Emanuel von Bodman (1874-1946) - Liebesgedichte



Emanuel von Bodman
(1874-1946)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Zwiespalt

Ich mag die Lippen nimmer küssen,
Die andern deine Leiden klagten
Und Heimlichkeiten weitersagten -
Du hättest mir nur beichten müssen.
Nachts schreit nach dir mein Herz.

Ich mag nicht mehr in Augen sehen,
Die fremdem Blick nicht widerstanden
Und andere wie mich empfanden -
Ich müßte ja vor Scham vergehen.
Nachts schreit nach dir mein Herz.

Dich mag als Weib ich nimmer lieben.
Meine Mutter ist mir früh gestorben,
Dich hab als Mutter ich umworben.
Ich war dein Kind und bin's geblieben.
Nachts schreit nach dir mein Herz.
(Band 2 S. 49-50)
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Dein Bild

Du warst mein Herzensbildnis
Und hast mir oft die Welt
Mit lauter Morgensonne
Wie eine Flurmadonne
Aus deinem Blick erhellt.

Zerrissen und zersprungen
Ist mir dein Angesicht.
O wärst du doch gestorben
Anstatt am Weg verdorben -
Ich steckte dir ein Licht.

Nur manchmal, unvermittelt,
Erscheint dein erstes Bild
Mir wieder auf dem Grunde,
Das Lächeln noch am Munde
Aus Edens Taugefild.
(Band 2 S. 50)
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Mein Kuss

Die mein Mund geküßt, muß vergehen,
Darf in meinem Innern auferstehen,
Wie kein Spiegel sie ihr zeigte: mild
Wie ein wundertätiges, süßes Bild.

Die mein Mund geküßt, kann nie vergessen,
Was für Lust sie auch nach mir besessen:
Küßt ich doch in ihr die Eine tief,
Die aus ihrem Mädchenschlummer rief.

Die mein Mund geküßt, muß sich sehnen,
Nie erfüllt nach mir die Hände dehnen,
Sucht sie sich doch, wie sie ewig war,
Rein auf meines Herzens Hochaltar.
(Band 2 S. 51)
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Stimme in der Not

Vereinsamt steh ich in der Welt,
Mein Herz ist leer.
Mein Menschenglaube liegt zerschellt.
Hab niemand mehr.

Ich möchte wie ein Kind so schwach
Zu Gott hinfliehn.
Allein sein Himmelszelt zerbrach.
Wo ging er hin?

Wo bist du, der da Hilfe schafft?
"Ich bin in dir!
Vertraust du deiner tiefsten Kraft,
Vertraust du mir."
(Band 2 S. 51)
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Das Kind mit dem Schleier

Auf einmal blicken in mein Leben
Zwei neue Augen so vertraut,
Als könnten sie mir Antwort geben.
Hab ich sie nie im Wald geschaut?

Hab ich nicht einst vor vielen Jahren
Nach ihr die Hände ausgestreckt?
Von ihren wirren hellen Haaren
Rinnt eine Strähne, die mich weckt.

Und schwebt sie hin im Schleiertanze
Mit ihrem nackten Kinderfuß
Und ihrem ersten Primelkranze,
Kommt's über mich wie Frühlingsgruß.
(Band 2 S. 52)
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Vorgarten

Wachs, Mädchen, wachs!
Dein Haar ist wie von Flachs.
Dein Auge ist so himmelblau.
Bleib lange stehn im Morgentau!
Für Liebe und für Leid
Ist noch gar lange Zeit!
(Band 2 S. 52)
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Primeln

Als ich in meinem Frühling stand,
Hab ich nach dir verlangt,
Umsonst im leeren Hügelland
Nach solchem Mund gebangt.

Nun sprangst du her, du junges Blut,
Ganz wie ich damals war,
Und bringst scheu mit verhaltner Glut
Mir deine Primeln dar.

Ich küsse dir den roten Mund
Und horche wie zurück,
Und sieh, auf meinem Sommergrund
Blüht frühlinghaftes Glück.
(Band 2 S. 53)
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Der Kuss

Nun hab ich doch einmal im Leben
So blutfrommen Mund geküßt.
Wie hast du ihn mir gegeben,
Die älteste Qual mir versüßt!

Umrieselt von deinen Strähnen
Sahn wir dem Tod ins Gesicht.
Wir ahnten die seligen Tränen,
In denen die Sehnsucht bricht.
(Band 2 S. 53)
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Heimweh im neuen Glück

Du hast mein Herz so reich gemacht,
Du Kind, wie vor dir keine.
Was ist's, daß ich in dunkler Nacht
Tiefinnen dennoch weine?

Du streust mir roten Rosenbrand
In meine offnen Wunden.
Mein Herz kann nur in milder Hand,
Die in der Brust das Weh gekannt,
Von seinem Weh gesunden.
(Band 2 S. 54)
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Wirrsal

Du liebst mich tief. Ich kann nicht Wurzel fassen
In neuem Herzen. Meine Treue leidet:
Die ich so tief besaß, hat mich verlassen,
Und meine Heimat ist's, die mit ihr scheidet.

Ich treibe wie ein Bäumchen in den Winden,
Das Erde sucht, damit es wieder blühe,
Und kann den alten Boden nicht verwinden,
Darin ich Frucht gebracht in Lust und Mühe.

Auch muß ich, wenn mich deine Lippen küssen,
An sie und unsre lange Liebe denken
Und was wir jetzt inwendig leiden müssen,
Indes wir uns in andre Arme schenken.
(Band 2 S. 54)
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Die alte Liebe

Unter unsrer Liebe rinnt
Eine große Wunde.
Was mein Herz an Glück gewinnt
Dir an Herz und Munde,
Sinkt noch nicht, noch nicht hinab
Bis in seine Tiefe,
Wie wenn dort aus einem Grab
Andre Stimme riefe.
Tote Liebe, aufgewacht,
Lächelt wie in Reue,
Schickt mir Blicke Tag und Nacht
Wie zur Zeit der Treue.
(Band 2 S. 55)
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Trennung

Wir müssen auseinandergehn,
Du mit dem jungen Mund!
Ich kann mein ganzes Bild nicht sehn
Auf deinem frohen Grund.

Noch ist es Zeit, bevor die Glut
In deine Matte greift
Und allzufrüh das Blütenblut
Mit ihrem Atem streift.


Vielleicht, daß wir in tiefer Nacht
Stumm nach einander flehn.
Dann wirst du mir, vom Schlaf erwacht,
Reif gegenüberstehn!
(Band 2 S. 55)
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Zersplittert

O Weib, seitdem unsre Liebe zerbrach,
Muß ich von einer zur andern
Mit brennenden Lippen, im Herzen brach,
Verzweifelt und müde wandern.

Ich suche und suche das stumme Gesicht,
Wo ich gern ruhen bliebe,
Und zittre vor Angst, ich finde es nicht
Und liebe nur noch die Liebe.
(Band 2 S. 56)
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Inniger Wunsch

Ich suche ein Mädchen mit schlichtem Haar,
So innigem Wesen,
Wie jenes war,
Das ich einmal in dir gelesen.

Eins, das so lächelt, wie du in der Zeit
Unsrer ersten Liebe,
Als wir hofften, daß sie in Glück und Leid
Uns erhalten bliebe.

Eins, das so treu im Herzlein drin,
Wie ich dich einst im Anfang glaubte,
Bevor dein wandelbarer Sinn
Dich jäh mir raubte.

Ich möchte an einer klaren Brust
Ganz leise weinen.
Dann wird mir in der süßen Lust
Dein Bild nicht mehr erscheinen.
(Band 2 S. 56-57)
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Das ganz junge Mädchen

Was für ein Mädchen kommt die Straße?
Mir wird so wohl und wund.
Der trockneten die hellen Strähnen
Noch nicht die letzten Kindertränen.
Was hat sie Trotz um ihren Mund!

Du warst wohl nie so angewundert
Von einem fremden Mann.
Dein angstverwirrtes, scheues Flehen,
Indes wir uns vorübergehen,
Zeigt dir, was einst das Leben kann.

Du bist zu jung, daß seine Schläfe
Schon erste Röte kennt,
Vielleicht, wenn Jahre hingegangen,
Wirst du den Blick zurückverlangen,
Der jetzt auf deiner Wange brennt.
(Band 2 S. 57)
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Mädchen im Garten

Du stehst an deiner Gartenwand
Mit deinen starren Armen
Wie Bäume im gefrornen Land
Und möchtest auch erwarmen.

Mit Augen aufgerissen still
Horchst du im Weg, dem feuchten,
Ob bald die Sonne kommen will,
Auf dein Gesicht zu leuchten.
(Band 2 S. 58)
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Stimme

Du stehst noch vor dem Gartentor
Und rufst, was Liebe ist.
Ich neige deinem Klang mein Ohr
Und frag mich, wer du bist.

Ich hörte deine Stimme nur,
Ich sah nicht dein Gesicht;
Das staunt wohl in die wirre Flur,
Kennt Licht und Schatten nicht.

Ich werde wieder selbst so jung,
Als stünd ich vor dem Tor,
Als rief ich aus der Dämmerung
Mein Echo nur hervor.
(Band 2 S. 58)
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Traum

Heut kam zu mir im Traume
Ums Morgengraun
Die Liebste meiner Jugend,
Nach mir zu schaun.

Sie kam aus ihrem frühen
Grabhügelgrund,
Und was sie einst versagte,
Gab nun ihr Mund.

