Anonyme Barockdichter - Liebesgedichte

Neukirch-Sammlung



Anonyme Barockdichter
aus der Neukirch-Sammlung

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 


Sonnet
Uber Calistens bildniß

Es hat des künstlers hand allhier zu frey gethan /
Ich tadle seine kunst / und schelte sein beginnen /
Ein mensch der kan ja nur auff etwas menschlichs sinnen /
Wie fängt die blöde faust bey einer göttin an?
Was GOtt und die natur aus allen kräfften kan /
Das wird kein schlechtes blat mit weiß und roth gewinnen /
Sein vorsatz wird auch noch bey dieser glut zerrinnen /
Denn wer das feuer scheut, der trete nicht heran.
Der sie aus wachs gemacht, dem ist die kunst gelungen /
Daß er den hefft'gen reiz nur halb und halb gezwungen /
Sonst müst es vor sich selbst wenns ähnlich wär / zergehn.
Die sonne kan sich nur in schlechtes wasser mahlen /
Verlangt man einen riß von dieser schönheit strahlen /
So muß ihr bild von glut in herz und seelen stehn.
(Teil 1 S. 61)
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1.
Ihr augen fließt! beweint den nahen tod /
Fließt / weil noch eure thränen währen /
Und sparet nicht in meiner letzten noth
Die letzten tropffen heisser zähren.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.

2.
Mein krancker geist / der schmerzlich jenesmahl
Den grimmen liebes-pfeil empfunden /
Der stirbt anitzt in unerhörter qual /
Erleget durch des todes wunden.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.

3.
Eh' diese glut mich ganz zu asche macht /
Eh' angst und jammer mich aussaugen;
Eh' mich befällt des grossen todes nacht /
So weinet noch zuvor / ihr augen.
Ihr augen fließt! das übergrossen weh
Erfordert eine thränen-see.

4.
Doch müssen es nicht schlechte thränen seyn /
Die ihr / ihr augen / lasset fliessen;
Ihr müsset euch in dieser todes-pein
In einen strom von blut ergiessen.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.
(Theil 1 S. 123-124)
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Sylvia dein kaltes nein
Lescht mein feuer / meine flammen /
Denn du wilst mich nur verdammen /
Daß ich soll geqvälet seyn.
Qväle ja die andern glieder /
Gib mir nur das herze wieder.

Sylvia dein kaltes nein
Kan mir diesen wunsch ertheilen.
Wilst du grausame nicht heilen /
So erreg' auch keine pein;
Ohne trost in zweiffel brennen /
Ist ein steter tod zu nennen.

Sylvia dein kaltes nein
Will mir durch die seele gehen /
Darum muß ich dir gestehen /
Es friert meine liebe ein /
Und bey deinen wanckelheiten /
Werd' ich keine glut bereiten.

Sylvia dein kaltes nein
Ist denn diß dein trost im lieben?
Und die redlichkeit betrüben
Heist vielleicht dein liebes-schein;
Ach! die angebeten augen
Soll'n mir nur zur hölle taugen.

Sylvia dein kaltes nein
Kan mir dennoch nicht verwehren
Nicht zu lieben / zu verehren /
Gib nur hier ein ja-wort drein.
Doch bedencke meine schmerzen /
Geht dir denn mein nein zu herzen?

Ja dein allzuwahres nein
Gibt den einschlag / ich soll fliehen /
Und mich dieser angst entziehen /
Denn dein herze sey ein stein;
Drum aus deinen kalten ketten
Will ich mich mit fliehen retten.
(Theil 1 S. 384-385)
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An die Livia

Macht kein funcke meiner flammen /
Livia / dir einen brand?
Tausend schlagen offt zusammen /
Keiner nimmt doch überhand.
Du must kälter mir zur pein
Als ein Salamander seyn.

Ich gedachte / daß das blitzen /
So aus deinen augen steigt /
Auch im herzen müste sitzen /
Und aus hitze wär erzeugt;
So ist es cometen-licht /
Dessen strahl nur frost verspricht.

Wenn mein brand denn nicht gewinnet /
Muß der nasse zunder dran /
Der aus meinen augen rinnet /
Und versuchen / was er kan.
Wird doch glut durch flut erweckt /
Wenn das wasser kalck ansteckt.

Ach! so werde durch mein weinen /
Livia / von flammen reich;
Doch du must auch lieblich scheinen /
Sey der reinen sonne gleich /
Die den thau / den sie gebracht /
Augenblicks zu asche macht.

Dir sey meine qval befohlen /
Lesche die entbrannte pein!
Deine glut soll meinen kohlen
Ein schnee-kaltes wasser seyn.
Wo dein eiß noch länger währt /
Bin ich bald in staub verkehrt.
(Theil 1 S. 414-415)
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Der verstossene liebhaber

Was vor ein strahl will meine seele fällen /
Will sich der tag in düstre nacht verstellen?
Und soll mein sonnenschein
Mir plötzlichen verschlossen seyn?
Will nun der lufft erblastes rasen
In meine schwache segel blasen /
Hat alles sich auff meinen fall vereint?
Der himmel ist ja selbst zu stürzen mich vermeynt /
Weil mir mißgunst / verleumdung / neid /
Solch jammer und solch elend zubereit.

Kan iemand wohl ein schlimmer fallbret legen /
Die arglist selbst wird nichts verfluchters hegen /
Als diß / was mir geschehn.
Will man ein lebend beyspiel sehn /
Wie das / was fast am gipffel schwebet /
Durch schlechten wind gerührt / erbebet /
Daß sich ein strenger fall auch sternen zugesellt /
Und ein erhöhter berg in tieffe thäler fällt /
Daß list auch löwen stürzen kan /
Der sehe mich und meinen kummer an.

Ich / leider! bin empfindlicher gerühret /
Indem man mir Celindens gunst entführet /
Die einig mich vergnügt /
Und mir mein ganzes herz besiegt;
Celinden / der mein ganzes leben
Zu steten diensten bleibt ergeben.
Ach daß ein falscher wahn und schlechter argwohn statt
Vor der bewährten treu bey ihr gefunden hat /
Der sie so gegen mich verstellt /
Daß sie mich straff- und unglücks-würdig hält!

Die wangen / wo die reiche anmuth spielte /
Wo sich die glut an weissen rosen kühlte /
Bestrahlt ein strenger blitz /
Der holde mund / der schönheit sitz /
Läst rauhe donner-worte knallen /
Ich höre schon mein urtheil fallen /
Florettens wanckelmuth hat höll und tod verdient /
Weil er Celinden sich zu lieben hat erkühnt.
Ihr zornig auge zeiget frey /
Daß diß ihr schluß und steter wille sey.

So spielt die welt / so muß die unschuld leiden /
Wenn lügen sich in fremde farben kleiden /
Wenn haß und neid bemüht
Zu fällen / was in zierde blüht:
Offt wenn man meynt die frucht zu brechen /
Fühlt man die schärffsten dörner stechen.
Ach daß der untergang doch allzu nahe steht
Dem / so des glückes gunst so plötzlichen erhöht!
Daß / den der morgen angelacht /
Der abend offt in euserst elend bracht.

Ich sehe nun / wer sich zu sehr will nahen
Dem sonnen-licht / kriegt vor solch unterfahen
Nur schimpff und schaden weg;
Jedoch ein fest-erlangter zweck /
Wird weit empfindlicher vermisset /
Als was gleich anfangs eingebüsset.
Wer ohne eifer diß in fremden händen sieht /
Wornach man iederzeit sich hefftig hat bemüht /
Und diß ihm keinen schmerz erregt /
Wird billich durch betrug in staub gelegt.

