen, Herzensblut;
Denn mich hat nicht erleichtert
Vergoß'ner Thränen Flut.

Das Blut, das eine Flamme
Im tiefsten Herzen brennt,
Und ängstiget mit Qualen,
Die keine Sprache nennt;

Das Blut, das einst die Wange
So glühend färbte rot,
O möcht' es nun erkalten,
O gäb' es jetzt den Tod! -


X.
Laß uns das Schiff besteigen,
Und kämpfen mit der Flut!
Wie wird mein Herz erquicken
Der Elemente Wut!

Ihr Stürme, rast und brauset,
Ihr Wogen thürmt euch auf,
Und zischt in eitlem Stolze
An's Firmament hinauf.

Und könnt' ihr übertoben
Des Herzens blutige Schlacht,
Dann Heil euch meinen Engeln,
Die mich zur Ruh gebracht.


XI.
Was nützt mich, zu erkennen,
Wie schön die Erde ist,
Wenn meines Gartens Blüten
Die gift'ge Schlange frißt.

Warum bewahr' ich Liebe,
Wenn sie mich stets verriet?
Wie trau' ich noch dem Freunde,
Der tückisch auf mich sieht?

Ist es der Hohn des Teufels,
Der mich so grausam quält?
Ist es der Gottheit Liebe,
Die mich am Glauben hält?


XII.
Du geh'st in's Kloster, Liebste,
Und schließest dort dich ein;
Du kehrst zurück zum Himmel,
Und bleibest dennoch mein!

Du fleh'st in stillen Seufzern
Zur heiligen Jungfrau wohl,
Daß sie bei ihrem Sohne
Uns Gnad' erbitten soll.

Und deine frommen Augen
Wird sie mit Rührung seh'n;
Die Reinste wird dich segnen,
Und uns wird wohlgescheh'n! -


XIII.
Flieh' vor den listigen Bösen,
Sie sehen es mit Neid,
Wie innig wir uns lieben,
Wie wohl es uns gedeiht.

Sie mögen nur zerstören,
Wir wollen auferbau'n!
Sie wollten Gift mir geben,
Wie magst du ihnen trau'n?

Du schreibst: "Ich wage Alles!"
O flieh! du wagst nicht viel;
Du kömmst an meiner Seite
Zu einem bessern Ziel!

Ich gebe dich dem Himmel,
Wie du es selbst verlangst;
Mag er vor dem dich wahren,
Wovor uns beiden bangt.

Und ist mein Ziel erstrebet
Auf meiner Pilgerfahrt,
Dann bitt' ich dich zurücke
Von dem, der dich bewahrt. -

Und eine fromme Jungfrau
Führ' ich in's Haus mir ein;
Und Gnade wird uns werden,
Du wirst mein Segen sein!

D'rum lasse jetzt uns kämpfen; -
Was uns die Welt auch raubt!
Der Sieg wird nur dem Dulder,
Der Lorber schmückt sein Haupt.


XIV.
Von meiner Mutter Herzen
Riß mich die Liebe los,
Die Liebe, dieser Teufel,
So mächtig, riesengroß!

An meiner Trauten Herzen
Hat Liebe mich beglückt,
Die Liebe, dieser Engel
Mit Himmelsreiz geschmückt.

Ein wildes Feuer martert
Mich schrecklich Tag und Nacht,
Verzweiflung hat voll Elend
Zum Wahnsinn mich gebracht.

Es sank ein Stern hernieder
Zu mir von Himmelshöh'n:
Er winkt mir Trost entgegen
So freundlich und so schön!

O Liebe, du mein Schrecken,
Du meine Trösterin!
Vollende deinen Zauber,
Und nimm mein Leben hin.


XV.
Es gleicht der weißen Rose
Dein schmachtend Angesicht;
Es gleicht dem Abendsterne
Deiner Augen holdes Licht.

Es gleicht dein Mund der Röte,
Die Morgens im Osten glüht;
Dein Lächeln des Mondes Schimmer,
Wenn er durch Wolken sieht.

Die Wolken sind deine Haare,
Bald schweben sie frei um dich,
Bald schmiegen sie dir an's Antlitz
Sich schmeichelnd an, wie ich.

Da kommt ein Sturm gezogen,
Der grausam dich zerstört:
S'ist der Verräther Bosheit,
Die jedes Glück empört.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 186-196)

_____



An Johanna

Meine Liebe soll dich schützen,
Soll dir Schwert und Flamme sein!
Mögen Wetter um uns blitzen,
Böse Rotten im Verein
Edler Treue Keim zerstören,
Höhnend unsern heiligen Bund:
Dich nur fürder will ich hören,
Glauben deinem süßen Mund!

Schmiege Dich an meine Seite,
Traue nur auf meinen Arm!
Führt Geschick mich auch ins Weite,
Immer liebevoll und warm
Hält dich doch mein Herz umschlungen,
Das an tausend Ketten hängt,
Das dein Liebreiz so bezwungen,
Das nach dir sich mächtig drängt.

Denk' an alle süßen Stunden,
Da der Küsse hohe Lust
Sich ein Paradies gefunden,
Und, ein Quell aus voller Brust,
Sich ein Feuerstrom ergossen,
Auf den Lippen Himmelsglut,
Nie versiegend, nie verschlossen,
Da das Ew'ge nimmer ruht.

Meine Liebe soll dich schützen,
Deine Treue sei mein Schild!
Mögen sie die Welt besitzen,
Ist der Gottheit Ebenbild
Mir ja doch in dir gegeben!
Ihre Schätze werf' ich hin!
Dir am Busen ewig leben,
Ist der seligste Gewinn!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 197-198)

_____



An Johanna

Wir lieben uns schon seit lange,
Doch stellten wir's manchmal ein;
Wie es nun geht im Leben,
Als sollt es nicht anders sein.

So wie ein jedes Schauspiel
In mehrere Acte zerfällt,
So ward auch unser Lieben
Nach dem System bestellt.

Und in den Zwischenzeiten
Betrachteten wir ringsum
Das Publikum, gähnten ein bischen,
Und hörten das wirre Gesumm.

Auch vom Orchester tönte
Entgegen uns mancherlei;
Das meiste war alter Plunder,
Verrostete Melodei!

Mit Sehnsucht sahen wir immer
Zum Vorhang des Schicksals hinan,
Bis endlich tönte das Glöckchen,
Und der Vorbeter wieder begann.

Sie drängten sich an den Kasten,
Aus dem er Weisheit sprach,
Sie spitzten die Ohren, und paßten,
Und sagten's getreulich nach.

Und waren's nicht alte Geschichten,
Die wir da droben sah'n?
Was konnten sie uns berichten,
Das wir nicht selber gethan?

Da liegen sie sich in Armen,
Und gäben sich lieber Gift;
Da üben sie rührend Erbarmen,
Die nie das Mitleid geprüft. -

Komm, Traute, laß uns fliehen
Von diesem Schein und Trug,
In einer stiller Hütte:
Da sind wir uns selbst genug.