Dann nahm sie wieder Abschied
Mit schlanker Hand.
Ich konnt es lang nicht fassen,
Daß sie entschwand.
(Band 2 S. 59)
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Rute

Du bist so dünn wie eine Rute,
Die erste Knospen setzen will.
Du rennst und lachst im Übermute,
Dann stehst du wohl auf einmal still.

Dann, Mädchen, gleichst du einem Knaben,
Der in die grünen Wellen staunt,
Und möchtest Meer und Schätze haben;
Du horcht, was dir die Woge raunt.

Einst kommt der März, um dich zu biegen.
Du machst dich straff mit herbem Blut.
Du willst ihn peitschen - wirst dich schmiegen,
Wenn dir sein Kuß im Nacken ruht.
(Band 2 S. 59-60)
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Am Sturzbach

Am Sturzbach in der Dämmerung
Laß ich mich umbrausen, umrauschen,
Muß wieder wie früher, jung und jung,
Vertraute Zwiesprach tauschen.

Ich höre fernes sanftes Wort
Einer Frau, die ich lang besessen.
Sie ging aus meinem Leben fort
Und kann doch nie vergessen.
(Band 2 S. 60)
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Ahnung

Blasser steht mein Haus im Garten,
Dunkle Gräser horchen still,
Was sich in den kühlen, zarten
Lüften wohl begeben will.

Mädchen, kaum berührt vom Leben,
Schreiten durch die Dämmerung.
Ihre weißen Kleider beben,
Ihre Stimmen glühen jung.

Herz, auch du darfst wieder träumen
Nach so unruhvollem Lauf.
Hinter weißen Blütenbäumen
Steigt der runde Maimond auf.
(Band 2 S. 60-61)
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Schwüler Abend

Im dunklen Garten hinter dem hohen, feuchten
Gras und den Bäumen beginnt ein Wetterleuchten.

Süß rauschen die Wellen im See von heimlichen Wonnen,
Die sie dem leuchtenden Maitag abgewonnen.

Und auf der Straße zur Stadt saust grell das Leben.
Mein warmes Herz, was will sich mit dir begeben?
(Band 2 S. 61)
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Erwartung

In meiner ersten Jugendzeit,
Da glaubt ich an die Eine.
Auf meinem Munde lag der Wunsch:
Du bist es oder keine!

Ich suchte sie und fand sie nicht,
Und sie ist nicht gekommen.
Da hab ich eine, die ihr glich,
An meine Brust genommen.

Nun bin ich wieder ganz allein
Und blicke in den Garten,
Wo Mädchen, horchend aufgeblüht,
Auf ihren Morgen warten.

Und frage jetzt: bist du mir nah,
In der ich klar mich finde,
Daß ich dir einen weißen Kranz
Um deinen Scheitel winde?
(Band 2 S. 61-62)
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Sommernächte

1
Im hellen Garten rauscht Musik.
Abseits von all den Tischen
Laß ich mein trauriges Geschick
Von ihrem Klang erfrischen.

Die Rosen glühn beim Geigengruß
So stumm in ihren Beeten.
Weiß fällt das Licht, kaum wagt mein Fuß
Im Kiese aufzutreten.

Mein Blut will nach dem langen Leid
In meinen Adern kochen;
Und dort ist unter manchem Kleid
Die Sehnsucht aufgebrochen.


2
O schweige, mein erregtes Blut,
Und laß dein schwüles Klagen!
Ich will die bang verhaltne Glut
Mit starken Händen tragen,
Bis ich die große Liebe fand,
Die keine Lippen nennen.
Dann darf sie stumm in klarem Brand
Vor ihrem Antlitz brennen.
(Band 2 S. 62-63)
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Einsame Sehnsucht

Ich bin gemacht, den roten Wein
Der Liebe auf den Knien
Der glutvoll Keuschesten zu weihn,
Bis Schauer sie durchziehn -

Und muß nun in der kalten Nacht
Umsonst nach ihr vergehn,
Von Sehnsucht fiebernd angefacht,
Weil ich sie nie gesehn.

Doch will ich lieber einsam glühn,
Als meine klare Glut
In eine Seele wild versprühn,
Wo sie nicht ewig ruht.
(Band 2 S. 63)
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Gemeinsame Sehnsucht

Zur gleichen Stunde, wo mein Mund
Verglüht nach einer Unbekannten,
Die mir aus treuem Herzensgrund
Die Wünsche stillt, die so mich brannten -

Sitzt sie vielleicht im Bette auf,
In dem sich ihre Glieder winden,
Und läßt den Tränen ihren Lauf.
O werden wir einander finden?
(Band 2 S. 64)
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Maiabend

Ein Heer von Blütenkelchen hat
Sich süß ergossen in die Nacht,
Und hell und heller wird die Stadt,
Und jede Lampe steht entfacht.

Das kleinste Häuschen hat sein Licht,
Ein ganzes Reich von Möglichkeit.
Da träumt in manchem ein Gesicht
Zur treuen Liebe todbereit.

Ich möchte nicht in mir zerstückt
Von einer blind zur andern gehn,
Beglückend will ich und beglückt
In Einem Herzen alle sehn.
(Band 2 S. 64)
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In der Stadt

Da geht ein jeder am andern vorbei,
Und jeder sucht doch den andern,
Und mancher muß mit ersticktem Schrei
In der Brust seinen Lebtag wandern,

Bis er endlich einen Menschen schaut,
Der ihm aufstößt die innere Pforte,
Daß der Himmel in seine Tiefen blaut -
Wo inzwischen die Sehnsucht verdorrte.

Und das Leben ist reich, das uns da umfließt,
Und funkelt auf seinem Grunde
Für eins, das stumm ein andres umschließt
In liebgeweihtem Bunde.
(Band 2 S. 65)
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Das alte Tor

Was muß ich von Ort zu Ort
Mit meiner Sehnsucht wandern!
Wohin treibt's mich noch fort
Von einem Weg zum andern!

Ich brenne nach manchem Mund
Und mag noch keinen küssen.
Tiefinnen bin ich wund,
Hab Liebe lassen müssen.

Ich suche, was ich verlor,
Und kann's nicht wieder finden.
Ich stehe am alten Tor
Und klage mit allen Winden.
(Band 2 S. 65-66)
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Die grosse Liebe

Wenn die grosse Liebe
Deinem Leben naht,
Dann versinkt
Alles, was dich quälte,
Alles, was dich erfreute,
In ihrer milden Flut;
Nicht aber so,
Daß du deine Freuden vergessen mußt,
Sonst machte sie dich wohl arm:
Am stillen Mittag,
Wenn der Schaum auf der grünen Woge zerfließt,
Siehst du glasklar auf ihrem Grunde
Alle Rosen schwanken, die dich erquickten,
Alle Muscheln schimmern, die du gewannst;
Lippen, die du früher küßtest
Auf dem Wege zu ihr,
Sinnst du ohne Trauer nach.
Was je du erlebt, dein ganzes Leben
Ruht geborgen
Auf ihrem reinen Kieselgrund.
(Band 2 S. 66)
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Neue Liebe

Ich brauchte Jahr um Jahr, mit wunder Treue
Verratner Liebe einen Sarg zu schlagen.
Nun bin ich freier für die süße neue
Und kann mit ihr den Gang ins Leben wagen.

Nun mag ich einem Glück nicht länger wehren,
Dem ich in Träumen schon mich hingegeben.
Vergangenes darf nimmer mich beschweren.
Unschuldig wie der Frühling will ich schweben.

In heller Nacht nur muß ich heimverlangen,
Um mich an die verlorne Gruft zu schmiegen,
Und fühle, daß, wo neue Blumen prangen,
Verweste in der Erde drunten liegen.
(Band 2 S. 98)
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Primel

Ich horchte in den Schlaf hinein
Und hörte halb im Traume
Ein Stimmlein in der Ferne schrein:
"Such mich im Weltenraume!

Ich bin ja dein von Ewigkeit
Und wuchs nach deinem Kusse
Für dich in einsam banger Zeit
In meines Haares Flusse."

Da bin ich sicher unbewußt
Zu dir, mein Kind, gekommen
Und habe dich an meine Brust
Tief aufgelöst genommen.
(Band 2 S. 98-99)
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Der Stern

Nun stehst du wieder da
Wie einst, als ich dich sah.
Du bist das Kind nicht mehr,
Du bist von Liebe schwer.
Ich prüfte uns so lang,
Daß fast dein Herz zersprang.
Gib mir nun deine Hand,
Komm mit ins weite Land,
Sieh: dort am Himmelsrand
Ist uns ein Stern entbrannt!
Ist er dir noch bekannt?
(Band 2 S. 99)
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Festnacht

Rot blicken Blüten in die Nacht
Am Rand der hellen Terrasse.
Der Fluß stürzt herab, zum Strömen erwacht,
Und weckt die schlafende Gasse.

Vom Saale klingt in das Brausen Musik.
Ich hab dich ins Herz getroffen,
Ich fühl's aus deinem erschreckten Blick:
Du hältst mir sein Türlein offen.

Süß rauscht die Musik, wild schäumt der Fluß,
Solange die Wellen weben,
Sollst du aufblühen in meinem Kuß
Und sanft in ihm ersterben.
(Band 2 S. 99-100)
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Neuer Glaube

Laß mich meine Hände beide
Dir auf deinen Scheitel legen!
Angefühlt mit schwerem Leide
Schwillt mein Herz dir bang entgegen!