Jedoch gedult / die nebel müssen brechen /
Verachtung muß man durch verachtung rächen /
Die falschheit wird erschreckt /
Und unschuld wird entdeckt.
Celinde wird Floretto loben /
Und seine treue wird erhoben;
Wenn aber ihrem geist vor meiner seele graut /
So spür ich / daß vor stein ich nur auff sand gebaut /
Und daß ihr herz sich spiegeln gleicht /
Wo iedes bild sich / doch nicht stetig / zeigt.
(Theil 1 S. 429-431)
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1.
Zeuch / Cynthia! zeuch deine strahlen ein /
Ich will hinfort ja dein gefangner seyn /
Es ist umsonst daß man den feind bekriegt /
Der ohne diß schon untern füssen liegt.

2.
Dein hoher geist und meine niedrigkeit /
Die stecken mir der liebe ziel zu weit /
Die blöde scham / der liebe widerpart /
Macht / daß ich dir nicht eh hab auffgewartt.

3.
Itzt seh ich erst wenn ein verzagter liebt /
Wie er versäumt was ihm das glücke giebt.
Weg! blödigkeit / ich bin mir selber feind /
Daß ichs nicht eh mit dir hab gut gemeint.

4.
Laß deine gunst / die du mir kund gethan /
Herzliebstes kind / auffs neue fangen an /
Es wirfft sich dir der ausgeschämte sinn /
O Cynthia! ganz willig für dich hin.

5.
Der hohle fels / der meine qual gehört /
Der weiß sehr wohl wie ich mich abgezehrt.
Ach Cynthia / ach was ist das vor pein!
So sehr verliebt und nicht beherzt zu seyn.

6.
Nun bin ich frey / indem ich nicht mehr frey /
Im fall mir nur dein mund gewogen sey.
Ich schwer dir treu / ich schwere dir bestand:
Sieh Cynthia! hier hast du herz und hand.

7.
Gib mir hingegen die genaden-hand /
Den schönen blick / daran ich mich verbrand /
Ich weiß daß du nicht bloß nur schöne bist /
Daß freundligkeit der schönheit boden ist.
(Theil 2 S. 350-351)
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Nacht-lied

1.
Ihr stillen lüffte dieser nacht /
Mit denen ich zum öfftern schwatze /
Fangt auff den thon den meine rede macht /
Und tragt ihn hin nach jenem platze /
Da wo mein engel liegt
Und in der hut der schönsten Amoretten
Auff schwanen-brust und feder-betten
Wird eingewiegt.

2.
Eilt hin und seht an meiner statt
Das grab der edlen schönheit stehen /
Was zeit und glück mir abgesaget hat /
Das könt ihr unverwehrt durchwehen /
Ihr solt der spiegel seyn /
Darinnen ich diß himmels-bild betrachte /
Was ich verehr und göttlich achte /
Wist ihr allein.

3.
Ich weiß / daß dort der höchste preiß
Der schönheit ausgekramet lieget /
Dran die natur mit ihrem grösten fleiß
Ein wunder an das andre füget.
Wer doch so seelig wär /
Daß nur ein blick so kühn / so hoch dürfft steigen /
Solt er auch gleich sich wieder neigen
Zur wiederkehr.

4.
Sind gleich die augen zugethan;
Die sonnen sind nur untergangen /
Um wenn der tag wird wieder brechen an /
Mit mehrer glut und glanz zu prangen.
Die schönheit wird bey nacht
Verstohlen / (und wär es gleich nicht ihr wille)
Viel sichrer und mit mehrer stille /
Als tags betracht.

5.
Des munds rubin bleibt ohne licht
Und in dem schlaff gleich hoch geröthet;
Doch dienet er zum küssen jetzo nicht.
Wer schläfft / der scheinet halb getödtet.
Drum kan die seele nicht
Zum küssen sich auff ihre lippen setzen /
Und jene seele recht ergetzen /
Die küsse bricht.

6.
Schlaff sanffte / göttin / in der pracht
Der wunder deines leibes gaben /
Der kühlen lufft in dieser stillen nacht
Sey die verwundrung eingegraben /
Die aus dem herzen quillt /
Das sich verwirrt in deiner schönheit netze
Und ganz mit liebe deiner schätze
Ist angefüllt.
(Theil 2 S. 84-86)
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Sie speiset seinen vogel aus ihrem munde

Mein zeißgen nehrte ich bißher von hanff und rüben /
Und liesse seinen tranck ein schlechtes wasser seyn.
Es ließ den irrdnen napff ihm mehr als gold belieben /
Und bildte sich ein schloß von seinem käficht ein.
Nun merckt der vogel erst / daß glaß crystallen weichet /
Der ros' ein nessel strauch / dem bisame zibeth /
Nachdem sein neuer stand so wenig jenem gleichet /
Als wenig schnecken-blut nach andern farben geht.
Er hat sein altes hauß (von holze zubereitet /
Mit tannen ausgeziert) um eine hand vertauscht /
Die selbst der kreide trotzt / und mit der wolle streitet /
Darin der lose gast auff seidnen polstern lauscht.
Sein jetzig trinckgeschirr ist ein rubinen-becher /
Den rings-um die natur mit perlen ausgesetzt /
In dessen wunder-safft zu seinem liebes köcher
Cupido allemahl die güldne pfeile netzt.
Mein vogel speist allhier nichts als nur amber-kuchen /
Und trinckt den nectar / der aus purpur-rosen quillt.
Der süsse seelen-thau / den viele geister suchen /
Hat diesen glücklichen zum öfftern angefüllt.
Ach wie verschwendrisch ist bißweilen das gelücke!
Hier wirfft es alles zu dem / der gar nichts verdient /
Der nichts erkennen kan / und der die holden blicke
Wohl um ein korn vertauscht / daraus ein hanff-stiel grünt.
Ach wolte mir einmahl ein solcher glücks-stern scheinen /
Ich wolt empfindlicher / als du mein zeißgen / seyn /
Ich weiß den wahren werth von solchen edel-steinen /
Man nimt die perlen nicht wie rüben-saamen ein.
Ein solcher götter-safft mit rosen überdecket
Reimt sich / mein armes thier / für deinen schnabel nicht;
Ach diese zucker-kost / die nach jeßminen schmecket /
Ist einzig und allein den seelen zugericht!
Komm tausch einmahl mit mir: Ich schwer bey meinem leben /
Ich will weit mehr vergnügt von deiner taffel gehn.
Du armer vogel nimst / und kanst nicht wieder geben;
Ich kans / und muß dennoch dich vorgezogen sehn.
(Theil 2 S. 28-29)
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Der Venus klag um Adonis grab