Wir wollen zum letzten Akte,
Der soll der längste sein:
Wir spielen ihn ganz alleine,
Kein Publikum darf herein!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 204-206)

_____



Der Geliebten

Thema
Doch ich liebe dich noch lieber,
Wenn du küssest zum Erinnern;
Denn die Worte geh'n vorüber,
Und der Kuß der bleibt im Innern
Göthe

I.
Selig, die Gewisses hoffen,
Denen, frohen Sinnes reich -
Trunknen Augen immer offen -
Lacht des Paradieses Reich.
Mir, ach, dämmert kaum der Morgen,
Nur das Nächste sieht der Blick,
Den gefesselt bange Sorgen;
Tief umdunkelt liegt mein Glück;
Dichte Nebel schweben drüber:
Doch ich liebe dich noch lieber.


II.
Ach, ich durfte dich umarmen,
Mich berührte deine Hand,
Und so plötzlich schien mir Armen
Ganz dein Lieben zugewandt.
Aber nur im Pfänderspiele
Nahmst du meine Küsse hin;
Ach, mit bebendem Gefühle
Sah ich kommen dich und flieh'n;
Doch gar tief verbleibt im Innern:
Wenn du küssest zum Erinnern.


III.
Jener schwere, eine, letzte,
Jener bange, süße Kuß,
Den die Abschiedsthräne netzte,
Der war himmlischer Genuß.
Nicht in ungeschickten Worten
Sprach zu dir mein armer Mund
Auf der bittern Schwelle dorten;
Doch der Kuß, der schloß den Bund,
Ist mir ewig dauernd lieber,
Denn die Worte geh'n verüber!


IV.
Ihn, gedrängt von schnellem Scheiden,
Wagt' ich auf dein Lippenpaar;
Und es brachten meine beiden
Dir mit ihm mein Leben dar.
Nicht verweht von meinem Munde,
Nicht verdrängt aus meiner Brust,
Bin ich seiner, treu dem Bunde,
Stolz und glühend mir bewußt.
Welcher Himmel im Erinnern!
Und der Kuß - der bleibt im Innern!

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 214-216)

_____



Recht schlimm

Es war recht schlimm, ich geb' es zu,
Es war nicht recht gethan,
Doch gar zu zärtlich flehte er
Um einen Kuß mich an.

Wie leuchtete sein Augenpaar,
Als mich sein Arm umschlang;
Voll Liebesgluth sein Antlitz war:
Wie wurde mir so bang!

's war schlimm, fürwahr! Nicht Jede nähm'
Solch kühn' Gebahren hin;
Doch in der Spröden Arm würd' ihn
Auch kein Verlangen zieh'n.

Und sagt am Ende, was ihr wollt,
Nicht stets geräth ein Kuß;
An Zeit und Ort und Liebe hängt's,
Daß er gelingen muß.

's war schlimm, ich weiß! Doch schmähe nicht,
Klag' mich nicht vorschnell an;
Was hättest Du in meinem Fall,
Was hättest Du gethan?

Nur Eines laß mich fragen noch:
Sag' mir, ob es nicht wahr,
Daß noch kein Mann Dir nah' genug
Zu einem Kusse war? -


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 20-21)

_____



Hätt' ich!
(1853)

Deine Augen, Deine Augen,
Hätt' ich sie doch nie geseh'n!
Denn um jeden Blick nun muß ich
Bei dir betteln geh'n.

Deine Hände, Deine Hände,
Hätt' ich sie doch nie gedrückt!
Denn nun möcht' ich ewig halten,
Was so schnell entrückt.

Deine Stimme, Deine Stimme,
Hätt' ich sie doch nie gehört!
Denn nun lausch' ich ihr vergebens,
Die mich so bethört.

Deinem Munde, Deinem Munde,
Hätt' ich mich ihm nie vereint!
Ach, ich hielt für ewig dauernd,
Was ein Traum jetzt scheint.

Und nun büß' ich, ach, nun büß' ich!
Hätt' ich die Gefahr bedacht!
Denn jetzt schrecket meine Seele
Hoffnungslose Nacht!


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 25)

_____



Frühling und Liebe
(1839)

Die Blumen blühten, als ich dich
Zum ersten Mal erblickt.
Doch über alle Blumen hast
Du, Süße, mich entzückt.

Bald trennte mich von dir die Pflicht,
Da gabst du mir die Hand
Zum Bund der Treue, als ich dir
Den Kranz von Veilchen wand.

Die Blumen blühten, als ich dich
Zum zweiten Male sah;
Doch deine Liebe ist entfloh'n,
Verlassen steh' ich da.

Ich thue keinen Tod mir an
Um solches Mißgeschick;
Der dritte Frühling bringet sie
Schon wiederum zurück.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 33)

_____



Im Keller
(1862)

Ein Liedchen dringt aus dem Keller herauf -
Was ist das für ein Singen? -
Es sitzen Zwei unten, die prüfen den Most,
Ich höre die Gläser klingen.

Es lautet so zart und so wonnevoll;
Ein Kosen, ein Jubel, ein Flehen!
Mir aber wird im Herzen so bang:
Was ist mir Leides geschehen? -

Einst sang ich es selig wie ihr - o schweigt!
Ich kann es nicht länger ertragen.
Meinem Liebchen und mir hat ein tückischer Sturm
Die Kellerthür' zugeschlagen.

Da lag am Boden zerschlagen ein Glas -
Aus war's mit unserem Singen,
Und hör' ich das Lied, mir ist's, als wollt'
Wie das Glas mein Herz mir zerspringen. -

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 34)

_____



Wilde Rosen
(1892)

Ach, diese wilden Rosen,
Ich pflückte sie gestern Nacht;
Sie blühten am Hang der Felswand
In stiller, einsamer Pracht.
Kein Mond, ein Wetterleuchten
Erhellte die schwüle Nacht;
Das Grollen des fernen Donners
Bezeugte die Wolkenschlacht. -
Und da gedenk' ich der Rosen,
Die in jugendlich seliger Nacht
Ich einst dem süßesten Liebchen
In heimlicher Stille gebracht.
's war auch ein Wetterleuchten
In jener herrlichsten Nacht;
Wir haben der züngelnden Blitze,
Des grollenden Donners gelacht. -

***
So pflückt' ich sie gestern, doch rastlos
Hab' ich bis zum Morgen gewacht.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 35)

_____



Geistergruß
(1854)

Hörst du die Glocken läuten
Ueber den See?
Was soll es, Herz, bedeuten?
Mir ist so weh!

Die Firnen seh' ich glühen
In Rosenpracht;
Durch Wolken seh' ich ziehen
Den Geist der Nacht.

Der Vollmond hinter Tannen
Herüber blickt;
Sie rauschen dort, von wannen
Den Gruß sie schickt.

Was lebt, was schwimmt dort drüben
Auf glatter Bahn?
Der Knabe mit seiner Lieben
Sitz in dem Kahn.

Das Ruder hängt am Gelände,
Kein Lüftchen weht;
Sie falten die Hände
Zum Nachtgebet.