Nimm's in deine frommen Hände!
Hörst du's klopfen, wieder klopfen?
Daß sein Winter sich nun wende,
Laß darauf die Augen tropfen!

Blickst du auf so hingegeben,
Möcht ich beten, daß es bliebe.
Tränend kniet mein wundes Leben
Nocheinmal am Tor der Liebe.
(Band 2 S. 100)
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Trost

Es ist so viel Gehässigkeit
Auf dieser Welt, Neid, Bitterkeit.
Wer möchte nicht von hinnen gehn,
Wenn er ins Menschenherz gesehn!

Und dann, kaum daß man sich's versah,
Auf einmal steht die Liebe da.
Es legt sich leise Hand auf Hand.
Die Erde wird zum Wunderland.
(Band 2 S. 101)
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Geheimnis

Was du mir bist, das kann ich dir nicht sagen,
Verborgen funkelt es auf meinem Grund,
Und tritt ein Wort hervor, um es zu wagen,
Erstirbt es schon vor Scham auf meinem Mund.

Nur in der blauen Stunde, da die Worte
In nackter Schöne keusch wie Schweigen sind,
Öffn' ich dir einstens heimlich meine Pforte,
Dann flüstert's wie im Blütenmeer der Wind.
(Band 2 S. 101)
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Der Zweig

Mein scheues Mädchen, neige, neige
Den Scheitel tief,
Daß ich mit diesem herben Zweige,
Der knospend schlief
Und den ich reif vom Busch gebrochen,
Dich krönen kann!
Fühlst du dein Herz, dein junges, pochen?
O sieh mich an!
Wir wollen ihn fürs Leben hüten,
Bald wohl, bald wund.
Nun leuchtet unter Myrtenblüten
Dein roter Mund.
(Band 2 S. 101-102)
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Gefunden

Endlich ruht mein Mund auf einem Mund,
Der so rot und fromm küßt wie der meine,
Und es schauert mich bis den Grund,
Küßt mich warm in Gegenlust der deine!

Suchend mußt ich manche Lippen küssen,
Keine hat sie mir so tief gegeben.
Auf die deinen hab ich warten müssen,
Und in deinem Kusse strahlt mein Leben.

Drunten quillt im sonnentrunknen Land
Traub um Traube aus geschecktem Laube,
Und ich stille meinen stummen Brand
Dir am Munde wie an einer Traube.
(Band 2 S. 101-102)
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Die Liebe

Was ist's, daß wir uns auf den Mund
Aus tiefer Seele küssen
Und aneinander oft so wund
Am Herzen leiden müssen?

Und doch beseligt uns in Glut
Und Qual ein sichres Wissen.
Und was uns wohl und wehe tut,
Wir möchten's nimmer missen.
(Band 2 S. 102)
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Erquickung

Du brachtest mir aus Jugendauen
Den ersten, unberührten Tau
Und läßt mich ein Geheimnis schauen,
Süß, wie der Tau das Himmelsblau.

Wenn ich aus deinen Augen trinke,
Ist mir, als ob ich auf den Grund
Des Quellbachs in der Wiese sinke.
Ich bade mir den Leib gesund.

Und nehm ich selig unbefangen
Von deinem Kindermund den Kuß,
Löst sich mein zitterndes Verlangen,
Daß es in Liebe knien muß.
(Band 2 S. 103)
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Der Birkenbaum

Du schlanker, reiner Birkenbaum
Am Staubbedeckten Straßensaum
Fernab der lauten Stadt, wie oft
Erquicktest du mich unverhofft!

Du zarter Freund, mein weißer Baum,
Mir kam die Liebe wie ein Traum.
Noch weiß es keiner auf der Welt,
Ich trag's zu dir ans stille Feld.

Du glänztest mir in einem Leid,
Du flüstertest zum Trost bereit,
Nun sollst du auch mit leisem Wehn
Am Rande meines Glückes stehn.
(Band 2 S. 104)
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Der Garten der Liebe

Verborgen hinterm lauten Tag,
Da liegt ein Wundergarten,
Der in der Sonne enden mag,
Wo Rosen uns erwarten.

Berühre ich nur deine Hand,
Dann öffnen sich die Mauern,
Der Kampf, der draußen uns verband,
Löst sich in süßen Schauern.

Inmitten quillt im Sonnenschein
Ein Quell in blankem Schweigen.
Der schenkt uns, tauchen wir hinein,
Die Himmelskraft zu eigen!
(Band 2 S. 104-105)
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Am Südmeer

Vier windgestraffte Segel ziehn
Hinaus ins blaue Meer.
Einst fragt' ich wohl: "Wo ziehn wir hin?"
Von banger Hoffnung schwer?

Einst war ich jung und fuhr nach Glück,
Zog manches Netz herauf,
Ich zahlte bittern Schmerz zurück
Und ließ auch ihm den Lauf.

Nun laß ich meine Wünsche ziehn
Gelassen mit dem Wind
Und frag nicht mehr: "Wo geht ihr hin?"
Wenn sie entschwunden sind.
(Band 2 S. 105)
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Am Meer

Ich lag im Sande mit müdem Lid,
Meine Augen haben so viel gesehen.
Die Welle rauscht, glänzt auf, verzieht,
Nun zählte ich nimmer das Kommen und Gehen.

Ich zählte nimmer die Wiederkehr
Der ewig alten und neuen Gedanken.
Ich trank den Meergeruch. Im Meer,
Da ist kein Fragen, da ist kein Schwanken.

Ich gab mich den Fluten mit offenem Sinn
Und habe mich neu zurückgewonnen.
Ich gab mich dem Meer, dem Meere hin,
Da ist über mich das Meer gekommen.
(Band 2 S. 105-106)
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Im Glück

Margriten blühn auf. Die Schnitter mähn.
Wir müssen die Stirnen neigen.
Es ist so viel Schmerz in der Welt,
Daß wir verstummen und schweigen.

Deine zwei Augen sind blau und klar,
Andere weiß ich, die trauern.
Andere weinen, berühr ich dein Haar,
Und starren bei unsern Schauern.

Über fremde Leid tritt unsere Lust.
Kaum wag ich es, dich zu umfassen,
Es ist so viel Schmerz in der Welt!
Soll ich dich stehen lassen?

Einst rauschen Sensen auch mir und dir,
Daß wir stürzen, scheiden müssen.
Reich mir dein Antlitz: jetzt blühen wir!
Ich bedeck dich mit meinen Küssen.
(Band 2 S. 106)
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Der Blick

Weib du, laß dein Gesicht jetzt so
Ganz still vor meinem stehen,
Dann kann ich tief und wunderfroh
In einen Spiegel sehen.

Aus deinem Blick seh ich mein Bild
Mir klar entgegenblinken.
In einen Spiegel ewigmild
Darf ich wie Gott versinken.
(Band 2 S. 107)
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Neuer Frühling

Unter unsrer jungen Liebe weint
Eine andre, die mir teuer war.
Lächle durch den Kuß so wunderklar
Du nur kannst, damit sie nicht erscheint!

Keine rührt mein Blut so süß wie du.
Keine spiegelt mir das rasche Glück
Heißen Lebens so wie du zurück.
Keine küßt wie du die Wunden zu.

Könnt ich meine Jugend in dir sehn!
Sie trug meine Jugend fort. Kein Bann
Reicht so weit, wie es die Jugend kann.
Laß sie neu in deinem Blick erstehn!
(Band 2 S. 107)
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Mein Spiegelein

Dein Auge ist mein Spiegelein.
Halt's immer blank, halt's immer rein!
Herzruhig blicke ich hinein,
Kann tief in meinem Himmel sein.
(Band 2 S. 108)
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Das Paradies

Mein Herz, das glänzt noch immer
Vom Paradies.
Wie viele sehen es nimmer,
Wie viele verloren den Schimmer
Von seiner Sonn und Wies!

Fremd schon in jungen Jahren
Ging ich zwischen andern dahin.
Ich bin durch die Welt gefahren
Und war bei ihrem Gebaren
Allein mit meinem Sinn.

Da sah ich dich erbeben -
Wie blickst du hell!
Unsre zwei Seelen leben
Wie selige Falter und schweben
Bunt um den heiligen Quell.
(Band 2 S. 108)
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Der Himmel der Liebe

O wunderliche, süße Stunde,
Da wir die Liebe vollbewußt
Erfuhren! Mit verstummtem Munde
Erfüllte eins des andern Brust.

Keins sprach ein Wort mehr. Nachtumflossen
Fühlten wir uns, vom Leben weit,
Ganz aufgetan und auferschlossen
Im Himmel ewiger Seligkeit.
(Band 2 S. 109)
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Rosenspiel

Ich schütte rote Rosen auf dich, Weib,
Bis ich vor roten Rosen nichts mehr sehe,
Nichts mehr von dir und deinem süßen Leib,
Und mit erschrocknem Herzen fast vergehe.
Dann nehm ich Blatt um Blatt mit bangem Mund
Hinweg und spür' beseligt drunter leben
Und seh dich schimmernd unterm roten Grund
Als meine weiße Rose an mich beben.
(Band 2 S. 109)
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Feier

Liebfraue mein,
Nimm mich ins süße Herz hinein,
Will dir auf seinem reinen Schrein
Ach eine reine Kerze weihn!
(Band 2 S. 109)
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Die Grenze

Ich lasse fremden Wunsch vom Blick
Abgleiten wie von einem Schild.
Dahinter berge ich dein Bild
Wohl als mein süßestes Geschick.
Und so tust du, so herb und mild
Zur Treue in den Tod gewillt.
(Band 2 S. 110)
_____



Das Eschenblatt

Das Eschenblatt steht über unserm Tor,
Da quillt geheimes Heil für uns hervor.