Adonis grab ist hier; mehr sagt die liebe nicht /
Und Venus seel entschläft bey diesem leichen-steine.
Ach hochgeliebter leib! ach werthste todten-beine!
Ach himmlischer Adon! mein mattes herze bricht
In lieb und thränen aus: die thränen sollen zeugen /
Daß meine liebe wird zu keinen zeiten schweigen.
Wo ist Adonis sarg? wo ist Adonis grab?
Daß Venus nicht zugleich sich auf die baare leget /
Wie wenn ein rauher wind die blumen niederschläget /
Schlägt tulp und nelck entzwey / und bricht die blumen ab.
So war mein lebens-geist von herz und seel entrissen /
Als meinen lieben schatz ein wildes schwein gebissen.
Ach ewiger verlust! unwiderrufflich fall!
Ich habe deine schoos dem himmel vorgezogen /
Holdseeliger Adon! nun seel und geist verflogen /
So stirbt die Venus auch. Ich hörte fast den schall
Und wie du mich zuletzt / mein tausend-lieb / gesegnet /
Als dir diß ungeheuer im finstern wald begegnet.
Ich ging und suchte drauf mein leben in dem häyn /
Und fand da meinen tod / Adonis sternen-glieder
Sind durch des wildes biß besprützet hin und wieder
Vom schaum des rothen bluts. Ich bracht ihm himmel-wein
Und edlen perlen tranck / herzstärckende muscaten /
In hoffnung meinem sohn und besten schatz zu rathen;
Vergebens! ob ich schon den weichen mund geküst /
Und tausend mahl geschryn: erwache meine seele!
So regte sich kein glied / ja was ich nicht verheele /
Ich habe selbst zuletzt krafft / seel und geist vermist.
Ich werd auch nimmer schön / mein' anmuth ist gestorben /
Und mit Adonis pracht der Venus glanz verdorben.
Bedenck ich jene lust und gegenwärtig leid /
Ja wenn der himmel gleich in lauter rosen lebte /
Wenn höchst' ergötzlichkeit um meine scheitel schwebte /
So blieb ich unbewegt / biß daß die süsse zeit
Mich gab Adonis gunst / den ich verschwendrisch küste /
Sein alabaster arm umschränckte meine brüste;
So hat niemand geliebt / und niemand weiß es so /
Die seelen nur allein beschlossen was geschehen /
Der monde hat uns offt ganz holdreich zugesehen /
Er ward an meiner brust / und ich an seiner froh;
Sein mund hier mein rubin / ich schenckt ihm himmels-flüsse
Und selbte macht ich noch mit liebes-zucker süsse.
Nun seh ich nichts als noth / und dein verblichner leib /
Mein einzig liebes kind / entseelt mein kranckes herze:
Doch daß ein denckmal sey / wie hoch ich dich beschmerze /
So bau ich hier dein grab / das keine zeit zerreib' /
Und in vergessenheit die lange nächte stürtze /
Mit thränen salb ich dich statt weit-geholter würze.
Hier ist Adonis grab und auch mein heiligthum.
Ein mensch mag bahr und gruft mit göldnen ampeln zieren /
Ich göttin will um dich die stern als fackeln führen.
Und wie die leichen sonst schmückt eine schöne blum /
So soll das schöne blut in anämonen sincken /
Und bey dem rosen-lenz in purpur-kleidern blincken.
Was mehr? den leichgesang / das bittre todten-lied
Stimmt Venus ewig an / der himmel hilfft mir klagen /
Die lüfte seuftzen mit / der westenwind soll sagen /
Wie tief ich traurig sey: Ich bin nicht groß bemüht /
Um das beliebte grab viel säulen aufzuführen /
Die liebe soll es mehr mit ihren wundern zieren.
Daß Artemis ja dort des ehmann asche tranck /
Ist viel und liebes werth; Ich opffre meine seele /
Die zwar nicht sichtbar ist / der lieben grabes-höle;
Und saget nun iemand / daß Venus bleich und kranck /
Der wisse / da Adon mein trost und lieb erblichen /
Daß ich zugleich mit ihm aus der welt gewichen.
Die überschrifft wird sonst dem marmel einverleibt;
Ich will sie ins gemüth der späten nachwelt graben /
Dran soll der buler volck den schönsten spiegel haben /
Wo nicht der grosse schmerz die lieb ins elend treibt:
Hier ruht der schönheit schatz und Venus holde zierden /
Tritt nicht zu nah hinzu! der stein macht die begierden.
(Theil 2 S. 71-73)
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1.
Du blume Schlesiens / du sonne dieser welt /
Die die annehmlichkeit auff purpur-blättern träget /
Auff welche Venus selbst ihr ebenbild gepräget /
Als / irrdsche göttin / sie dich kaum ans licht gestellt.
Du bist der schönheit preiß / ein auszug aller zierden;
Doch auch ein marmelstein an fühlen und begierden.

2.
Wirff itzt von deinem blitz auch einen schlechten blick
Auff deinen armen knecht / und laß ihn einmahl wissen /
Daß deine hohe gunst will auff die knechtschafft flüssen /
So lebet er in ruh / so lebet er in glück.
Es wird die hohe gunst ihn ewig dir verbinden /
Wenn dein erhärter sinn aus seel und leib wird schwinden.

3.
Doch alles ist umsonst / es ist um mich geschehn /
Die scharlach-lippen sind entgeisterte corallen /
Der kugeln schönes paar / nur alabaster-ballen /
Auff welchen man noch nie die regung hat gesehn.
Soll der granaten-schmuck auff deinen amber-lippen
Fast mehr entseelet seyn / als berge / felß und klippen?

4.
Bedencke schönes kind / wilstu ein bild ja seyn /
Daß todte bilder auch annehmlichkeiten geben /
Dein eigen conterfait sah ich nechst um mich schweben /
Als sich ein süsser schlaff bey mir gestellet ein.
Es wolt die liebligkeit sich dar auch lassen finden /
Und mit der schönheit sich verschwestern und verbinden.

5.
Mehr hab ich nicht gesehn: ich bin mit dem vergnügt /
Was eine taffel mir erwünschter stunden zeigte /
Als sich so holdenreich die sonne zu mir neigte.
Ich sah / mit einem wort / dich engel da besiegt.
Es scherzten mund und blick mit süssen liebes-flammen /
Und der beseelte schnee vermengte sich zusammen.

6.
Wie hastu dazumahl / als dich der schlaff umschränckt /
Du wunder der natur! auch eine pein empfunden /
Als dein vergöttert bild in den beglückten stunden
Mit schalen reicher gunst der lippen mich getränckt?
Hastu / dir unbewust / mich dar erquicken können /
So kanstu einen blick mir auch wohl itzt vergönnen.

7.
Es pflegte vor die welt / gereizt durch falschen wahn /
Zu beten an ein bild / zu ehren einen götzen;
Soll ich dich auffs altar / als gott und bildniß / setzen /
So nimm mein seuffzen doch und auch mein bitten an:
Und soll ich rosen-kind nicht alsobald verderben /
So laß mit einem kuß mich deine gunst erwerben.
(Theil 2 S. 93-95)
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Er entsaget ihrer liebe

Entbrich der fessel dich und fleuch den falschen wahn /
Daß Roselinda sey vor göttlich mehr zu schätzen /
Nicht laß dich ihren kuß / so wie vorhin / ergötzen /
Es ist nunmehr um sie und ihren ruhm gethan /
Weil auch ein sclave selbst sich ihr gebrauchen kan /
Und seinen schlechten mund an ihre lippen setzen:
Du must sie warlich ietzt aus seel und geiste ätzen /
In dem ihr schnöder fuß betrit die laster-bahn.
Es weicht der purpur selbst von den bekandten lippen /
Es flieht der marmel weg der doppelt runden klippen /
Schau wie sich noth und spott ihr zur gefärtin macht!
Die tuber-rosen sind von wespen angestochen;
Es ist der siegel-ring der keuschheit ihr zerbrochen.
Mit einem wort: sie hat ein kind zur welt gebracht.
(Theil 2 S. 309)
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Abbildung der vollkommenen schönheit