Hörst du die Glocken läuten
Ueber den See?
Was soll's, mein Herz, bedeuten?
Mir ist so weh!


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 39)

_____



Waldvögelein
(1861)

Es fliegt ein klein' Waldvögelein
Der Liebsten vor das Fensterlein,
Und klopft daran so leise
Mit seinem gold'nen Schnäbelein:
Steh' auf, Herzlieb, und laß mich ein;
Ich bin so lang' geflogen
Wohl nach dem Willen dein!

Bist du so lange geflogen
Wohl nach dem Willen mein,
So komm' heut' bald nach Mitternacht,
Ich will dich lassen ein.
Ich will dich decken zu so warm,
Ich will dich freundlich schließen
In meinen schneeweißen Arm.


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 40-41)

_____



Laß rauschen
(Nach dem Altdeutschen)
(1872)

Ich hört' eine Sichel rauschen,
Wohl rauschen durch das Korn;
Hört' ein fein' Mägdlein klagen,
Sie hätt' ihren Liebsten verlor'n.

Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,
Ich acht' nicht, wie es geh'!
Hab' mir einen Buhlen erworben
In Veilchen und grünem Klee.

Hast du einen Buhlen erworben
In Veilchen und grünem Klee,
So steh' ich hier alleine,
Mein Herz thut mir so weh.

Laß rauschen, Sichelein, rauschen,
Und klingen wohl durch das Korn,
Ich weiß ein traurig' Mägdlein,
Die hat ihren Liebsten verlor'n.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 41)

_____



Ballsträußchen
(1839)

Die Ros' an deinem Herzen,
Sie kam aus meiner Hand;
In meiner Brust die Schmerzen
Gabst du dafür als Pfand.

Erstorben ist die Rose,
Verweht ist längst ihr Duft;
Nun liegt die farbenlose
Vermodert in der Gruft.

Und meiner Sehnsucht Klage
Erweckt die Todte nicht,
Bis über ihrem Grabe
Die neue Knospe bricht.

Dann löst wohl meine Schmerzen,
Die du mir gabst zum Pfand,
Die Knospe von deinem Herzen,
Die Rose von deiner Hand.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 42)

_____



Auftrag
(1849)

Fliege, Vöglein, fliege
Schnell zum Liebchen hin!
Ach, wie wär' ich selig,
Könnt' ich mit dir zieh'n!

Siehe, ob sie meiner
Gerne noch gedenkt,
Und mir eine Thräne
Stiller Sehnsucht schenkt.

Siehst du ihrer Augen
Thränenschweren Blick,
Vöglein, o so kehre
Gleich zu mir zurück!

Lacht sie aber treulos
Meiner Liebe Hohn,
O, dann kehre nimmer,
Fliege weit davon!

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 46)

_____



Auf immer
(1840)

In meinem kleinen Gärtchen blüht
Nur eine einz'ge Rose;
Sie ist's, an die ich denk' allein,
Mit der allein ich kose.

Nicht lange wird dem Sonnenbrand,
Dem Sturm sie widerstehen,
Die duft'gen Blätter werden bald
In alle Winde gehen.

Doch ist sie auch entschwunden dann
Den liebetrunk'nen Blicken,
Wird meinem Herzen doch kein Sturm
Ihr holdes Bild entrücken.

Die Seele hält es dauernd fest
Und wird es stille pflegen;
Ob es auch hagelt, weht und stürmt
Mich grüßt des Frühlings Segen.


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 47)

_____



Waidmann's Heil
(Nach dem Altdeutschen)
(1842)

Es ritt ein Jäger, wohlgestalt',
Wohl in der Morgenstunde;
Wollt' jagen in dem grünen Wald
Mit seinem Roß und Hunde.
Als er da kam auf die grüne Haid',
Fand er seines Herzens Lust und Freud'. -
Im Maien, im holden Maien, am Rain
Sich freuen alle Knaben und Mägdelein.

Da rauscht und falzt der Auerhahn,
Dazu die Turteltauben;
Da fing des Jägers Rößlein an
Zu keuchen und zu schnauben;
Es dachte der Jäger in seinem Muth:
"Das Jagen, heut' wird's werden gut!" -
Im Maien, im holden Maien, am Rain
Sich freuen alle Knaben und Mägdelein.

Der Jäger fand ein feines Wild,
Gar hurtig und geschwinde;
Es war ein schönes Frauenbild
Im Schatten einer Linde,
Da dachte der Jäger in seinem Sinn:
"Wo solch' Wild, da schleich' ich hin!"
Im Maien, im holden Maien, am Rain
Sich freuen alle Knaben und Mägdelein.

"Gott grüß Euch, Fräulein, zart und weich,
Wollt huldreich Euch erzeigen!
Was ich in diesem Wald erschleich',
Das mach' ich mir zu eigen!" -
"Ach, edler Jüngling, wohlgestalt',
Ich bin ja schon in deiner Gewalt!"
Im Maien, im holden Maien, am Rain
Sich freuen alle Knaben und Mägdelein.

Er nahm sie bei der weißen Hand
Nach aller Beizer Weise;
Er führt sie in ihr Vaterland;
Viel Glück auf ihre Reise!
Das Glück, es ist ja kugelrund;
Es freut sich mancher rothe Mund.
Im Maien, im holden Maien, am Rain
Sich freuen alle Knaben und Mägdelein.


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 47-48)

_____



Tempora Mutantur
(1829-1859)

Vor dreißig Jahren saß ich wohl
Mit dir im Lindenschatten,
Und träumte da, wie's Herz mir schwoll!
Mich als Kleinliebchens Gatten.

's war Kinderspiel - doch glühend schlich
Durch's Wunsch, nur einmal, einmal dich
Auf deinen Mund zu küssen.

Ich wagt' es nicht, kaum deine Hand
Erlaubt' ich mir zu drücken,
Als ich erröthend bei dir stand
Und sah dich Veilchen pflücken.

Ja dreißig Jahre! - O wie weh
Ist mir seitdem geschehen!
Ach, daß ich, stets noch lauschend, säh
Zur alten Burg dich gehen!

Doch du bist Mutter nun, hast Haus
Und Kinder zu verwalten;
Und geht im Pfeifchen 's Feuer aus,
So bringst du's deinem Alten.

Ich aber bin der Sehnsucht los,
Als alter Brummbär lieb' ich,
Und's Küssen aus Gewohnheit blos
Nach dem Geschäftsstyl üb' ich.

Und auch die Linde, die so stolz
Mich einst belauscht im Schwärmen,
Fiel längst der Axt, als Ofenholz
Die Kinderstube zu wärmen.


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 50)

_____



Ahnung

Gartenhäuschen, Gartenhäuschen,
Schließest du mein Liebchen ein?
Welch ein Glanz bedeckt die Thüre!
Götter, sie muß drinnen sein!

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 53)

_____



Treue Liebe
(1850)

Ein einsam Vöglein wiegt auf einem Ast
Im Buchenwald sein Köpflein hin und her;
Die Farben der Natur sind längst verblaßt,
Die Bäume ringsum stehen nackt und leer.
Spät ist's im Jahr, der Schnee bedeckt das Thal,
Und ungestüm fegt d'rüber hin der Wind;
Fort sind die andern Wandersänger all';
Wer könnte sagen auch, wohin sie sind?