Der Geist von unsern Ahnen weht ums Haus,
Er steckt die Lichter an und löscht sie aus.

Mit ihrem Blute weihten sie den Grund,
Auf dem wir stehn, und schützen unsern Bund.

Wir halten auf dem Herd das Feuer rein
Und freuen uns am hellen Widerschein.

Wir sind uns urverwandt bis in das Mark
Und täglich neu. Das macht zum Leben stark.
(Band 2 S. 110)
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Meine Lieben

Ach, die nächsten meiner Lieben
Hat der Tod mir früh genommen.
Eine Tröstung ist geblieben:
Seit ich deine Liebe fand
Und den Druck von deiner Hand,
Brennen milder meine Schmerzen,
Und an deinem süßen Herzen
Will mir manches, was entschwand,
Wie im Traume wiederkommen.
(Band 2 S. 111)
_____



Unser Kuss

Dein glutverhaltner Demutmund,
Der ist ganz angetan für meinen.
Wenn wir im Kusse uns vereinen,
Erzittern wir bis auf den Grund.

Wenn sich dein Inneres enthüllt,
Muß ich nach keiner mehr vergehen.
Wenn wir uns in die Augen sehen,
Dann ist mein tiefer Durst erfüllt.

Und wenn im Schweigen deine Hand
Beseligt in der meinen schauert,
Taut meine Brust, die oft vermauert
Und dunkel war, bis ich dich fand.
(Band 2 S. 111)
_____



Liebesnacht

O wenn im Glanze weißer Kerzen
Sich sanft entzündet unsre Nacht
Und aus den lang verhaltnen Herzen
Die Sehnsucht nach dem Kuß erwacht;

Wenn wir tief innen von Verlangen
Durchschauert aneinander hin
Gewirbelt aus uns selber drangen,
Um vor der Liebe hinzuknien;

Wenn wir gerundet ohne Wehmut,
Wie Wachs für Feuerglanz vergeht,
Den Scheitel senken stumm vor Demut
Ist unser Kuß wie ein Gebet.
(Band 2 S. 112)
_____



Liebesmorgen

Sieh, es graut! Der große Stern verlor
Von dem Wunderglanz, doch nicht für ganz:
Tritt die Sonne bald mit Macht hervor,
Wirkt er heimlich in das Leben Glanz.

Leise trittst du aus dem Schlafgemach,
Sanft verklärt von unsrer süßen Nacht.
Liebe hält die Kraft nun schweigend wach,
Die das Tagwerk uns zur Feier macht.
(Band 2 S. 112)
_____



Liebe

Wer in der Liebe lebt,
Darf sich am Leben freun,
Und keine Freude braucht
Ihn jemals zu gereun.
Kniet er vor Schmerzen doch
Wie vor der höchsten Lust
Und schenkt noch Seligkeit
Aus wunder Brust!
(Band 2 S. 113)
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Der Springbrunn

Unsre Liebe schenkt mir Wunderkraft.
Wenn mein Geist in ihrem Quell sich strafft,
Darf er wie ein Springbrunn sich erheben,
In kristallnen Wellen überbeben,
Von der Liebe, die in Himmeln schafft,
Einen Klang und Glanz den Menschen geben.
(Band 2 S. 113)
_____



Der Park

Der alte Park, wie duftet er ins Land!
Ich gehe wieder blütenüberschauert.
Hier legtest du die Hand in meine Hand,
Hier träumte ich vom Glück, das immer dauert.

Du bist mir heute nah, die ich verlor.
Wie du ging ich, mich neuem Glück vereinen.
Nun, möchtest du am alten Gittertor
Manchmal mit mir zusammenstehn und weinen?
(Band 2 S. 135)
_____



Heimweh?

Bang aufgewacht
Hör ich's bald laut, bald leise klopfen.
Mein Herz klopft fernher durch die Nacht.
Bist du's, die mich verließ,
Nachdem sie Treue mir verhieß,
Und die ich todwund dann verstieß?
Meine Augen tropfen.
(Band 2 S. 135)
_____



Nachts

Nachts in sturmverrauschter Stunde
Öffnet sich ein fernes Tor.
Die ich durch Verrat verlor,
Du rufst mir mit müdem Munde.

Mit dem Lächeln erster Treue
Siehst du mir in das Gesicht,
Bis dein Blick im Schmerz zerbricht,
Deine Brust aufwächst vor Reue.

Nachts geht unsrer Liebe Leiche
Wie lebendig durch dein Haus,
Sorgt, daß Einer nach dem Schmaus,
Sieht er dein Gesicht, erbleiche.
(Band 2 S. 136)
_____



Traumgespräch

Nachts im Traum bist du gekommen,
Die ich längst verlor,
Und wir saßen todbeklommen
Vor geschlossnem Tor.

"Heimweh hast du tief im Herzen!"
Sprachst du abgewandt.
Da vergingen seine Schmerzen
Unter deiner Hand.

"Du nicht auch?" brach ich das Schweigen
Mit vertränter Brust.
Und ich sah die Stirn dich neigen:
"Hätt ich's sonst gewußt!"
(Band 2 S. 136-137)
_____



Ausblick aus altem Leid

Trostlos bin ich aufgesprungen,
Wund noch vom Verlust.
An den Strand hat's mich gezwungen
Mit bedrängter Brust.

Auf die sturmverwühlten Wellen
Goß der Himmel Glanz,
Daß sie ruhevoller schwellen
Nach dem irren Tanz.

Über dem versunknen Glücke
Und dem Nachtgebraus
Zittert eine weiße Brücke
Aus der Welt hinaus.
(Band 2 S. 137)
_____



Das Bild von einst

Du warst einmal mein Bild,
Solang ich dich besaß.
Oft lächeltest du mild,
Daß ich vor dir genas.

Nun ich dich nimmer sah,
Seitdem wir uns entzweit,
Steht es mitunter da
Wie in der frühen Zeit.

Es blickt mich wieder an
Und täuscht mich dennoch nicht.
Ist's Wirklichkeit, ist's Wahn,
Entschwundenes Gesicht?
(Band 2 S. 137-138)
_____



Vorbei

Nun lebst du an einer andern Brust,
Und ich lebe an einer andern.
Ich möchte nach neuer Qual und Lust
Manchmal wie heimwärts wandern.

In stiller Stunde ist mir oft,
Als kämst du mir entgegen,
Als suchten wir beide uns unverhofft
Auf unseren alten Wegen.

Und fühl ich dich nahen, bleib ich stehn:
Du wurdest ja eine andre,
So daß ich, ohne dich zu sehn,
Zur andern heimwärts wandre.
(Band 2 S. 138)
_____



Die ewige Geliebte

1
Mir ist ein Bild mit ewig süßen Zügen
So tief gesenkt in meine bange Brust,
Daß mir nie lang Erfüllung kann genügen,
Trink ich auch oft verzaubert ihre Lust.

Ich glaube, die ich liebe, ist die Liebe
Mit ihrem ungeküßten Angesicht.
Sie ist zu himmlisch, daß sie lange bliebe,
Wenn sie auch hell aus lieben Augen bricht.

Geliebte du, du hast so süßen Scheitel,
Ich muß in meinem Herzen niederknien.
Ein Wort, und alles Glück weht fort wie eitel -
Sie hat auch dir ihr Antlitz nur geliehn.


2
Alle, die ich selig küßte,
Waren nur von dir ein Teil,
Und daß Liebe welken müßte,
Lernt ich wund zu deinem Heil.

Hat sich je mein Wunsch verfangen,
War es auf dem Weg zu dir.
Immer neu glüht mein Verlangen,
Stehst in Schleiern du vor mir.

Aber du in deinem Glanze
Auf dem heimlichen Altar
Lächelst, über Schmerz und Tanze,
Unnennbar und unnahbar.


3
Zu Einer stieg mein Sehnen himmelwärts,
Als ich erwachte. Hab ich dich gefunden?
In mehr als einer zog ich dich ans Herz,
In mehr als einer bist du mir entschwunden.

Wie ließ sich einst mein Wunsch an Einer Brust
Vom ganzen Tag des Lebens überflammen!
Glück schmeckt ich, Trennung, Schmerz der neuen Lust
Und brach am Tor der Ewigkeit zusammen.

So ist denn in dem wandelbaren Zug
Nur eine Liebe ewig mir geblieben:
In jedem Antlitz, draus dein Auge schlug,
Unfaßliche, dein erstes Bild zu lieben.
(Band 2 S. 139-140)
_____



Erschienene Liebe

O jenem Bild, das ich im Innern trage,
Kommst du am nächsten, du mein junges Weib,
Und selig brennt als Antwort auf die Frage
Dein reines Herz in deinem reinen Leib.

Bisweilen stand wohl auch in grauem Rauche
Der Spiegel meiner Ewigen wie blind.
Das tat der Alltag mit dem trüben Hauche.
Da war ich Qual und tobte wie ein Kind.

Nur im Erinnern an die erste Stunde
Und im Gesicht des Todes, der uns droht,
Hat mir die Liebe nie auf einem Munde
So heilig dargebracht ihr Himmelbrot.
(Band 2 S. 140-141)
_____



Nacht der Liebe

Heimlich tropfen unsre Kerzen
In die unbekannte Nacht.
Leise löst sich Herz vom Herzen
Nach des Kusses wilder Macht.