Holdseliges geschlecht / hör an / ich will dichs lehren /
Wie es gestalt muß seyn / was man vor schön soll ehren.
Liß diese zeilen durch / so wird dir seyn bekant /
Wodurch die Helena so trefflich schön genant.
Der leib muß seine pracht erst von den farben haben /
Von diesen müssen drey sich gleichen schwarzen raben /
Drey müssen wie der schnee so weiß sein anzusehn /
Drey die an röthe selbst den purpur übergehn.
Drey andre müssen ruhm durch ihre kürz' erlangen /
Hingegen andre drey mit schöner länge prangen;
Drey müssen seyn was dick / doch wohlgebildt dabey /
Darneben müssen schmal und schlanck seyn andre drey.
Die weite muß man auch an eben so viel rühmen /
Und andern gleicher zahl will eng zu seyn geziemen.
Wenn man zu diesen fügt drey / welche zierlich klein /
So kan die schönheit selbst nicht vollenkommner seyn.
Die augen preiset man / die schwarzen kohlen gleichen /
An strahlen doch der sonnen selbst nicht weichen;
Und um dieselbe muß ein schwarzer bogen gehn /
Dadurch diß sternen-paar kan überschattet stehn.
Zum dritten muß der pusch / der jene höle decket /
In welcher Venus selbst das ziel der brunst verstecket /
Ganz eingehüllet seyn in schwarze dunckelheit /
Weil Amor solch ein kind / das sich im dunckeln freut.
Die haare müssen seyn so weiß / als reine seide /
Der alabaster-halß / wie nie berührte kreide /
Die zähne müssen recht / wie blanckes helffenbein /
Wenn sie von tadel ganz entfernet sollen seyn.
Der mund muß röther seyn als brennende rubinen /
Soll sonst der lippen saum den rechten preiß verdienen.
Die wangen / die nicht roth / sind nicht vollkommen schön /
Und auff den brüsten selbst muß roth am gipffel stehn.
Die zähne müssen kurz nur seyn in ihren reihen /
Derselben masse sich die füsse gleichfalls weihen.
Diß einz'ge giebet auch den ohren ihren preiß /
Daß man / wie andre theil / sie schön zu nennen weiß.
Es muß ein schöner leib sich nach den g'raden fichten /
Die wie die säulen stehn / in seiner länge richten.
Die hände / die mit lust der liebe zügel führn /
Muß / wenn sie zierlich sind / gewünschte länge ziern.
Und soll dem Venus-sohn die liebes-jagt gelücken /
Muß er aus langem haar ihm netz und sehnen stricken.
Denn soll in sclaverey die freyheit seyn gebracht /
So müssen fesseln seyn aus langem haar gemacht.
Es ist ein solcher leib vor andern hoch zu preisen /
An dem die hüfften sich in rechter dicke weisen.
Auch das / was die natur zum sitz-platz ausersehn /
Ist dadurch / wenn es dick und ausgefüllet / schön.
Und drittens muß der ort / der unsre sinnen raubet /
Wenn er mit schöner kräuß' als ein gepüsch belaubet /
Seyn einem hügel gleich von bergen eingehüllt /
So daß er eine hand mit seiner dicke füllt.
Die finger / welche schmal und zierlich sich erstrecken /
Die können / was sonst halb erstorben / aufferwecken /
Und arme dieser art sind das gewünschte band /
Wodurch man an das joch der liebe wird gespannt.
Auch muß ein schönes kind seyn schmal und schlanck von beinen /
Daß / wenn die flammen sich im mittel-punct vereinen /
Ganz umb das oberste das unterste sich schwenckt /
Gleichwie Adonis ward von Venus eingeschränckt.
Der weite lob kan man aus dreyen stücken lernen:
An augenbrauen / die von ander sich entfernen /
An lenden / die nicht gar zu nah beysammen stehn /
Vornehmlich wenn man will in Amors irrgang gehn.
Auch müssen weit entfernt sich zeigen jene hügel
Der schwanen-gleichen brust / daß mit verhängtem zügel
Die brunst / wenn sie genug mit küssen hat gespielt /
Durch dieses thal kan gehn / wo sie wird abgekühlt.
Drey enge müssen sich bey jenen dreyen weisen:
Ein rosengleicher mund muß enge seyn zu preisen;
Die seiten müssen eng und dicht zusammen seyn /
Daß eine elle sie bey nah kan schliessen ein.
Vor allen aber muß die grufft da Venus lachet /
Wo das / was stählern schien / wie wachs wird weich gemachet /
Ganz enge seyn / damit wenn unsre brunst entsteht /
Sie ein und wieder aus mit mehrerm kitzel geht.
Und letztlich müssen drey seyn zierlich klein zu nennen:
Die nase muß man erst deßwegen loben können;
Die brüste gleiches falls / die eine hand spannt ein;
Die gipffel müssen drauff gleich kleinen erdbeern seyn.
Wann dann der leib gebildt in solchem schönen wesen /
So hat zum wohnplatz ihn die liebe selbst erlesen /
Und wann an diesem auch bald diß bald jenes fehlt /
So hat Cupido schon ein anders auserwehlt;
Dann wann die schönheit gleich nicht völlig ist zu finden /
So kan die freundlichkeit doch alles überwinden:
Der nun die schönheit nicht auf allen gliedern schwebt /
Der rath' ich / daß sie sich durch freundlichkeit erhebt.
Hie seht ihr / schönstes volck / wodurch ihr schön zu nennen /
Werdt ihr ins künfftige mir besser nachricht gönnen /
Soll meine feder euch zum dienst seyn angewand /
Wenn ihr dieselbe führt mit eurer schönen hand.
(Theil 2 S. 64-67)
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Die verrathene liebe

Ich muß Eudoxe dir / und Creon / doch entdecken /
Wie ich euch gestern sah verbotne speise schmecken:
Denn da ihr beyderseits ganz sicher dacht zu seyn /
So guckt ich unverhofft zum schlüsselloch hinein.
Doch weil ich schweigen kan / so soll kein mensch nicht wissen /
Daß ihr euch offters so pflegt ingeheim zu küssen.
Nur dieses rath ich euch / und bitte / folgt mir doch;
Wolt ihr noch weiter thun / verstopfft das schlüssel-loch.
(Theil 2 S. 303)
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An seine augen

Ihr augen / seht forthin nicht Lisimenen an.
Ihr augen / die ich euch mir nur zur marter trage /
Ich schwere / daß ich euch bey Cypris thron verklage /
So euer blitz mich nicht erretten kan /
Ihr habet alzuviel mir itzt schon angethan /
Ihr augen / daß ichs euch aus grund des herzens sage /
Ihr schaft mir wenig lust / nur lauter angst und plage.
Ich trete nur durch euch auf diese marter-bahn.
Wie ist es / kan ich euch ihr augen nicht bezwingen?
Ach nein! ich kan nicht mehr / hemt ich gleich euren blitz /
Es würde Lisimen sich dennoch in euch dringen /
Wo sie nicht allbereit schon in dem herzen sitzt.
Rächt / rächt ihr augen euch / kan sie sich in euch spielen /
So lasset Lisimen auch gleiche schmerzen fühlen.
(Theil 2 S. 18)
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1.
Mein herze brennt in heisser glut /
Und wirfft die flammen dennoch nicht empor /
Ich weiß nicht / wie mir ist zu muth /
Mein seuffzen bring ich nur mit schmerzen vor;
Der augen naß / so häuffig kommt gerannt /
Entzündet mehr / als löschet / meinen brandt.

2.
Den krancken ist zu helffen leicht /
Wenn er die schmerzen nur dem arzt bekennt /
Eh ihm das gifft zum herzen steigt /
Und eh die seele sich vom leibe trennt;
Ich aber sterbe lieber tausend mahl /
Eh daß ich solt eröffnen meine qual.

3.
Ich liebe gleichwohl meinen todt
Und halte viel vom ursprung meiner pein;
Die / so mich hat gebracht in noth /
Die laß ich mir doch nicht zu wider seyn.
Lebt in der welt ein unvergnügter sinn /
Fürwahr so weiß ich / daß ich solcher bin.