Sein Weibchen war so krank zur Wanderzeit;
Wie konnt' das Männchen da von dannen zieh'n!
Und als sie todt, da ward ihr Grab bestreut
Mit Buchenblättern; hoch darüber hin
Sind sie gehäuft. Jetzt darauf niederblickt
Der treue, kleine Gatte unverwandt;
Dem Aug' ist sie, die er gepflegt, entrückt,
Nur leise Klagen hat er nachgesandt.

Denn seit sie dort gesunken in das Moos,
Sang er nicht mehr; sein Sehnen hat kein Lied,
Vom kleinen Herzen ringt sich's Weh nicht los;
Es wird des Hoffens, hoffnungslos, nicht müd'.
Ob Stürme brausen in der finstern Nacht,
Eisnadeln Mittags tropfen in den Schnee,
Ist seine Sehnsucht, ob sie träumend wacht,
Ob wachend träumt, erfüllt vom gleichen Weh.

Bald sank auch er auf's Leichentuch hinab,
Das über Wald und Feld gebreitet lag,
Lang' hat er hingeblickt auf's liebe Grab,
Das jetzt auch ihm die Todesruhe gab.
Doch wenn der Wildbach über Felsen springt
Mit Jugendlust, dann kehrt die Sänger-Schaar
Zum Frühling heim, der neue Lieder bringt,
Dann gilt ihr Heimathsgruß dem treuen Paar.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 159)

_____



Die Perle
(Romantische Erzählung)
(1884)

In der Heimath der Rosen, in Basra's Thal,
Wo das Rauschen der Wogen verklingt,
Die am Perlengolf sich brechen zumal,
Wo Züküh die süßesten Lieder singt,
Da wehen so milde, so kosend die Lüfte
Und tragen weithin balsamische Düfte.

Hoch ragt auf Felsen des Herrschers Palast,
Von dunkeln Pinien begrenzt;
Nie war da die lautere Freude zu Gast;
Und wie's in den Hallen auch schimmert und glänzt,
Kein Herz kann sich wahrhaft der Pracht erfreuen,
Wo Furcht und Knechtsinn alleinzig gedeihen.

Schön war der Fürst, von hoher Gestalt;
Voll Schwermuth haftet sein Blick
Auf dem sklavischen Kriechen vor seiner Gewalt;
Seinem Lächeln gibt Niemand ein Lächeln zurück;
Nach Liebe verlangen die seelischen Mienen,
Doch Gehorsam nur sucht sich Dank zu verdienen.

Wohl hundert Mädchen sein Harem faßt,
Mit tausend Reizen geschmückt;
Doch wo er vertraulich sich nahet, erblaßt
Das Kind, dem gnädig er zugenickt;
Nicht süßes Erröthen, nicht sehnendes Bangen
Mag hier den Lohn des Herzens verlangen.

Da wandeln sie schweigend im Mondenschein
Zwischen Rosen entlang und Jasmin;
Zum Kosen ladet die Moosbank ein,
Und sprudelnde Brunnen locken sie hin,
Geschwätzig murmelnd, als wollten sie sagen:
Vertrauet uns eurer Gefangenschaft Klagen.

Oft lagen im Tuft sie, die Arme verschränkt,
Unter ambraduftendem Haar,
Und manche, mit pochendem Busen, gedenkt
Des Jünglings, der Alles ihr war,
Und dem sie gewaltsam vom Herzen gerissen,
Um hier die Lust des Tyrannen zu büßen.

Was frommet der Glanz, wo die Seele verzagt
In stets sich erneuender Qual!
Wenn im gold'nen Gemache der Morgen tagt,
Er kündet nur trostloser Stunden Zahl.
Und die Sterne grüßen nur Seufzer und Thränen,
Denn Wollust erstickt nicht das liebende Sehnen.

Und den Sultan erfüllt es mit tiefer Pein,
Daß kein Herz entgegen ihm schlägt,
Daß nur erheuchelter Minne Schein
Zur Schau die erkorene Sklavin trägt;
Wie reich er auch immer die Schönste mag schmücken,
Nie wird ihn die Liebe, die wahre, beglücken.

Unschätzbaren Werth's eine Perle war sein,
Die schönste im Morgenland;
Ihm warf sie einst in den Becher voll Wein
Der gastliche Fürst von Samarkand
Mit dem Wunsch, daß auf jener Stirne sie throne,
Die ihm Liebe dafür, echte Lieb' gäb zum Lohne.

Und er streift die seid'nen Gewänder ab: -
In des Pilgers ärmlichem Kleid
Ergreift er entschlossen den Wanderstab; -
Die Liebe, die wahre, zu suchen bereit
Will er prüfend und forschend sein Land durchziehen,
Nicht scheuend der Wand'rung Gefahren und Mühen.

Er klopft am Hause des Reichen an,
In Hütten erbettelt er Rast;
Doch nirgend wird freundlich ihm aufgethan;
Abweisend schließt man die Thür' in Hast;
Halb zögernden Willkomm', ungastliche Pflege
Bringt kaum der zahlende Dank ihm zuwege.

Und er wandert dem fernen Gebirge zu,
Das im Norden sein Reich umschließt.
Nie ward ihm früher die Mittagsruh'
Wie jetzt durch die Mühe des Weges versüßt;
So entschläft er im Schatten der Sycamoren
In lieblichsten Zukunftsträumen verloren.

Und tiefer sinken die Schatten in's Thal,
Als er vom Schlaf sich erhebt;
Ausspähend nach einem leckeren Mahl
Hoch über dem Pilger ein Geier schwebt,
Sonst aber ist nichts Lebend'ges zu sehen,
So weit auch sein scharfes Auge mag spähen.

Jetzt Hügel um Hügel sich höher thürmt,
Und enger und felsiger wird der Pfad;
Kein Geländer den Steg über'm Sturzbach schirmt,
Dem der Fürst behutsam lauschend sich naht;
Nur ein Pinienstamm den Schlund überbrückte,
Den ein Wirbelsturm einst in den Wurzeln knickte.

Er beschreitet den schmalen, schlüpfrigen Pfad,
Doch Schwindel packt ihn sogleich,
Und eh' er prüfend drei Schritte nur that,
Entgleitet der Fuß ihm, und leichenbleich
Will er im Sturz' noch am Stamm sich halten,
Doch es reißen hinab ihn der Tiefe Gewalten.

Am Abhang jenseits im jungen Gebüsch
Eine Ziegenheerde sich gütlich thut;
Da waren das Gras und die Blätter so frisch,
Geschützt vor der sengenden Sonne Gluth
Und vom Nebel der Wasser drunten getränket,
Wenn der Abend willkommen sich niedersenket.

Ein Mädchen, der knospenden Rose gleich,
Behütet die Thiere, ein Zicklein hascht,
Im Schooß ihr liegend, den saftigen Zweig.
Den sie lächelnd ihm reicht; es schnuppert und nascht
Und meckert dazu in vollem Behagen,
Als wollt es Dank seiner Pflegerin sagen.