Schweigend horchen wir ins Rauschen
An dem ungewissen Rand.
Daß wir gleiche Fragen tauschen.
Sagt mir scheu der Druck der Hand.

Löschen einstens unsre Flammen
In dem ungeheuern Meer?
Schlagen sie im Tod zusammen?
Hält das Schicksal Wiederkehr?

Werden wir aufs neu erscheinen
Und in einem andern Kleid?
Schweben wir, vom Lachen, Weinen
Fern, vereint in Seligkeit?

Laß uns an die Flut hingeben
Unser Herz mit seinem Schlag
Und in ihrem Strömen leben,
Drin gestirnt ist Nacht und Tag!
(Band 2 S. 141-142)
_____



Unsre Liebe

Unsre Liebe gibt so heiß
Wie die Sonne vor Gewittern.
Ihr verborgenes Geheiß
Läßt mich deinem Mund erzittern.

Unsre Liebe glüht so rot,
Und ich schaure und erbebe,
Daß ich nun so dicht am Tod
Und dem süßen Abgrund lebe.

Unsre Liebe fließt so klar,
Daß ich nicht an ihr zerschelle
Wie die Mutter mich gebar,
Tauche ich aus ihrer Quelle.
(Band 2 S. 142)
_____



Geheimnis

Die erste Liebe vergeht im Kuß,
Wir müssen's zusammen tragen,
Daß jener Glanz verblassen muß
Und anders die Herzen schlagen.

Nun wollen wir unser frühes Bild
Tief vor dem Alltag bergen.
Einst blickt es wieder morgenmild
Hervor aus unseren Särgen.
(Band 2 S. 142-143)
_____



Erfüllte Liebe

Wenn die Liebe sich enthüllte
Und die große Trunkenheit
Endlich unsern Durst erfüllte,
Naht der Schatten, der entzweit.

Glück noch süß auf unserm Munde
Blicken wir ins Glas hinab.
Trüber wird's auf seinem Grunde,
Näher schaudert schon das Grab.
(Band 2 S. 143)
_____



Kapelle

1
Dein scheu verhaltenes Gesicht
Mit diesem Lächeln um den Mund
Ist wie ein tiefes Spiegelrund,
Daraus mir meine Jugend spricht.

O laß mich doch aus Glück und Graun
Im heißen Tag von Zeit zu Zeit,
Erfüllt von erster Seligkeit,
In diesen fernen Himmel schaun!


2
Du hast das Lächeln um den Mund,
Dem ich umsonst einst nachgegangen
Nach einem Schmerz. Ich mußte wund
Nach solchem Lächeln heimverlangen.

Dein Auge hat so sanften Glanz.
Nun möcht ich oft Erfüllung fliehn,
Glück, Sättigung und Qual und Tanz,
Und still vor deinem Lächeln knien.


3
Ich kann dir ja nicht lang genug
Ins wehmutsüße Antlitz schauen.
Um deinen Mund, da ist ein Zug,
Daß mir die Augen übertauen.
Mir wird so wunderstill und mild
Zu Mut. Ich könnte wieder beten,
Als hätte ein Marienbild
Verlassenen Altar betreten.


4
Daß ich dich nicht besitzen kann,
Ist meiner Sehnsucht keine Last.
Ich will mit dir nur dann und wann
Hinschaun auf einen Blütenast.

Du gibst mir ja den Traum zurück
Vom Paradies, den ich verlor.
Von Wolken rein erglänzt das Glück
Im Frühling nur und vor dem Tor.


5
Ich sah dich heimlich auferblühn,
Als wir zusammen gingen
Und Strahlen sich mit sanftem Glühn
In deinem Haar verfingen.

Und als wir schieden, kam so mild
Und weh dein Blick geflossen.
Und weinend habe ich dein Bild
Zur Nacht ins Herz geschlossen.


6
Das Leben ist ein Augenblick.
Mein Herz, was willst du klagen,
Blüht deiner Liebe ein Geschick
Von raschen Frühlingstagen.


7
Ich habe nie mit dir ein Wort
Von Liebe noch gesprochen.
Das erste Schweigen geht ja fort,
Wenn es ein Wunsch gebrochen.

Du könntest auch im Herzensgrund,
Was du mir bist, nicht fassen.
Du hast noch nie mit blassem Mund
Das Paradies verlassen.


8
Laß mich in deinen Augen lesen!
In ihrer sanft bewegten Flut
Kann ich vom Tag und seiner Glut
Für kurze Ewigkeit genesen!

Es atmet eine süße Stille
Wie aus versunkner Heimat her.
Vor diesem mondgefüllten Meer
Verstummt mein unruhvoller Wille.


9
Du erfüllst mich aus der Ferne
Mit verlornem Glanz,
Sänftigst mich, wie Licht der Sterne
Wilden Tanz.
Übersprüht von süßen Funken,
Rausche ich dir zu,
Und von deinem Dasein trunken,
Atme ich in Ruh.


10
Liebe blüht in meiner Nähe
Und umrankt mir Tür und Haus,
Manchmal, wenn ich fernhin spähe,
Möchte ich zu dir hinaus.

Liebe, aus der Glut gewonnen
Und vergorner Leidenschaft,
Hält mein Herz mit Lust umsponnen,
Daß es oft in Sonne schafft.

Nähe, die den Durst erfüllte,
Wirft ins Glück auch trübe Qual.
Du, die ferne Unenthüllte,
Sänftigt mich wie Sonnenstrahl.


11
Wärst du einst so wunderbar,
Diesen Glanz auf deinem Haar,
In mein Jugendtor getreten,
Hätt ich dir von Durst entfacht
Meine erste Glut gebracht.
Aber könnt ich dann so mild
Überglänzt vor deinem Bild
Aufgelöst wie heute beten?


12
Und legte sich dein junges Blut
Hinein in meine Arme,
Daß es in Küssen liebeswild
An meiner Brust erwarme -
Bald sänke auf den Tau herein
Der Tag mit seinem Staube,
Es fiele ihm für Glück und Pein
Der frühe Glanz zum Raube.


13
Du hast im Blick die Milde,
Die mich zum Kinde macht.
Vor deinem schönen Bilde
Bet ich in mancher Nacht.

Nicht oft in meinem Leben
Hat Liebe noch die Ruh
Und Mutter mir gegeben -
Und ach, das könntest du!


14
Vielleicht lebt nirgendwo in einer Brust
Dein Bild so himmelrein wie in der meinen.
Nach lautem Tage wird es mir bewußt.
Dann suchen meine Blicke nach den deinen.

Ich sah dich wenig, und nun bist du fern.
Wer weiß, ob wir uns jemals wiedersehen!
Doch bist du da, wie nachts der gleiche Stern,
Und lächelst mir, um nimmer zu vergehen.


15
Kaum hat dein Auge mich gegrüßt,
Gingst du mir in der Welt verloren,
Aufs junge Lid vom Tod geküßt;
Und ärmer in dem Sonnenschein
Schweif ich tagein,
Als winktest du an ihren Toren.


16
Du hast dich wunderzier bewegt
Mit Gang und mit Gebärde -
Und nun hat dich in kalte Erde
Der bittre Tod gelegt.

Du schicktest aus entrückter Ferne
Mir kühlen Strahl
In meines Tages Glut und Qual
Gleich einem unbegriffnen Sterne.

Denk ich nun dein vor Nacht,
Ist's wie an einer Gruft,
Darin mit sanft verhüllter Macht
Noch deine süße Stimme ruft.


17
O könnt ich dich ein einzigs Mal
Lebendig wiedersehen!
Ich fühlte alle Lust und Qual
Von meinem Herzen gehen.

O könnt ich einmal noch den Blick
In deinen offnen tauchen
Und dann mein irdisches Geschick
Erfüllt von Glanz verhauchen!
(Band 2 S. 143-149)
_____



Erneuung

Unsre Liebe ist mir immer neu.
Alle Jahre naht der Frühling scheu
Und mit frischem Hauch der braunen Erde,
Daß sie immer wieder bräutlich werde.

Wenn der Märzwind weiße Wolken trägt,
Birkenstamm an Birkenstämme schlägt,
Bade ich vor unserm neuen Kusse
Dir im Auge wie in einem Flusse.

Heimlich glüht dir, was vergangen war,
Auf den Lippen, und du neigst das Haar.
Alte Liebe, die ich sah vergehn,
Fühle ich in unsrer auferstehn.
(Band 2 S. 186)
_____



Abend im Sommer

Laß fließen deine Haare
Wie vor der ersten Nacht!
Einst welkt auf schwarzer Bahre
Der Mund, der jetzt noch lacht.

Leg deine süßen Hände
Ganz dicht an meine Brust!
Einst hat das Glück ein Ende,
Besitz wird zu Verlust.

Laß uns ins Auge schauen
Und schauern, wie es trinkt,
Bevor die Wiesen tauen
Und unsre Sonne sinkt!
(Band 2 S. 186-187)
_____



In der Nacht

Unschuldig wie ein großes Kind
Schläfst du an meiner Brust.
Ich höre, wie dein Atem rinnt,
Und bin mir tiefen Glücks bewußt.

Du gehst an meinem Herzen auf.
Ich ruhe von den Stürmen aus
Und trinke Kraft zu neuem Lauf,
Umdacht vom alten Haus.
(Band 2 S. 187)
_____



Im Wandern

Die Sonne scheint, der Regen rinnt,
Trüb wird's und wieder klar.
Nun teilte ich, mein helles Kind,
Mit dir schon manches Jahr.