4.
Es saget zwar der weisen zunfft:
Man soll die lust was enge spannen ein /
Damit die herrschafft der vernunfft
Dem herzen möge vorbehalten seyn;
Ich fühle doch / so fern es einer fühlt /
Daß liebe nur tyrannisch meister spielt.

5.
Ihr freunde habet gute nacht /
Hinfüro lieb ich nur die einsamkeit /
Ach! ach! wer hätte diß gedacht /
Daß aus der lust entspringe herzenleid?
Ich liebe zwar / so fern es lieben heist /
Wenn einer irrt ohn herze / seel und geist.
(Theil 2 S. 353-354)
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Der verstellte liebhaber

1.
Mein kind / laß uns fein heimlich lieben /
Nicht wie es sonst pflegt zu geschehn;
Wir müssen unsre lust verschieben /
So offt es andre leute sehn;
Wir müssen uns ein wenig drücken
Und lernen in die leute schicken.

2.
Wir wollen so zusammen halten /
Daß niemand uns verrathen kan;
Wenn du mich siehst die hände falten /
So bet ich deine schönheit an;
Wenn meine arme sich bewegen /
So wünsch ich dich herein zu legen.

3.
Schlag' ich die augen in die höhe /
So gehn die seuffzer über sich;
Und wenn ich für mich niedersehe /
So grüßet mein gehorsam dich.
Merck / wenn ich an die lippen rühre /
Daß durch die lufft ich küsse führe.

4.
Wenn ich mit meinen fingern spiele /
So drück ich gleichsam deine hand;
Und wenn ich an die stirne fühle /
Bedeut es heimlichen verstand /
Ja jede stellung für den leuten
Muß etwas sonderlichs bedeuten.

5.
Kein mensch soll mercken was ich mache /
Und wie es um uns beyde steh' /
Ich gehe traurig wenn ich lache /
Und lache wenn ich traurig geh':
Aus mir kan keinem was erhellen /
Ich kan mich stellen und verstellen.

6.
Wir beyde reden ohne zungen /
Vernehmen uns auch ohngefehr;
Wirstu zu tadeln mich gezwungen /
Halt ich es doch für eine ehr;
Du wirst es auch nicht übel nehmen /
Wenn ich aus noth dich muß beschämen.

7.
Hörst du mich / oder ich dich / nennen /
Wird keine röth uns abgejagt;
Wir thun als wenn wir uns nicht kennen /
Und wissen nicht was jener sagt:
Verirt man uns / so braucht man lügen
Sich mit der warheit zu begnügen.

8.
Nun dieses wollen wir so treiben
Und uns so lieben unvermerckt /
Und immer bey dem läugnen bleiben /
Biß unsre blödigkeit sich stärckt;
Das aber kan so offt geschehen /
So offt wir uns alleine sehen.

9.
Verschwiegenheit in liebes-sachen
Ist eine recht bewährte kunst.
Wir wollens fein behutsam machen
Und ganz nicht äussern unsre brunst.
Ist ein verliebter nur verschwiegen /
Kan er die klügsten auch betriegen.
(Theil 2 S. 303-305)
_____



1.
Soll Doris ich den stets in banden gehn /
Soll scherz und schmerz stets an der spitze stehn /
Soll seel und mund so hart gekräncket seyn /
So fällt gewiß der liebe grundstein ein.

2.
Entbinde mich durch deiner schönheit macht /
Und sprich mich frey von dieser trüben nacht:
Denn wo dein aug nicht pol und leitstern ist /
So hat mein mast den schiffbruch schon erkist.

3.
Dein mund der ist ein nachen von rubin /
Der meiner seelen schiff kan an sich ziehn /
Die muscheln / so der hafen in sich trägt /
Hat die natur mit perlen angelegt.

4.
Allein mir ist mein mund durch dich verhüllt /
Der zucker / der auß deinen lippen quillt /
Muß ein vergälltes gifft vor arzney seyn /
So stürzt man mich ins todten-hauß hinein.

5.
Drum schönstes kind / entbinde mich von mir /
Und nimm / als unterthan / mich ganz zu dir:
Ein sclave / den der ketten klang bewegt /
Trägt durch gedult viel leichter was er trägt.
(Theil 2 S. 347-348)
_____



1.
Warumb betrübstu mich / der dich so herzlich liebet /
Und so viel seuffzer dir zum treuen opffer giebet?
Ich dacht / es zeigte licht in deinen augen sich /
Itzt find' ich flecken drein / warum betrübstu mich?

2.
Die vormahls treue hand / die ich so offt gedrücket /
Befind ich nicht mehr treu / sie hat mich nur berücket;
Auch frembden fingern ist ihr kützel schon bekandt /
Sie drückt mich nicht allein die vormahls treue hand.

3.
Die schöne liljen-brust voll lieblicher narcissen /
Mit rosen auffgespitzt / die ich nur pflag zu küssen /
Hegt frembde lippen nun auch blumen süsser lust /
Warum ist sie so falsch die schöne liljen-brust?

4.
Die quelle meiner lust / ob sie noch rein verschlossen /
Und nicht auch frembde saat mit ihrem thau begossen?
O nein! verstreustu schon die liljen deiner brust /
Bleibt auch die schooß nicht rein / die quelle meiner lust.

5.
Der mund ist etwas treu; doch wills nur also scheinen /
Indem er kräfftig denckt die fehler zu verneinen;
Doch nein / ich glaub es nicht / bring mir nicht unschuld bey /
Aug / hand / brust / schooß sind falsch / der mund ist etwas treu.

6.
Mein herz bezwinge dich / dasselbe zu verlasen /
Was du so herzlich liebst / die untreu muß man hassen.
Krönt dich / Melinde / nur dergleichen treu / wie mich /
Ich ließ dich nimmermehr; mein herz bezwinge dich.
(Theil 2 S. 83-84)
_____



Auff die schwarze augen der Marilis

1.
Was ist das schwarze doch / mein kind /
Das sich in deinen augen findt?
Sag / ob ich irre / wann mich düncket /
Daß dir das ferne Morenland
So schwarze farben zugesandt /
Mit welchen du dein aug geschmincket.

2.
Der schönen augen schwarze pracht
Entwirfft das bild der mitternacht /
Die solch unsichtbar eisen nehret;
Zu dem sich stetig der magnet
Verliebter welt und seelen dreht /
Und gleichsam wie gezwungen kehret.

3.
Wie aber wird mir umb das herz?
Bey diesen augen ist kein scherz /
Ich sehe dunckle wolcken blitzen /
Ich sehe sonnen in der nacht
Und spüre / daß mit aller macht
Auch ausgelöschte kohlen hitzen.

4.
O schwarzes aug / so alles brennt!
O nacht / die selbst die sonne blendt!
O finsterniß bey stetem lichte!
O licht bey dicker finsterniß!
Wo bleib ich / meine Marilis /
Forthin vor deinem angesichte?
(Theil 2 S. 61)
_____



An die Magdalis / sie möchte sich küssen lassen

1.
Wilst du mir Magdalis /
Princessin meiner sinnen /
Der schönheit göldnes fließ /
Ein küßgen nicht vergönnen?
Ein kuß ist ambrosiner-safft /
Der nichts als nur vergnügen schafft.

2.
Scheu dich o göttin nicht
Im küssen dich zu üben /
Weil selbst der sterne licht
Sich übet in dem lieben /
Man schaut sie paar bey paaren stehn /
Die sonne mit dem monden gehn.