Da hört sie das Krachen des morschen Steg's,
Des Stürzenden wilden Schrei,
Und sie eilt durch die Büsche des dichten Geheg's
Nach dem Rande der Schlucht zur Hülfe herbei;
Und tief zwischen Moos und Steingefügen
Sieht sie den verunglückten Wanderer liegen.

Und schnelle bedacht ohne Zögern klimmt
Sie hinab den steilen Pfad,
Der zwischen rauhen Gewurzel sich krümmt,
Und den selten ein irrender Wand'rer betrat;
Und sie eilt durch den Waldbach mit Blitzesschnelle,
Kaum netzt ihr den Fuß die rieselnde Welle.

Zwei Feigenbäume hatten sich dort
Zwischen Felsen festgesetzt;
Durch's Gerölle schlangen die Wurzeln sich fort;
Und gruben sich ein, wo der Bach sie netzt;
Doch über's Rinnsal die Zweige sich neigen,
Belastet mit süßen, köstlichen Feigen.

Die hemmten des Stürzenden jähen Fall,
Daß er nicht zerschmettert den Grund
Berührt, ein rettender, grüner Wall. -
Doch Blut entströmte dem ächzenden Mund
Und am Haupt einer Wunde; und fest umschlossen
Hielt er aus dem Steinbett sich drängende Sprossen.

Und die Hirtin sieht, wie sein Antlitz erblaßt,
Und vom Busen ihr Tuch sie löst
Und tränkt es im Bach, und muthig umfaßt
Sie sein Haupt, und behutsam flößt
Sie das Wasser ein dem lechzenden Munde.
Und preßt dann das Tuch auf die klaffende Wunde.

Und ein tiefes Athmen erleichtert die Brust
Dem Armen. - "Lieblich Gesicht,
Wer bist Du?" haucht er, sich kaum bewußt,
Wie er aus des Tages rosigem Licht
Hinabgestürzt von dem morschen Stege
Auf dem schnell beendigten Pilgerwege.

"Ich bin eine Hirtin", flüstert die Maid;
"Komm, stütze Dich, kannst Du, auf mich;
Zu Vaters Hütte - der Weg ist nicht weit -
Geleit' ich, o Fremdling, Dich.
Dort wollen wir Deiner Wunde pflegen
Und Dich auf ein sanfter Ruh'bett legen."

Und von ihr gestützt erhebt er das Haupt,
Des Willens Kraft kehrt zurück;
Daß er einen Engel gesendet sich glaubt,
Zeigt sein zu der Holden erhobener Blick;
Wie sich sein Aug' in das ihre versenket,
Scheint es, daß himmlische Labung ihn tränket.

So in ihrem Anblick findet er Kraft
Und verleugnet des Schmerzes Gewalt;
Und als er mühsam sich aufgerafft,
Gibt sie behutsam und schüchtern ihm Halt,
Daß er von ihr gestützt und geleitet
Des Baches kühlende Fluth durchschreitet.

Die eine Hand auf die Stirn' er preßt,
Die and're den Nacken umschlingt
Der Hirtin, von der er sich leiten läßt;
Und die Höhe hinauf, sich beherrschend, ringt
Mit der Qual er, die seine Glieder empfinden,
Doch läßt er nicht schwach vor dem Mädchen sich finden.

Nur wenige Schritte vom Felsenhang
Liegt die Hütte droben versteckt
Im Rosengebüsch, wo der Nachtigall Sang
In der Mondnacht sehnend' Empfinden weckt,
Wo im Busen der Unschuld keimt das Verlangen,
Der Liebe Geheimniß im Traum zu empfangen.

Sie bettet dem Wanderer das Lager von Moos
Und rufet den Vater heran;
Des Leidenden Haupt ruht ihr im Schooß,
Und beide pflegen den fremden Mann
Mit liebender Sorge und heilen die Wunden,
Und er segnet des Krankenbettes süße Stunden.

Denn mehr als Salben und Wachsamkeit
Stärkt ihn der herzliche Blick,
Der aus der Hirtin Aug' ihn erfreut;
Ein neues, ein nie gefühltes Glück
Durchschauert die Seele, ein heilig' Empfinden
Scheint ihm der Pilgerschaft Preis zu verkünden.

Was bald sich spiegelt im Augenlicht,
Was der Blicke Verlangen sagt,
Das bedarf der erklärenden Worte nicht;
Ob's der Mund noch nicht zu bekennen wagt,
Der Hände Begegnung mag es bezeugen:
Beredter als Worte ist seliges Schweigen.

Hier erst wird dem Mächtigen offenbar,
Was dem Gold, der Gewalt nicht gelingt;
In Andacht liegt er vor jenem Altar,
Wo das tiefste Gebet sich der Brust entringt
Und der Geist sich aufschwingt zum höchsten Entzücken:
Nur die Freiheit des Bundes kann Herzen beglücken.

So mit der Heilung die Liebe gedieh,
Der Gedanken innigster Bund;
Der mächtige Herrscher, er sah nur sie,
Sein Auge hing flehend an ihrem Mund,
Und der trügende Glanz der gold'nen Paläste
Erblich vor dem herzlicher Liebesfeste.

Wie die Knospe sich öffnet des Himmels Thau,
Zu spenden berauschenden Duft,
Wenn Leben und Lust, so wohlig und lau
Im schimmernden Lenz uns zuträgt die Luft,
So geht ein Empfinden von Seele zu Seele,
Daß jede für's Leben ihr Kleinod sich wähle.

"Und willst Du für immer mein eigen sein,
Mir folgen in's fremde Land?
Auch meine Behausung ist dürftig und klein;
Ich hab' eine Hütte am Meeresstrand,
Und ich nähre Dich redlich und hüte Dich treue,
Daß nie Dich die Liebe zum Fremdling gereue.

Du gabst mir rettend das Leben zurück,
Nun möcht' ich auch leben für Dich;
Von Deinem Munde, aus Deinem Blick
Erhoff' ich selige Tage für mich.
O folge mir, Traute, du holde Gazelle,
Zum brausenden Meer von der Bergschlucht Quelle!"

"O Fremdling, wie könnt' ich verbergen Dir,
Was mir lieblich die Seele erfüllt!
Doch es lebet der alte Vater mir hier;
Mit ihm, für ihn zu sorgen es gilt.
Kannst Du, daß ich hülflos ihn lasse, verlangen?
Es theilt sich das Herz mir in liebendem Bangen."

"Wie sollt' ich vergessen, was theuer Dir?
Ist Dein Glück nicht mein Glück?
Wir lassen den Vater nicht einsam hier
An der Stätte, von der Du scheidest, zurück;
Er ziehet mit Dir, - nichts sollst Du vermissen!
Wie könnt' ich das thränende Auge Dir küssen?"