Der Frühling blüht, der Nebel fällt,
Der Nordwind bläst ins Land.
Eins bleibt als Trost auf dieser Welt:
Der Druck von deiner Hand.

Die Liebe ist ein wildes Spiel,
Schlägt oft ihr Pfauenrad,
Bringt Freuden viel und Wermut viel -
Sei du mein Kamerad!
(Band 2 S. 187-188)
_____



Weise Liebe

Das Tor zur seligen Erfüllung
Schließ ich nun mit bewußter Hand
Und seh die schimmernde Enthüllung
Von draußen, wo ich früher stand.

Und fand schier jene Sehnsucht wieder,
Die ich als Jüngling einst verlor,
Und blicke in die Gärten nieder
Wie damals: durch das Gittertor.

So darf ich ohne Trauer lieben.
Mein Weib, das wandelt gern allein.
So ist auch ihr der Durst geblieben,
Und nur zum Feste tret ich ein.
(Band 2 S. 188)
_____



Geheimnis

Was ist über mich gekommen,
Das mich so verwandelt hat!
Wunderlich von dir benommen
Taumle ich durch unsre Stadt.

Im Gewirre dunkler Gassen
Sah ich wieder dein Gesicht
Mir erglühen und erblassen.
Weiß ich, was dein Auge spricht!

Sterne, goldner Himmelssamen,
Wie berauscht ihr diese Nacht!
Euch nur flüstre ich den Namen,
Der mich heimlich trunken macht.
(Band 2 S. 277)
_____



Erste Sehnsucht

Die scheue Röte auf deinen Wangen,
Wenn du mich siehst, macht mich trunken wie Wein.
Neu ist meine Jugend mir aufgegangen,
Blick ich in dein Gesicht hinein.

Noch stehst du mit ungelenken Händen,
Noch weißt du nicht, wie das Leben tut.
Einst kommt ein Frühling mit süßen Bränden
Und weckt die Wünsche in deinem Blut.

Soll ich dir sagen, daß ich dich liebe?
Halt ich's noch bang in der Brust zurück?
Wachs, sprödes Wunder! Ein Wort vertriebe
Erwartenden Schweigens erstes Glück!
(Band 2 S. 277-278)
_____



Wunder

Du großes Kind voll erster Fragen,
Du bist das Wunder meiner Welt.
In meinem Kämpfen und Verzagen
Ist es dein Blick, der mich erhellt.

Schweif ich von deinem Bild besessen
Mit weiten Schritten über Land,
Darf ich mich selig selbst vergessen,
Nun ich ja dich auf Erden fand.

O du, für dich mein Leben lassen,
Dir leben, wär mir gleiches Glück.
Dir schenkt' ich mich bis zum Erblassen
Ans große Herz der Welt zurück.
(Band 2 S. 278)
_____



Bezauberung

O sag ich dir's,
Was du mir gibst?
Ich weiß ja nicht,
Ob du mich liebst.

Du bist ja so jung,
So fein und schön.
Denk ich an dich,
Rauscht über mich Föhn.

Es reißt mich empor
Weit in die Welt.
Du hast sie neu
Mit Glanz erhellt.

Ein Blick von dir
Ist volles Glück,
Schenkt mir mein Herz
Verjüngt zurück.
(Band 2 S. 279)
_____



Beglückung

Du gibst mir den Traum nach der fernsten Ferne
Mit deinem sternhaften Blick zurück,
Freude am Flug um die Sonnen und Sterne,
Unschuld und Frühling und erstes Glück.

Ich könnte den Leib deiner Mutter küssen,
Weil sie dich darinnen getragen hat
Und in die Welt hat gebären müssen,
Von Seufzern und Weinen und Lachen matt.

Wenn unsere Schritte einander begegnen
Auf diesem Pfad von Geburt zum Tod,
Möcht ich das herrliche Leben segnen,
Das uns überflammt mit raschem Rot.
(Band 2 S. 280)
_____



Im Zwielicht

Die Dämmerung erfüllt mein Zimmer
Nach lautem Tag mit süßer Ruh,
Und in dem ungewissen Schimmer
Erscheint dein junges Bildnis, du.

Denkst du jetzt auch in grauer Ferne
An mich mit frommem Herzensschlag?
Wirfst du den Blick zum gleichen Sterne
Und fragst, was er bedeuten mag?

Ganz still muß ich den Atem halten.
Ich fühle dich in Welt und Nacht
Und könnte meine Hände falten,
Vor deinem Blick bin ich erwacht.
(Band 2 S. 280)
_____



Fest

Wenn ich nur an dich denke,
Überrauscht mich ein Meer.
Wenn ich an dein Wesen mich schenke,
Ist Frühling ringsumher.

Ich könnte vor Freude weinen,
Daß ich dich auf der Erde fand.
Seh ich dein Bild erscheinen,
Glänzt sie bis zum Himmelsrand.
(Band 2 S. 280-281)
_____



Mainacht

Was ist mir nur geschehen?
Der Garten schwimmt in Licht.
Ich fühle vor mir stehen
Ein trunkenes Gesicht.

Der süße blaue Flieder
Macht alle Stuben weit.
Die Vögel sangen wieder
Wie in der Jugendzeit.

Ich sitze mondumflossen
Und blicke neu erwacht,
Dein Bild in mir umschlossen,
Mein Kleinod in der Nacht.
(Band 2 S. 281)
_____



Vergebliche Erwartung

O warum kommst du nicht?
Du hast es mir versprochen.
Ich fühle dein Gesicht,
Und meine Pulse pochen.

Schon graut im Park die Nacht
Auf blattbesäten Wegen.
Ein morscher Ast zerkracht,
Kalt klatscht verwehter Regen.

Dein junger Blick ist Glanz.
Wo bleibst du? Leere Weite.
Nur Dunkel, Schattentanz
Und Wind ist mein Geleite.
(Band 2 S. 281-282)
_____



Entzückung

Ich kann nicht mehr denken, wenn ich dich sehe;
Ich tauche in den Brunnen der Welt.
Mir rauscht seine Lust, mir rauscht ihr Wehe,
Vom großen Gestirne überhellt.

Der Tag, der nie rastet, tönt weit verloren
Mit seinem Verlust, mit seinem Gewinn.
Ich gehe dahin wie neugeboren,
Dein Frühling atmet in Seele und Sinn.

Und bist du mir fern im kalten Raume,
Dann steht dein Gesicht doch vor mir da
Und lächelt mich an, als wär's im Traume,
So, wie ich zum erstenmal dich sah.
(Band 2 S. 282)
_____



Das erste Lächeln

Komm, sieh mich noch einmal so selig an,
Wie du's erwachend auf dem Weg getan,
Wenn ich dir unverhofft begegnet bin.
Du gabst im Blick mir deine Seele hin.

Nie trübt die Nähe oder auch die Glut,
Die uns zuweilen herrlich perlt im Blut,
Das erste Bild. Es leuchtet immer klar,
Wie es im Anfang unsrer Liebe war.

Du lebst mir im Gebirge oder Wald,
Dem Quell enttaucht als innere Gestalt,
Wo nur der Schritt aufklingt in meinem Reich,
Nah meinem Blick und heilig fern zugleich.
(Band 2 S. 283)
_____



Dämmerung

Aus dem tiefen Abendgrauen
Tritt, ein Rätsel, dein Gesicht.
In das Wunder darf ich schauen,
Das aus deinen Augen spricht.

Laß mich stumm darinnen lesen,
Auch den Zug um deinen Mund.
Heimlich tut sich mir dein Wesen
In verhaltnen Wünschen kund.

Milder fallen deine Worte,
Wenn sich deine Stirne neigt.
Seele öffnet ihre Pforte,
Und das große Heimweh schweigt.
(Band 2 S. 283-284)
_____



Stunde der Seele

Die ersten Sterne blitzen
Und schaun zu uns herein.
Laß uns zusammensitzen
Und ohne Worte sein.

Laß deine Hand mich pressen
Fernab von Wunsch und Glut,
Daß wir uns selbst vergessen
Und eins im andern ruht.
(Band 2 S. 284)
_____



Einsamer Zecher

Der Mond küßt die Terrassen,
Tief liegt die fremde Stadt.
Ich seh das Haus erblassen,
Das dich beherbergt hat.

Berauscht von deinem Wesen
Darf ich im dunkeln Wein
Dein fernes Antlitz lesen;
Ich tauche ganz hinein.

Ich trinke es ins Innre,
Daß ich in heller Nacht
Mich immer so erinnre,
Wie's Gott für mich gemacht.
(Band 2 S. 284-285)
_____



Glück des Sängers

Du schenkst mir neuen Liedermund,
Geliebtes in der Ferne.
Neu tust du mir die Sonne kund,
Den Glanz der goldnen Sterne.

Dem Tage und der Zeit entrückt,
Hör ich's in mir erklingen
Traumhaft von deinem Bild entzückt,
Darf ich verzaubert singen.
(Band 2 S. 285)
_____



Gebet an die Göttin

Du Nieerkannte,
Sternhaft Entbrannte,
Hör meinen Schrei!
Du oft Empfundne
Und stets Entschwundne,
O steh mir bei,
Daß sich in Treue
Freude erneue!
Beglänze mir
Liebe im Leben,
Die mir gegeben!
Laß mich in ihr
In mancher Stunde
Glück auf dem Munde
In Lust und Graun,
In Glut und Trauer
Mit erstem Schauer
Dein Bild erschaun!
(Band 2 S. 290-291)
_____



Die erste Liebe

Schneeglöckchen sind schon aufgegangen
Mit reinem Kelch am alten Bach
Und rufen heimliches Verlangen
Nach längst versunknen Zeiten wach.