3.
Es will ein schlechtes blat
Sich in das andre schlüssen /
Und was kein leben hat /
Das übt sich doch im küssen:
Die einsamkeit ist seine pein /
Und kan allein vergnügt nicht seyn.

4.
Man sieht / wie nach und nach
Ein fluß das ufer küsset /
Wenn seine silber-bach
Mit sanfftem rauschen flüsset /
Und das smaragden-gleiche graß
Bleibt offt vons thauens küssen naß

5.
Nichts ward zur straff gesetzt /
Als küssende umschlossen
Zwey götter dort ein netz;
Man lachte nur der possen /
Daß ein verkrümmter alt Vulcan
Nicht so wie Mavors küssen kan.

6.
Der liebe altes recht
Befiehlt den mund zu küssen /
Es will kurz / rund und schlecht /
Wer küsse will geniessen
Daß er auff einen zucker-kuß
Candirte küsse setzen muß.

7.
Es ist die beste kost
Wenn mund am munde klebet /
Ein kuß setzt keinen rost /
Wer küssen widerstrebet /
Der kennt kein rechtes herz-confect /
Das liebenden am besten schmeckt.

8.
Gedencke / das corall /
Das deine lippen heget /
Ist göldenes metall /
Auff das man küssend präget
Der lieblichkeit ihr ebenbild /
Das nur aus deinem marmel quillt.

9.
Drum straffe / schönste / nicht /
Daß ich zu offte küsse /
Nur glaube / o mein licht!
Daß ich davor schon büsse /
Es ist seit ich dich nicht gesehn /
Um mich und meinen kuß geschehn.
(Theil 2 S. 97-99)
_____



1.
Worzu hat mich der himmel doch ersehn?
Muß denn mein herz ganz nur in banden stehen?
Ach freylich ja / es ist um mich geschehn!
Ich soll hinfort der freyheit müßig gehen.
Du hast mich dir / o liebliche Belinde /
Zum sclaven ganz durch einen blick gemacht /
So daß ich mich ganz ausser mir befinde.
Wie weit hat mich die liebe doch gebracht!

2.
Euch bet ich an / ihr feuer-reichen augen /
Die ihr mich habt in volle glut gesetzt /
Aus euch muß man die liebe in sich saugen /
So bald man sich an eurem glanz ergetzt;
Es muß euch selbst der schönste demant weichen /
Sein blitz wird nie gleich eurem strahle gehn;
Belinde ist dem himmel zu vergleichen /
Dieweil an ihr so schöne sterne stehn.

3.
Erzürne nicht / du sonne meiner seelen /
Daß sich so weit mein mattes herze wagt /
Indem es dir mit zittern und mit quälen
Demüthigst ietzt sein bittres leiden klagt.
Die anmuth / so auf deinen wangen spielet /
Hat selbiges verfesselt und verstrickt /
Und weil es nichts als lauter feuer fühlet /
So will es auch durch feuer seyn erquickt.

4.
Hier liege ich zu deinen zarten füssen /
Nim schönste mich zu deinem diener an;
Ich suche nichts als deine hand zu küssen /
Die stets so sehr die herzen fesseln kan:
Das meinige sey dir hiemit ergeben /
Verschmäh es nicht / es rührts ein keuscher trieb;
Es wünscht bey dir in diensten stets zu leben /
Denn du bist mir mehr als mein leben lieb.
(Theil 2 S. 354-355)
_____



Wie sie die schwanen auf dem
wasser an sich lockte

Als Venus neulich war zum himmel aufgeflogen /
Weil frost und strenge lufft sich hier auf erden fand /
Und sich in schneller eil der kalten welt entzogen /
Doch ehstens hier zu seyn in frischer hoffnung stand;
So ließ sie noch zuvor die schwanen für sich kommen /
Die sonst der Venus volck und liebes-boten seyn /
Und die sie anfangs bald zu diensten angenommen /
Als diese göttin erst sich fand auf erden ein.
Sie sprach: Mein werthes volck / ihr meine hof-trabanten /
Die ihr mir jederzeit bisher getreu gewest /
Und als der buhlerey geheimste abgesandten /
Euch fleißig eingestellt bey meinem opfer-fest /
Ihr zeugen meiner lust / ich muß itzt von euch scheiden /
Die rauhe winters-zeit verjagt mich aus der welt /
Ich muß / ob wolt ich nicht / euch eine zeitlang meiden /
Und dort im himmel seyn den göttern beygestellt.
Doch hof ich auch zugleich in kurzem euch zu schauen /
Zieht ihr indessen hin / gebrauchet euch der zeit /
Lebt wohl in süsser lust und lieblichem vertrauen /
Biß meine gegenwart euch wiederum erfreut.
Hiemit so hat sie sich bald in die lufft geschwungen /
Und ließ dies weiße volck bestürzt und traurig stehn /
Der schmerz kam hauffen-weiß auf sie herzugedrungen /
Es schien / sie solten fast in noth und angst vergehn.
Sie zitterten vor furcht und bebeten vor schrecken /
Sie schwommen in der irr ganz einsam und betrübt.
Und hat die bange zeit / so alles wil beflecken /
Die gröste grausamkeit an ihnen ausgeübt.
Doch gestern weiß ich nicht / wies das verhängnüs schickte /
Diß aber weis ich wohl / es kam von ohngefehr /
Daß diese schwanen-volck / Melinde / dich erblickte /
Als es noch voller schmerz so irret hin und her.
Wie häufig kamen sie nicht auf dich zugedrungen /
Der meinung: Venus sey nun wieder auf der welt /
Sie habe wiederum sich himmelab geschwungen /
Und sich in deine zierd und schönste pracht verstellt.
Sie sahen auch das feur in deinen augen blitzen /
Das Venus nur allein in ihren sonnen trägt /
Und das durch einen blick kan seel und geist erhitzen /
Wann dieser wunderzeug die heissen kräffte regt.
Den purpur / den sie sonst auff Venus mund gefunden /
Der zarten wangen pracht und süße lieblichkeit /
Diß alles sahen sie bey dir noch unverschwunden /
Und in dem höchsten glanz vollkommen ausgestreut.
Was wunder wann sie denn vor Venus dich erkanten /
Und deinen bloßen winck in stiller furcht verehrt /
Daß sie / der Venus volck und treuste abgesandten /
Zu dir / als herrscherin sich alsobald gekehrt?
Melinde / glaube dem / der dich noch nie belogen /
Es hat dich die natur recht himmlisch ausgeziert /
Kein wunder / wann du nun die schwanen hast betrogen /
Ich selber bin von dir auch in das garn geführt.
Drum gönne / daß ich dich darf meine Venus nennen /
Und weil du schon mein herz hast einmal angezündt /
So laß mich ferner noch in diesem feuer brennen /
Das seine nahrung blos in deinen augen findt.
(Theil 3 S. 6-8)
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Bey übersendung einiger Confituren

Hier will dein armer knecht ein schlechtes opffer schicken /
Der selbst auf deinem mund ein opffer wünscht zu seyn.
Bestrahlstu dieses pfand mit gunst geneigten blicken /
So wird der himmel selbst mein herz mit lust bestreun.
Nim es in gnaden an diß kleine demuths zeichen /
Das zwar vor deinen mund / mein licht / gewidmet ist:
Doch mag kein zucker nicht dem süssen nectar gleichen /
Der wie ein honig-thau auf deinen lippen fliest;
Kein Amber kan so sehr den matten geist erquicken /
Als wohl von deinem mund ein heiß entzündter kuß;
Wann wird der himmel doch einst deinen knecht beglücken /
Daß er auch schmecken darff den süssen überfluß?
(Theil 3 S. 21)
_____


Frauen gräfin von Br.*** lied an hn. Baron No.***

1.
Ja so ists / ich wil nicht lieben /
Und auch nicht geliebet seyn /
Lieben bringet nur betrüben /
Und an statt der liebe / pein /
Ich will stets in freyheit leben /
Und auch keinen binden nicht /
Keinem wil ich mich ergeben /
Keinen ich mir nie verpflicht.

2.
Was sol ich mich binden lassen /
Wenn ich kan in freyheit stehn /
Nein ich werde eh verblassen /
Als in solche netze gehn /
Die zwar aussen süsse scheinen /
Innen voller wermut seyn /
Einmal lachen / dreymal weinen.
Weg mit Liebe / du bringst pein.

3.
Dieser vorsatz mus stets blühen /
Und bey mir sich ändern nicht /
Keiner darf sich nicht bemühen /
Denn ich hab mich schon verpflicht /
Treues seuftzen / treues klagen /
Soll nicht ändern meinen sinn /
Drum wil ichs zur nachricht sagen /
Daß ich unerbitlich bin.
(Theil 3 S. 22)
_____



Antwort des herrn Barons

1.
So wil / schönste / sie nicht lieben /
Und auch nicht geliebet seyn /
Lieben bringet kein betrüben /
Sondern höchste lust vor pein:
Wil sie stets in fesseln schweben /
Ihre sclaven retten nicht /
Soll ihr tugend-volles leben
Seyn der einsamkeit verpflicht?

2.
Wil sie Cypris rosen hassen /
Und auf solchen disteln stehn.
Wil sie lebendig verblassen /
Nicht in Amors netze gehn /
Die zwar aussen bitter scheinen /
Innen voller zucker seyn /
Allzeit lachen / keinmahl weinen /
Kom o lieb / du bringst nicht pein!

3.
Drum wird nicht ihr vorsatz blühen /
Weil der nebel fleucht vorm licht /
Venus selbst wird sich bemühen /
Und sie bringen zu der pflicht /
Treues seuffzen / treues klagen /
Wird doch ändern ihren sinn /
Bis sie endlich doch wird sagen:
Strenge einsamkeit fahr hin.
(Theil 3 S. 23)
_____



Er entsaget ihrer liebe

1.
Schaff endlich deiner lieb und deinem rasen rath;
Laß diesen fremden gast nicht lange bey dir liegen /
Du siehst wie Marmorill ist listig zu betrügen /
Und daß ihr mund den scherz zu einem bürger hat.
Verwundre nicht den stern von ihrer süssen gnad /
Es ist ein irrwisch-licht / das in die lufft wird fliegen /
Ein hochbeherzter muth muß solchen tand besiegen /
Der tugend von sich stöst und liebet missethat.
Du als ein freyer sinn wilst dich so knechtisch schmiegen.
Vor der / die geilheit pfropfft / und eine unglücks-saat
Dem herzen einverleibt. Wer ist je hoch gestiegen?
Der liebe / wein und weib zu seinem beystand bat.
Laß das verhängnis dir nach seinem willen fügen /
Und folge wie du solst der edlen tugend pfad.

2.
Sol denn ein hulder kuß dein einger nordstern seyn
Wornach der brunst compaß mit allem fleiß will springen?
Soll er dein wohlfahrts-schiff in sichern hafen bringen?
Nein / nein du irrest weit / das bilde dir nicht ein /
Halt flack und seegel auf / es ist ein irrlichts-schein.
Gedencke / daß es auch pflegt andern zu gelingen /
Daß sie umb ihren hals die warmen armen schwingen /
Und küssen in der brunst ihr klares helffen-bein.
Und ob dein schwaches herz zwar glimt von solchen dingen /
Die in der flamm und glut vermehren deine pein /
So lescht sie doch ihr schnee und kalter kieselstein /
Indem ein frembder wird dein himmel-brodt verschlingen /
Und saugen von dem mund den süssen götter-wein /
Weil das / was du geneust / auch andern ist gemein.
(Theil 3 S. 29)
_____



Als sie sich vor dem blitz entsetzte
Sonnet

Dein auge / das nur steckt voll list und voll gefahr /
Das mit geschwinder glut mein dürres herz bezwinget /
Und ohne rettung mich fast zur verzweiflung bringet /
Lacht meiner doch darzu ganz frey und offenbar.
Ach? aber nim bey dir es selber einmahl wahr /
Wann blitz und heißes feur dir ins gesichte dringet /
Ob du nicht wirst mit angst und bleicher furcht umbringet /
Und deine sicherheit bald suchest hier / bald dar;
So wisse dann vielmehr / daß ich noch schwerer leid /
Und daß der blitz / der dir aus schwarzen wolcken dräut /
Nur sey ein blosses nichts / das in der lufft verschwindet;
Hingegen dieser / der aus deinen augen fährt /
Ist ein durchdringend feur / das marck und blut verzehrt /
Und durch verborgne krafft die Seele selbst entzündet.
(Theil 3 S. 30)
_____



An die sternen

Ihr bürger stiller nacht / ihr kinder voller flammen /
Ihr brüder reiner glut / ihr leichtes himmels-heer /
Die ihr voll licht und glanz / von finsternis seyd leer /
Ihr sterne / die ihr hier als freunde kommt zusammen /
Jetzt da die mattigkeit die glieder will durchkriechen /
Und da ein sanffter schlaff die sinnen überschlichen /
Was weist ihr doch umbsonst jetzt euer reines licht
Und lasset euer aug an goldnen fenstern sehen /
Ambrette wird gewiß euch eine nase drehen /
Verkricht euch wieder nur; ihr schaut sie heute nicht.
(Theil 3 S. 52)
_____



Als er nebst einem freunde im grüssen
vor ihr geglitten war

Du kennst noch / werther freund / das liebens-werthe kind /
Das kind / dem iedes glied von anmuths-rosen blühet /
Vor dem wir ehemahls so offt geglitten sind /
So offt wir es im gehn zu grüssen uns bemühet:
Diß hat / mein herzens-freund / uns deutlich kund gethan /
Der männer falle sey das frauen-volck zu nennen.
Denn weil ihr gruß so weit zum gleiten dienen kan /
Wie muß man nahe nicht von küssen fallen können?
(Theil 3 S. 52)
_____



Als er seine flammen ihr deutlicher
zu verstehen gab

Mein engel / scheu dich nicht diß blat hier zu berühren /
Das nichts als feur und glut in seinen zeilen trägt /
Du wirst den heissen brand im ersten angriff spühren /
Der jetzt mein mattes herz mit tausend funcken regt.
Jedwede zeile raucht noch von erhitzten flammen /
Ja selbst die dinte ist mein schwarz gebrandtes blut /
Es will der himmel mich zu einem feur verdammen /
Das ohne deine gunst verzehret geist und blut.
Nicht frage was mich brennt / dein aug' hat mich entzündet /
Dein heisser strahl hat mich fast auß mir selbst gesetzt.
Wenn glut und feuer sich mit deinem glanz verbindet /
Wie kan es anders seyn? die seele wird verletzt.
Ich sahe dein gesicht wie tausend sonnen blitzen /
Als ich mein schwaches aug auf deinen himmel wandt /
Ach aber auch ein blick kont meine brust erhitzen /
Den du mir ohngefehr von weiten zugesand.
Wer könte dazumahl des himmels macht entkommen?
Denn / als ich nur vermeint ein irrdisch aug zu schaun /
Da bin ich ohnversehens von sonnen selbst entglommen /
Die ietzt ihr sieges-hauß in meiner seelen baun.
Wie sehr ich auch gesucht diß feuer zu verdecken /
So bricht es endlich doch mit vollen flammen aus /
Es läst die liebe nicht so leichtlich sich verstecken /
Sie wirfft die funcken auch biß zu der sternen hauß:
Ich bin kein Aetna nicht / der seine glut verschliesset /
Noch kein Vesuvius der sie mit schnee bestreut /
Ich bin kein Hecla nicht der sie mit eyß begiesset /
Mein zunder-reiches blut ist selbst zum feur geweyht.
Die liebe läßt mich nicht bey dieser zeit verfrieren /
Ich mercke wie sie stets legt frische kohlen an /
Und darff ich einen blick von deinen sonnen spüren /
So fühl ich / was ihr brand in meiner seelen kan.
Verzeihe / schönstes licht / was meine feder schreibet /
Die flamme / die mich quält / leid kein verstellen nicht:
Die liebe ists allein / die meine geister treibet
Und macht / daß diese glut aus meiner seelen bricht.
Ich sag es öffentlich: dein aug hat mich verletzet /
Es hat mir eingeflöst den süssen liebes-gifft /
Der meinen matten geist in heisse funcken setzet /
Ja durch und durch mein blut in allen adern trifft.
Wann glut und flammen nun des feuers ursprung zeigen /
So lenckt man sein geschrey auff hülff und rettung hin /
Wie kan ich armer dann dir meine noth verschweigen /
Die ich zu hemmen selbst fürwahr nicht mächtig bin.
Aus deinen augen quillt mein todt und auch mein leben /
Du hast es beydes nun / mein licht / in deiner macht /
Dein auge stürzet mich / es kan mich auch erheben /
Es gibt mir freuden-schein und düstre schmerzen-nacht.
Ergreiffe was du wilt / ich nehm es an vor liebe /
Erhalt ich deine gunst / so bin ich höchst vergnügt /
Rührt aber auch mein todt aus deines herzens triebe /
So hastu doch im grab auch über mich gesiegt.
(Theil 3 S. 53-54)
_____


Uber die unempfindlichkeit

1.
Bemüht euch immer / wie ihr wollt
Viel tausend seelen zu besiegen /
Schmückt euch mit muscheln und mit gold /
Und laßt die blunten haare fliegen;
Diß / was mich inniglich erfreut /
Das ist die unempfindlichkeit.

2.
Bedient euch aller klugen list /
Und sucht hervor die schlimmsten stücke /
Mein geist / der unbeweglich ist /
Der achtet keiner liebes-blicke;
Diß was ihn inniglich erfreut /
Das ist die unempfindligkeit.

3.
Sucht eure schönheit / die euch ziert /
Mit vielem zusatz zu vermehren /
Mein herz wird dennoch nicht gerührt /
Ihr könnt es warlich nicht bethören /
Denn dieses / was mich höchst erfreut /
Das ist die unempfindligkeit.

4.
Sagt viel von der gewissen gunst /
Womit ihr euren knecht gewogen /
Ich achte doch nicht solchen dunst /
Die worte haben offt betrogen.
Wohl dem / der sich mit mir erfreut /
Und lobt die unempfindligkeit.
(Theil 3 S. 69)
_____


Antwort darauff

1.
Geht immerhin ihr rauhen seelen /
Die ihr kein zartes lieben acht /
Geht in die abgelegnen hölen /
Und liebt die einsamkeit der nacht /
Die stets mit neuen schrecken dräut /
Ich lobe die empfindligkeit

2.
Ihr haßt die angenehmen blicke /
Die ein getreues herze giebt /
Und haltet das vor eine tücke /
Wenn iemand euer schmeicheln liebt:
Allein ich schick mich in die zeit /
Und lobe die empfindligkeit.

3.
Ihr mögt in einer wüsten leben /
Wo nichts als harte steine sind /
Ich aber will die gunst erheben /
Die man bey schönen seelen findt.
Bey euch ist nur verdrus und streit.
Ich lobe die empfindligkeit.

4.
Ich seh die englischen gesichter
Mit lieb' und ehrerbietung an /
Dieweil der strahl holdseel'ger lichter
Mir herz und augen fesseln kan.
Ein kuß versüsset alles leid /
Drumb lob ich die empfindligkeit.
(Theil 3 S. 70-71)
_____



Wiederkunfft

1.
Ach welch ungemeines glücke
Strahlet mich von neuem an /
Daß ich die getreuen blicke
Meiner schönen sehen kan.
O du längstgewünschte stunde
Und du angenehmer tag /
Dem ich mit gerechtem grunde
Preiß und lob ertheilen mag.

2.
Komm Lenore / komm mein leben /
Weil der himmel uns geneigt /
Laß uns in vergnügung schweben /
Die aus reinem herzen steigt.
Sieh! die zeiten sind vergangen /
Unser kummer wird gestillt /
Und das sehnliche verlangen
Wird von unsrer lust erfüllt.

3.
Laß mich nun die frucht genüssen /
So die liebe mir verspricht /
Laß mich mund und augen küssen /
Weig're mir nur solches nicht;
Ist mir doch in frembden landen /
Wo ich dich nicht konte sehn /
Von den schweren liebes-banden
Tausendfaches leid geschehn.

4.
Traue dem / was ich dir sage /
Und bediene dich der zeit /
Es gehöret auf die klage
Tröstung und zufriedenheit.
Such' uns beyde zu vergnügen /
Weil wir itzo ganz allein /
Denn die liebe wil verschwiegen
Und doch auch getrieben seyn.
(Theil 3 S. 72-73)
_____



Als sie verreisete

1.
Fliehstu / Sonne! nun von hinnen /
Und entziehst mir deinen schein?
Ach! was soll ich itzt beginnen /
Da ich ohne dich mus seyn?
Wohin soll ich mich doch wenden /
Denn du giebst den letzten blick:
Seh' ich doch an allen enden
Nichts als lauter ungelück.

2.
Ach mit was vor falschem grunde
Läst der himmel diß geschehn /
Daß ich die betrübte stunde
Deines abschieds müssen sehn.
Ach wie grausam sind die sterne /
Die sich nur darauf bemühn /
Daß mein leben in die ferne
Muß aus meinen augen ziehn.

3.
Weint demnach ihr augenlieder /
Weint und hemmt die thränen nicht /
Denn die sonne gehet nieder
Und entzieht mir alles licht.
Nur ein blutiger comete
Bleibt am firmamente stehn /
Und mein lieblicher planete
Muß in böse zeichen gehn.

4.
Nunmehr bin ich ganz verlassen /
Und in höchstem grad betrübt:
Wer kan alle seufzer fassen /
Die das herze von sich giebt?
Angst und ungemeines leiden
Halten meinen geist bestrickt /
Weil ich das seh von mir scheiden /
Das mir seel' und brust erquickt.

5.
Alle lust wird mir vergället /
Und ich achte keinen scherz /
Wer sich frölich bey mir stellet /
Der vermehret meinen schmerz.
Ich mag nichts von freude wissen /
Denn ich bin voll herzeleid /
Thränen will ich nur vergiessen
Zu verkürzung meiner zeit.

6.
Ist nun iemand von den meinen /
Der mir trost ertheilen mag /
Ach so helfft mir alle weinen /
Uber diesen unglücks-tag.
Aber du nimm / o mein leben /
(Weil ich sonst nichts lieffern kan /)
Thränen / so ich dir gegeben /
Als mein letztes opffer an.
(Theil 3 S. 75-76)
_____

aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)



 

siehe auch Teil 1 Teil 3 und Teil 4


 

 


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