Und sie schmiegt sich zärtlich an seine Brust
Und lispelt: "So nimm mich hin!
Dich lieben, Dir dienen, sei meine Lust,
Was Dich erfreuet, mein bester Gewinn;
Dir folgend will Deine Lämmer ich hüten;
Dein Garten hegt meines Herzens Blüthen."

"Sei's denn, Geliebte! - So hast Du Dich mir,
Dem armen Wand'rer vertraut.
Ein neues Leben verdank' ich Dir,
Du süße, reine, du holde Braut!
Und was Du verdienst, das sollst Du empfangen;
Du erfüllst meiner Seele glühend Verlangen.

Du fragtest mich nach dem Talisman,
Den ich auf der Brust verwahrt;
Er führte mich wahrlich die rechte Bahn,
Hat höchstes Glück mir geoffenbart;
Ein herrliches Kleinod wirst Du erblicken,
Dich, mein edelstes Kleinod damit zu schmücken.

Ja, Du bist meines Herzens Juwel,
Die Perle, die siegreich erglänzt;
Du Jungfrau, so rein, so ganz ohne Fehl,
Mit der Unschuld lieblicher Krone bekränzt,
Dir, Perle, leg' ich die Perle zu Füßen,
Um Deiner Liebe fortan zu genießen."

Und er reicht ihr die Perle von Samarkand
Und schmückt ihre Stirne damit.
"Und Herrscherin seist Du von manchem Land;"
So spricht er, "wohin Dein Fuß nur tritt,
Da soll der Segen dem Boden entsprießen,
Und die Völker mit mir des Glückes genießen!"

"Wer bist Du?" ruft sie. "Ein König nur trägt
Solch' kostbares Edelgestein!" -
"Ein König, du sagst es, zu Füßen Dir's legt,
Weil des Weibes kostbarste Zierde Dein.
Den König nun gilt's statt des Bettlers zu lieben,
Ist vor Dir auch der König ein Bettler geblieben."

Kaum faßt sie die Wandlung, ihr Herz erbebt
Und Worte findet sie nicht;
So schützt man, wenn plötzlich ein Nebel sich hebt,
Das Auge vor blendendem Sonnenlicht,
Um allgemach sich an den Glanz zu gewöhnen,
Und die Dämm'rung des Mittags Höh' zu versöhnen.

Und Boten entsendet der Fürst nunmehr
Nach der Hauptstadt stolzem Palast,
Zu verkünden huldreiche Wiederkehr
Und Gnadenspende, die Alles umfaßt;
Selbst hochbeglückt, will er Alle erfreuen,
Seine Perle soll Jedem zum Heile gedeihen.

Und die Großen des Landes begrüßen ihn
Und die Braut, die, festlich geschmückt,
Geborgen im schimmernden Palankin;
Ein Schleier ihr Antlitz der Menge entrückt;
Doch das Volk erkennet den reichen Segen
Und jauchzt ihr mit dankbarem Herzen entgegen

Und die Schönen des Harems sind frei erklärt;
Mit reichen Gaben beschenkt
Wird Jede, und Allen der Wunsch gewährt,
Zu ziehen, wohin ihr Denken sie lenkt,
Wohin sie des Herzens sehnend Verlangen
Mag rufen, wo Liebe mag Liebe empfangen.

So ist von der Pilgerfahrt heimgekehrt
Der Fürst, ein beglückter Mann;
Des Lebens schönster Preis ihm bescheert!
Was despotische Macht nimmer geben kann,
Das hat er im Kelche der Rose gefunden,
Die lieblich ihm blühet für selige Stunden.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 169-177)

_____



Ständchen
(1845)

I.
Ich trockne dir gerne die Thränen
Und finde sie doch so schön,
Ich freu' mich des Wiedersehens
Und kann nicht von dir geh'n.


II.
Deine Wachtel hat oft geschlagen
In herrlicher Mondesnacht,
Die ich, voll liebender Sehnsucht,
Deinem Kämmerchen nahe, verwacht.

Da gab es keine Gespenster,
Der Wächter mit seinem Speer
Und mit der finstern Laterne
Schritt einzig die Straße daher.

Ich stand im Schatten der Linden
Und er zog ruhig vorbei:
Was kann auch Herzensdiebstahl
Bekümmern die Polizei!


III.
Es gleicht der weißen Rose
Dein schmachtend Angesicht;
Es gleicht dem Abendsterne
Deiner Augen holdes Licht!

Es gleicht dein Mund der Röthe,
Die Morgens im Osten glüht;
Dein Lächeln des Mondes Schimmer,
Wenn er durch Wolken sieht.

Die Wolken sind deine Haare,
Bald schweben sie frei um dich;
Bald schmiegen sie dir an's Antlitz
Sich schmeichelnd an wie ich.

Da kommt ein Sturm gezogen,
Der grausam dich zerstört,
Voll der Verräther-Bosheit,
Die jedes Glück empört.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 274-275)

_____



Vertrauen
(1846)

Meine Liebe soll dich schützen,
Soll dir Schwert und Flamme sein!
Mögen Wetter uns umblitzen,
Böse Zungen im Verein
Edler Treue Keim zerstören,
Höhnend unsern süßen Bund,
Dich nur fürder will ich hören,
Glauben deinem holden Mund.

Schmiege dich an meine Seite,
Traue fest auf meinen Arm!
Führt Geschick mich auch in's Weite,
Immer liebevoll und warm
Hält dich doch mein Herz umschlungen,
Das an tausend Ketten hängt,
Das dein Liebreiz so bezwungen,
Das nach dir sich mächtig drängt.

Denk' an jene trauten Stunden,
Da in holder Einsamkeit
Ich im Waldesgrün gefunden
Dich am Quell zur Dämmerzeit.
Erst ein Stern war aufgegangen,
Doch er war dir zugekehrt,
Und auf deinen blassen Wangen
Schien sein träumend Licht verklärt.

Dir zu Füßen an der Quelle
Labt' sich dein geliebtes Reh,
Lieblich zart wie du, Gazelle,
Sanft von Augen, - in den Klee
Bückt es sich, der Waldes-Brüder
Ist es nimmer sich bewußt,
Denn es kehrt zum Hause wieder,
Frei dir folgend, und mit Lust.

Werd' auch ich, wo jene Linden
Ihren grünen Baldachin
Um dein trautes Hüttchen winden,
Einst zu dir in Frieden zieh'n?
Von der nahen Bergeshalde
Seh' ich deines Fensters Licht,
Wenn du heimgekehrt vom Walde,
Seh' dein liebes Angesicht.

Und du sinnst in frommen Träumen,
Sprichst der Liebe süß Gebet,
Während über deinen Bäumen
Hoch der reine Vollmond steht.
Und dein Händchen, Braut der Bräute,
Seh' ich, wie's noch Grüße winkt,
Wenn des Nachtgebets Geläute
Seinen letzten Ton verklingt.

Meine Liebe soll dich schützen,
Deine Treue sei mein Schild!
Mögen sie die Welt besitzen,
Ist, was all mein Sein erfüllt,
Mir ja doch in dir gegeben,
Jene Schätze werf' ich hin!
Unsern Engel seh' ich schweben
Und den Stern der Liebe glüh'n.

Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 276-277)

_____



Hochgenuß
(1847)

Neuer Reiz, in Himmelsgluthen
Ewiger Liebe eingetaucht,
Wo die Sternenheere fluthen
Und der Dampf der Sonnen raucht,
Wo die Engel niederfallen
In Entzücken still anbetend,
Vor den Stuhl des Höchsten tretend,
Unvermögend Lob zu lallen: -
Solche Seligkeit durchbebte
Ahnungsreicher Schauer voll
Meine Brust, die neubelebte,
Die in trunknem Taumel schwoll.

Lieb', o Leben meines Lebens.
Stern der Sterne meiner Welt,
Hat die Wonne denn vergebens
Mir das Herz so hoch geschwellt!
Wurden nicht als liebe Grüße
Deine Worte mir gesendet,
Himmelsnektar mir gespendet,
Daß der Strom sich frei ergieße,
Der so wild durch's Thal gedrungen,
Erst noch vom Orkan gedrückt,
Den, von Wohllaut jetzt umklungen,
Reinste Harmonie entzückt.

Wo die Felsen überragten
Und die Klippe ihn gezwängt,
Stürmisch seine Wogen jagten
In dem schmalen Raum beengt,
Grüßen jetzt ihn schöne Auen,
Winken Blumen ihm entgegen,
Ueber ihm lacht Himmelssegen
Und an Ufers Büschen bauen
In den reichsten Blüthenzweigen
Nachtigallen sich ihr Haus,
Hauchen, wenn die Menschen schweigen,
Ihrer Sehnsucht Töne aus.

Ach, laß wahr, geliebte Seele,
Wahr mir bleiben dies mein Bild!
Denn du bist es, die ich wähle,
Die mein tiefstes Sein erfüllt.
Deinem Mund, dem süßen kleinen,
Deinen sehnsuchtsvollen Blicken
Meine Seufzer zuzuschicken,
Mich mit ihnen zu vereinen,
Und so Aug' in Aug' ergossen,
Mund auf Mund nach holdem Streit,
Das ist Wonne, nie genossen,
Das ist meine Seligkeit!


Aus: Ebbe und Fluth
Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt
Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 278-279)

_____



Taback

Ach, wie schmäht' ich dereinst auf die qualmenden
Wolken der Schmaucher,
Wünschte so oft den Taback tief in die Hölle verbannt.
Aber die Götter bekehren uns Sterbliche gegen Erwarten,
So auch haben sie mir mit dem Taback es gethan.
Meiner Geliebten Papa, ein gewaltiger Raucher, er hatte
Selbst auf dem eigenen Grund welchen zum Spasse gebaut.
Ich aber hatte die Blätter bis da nur getrocknet gesehen,
Und nun wollt' ich sie grün mir auch beschauen einmal.
Schon war die Ernte gesegnet an Stäben gehängt in der Scheune,
Und ich ersuchte mein Lieb, mich zu geleiten dahin.
Abend war es bereits und es fiel nur düsteres Mondlicht
Sparsam nieder auf uns, wir aber sahen genug.
Ein klein Brüderchen nur der Geliebten, ein schelmischer Amor,
Schlich in die Scheune uns nach, an die Geliebte gehängt.
Ich aber drückt' ihr die Hand und besah missfällig den Kleinen,
Gleich als hätten mich schwer seine Geschosse bedroht.
Geh, mein Brüderchen, geh, sprach sie, besorge du Licht uns,
Dass man genau den Taback, da es schon dunkel, auch sieht.
Der aber eilte zurück in's Haus und wir in die Scheune,
Und ein Blättchen Taback gab sie mit bebender Hand.
Ich aber fasste mir Muth und umschlang die Geliebte, mit Küssen
Deckt' ich den lieblichen Mund, deckt' ich die wogende Brust.
Erst als wir von lang anhaltendem Küssen fast müde,
Kam das Brüderchen auch, sorgsam bewahrend das Licht.
Und er leuchtete mir, die erglühenden Wangen zu schauen,
Mir aus der Lieblichen Blick himmlische Wunder zu späh'n.
So erhielt ich, o Schicksal, tabackanstaunend den ersten,
Der ein gesegneter Kuss noch auf den Lippen mir glüht.
Stets soll mir fortan der Taback ein gepriesenes Kraut sein,
Da er so reizenden Weg, mich zu gewinnen, erwählt.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 13-14)

_____



An Marie
(1847)

Darf man dir, Rose, bieten eine Rose,
Die still in Bergesschatten aufgeblüht,
So blicke du mit freundlichem Gemüth
Auf sie, die einsam stand im Felsenmoose.
Nimm aus den Alpen diese dornenlose,
Du seltne Blume, die so lieblich glüht,
In edlem Streben Geistesflammen sprüht,
Gewiegt in Pallas und Citherens Schoose.
Darf ich auch nur entsagend dein gedenken,
So lieb' ich dennoch solche süsse Pein,
Und dieses Lieben kann auch dich nicht kränken.
Ach, nur in solchem Sinne bist du mein,
Und so mich in dein Wesen zu versenken,
Mag, Rose, mir von dir vergeben sein.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 18)

_____



Fremde Weisen

Ihr greifet nach Osten und Westen
Und singet nach Aller Art,
Ihr versuchet und plündert die Besten
Auf eurer poetischen Fahrt.

Bald wollet ihr Hafis gleichen
Beim perlenden Feuerwein,
Ihr versuchet euch einzuschleichen
Beim Schenken, luftig und fein.

Die Huris im Paradiese
Selbst lasset ihr nicht in Ruh,
Ihr schmachtet und seufzet so süsse
Den Unbekümmerten zu.

Im Mondschein persischer Nächte
Schleicht ihr in Isphahan,
Doch Harun der Gerechte
Fühlt euch auf den faulen Zahn.

Selbst der Chinesen Zöpfe
Frisiret ihr noch einmal,
Verpflanzet in deutsche Töpfe
Die Blumen aus Jericho's Thal.

Ja, selbst der Hottentotten
Armseliges Geschrei,
Ihr brüllet es nach Noten
Und locket die Menge herbei.

Ich will nach Fremdem nicht ringen,
Nur was mich Liebe gelehrt,
Mag ich von Herzen singen,
Weil ich nur ihrer begehrt.

Ihr prahlet mit Pfeffernüssen!
Was scheert mich eure Kunst!
Misst man nicht Verse nach Küssen,
Ist Alles nur blauer Dunst!