Ach Mädchen, kämst du aus dem Grabe
Und brächtest ersten Frühling mit,
Wie einst, als ich, noch halber Knabe,
Dir folgte mit verlornem Schritt.

Durch Glück und Trübnis mußt ich gehen,
Wie sie dein Auge nimmer sah.
Ach könnte ich dich wiedersehehn,
Dann stünde meine Jugend da!
(Band 2 S. 292)
_____



Geschenk

Die wirre Locke, die du mir gegeben,
Mein Liebling mit dem frühen Traum im Auge,
Begleitet mich von nun an durch das Leben,
Daß ihr mein Blick dein junges Bild entsauge.
(Band 2 S. 293)
_____



Sterbende Liebe

Der Marmor

Du warst die Wächterin an meinen Toren,
Indes ich mit dem Marmor mich vermählte
Und Bild um Bild aus hartem Steine schälte
Und meine Hände jenen Geist beschworen.

Ich glaubte einstens, als ich dich erwählte,
Du hättest für den Dienst dich selbst erkoren.
Nun saßest du vereinsamt und verloren,
Dein Finger ging, wie wenn er Stunden zählte.

Nun ich, von ganzem Herzen dir zu geben,
Was ich nach Siegen unsrer Liebe zollte,
Aus meiner Türe trat, mit dir zu leben,

Warst du gegangen, die mir heimlich grollte.
Einsam muß ich vor meinem Block verbeben,
Mit dem ich doch der Liebe opfern wollte.
(Band 3 S. 10)
_____



Der versiegte Brunnen

Dein Brunnen steht versiegt vor lauter Steinen,
Die meine blinde Hand hinunterrollte,
Bis es in seinen süßen Tiefen grollte
Und heimlich klang wie unterdrücktes Weinen.

Der liebste Spiegel auf der Erde wollte
Mein Bild nur noch zerrissen wiederscheinen.
Ich trüg's nicht lang, wenn's in der Einzigeinen
Nicht wieder ganz im Blicke zittern sollte.

O laß mich bald, und wenn die Hände bluten,
Dir Stein um Stein aus deinem Innern heben,
Damit die klaren Wasser wieder fluten,

In frischem Drange mir entgegenbeben,
Und wir, die lang in sich verödet ruhten,
Uns neu vereinigen zu vollem Leben!
(Band 3 S. 10-11)
_____



Einkehr

Ich will der Wahrheit in die Züge schauen,
Wenn es auch schmerzt, und alles, was gewesen,
Im blassen Antlitz unsrer Liebe lesen,
Aus dem nun schmerzerfüllte Augen blauen.

Nur wenn wir ruhig blicken und ihr Wesen
Sich stumm entfaltet und wir ohne Grauen
Uns wieder unsre Seelen anvertrauen,
Kann es geschehen, daß wir ganz genesen.

Und wissen wir im tiefsten Herzensgrunde,
Daß wir fortan die jähen Worte meiden,
Die wir beschwert von allzuengem Bunde

Aufwarfen, uns am wilden Trotz zu weiden,
Wird einmal unserm reingewordnen Munde
Süß sein, woran wir jetzt so bitter leiden.
(Band 3 S. 11)
_____



Fernweh

Ich lag von deinem schlanken Arm umschlungen,
Ich sah die Sehnsucht deiner bangen Brüste,
Und wenn mein Atem deinen Atem küßte,
Hat selig unser ganzes Haus geklungen.

Dann ging der hochgeschwungne Tag zur Rüste.
Ich hab mich zitternd von dir losgerungen,
Das warme Herz mit kühlem Blick bezwungen,
Wie wenn ich meine Sehnsucht suchen müßte.

Ich habe unsre Wonnen oft getötet,
Um frei zu sein von allzuengem Bande.
Indes die Glut die Wange dir gerötet,

Zog ich hinaus in sternbeglänzte Lande,
Wenn dunkle Ferne süß ihr Lied geflötet.
Nun steh ich frei an einem leeren Rande.
(Band 3 S. 12)
_____



Gemeinsamkeit

Das ist's, was meine Freude fast zerbricht:
Ich wußte nicht, wie du dafür gelitten.
Jedweden Schmerz, der über dich geglitten,
Durchwühle ich bewußt und zucke nicht,

Bis mir sein breiter Dorn ins Herz geschnitten.
Ich sehe dich mit weinendem Gesicht,
Indes ich in das warme Sonnenlicht
Allein, von unserm Glück erfüllt, geschritten.

Und dennoch, Weib: gab ich dir nicht genug,
Wenn heim ich kehrte aus den blauen Weiten,
Um übervoll in deinen leeren Krug

Den ganzen Glanz des Tages auszubreiten?
Gemeinsamkeit für immer ist ein Trug!
Wir können sie minutenlang bereiten.
(Band 3 S. 12-13)
_____



Missverständnis

Ich war von alter Leidenschaft gespalten,
Noch als ich in dein Heiligtum gedrungen.
In meinem Innern hat's nur voll geklungen,
Wenn beide Stimmen darin widerhallten.

Du lächeltest, doch hast du nachts gerungen.
Ich sah's und wollte deine Glut erhalten.
Ich fürchtete, sie möchte mir erkalten,
Und habe meinen fremden Wunsch bezwungen.

Ich wollte mich zur Einheit vorbereiten,
Daß ich den Liebeshimmel ganz erstiege,
Und lebte fortan dir zu allen Zeiten

Und fühlte Glück im Rauschen meiner Siege.
Du aber blätterst in Vergangenheiten
Und kannst nicht schauen, wie ich flog und fliege.
(Band 3 S. 13)
_____



Das Ideal

Mit jenem Bild, das ich im Innern trage,
Hab ich dich allzustreng und oft verglichen,
Was mir mißfiel, von dir hinweggestrichen,
So, wie die Zeit es tut mit einer Sage,

Manchmal geschah's, daß jenes Bild verblichen
Vor dem Gesichte deiner reinsten Tage.
Und oftmals standest du in stummer Klage
Und bist vor meinem Blicke ausgewichen.

Du littest mit, wenn ich an dir gelitten,
Und ließest dich von meinen Händen ballen.
Nach sieben Jahren bist du mir entglitten

Und läßt empört nun deine Maske fallen.
Weib, sieh mich jetzt zum ersten Male bitten:
Komm, wie du bist! Du bist mir lieb vor allen.
(Band 3 S. 14)
_____



Frevel

Mein Geist verstrickte sich im eignen Witze.
Er wähnte, auf den Weltengrund zu sehen,
Er wollte sich im Innersten ergehen
Und bohrte seinen Blick durch jede Ritze.

Die Blumen, die in bunten Farben stehen,
Erblaßten unter seinem jähen Blitze.
Ich scheute selbst auf ihrem goldnen Sitze
Die Liebe nicht und ihr verschämtes Flehen.

Ich wollte ihren letzten Schleier heben
Und fragte nach dem Duft auf ihrer Lippe.
Ich hielt sie fest, sie soll' mir Antwort geben,

Ihr Herz mir zeigen unter ihrer Rippe.
Da seufzte sie, als dürft' sie nimmer leben,
Und wies mir unterm Fleische das Gerippe.
(Band 3 S. 14-15)
_____



Der Kreis des Tages

Ich kann nicht leugnen, daß auch mir die Schauer
Erneuter Freiheit durch die Seele wehen,
Wie Morgenwind und Tage auferstehen,
Die lange schliefen, voll von offner, blauer

Sehnsucht, wie ich sie lange nicht gesehen
Im Garten der Erfüllung und der Trauer.
Ich stehe außerhalb von unsrer Mauer
Und sehe Wandrer in die Weiten gehen.

Allein ich will nicht in Unendlichkeiten
Wie unruhvolle Jugend untersinken.
Im festen Kreis will ich den Tag bereiten,

An dem die goldnen Zifferblätter blinken.
Hilf du mir, Weib, die bunten Wirklichkeiten
Im runden Glas der Stunden aufzutrinken!
(Band 3 S. 15)
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Hass

Ich lag die Nacht verkrampft mit meinem Haß:
Willst du noch immer nicht mir voll Vertrauen
In meine schmerzgestählten Augen schauen,
In denen schon das gnadenreiche Naß

Aufblinkt wie Tau von sommerlichen Auen?
Schon wich die Last, die auf der Brust mir saß,
Nun macht mich deine Furcht von neuem blaß,
Und vor dem Tier im Weibe packt mich Grauen.

Da spricht zu mir der aufgewachte Tag:
Solange deine Hände den nicht zwingen,
Der heute nacht auf deiner Schwelle lag,

Den eignen Panther mit den schwarzen Ringen,
Wirst du das Tier auf ihrem Blütenhag,
Das du herausgelockt, nicht niederringen!
(Band 3 S. 16)
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Schönheit

Nach letzter Schönheit bin ich stets vergangen.
Ich wollte immer ihre Blüten binden
Und mußte manche bittre Qual verwinden,
Blieb unerfüllt mein offenes Verlangen.

Oft warst du schön. Ich mußte Rosen winden
In deine Haare, zart wie deine Wangen.
Doch wenn die Morgenglocken still verklangen,
Ließ mich der Alltag deine Fehle finden.

Ich rang mich wund, daß unser Frühling bliebe.
Es wurde oftmals schwül in unserm Zimmer,
Der Sturm brach ein, daß unser Flor zerstiebe.

Die ersten süßen Stunden kamen nimmer.
Nun weiß ich: reife Schönheit ist die Liebe,
Die Mängel auch durchsonnt mit ihrem Schimmer.
(Band 3 S. 16-17)
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Gefährliches Spiel

Ich hab ein Maskenkleid vor dir getragen,
Auf dem sich alle meine Geister freuten.
Von manchen wußtest du, was sie bedeuten,
Doch andre schreckten dich mit dunklen Fragen.

Daß ihre Reigen immer sich erneuten,
Hast du dir selber eines umgeschlagen.
So glänzten wir, bestickt mit unsern Sagen,
Und wollten unsre Tiefen ganz erbeuten.

Nun warfst du's weg und flohst vor meinen Farben.
Die vielen wollten dir den Sinn verwirren.
Du hattest Furcht, daß wir daran verdarben.

Nun kann ich einsam in dem Kleide irren!
Die Könige in ihren Feldern starben,
Der Narr allein muß seine Weise girren.
(Band 3 S. 17)
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Opfer

Ich habe oft das Leben abgestoßen,
Um das Gesetz auf seinem Grund zu schauen,
Zerriß den Schleier, jenen sommerblauen,
Und blickte lang nach den verborgnen großen

Gestirnen, als ich über Gartenauen
Hinschreiten konnte zwischen offnen Rosen.
Ich war ein Taucher in dem Sonnenlosen
Und sah das Menschenschicksal ohne Grauen.

Wodan, der Gott der Sonne, gab ein Auge,
Um auch das Reich des Dunkels zu ergründen,
Damit sein blinder Blick dem hellen tauge.

Um mich mit jenen Mächten zu verbünden,
Gab ich mein halbes Herz, und frierend sauge
Ich mich ans Leben, Leben zu entzünden.
(Band 3 S. 18)
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Schmerz der Einsamkeit

Ist mir's versagt in dieser Maienzeit,
Wo alle Zweige offne Blüten tragen
Und die beglückten Lippen Frühling sagen,
Die Lust zu küssen, die von Angst befreit,

Und immer trunkener in ihrem Wagen
Ins Land zu fahren, wo es Wunder schneit,
Die wirklich sind, und heiß ihr Scharlachkleid
Um die beseligt blinde Brust zu schlagen,

So will ich lieber, als in meiner Qual
Mich mit den halben Lüsten zu verbünden,
In meiner Brust das altvertraute Mal

Versunknen Schmerzes wiederum entzünden
Und wachsend in dem klaren Feuerstrahl
In gleiche Höh'n wie Lustgetragne münden.
(Band 3 S. 18-19)
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Stimme des Schicksals

An meinen Schläfen klopft und wühlt die Glut.
Ich weidete mein Herz an Mordgedanken.
Wenn ich sie tötete, die dir zum Schwanken
Verhalf: die ganze Helfershelferbrut?

Weh allen, die dein armes Herz umranken!
Sie wissen nicht, wie weh es dir einst tut.
O lägen sie befleckt von ihrem Blut!
Ich träumte schon, wie sie zu Boden sanken.

Ich würgte sie mit Händen Stück für Stück.
Da rief's geheimnisvoll wie über Wogen:
Der Pfeil der Rache fliegt auf dich zurück,

Kaum, daß er deiner raschen Hand entflogen,
Und hakt sich ein in jedes reine Glück,
Das dir vielleicht noch blüht. Laß mir den Bogen!
(Band 3 S. 19)
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Mahnung

Scheu wie ein Tier bist du von mir gegangen.
Du warst zu schwach, ins Auge mir zu sehen.
Du stahlst dich heimlich fort auf feigen Zehen.
Das bleibt als Makel immer an dir hangen.

Daß du geflohen bist: soll ich's verstehen,
Weil dich mein schwer befriedigtes Verlangen
Ermüden ließ? Erblaßten deine Wangen?
O, ließ ich deine Sehnsucht einsam wehen?

Du achtest dich entsühnt für tiefe Male,
Die ich dir schlug. Nun ich aus meiner Wunde
Mit Blut mein Feuer kläre, daß es strahle,

Es neu entfache mit gereiftem Munde:
Kniest du jetzt gläubig nicht vor meiner Schale,
Begehst du Treubruch an dem treusten Bunde!
(Band 3 S. 20)
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Die Erbschaft

So jung du bist, dein Herz war oft so alt
Und gegen sich und alles matt gerichtet.
Da hätt' ich gerne unsern Bund vernichtet,
Trug schien mir deine blühende Gestalt.

In solchen Stunden hab ich Haß geschichtet
Und klagte meine Liebe an, eiskalt.
Mein Herz gefror, von einem Krampf umkrallt,
Und lange ging's, bis Mitleid ihn geschlichtet.

Ich sah zurück in deinen Ahnensaal.
Sie saßen bei herabgebrannten Kerzen.
Sie reichten sich den goldenen Pokal,

Als blieb' er ewig voll, zu ihren Scherzen;
Und ließen dir für unser Liebesmahl
Nicht allzuviel des roten Weins im Herzen.
(Band 3 S. 20-21)
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Der Garten der Liebe

Die wahre Liebe, ist sie nicht ein Garten,
Darin die Bäume blühen und verblühen,
Darin zwei Menschen nach dem weißen, frühen
Märzglück mit offner Hand die Frucht erwarten?

Und sollte sie im Sonnenbrand verglühen -
Den Treuen, die getrost im Leide harrten,
Nicht denen, die in blaue Leeren starrten,
Reift sie am bäldesten und letzt die Mühen.

Der unsre schien verdorrt. Anstatt zu fliehen,
Hätt'st du, den Wassereimer in den Händen,
Mir helfen können, neue aufzuziehen

An sturmgeschützten, weißen Mauerwänden.
Ist es so schwer, auf starken, frommen Knieen
Die Qual der Liebe in ein Glück zu wenden?
(Band 3 S. 21)
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In deinem Zimmer

Ich bin dir ähnlich, und du bist es mir.
Wie sollt es anders sein nach sieben Jahren,
Die wir in Lust und Leid zusammen waren!
Dein Wesen ist in mir und meins in dir.

Noch denk ich an den Glanz von deinen Haaren,
Sitz ich allein auf deinem Platze hier.
Da sagten wir so oft das Wörtlein: wir.
Da hast du das Geheimnis einst erfahren.

War unsre Liebe nur ein süßer Wahn,
Weil du entflohen bist nach ihren Stunden?
War sie der Stern nicht, den wir in ihr sahn?

Hast du die hohe Liebe nicht empfunden?
Wer bist du, Weib? Kehr um und sieh mich an!
Sind wir denn nicht urwesentlich verbunden?
(Band 3 S. 22)
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Das Kind

Mir träumte heute nacht von unserm Kinde.
Es war nicht tot, es saß im roten Kleide
Und streckte seine kleinen Hände beide
Froh in die Luft, im Schatten unsrer Linde.

Verklärt von lusterfülltem Mutterleide
Hieltst du die Wange an die rauhe Rinde
Und horchtest still dem sanften Abendwinde.
Ich kehrte von der Jagd aus Schilf und Heide.

Ja, wär das blonde Kleine uns geblieben,
Nie hätten deine Züge sich verbittert.
Ein warmer Glanz von unserm alten Lieben

Durch alle Sorgen hätt' er nachgezittert.
Die Mächte, die uns auseinandertrieben,
Sie schliefen eingemauert und vergittert.
(Band 3 S. 22-23)
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Das Fest des Einsamen

Wenn ich aus meiner schweren Tür getreten,
An Tagen, wo die Strahlen sich ergießen,
Um dich an meine warme Brust zu schließen,
Vor deinem lilienhaften Leib zu beten,

Da ließest du die Haare offen fließen.
Wenn dann die Sonnen sich im Wirbel drehten
Und deine Blicke in die meinen flehten
Und mir die Lust der Liebe rein verhießen:

Da hab ich jenes schwere Glück gewonnen,
Das den Versunknen, die aus Tiefen steigen,
Erglüht. Ich durfte strahlenüberronnen

Mich nackt vor dir in meiner Urkraft zeigen.
Wir tranken an einander Lebenswonnen.
Wie kommt's, daß mir jetzt deine Lippen schweigen?
(Band 3 S. 23)
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Das stumme Lied des Marmors

Ich bin sehr kühl. Ich nähre mich vom Blut
Herbsüßer Frauenseelen, die mich speisen.
So kühl ich bin, ich muß die Liebe preisen
Und zittre dennoch nicht in ihrer Glut.

Ich bin sehr kühl und muß das Leben weisen,
Das euch im nackten, keuschen Leibe ruht.
Ich zeige Lust und Trauer, Kampf und Wut
Und fühle nichts in meinen Adern kreisen.

Ich ziehe warmes Blut in mich hinein.
Auch meinem Schöpfer bleiche ich die Wangen,
Wenn er mich formt, und fühle keine Pein.

Ich stille wie ein Weib ihm sein Verlangen.
Ich bin der kühle, helle Marmorstein
Und schimmre, ist er in mich aufgegangen.
(Band 3 S. 24)
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Aus: Emanuel von Bodman
Die Gesamten Werke Band 2 und Band 3
Im Auftrage von Clara von Bodman
Herausgegeben von Karl Preisendanz
Philipp Reclam jun. Stuttgart 1960


siehe auch Teil 1 und Teil 3


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Emanuel_von_Bodman


 

 


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