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 19-20)

_____



An die herbstliche Braut

So hast auch du den Myrthenkranz gewunden,
Dir endlich in die Locken ihn gedrückt,
Wenngleich die Frühlingsblüthe längst geknickt,
Und von den Rosen aller Thau verschwunden!
Ich lächle still. - Als ich dich einst gefunden
Im kleinen Gärtchen hab' ich mich gebückt,
Von deiner Knospe Kuss und Duft gepflückt
Im ersten Glanz der morgenfrischen Stunden.
Steck' nun den Ring an deinen falt'gen Finger,
Den ich in meiner Hand gefangen hielt,
Als sässest du in meines Herzens Zwinger.
Zwar du hast mit der Liebe stets gespielt,
Doch war der Lohn dem Herzen nicht geringer,
Das, wo du spieltest, warm und tief gefühlt.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 31-32)

_____



An den Frühling

Holder Frühling,
Wie freundlich lächelst du,
Wie beglückend weht dein Hauch uns an!
Von Jahr zu Jahr
Suchst du wieder uns heim
Und schüttelst deine Gaben über uns aus.
Blauer dunkelt
Der endlose Aether,
Liebeglühender küsst uns der Sonne Strahl.
Wir schauen empor,
Entzückt blicken wir rings umher,
Alles athmet ja Lust, Freude, junges Leben.
Sanft weckst du
Die Mutter Erde vom Schlaf
Des starrenden, kalten, fühllosen Winters;
Thränen strömen
Aus deinen Augen,
Aus den grossen, milden, versöhnenden Augen,
Und die alte Mutter,
Die uns Alle trägt und nährt,
Sie erschliesst sich und breitet die Arme aus,
Dich, den Liebling des Alls zu umschlingen.
O du holdseliger,
Blumengeschmückter Knabe,
Sind wir's werth, dich zu schauen, zu empfangen?
Du gibst uns Alles,
Was das Herz erfreut, und die Sinne schweigen
In den Wundern deiner Offenbarung. -
Wir grüssen die Veilchen,
Deine verschämten Boten:
Ihr Duft weckt die Sehnsucht im Herzen,
Zu wandern, zu wandern - ewig fort.
Kein Stern ist zu ferne.
Dass unsere Phantasie ihn nicht erreichte,
Keine Taube sucht die Freundin,
Ohne dass unser Geist mit ihr sich aufschwingt
In den Raum, der unendlich sich ausdehnt.
Was flüsterst du uns zu,
Was sagt das Wehen im jungen Laube,
Was verkündest du uns mit umdunkelter Stirne,
Wenn der Sturm hinbraust
Ueber Berg und Thal,
Wenn er die Brandung thürmt und die Eiche hinwirft? -
Er reinigt die Luft.
Er bricht die Bahn für das neue Leben;
Aber Thränen, heisse Thränen entströmen
Deinen gütigen, segnenden Augen!
"Alles bring' ich euch,
Ihr Menschen die ich so innig liebe,"
So sprichst du, "Alles, was euch mahnt:
Seid liebevoll, edel, gross und herrlich!
Ihr seid unsterblich,
Wenn eure Thaten
Lieb' und Leben athmen und Gerechtigkeit.
Ob die Blumen welken,
Die ich in euren Schoos schütte,
Ob das Laub fällt und die Gräber deckt
Derer, die heimgekehrt zur ewigen Mutter,
Was ihr gethan
Mit freundlichem Herzen,
Es stirbt nie, es keimt und sprosst und duftet
Ewig in Zeit und Raum.
Klagt nicht um sie,
Die ich hinwegnahm in der Blüthe,
Die ihre Augen schlossen wie Rosen im Vollglanz
Des Lebens;
Sie sind meine Lieblinge;
Rein, unentweiht segnet ihr letzter Kuss
Die Liebenden, die zurückbleiben.
Sie sahen nur mein Lächeln
Und in meinen Armen gingen sie schlafen." -
Ja, es ist Frühling!
Trost, Leben, Glück für Alle.
Wir haben ein Hüttchen gebaut,
Für ein treues Schwalbenpaar
Und heute kam's zurück von der fernen Wanderung;
Es gefiel ihm bei uns.
Sie werden hier siedeln
Und ihr Nest bauen von unserm Dache beschützt. -
Blühet, ihr Reben!
Duftet, ihr Rosen!
Erfreut, beseligt Alle, die athmen und lieben.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 46-48)

_____



An Lesbia
Nach Catullus

Lass uns leben, lass uns lieben,
Holdes Mädchen, nimmermehr
Soll uns graue Weisheit trüben
Solcher Wonnen strahlend Meer!

Sonnen kommen, Sonnen schwinden,
Doch wenn uns're Leuchte sinkt,
Wird die Nacht uns schlafend finden,
Der kein neuer Morgen winkt.

Drum jetzt hunderttausend Küsse,
Hundertausend nocheinmal,
Und so fort, dass Keines wisse
Ihrer vollen Summe Zahl.

Mag der Neider dann ergründen,
Was an Küssen wir getauscht:
Niemals wird er alle finden,
Deren Feuer uns berauscht.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 94)

_____



Die Lieb'
Oberbayrische Mundart

Die Lieb, die Lieb, die süsse Lieb,
Die hat's uns angethan,
Die sitzt so tief im Herzen drin,
Dass Niamd' ergründen kann,

Und wenn's a no so bitter schmeckt,
Und d'Augen macht so trüb,
Und wenn's a lauter Schmerzen bringt,
's is' doch die süsse Lieb.

Mir kimmt's fast wie a G'witter für
Mit all seim Schreck und Graus: -
Wenn's no so blitzt und donnert - z'letzt
Schaugt d'Sonn doch wieder raus.

Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 206)

_____



Am Spinnrad

Wie viel Gedanken, blonde Braut,
Verwebst du deinem Faden,
Wie viele hast du süss und traut
Der Spindel aufgeladen?

Dein Rädchen schnurrt, dein Füsschen tritt,
Du spinnst dem Glück entgegen.
Hörst du denn nicht den leisen Schritt
Sich vor dem Fenster regen?

Dein Blumenstrauss im grünen Glas
Lauscht, wie's im Sande knistert;
Das Veilchen hat der Rose was
Ganz leis ins Ohr geflüstert.

Ein Seufzer aus des Herzens Grund
Hat's Fädchen abgerissen;
Mit deinem kleinen frischen Mund
Wirst du den Frevel büssen.

Du hörst nichts - siehst den Schatten nicht,
Der sich durch's Fenster dränget,
Weil deiner Augen holdes Licht
An süssen Träumen hänget.

Da plötzlich rollt die Spindel schwer
Am Boden hin voll Schrecken;
Es beugt sich über dich, den Mund
Mit Küssen dir zu decken.

Und's Lieben ist ein alter Brauch,
Soll's Ros' und Veilchen wissen:
Dem Beispiel folgend, fangen auch
Die Blumen an zu küssen.


Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 229-230)

_____



Liebessprache
Oberbayrische Mundart

Die Lieb' is so g'spassi,
Hat an eigene Sprach:
Koin Professor kann's reden,
Aber d'Spatzen auf'm Dach.

Viel Wort brauchst nöt z'machen:
A Druck mit der Hand,
Und a Blick in d'Augen
Und a Schmatzl am Rand.

Dös san ihre Zeichen,
Die Jeder versteht,
Wenn ihm sonst a nix G'lahrt's
In sein' Kopf eini geht.


Aus: Lyrische und dramatische Dichtungen
von E. A. Zuendt
Verleger F. B. Meissner St. Louis MO 1871 (S. 282)

_____

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Anton_Zündt



 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite