Emanuel von Bodman (1874-1946) - Liebesgedichte



Emanuel von Bodman
(1874-1946)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Die letzte Einsamkeit

Nacht, stumme Nacht, nur über mir die Sterne,
Wie schläft sich's trostlos in verwaisten Kissen,
Vom tiefsten Hunger, den es gibt, gebissen!
Mein Herz ist wach und horcht in graue Ferne.

Kein Herz auf dieser ganzen Welt zu wissen,
An dem ich alle meine Qual verlerne!
Auch die sind einsam dort und messen gerne
Die lichte Bahn im dunkel Ungewissen.

So will ich einsam meine Hände falten,
Nur meiner Seele lauschen, die mit leisen
Flutwellen steigt, um nimmer zu erkalten.

Die Sterne rauschen ihre goldnen Weisen.
Ich will mein ganzes Innere entfalten
Und hell und warm in diesem Dunkel kreisen.
(Band 3 S. 24-25)
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Entsühnung

Nun habe ich genug mit mir gerungen,
Wie je zwei Stürme dort am Himmel rangen,
Ich bin vertiefsten Blicks in mich gegangen
Und habe meinen bittern Groll bezwungen.

Ein jeder Fehl, den ich an dir begangen
Und du an mir, ist eiternd aufgesprungen.
Vor mir entsühnt stieg ich aus Dämmerungen
Und öffne rein der Sonne mein Verlangen.

Nun ist's an dir, mit einem frischen, kühnen
Frühflug die schwere Seele zu erheben.
Hast du die Kraft, dich selber zu entsühnen

Und mich vor dir, der lange war dein Leben,
Und, wie die Blätter nach dem Regen grünen,
In Tränen ein verjüngtes Herz zu geben?
(Band 3 S. 25)
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Ausblick

Ein Mädchen reicht mir seine Blütenschale
Voll Morgentau. So hab ich nie gezittert.
Was ich im kühnsten Traume sah, vergittert,
Steht vor mir da im vollen Sonnenstrahle.

Du hast mein Herz bis auf den Grund verbittert.
So bebt' ich kaum, als ich zum ersten Male
Dir nahte, und in deinem kühlen Tale
Hat meine Sehnsucht niemals so gewittert.

Ich lösch ihn nicht, den Durst auf meinem Munde,
Kannst du geläutert deinen Haß begraben,
Weil noch in unserm jahrgeweihten Bunde

Das Flämmchen zuckt, dran wir die Seele laben,
Und weil wir ernst in sternenklarer Stunde
Den Schwur der Treue uns geschworen haben.
(Band 3 S. 26)
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Erwartung

Ich litt an dir: nicht voll, um froh zu lallen,
War dir der Mund. Allein ich darf nicht wähnen,
Ich fände tiefres Glück; wie Glanz von Schwänen
Und Lilien warst du schlank und keusch vor allen.

O komm zurück! Ich lasse meine Tränen
In meine Hände fluten und kristallen
Auf deine frühe Demut niederfallen,
Auf deinen Scheitel und auf deine Strähnen.

Du weißt es doch: nur vor der süßen Reine
Erbebt mein Knie in lautlos schwerem Glücke.
O komm zu mir im ersten Morgenscheine!

Wir treffen uns auf jener hellen Brücke
Über dem schwarzen Todesfluß, du Meine,
Daß ich aufs neu mit dir die Myrte pflücke.
(Band 3 S. 26-27)
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Irrung

Du hast mir nicht ins Herz hineingeschaut,
Sonst hätt'st du hinter seinem rauhen Schilde
Glanz aufgedeckt von einer süßen Milde,
Wie sie noch jetzt in mancher Stunde taut:

Den Glanz von einem wundersamen Bilde
Vom Himmel meines Glaubens tief umblaut,
Dem ich mein Fühlen kindlich anvertraut
Und das so oft das Seelenheimweh stillte.

Du sahst die Blume hinter Dornen nicht,
Die sich in meinem Innern dir entfaltet,
Sahst nicht darin dein heiligstes Gesicht,

Wie's meine Liebe Jahr um Jahr gestaltet.
Bring es nicht in Gefahr, daß es zerbricht,
Wenn du dem Wahn verfällst, sie sei erkaltet.
(Band 3 S. 27)
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Trübe Rückkehr

Du ließest gern dein Haus am trüben Teich
Und deine kühle, windebewegte Welle.
Ich nahm dich mit in meine Tageshelle:
Du wurdest in der Liebe schön und weich.

Ich baute uns mit Hammer und mit Kelle
Ein neues Haus. Dein Wuchs schien meinem gleich.
Schon blicktest du mit mir ins andre Reich
Und standest ahnungvoll an seiner Schwelle.

Da lockt dich aus dem klargebauten Haus
Die alte Flut mit trügerischem Blicke
In zitternde Unendlichkeit hinaus.

Nun kamst du mit zerbrochenem Geschicke.
Es stürzt das Dach des stillen Wunderbaus.
Ich möchte, daß es mich und dich ersticke.
(Band 3 S. 28)
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Das fremde Gesicht

Wo blieb dein morgenkeusches Angesicht,
Das mir die Seele bis ins Innre rührte,
Daß ich vom Himmel einen Hauch verspürte?
Ein Zug ist da, der mir den Glauben bricht.

Einst, als ich es beglückt zum Munde führte,
Weint ich vor Dank in deinem süßen Licht.
Und nun, seit du entflohen - ist es nicht,
Als ob dich eine fremde Hand berührte?

So blieb mir nur dein Bild aus alter Zeit.
Tief trag ich's in mir wie im Totenschreine.
Ich seh's nur an in meiner Einsamkeit,

Dann lebt es, überglänzt von mildem Scheine.
Ich halt es fern von deiner Wirklichkeit,
Daß unsre Liebe nicht darüber weine.
(Band 3 S. 28-29)
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Traumwandel

Ich konnte dich in manchen meiner Stunden
Mit jenem holden Frauenbild vertauschen,
Das ich geträumt, und deiner Stimme lauschen,
Als hätt ich den ersehnten Klang gefunden.

Zu andrer Zeit hört ich die Sehnsucht rauschen,
Ach, ihr Gefieder blutete von Wunden!
Dein Bildnis konnte sich nicht völlig runden,
Und ich begann, es in mir aufzubauschen.

So trug ich es in meiner innern Halle
Und konnte froh noch zu den Höhen streben.
Wahn half, daß es nicht aus dem Herzen falle,

Wollt ich damit in meinen Himmel schweben,
Da weckst du mich mit nüchtern kaltem Schalle
Aus meinem Traum und läßt mein Glück verbeben.
(Band 3 S. 29)
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Das Kreuz der Liebe

Es gilt, sein Kreuz mit treuen Händen tragen
Durch alle Kämpfe und durch alle Mühen;
Und wenn dir Tropfen auf der Stirne sprühen
Und deine Lippen stumm vor Schmerzen klagen:

An einem Tage werden Rosen blühen
So rot wie nie, süß werden Drosseln schlagen.
Am Abend steht es klein und ohne Fragen
An deinem Bett, und alle Sterne glühen.

Doch wirfst du's weg, weil deine Hände bluten,
Und willst du dir ein neues Glück erjagen
Und hebst du deine Füße, dich zu sputen,

Und greifst du's schon an wolkenlosen Tagen -
Dann siehst du's in den Abendsonnengluten
Auf einmal schwarz in deinen Himmel ragen.
(Band 3 S. 30)
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Bettler

Mein Vaterland ließ mich am Tore stehen,
Als ich ihm freudig meinen Marmor brachte,
Den ich behau'n, wenn ich mit Sternen wachte.
Es ließ mich Jahr um Jahr vergebens flehen,

Daß ich es reicher, es mich leichter machte,
Wenn es ihn nur mit Einem Blick besehen.
Ich mußte wie ein Bettler weitergehen,
Den Grimm in meinem Herzen - bis ich lachte.

Du lachtest nicht. Dir ging es nicht von Herzen,
Mit mir den Karr'n zu schieben und zu stauben.
Du ließest dir den Stern der Hoffnung schwärzen

Und hinterrücks all dein Vertrauen rauben.
Sonst strahltest du mit mir im Saal der Kerzen.
Ich aber danke, Weib, für solchen Glauben.
(Band 3 S. 30-31)
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Die Schlange

In eurem grauen Schlosse hat die Schlange
Von alters her den Wohnsitz aufgeschlagen.
Ich hörte schon als Knabe Mägde sagen,
Sie brüte dort Verrat im dumpfen Gange.

Ihr saht schon in den frühen Mädchentagen
Die Eltern mit ihr spielen. Gar nicht bange
Nahmt ihr sie selber wohl an eure Wange
Und durftet sie wie eine Puppe tragen.

Du wuchsest auf in deinem weißen Kleide
Und bist vor Grau'n an meine Brust entwichen.
Wir wurden eins in reinem Glück und Leide.

In unserm Haus war meine Furcht verblichen.
Dann bröckelte die Zeit am Glück voll Neide:
Da ist sie dir aus Treue nachgeschlichen.
(Band 3 S. 31)
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Mein Siegel

Du hast einmal in unsrer ersten Nacht
Von mir enthüllt in schauerndem Verlangen
Mein Bild in unserm Weihekuß empfangen,
Der lange dich zur meinigen gemacht.

Du bist wie eine Blume aufgegangen
Und hast mir dein Geheimnis dargebracht.
Wir haben hingegeben jener Macht,
Uns Jahr für Jahr in Lieb und Haß umfangen.

Nun raffst du matt zu neuem Tanz das Kleid
Und willst dein Herz in neue Hände geben.
Du träumst vom Glücke ohne Bitterkeit.

Gespalten wirst du sein, wie ich, fürs Leben.
Mein Spiegel aus der ersten süßen Zeit
Kann dir kein andrer aus dem Wesen heben.
(Band 3 S. 32)
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Der Glaube

O lebte noch in dir der lichte Funken,
Der unsre trübsten, bangverwachten Nächte
Durchleuchtet und geheimnisdunkle Mächte
So bannt, als wär ein Stern hereingesunken!

Zerteiltest du das wirre Wunschgeflechte,
Das dir aus Träumen wuchs, als wärst du trunken -
Ich hätte dich ins Haus zurückgewunken,
Wenn dir mein Glaube neuen Glauben brächte.

Ich fürchte, leben heißt dir jetzt genießen.
Mir munden nur nach Siegen blaue Trauben.
Weh, deine mattgewordnen Blicke ließen

Sich ihren letzten Sternenfunken rauben.
Du glaubst nicht mehr, daß uns die Brunnen fließen.
Wer hat in eurem Hause einen Glauben!
(Band 3 S. 32-33)
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Meine Lilie

Wie eine Lilie im dunklen Teich,
So wolltest du im Anfang erscheinen.
Mir war vor lauter Andacht oft ums Weinen,
Als ich zuerst dich küßte, liebeweich.

Ich nahm dich an dem schlanken Schaft, dem feinen,
Und setzte stolz dich in mein Wellenreich
Und war ein Mann, an einem Schatze reich:
Du strahltest wie die Reinste aller Reinen.

Jedoch in deinem Kelche war ein Keim
Von einer alten Alge mitgekommen:
Der wuchs und überzog mit seidnem Schleim

Dein Blütenherz, das noch so licht geschwommen,
Und überzog mein ganzes klares Heim
Und hat mir deinen Lilienglanz genommen.
(Band 3 S. 33)
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Weib!

Was man verloren hat, besitzt man klar,
Wie einen Toten, der von uns gegangen
Und dem die Freunde Sterbelieder sangen
Und der uns lieb, mitunter schwierig war.

Mit süßem Schmerz und trauerblassen Wangen
Denkst du an mich, als läg ich auf der Bahr,
Und knüpfst dabei dein tränennasses Haar
Bereits zu Tanz und neuem Glückverlangen.

So rächst du dich, entzückt von Grausamkeit,
Für Leiden, die ich ungewollt dir brachte,
Als ich am Berghang meiner Einsamkeit

Ein Höhenfeuer für die Welt entfachte.
Zu neuer Lust trinkst du Vergangenheit,
Indes ich bang um unsre Liebe wachte.
(Band 3 S. 34)
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Auf Trümmern

In deiner Nähe ist das Glück gediehen,
All meine bunten Kräfte zu entfalten,
Gestalten mit den Händen festzuhalten,
Die traumhaft durch die offne Halle ziehen.

Und wenn sie matt den strengen Stift umkrallten:
Dein Mutterblick hat Ruhe mir verliehen.
Von neuem lag ich trunken auf den Knieen
Und bannte sie, die flüchtigen Gestalten.

Nun gähnt mein Haus. Wo sind sie hingegangen?
Der Brunnen hallt im Hof, als wollt er weinen.
Wo zwischen stolzen Schritten Blüten sprangen,

Geh ich umher wie zwischen Leichensteinen.
Wo's purpurn glänzte, helle Worte klangen,
Sitz ich gebeugt und wühle in Gebeinen.
(Band 3 S. 34-35)
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Der schwerste Verlust

Was je ich liebte, liebte ich in dir,
Was je ich liebte, war mit dir verbunden,
Auch meine Träume aus den stillen Stunden
Der Einsamkeit gehörten nicht nur mir.

Ich schwieg aus Scham. So hast du nicht empfunden,
Was ich dir schenkte an geheimer Zier,
Und wähnst, ich küßte dich nur in Begier,
Hast deinen Schatz in mir nicht aufgefunden.

Nun du's zerrissen hast, das feste Band,
Steh ich verwaist mit allen meinen Schätzen.
Das bunte, bildertrunkene Gewand

Wird grau und grauer und zerfällt in Fetzen.
Was ich bei dir besaß, so Hand in Hand,
Versinkt, und niemand kann es mir ersetzen.
(Band 3 S. 35)
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Untreue

Untreu' gebiert Untreu'. Ich bin zu jung,
Um eingeblockt von kahlen Einsamkeiten
Allein mit deinem alten Bild zu schreiten
Im Garten unserer Erinnerung.

Ich muß mein Herz nach deinem Beispiel weiten,
Um nicht in angstbeladner Dämmerung
Die Sehnsucht mit verwirrtem Flügelschwung
Nach einer Ungetreuen auszubreiten.

So muß ich, treulos meinem treuen Leid,
Die Treue einer andern weitergeben,
Treulos zum Schmerze meiner frohen Zeit,

Was ich noch fühle, aus dem Innern heben,
Ausziehn die Liebe wie ein altes Kleid
Und schwer von Treue ihr ein neues weben.
(Band 3 S. 36)
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Gespalten

All das, woran ich mich von je erfreue,
Will sich in meinem Innern wieder regen.
Nun aber klopft dein Herz auf andern Wegen,
Und ich muß sehen, wie ich meins erneue.

Die Schätze, die mich so mit dir bewegen -
Ob ich sie einst vor andre Blicke streue?
Es geht mir gegen meine tiefste Treue,
Auf einen andern Scheitel sie zu legen.

So ist mein Herz bis auf den Grund gespalten,
Weil du im Schmerz das deine spalten ließest.
Die eine Hälfte kann dir nicht erkalten

Und fühlt's, wenn du Erinnerung genießest.
Die andre will dem Leben sich entfalten
Und leidet doch, daß du sie nicht erschließest.
(Band 3 S. 36-37)
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Hilfe!

Mein Herz ist krank wie ein verwaistes Kind:
Es greift umher, die Mutterhand zu pressen,
Wie einst, da du an seinem Bett gesessen,
Wenn ihm die Lider zugefallen sind.

Es kann die warme Nähe nicht vergessen
Und sucht nach Trost im liebelauten Wind,
Im dunklen Regen, der vom Dache rinnt,
Und rüstet sich, sich mit dem Leid zu messen.

Und langsam wachs ich auf im harten Leid
Zu jener starken, reifeschweren Liebe,
Die du vermißt hast in der kühlen Zeit,

Als ich allein entflammt war von dem Triebe,
Das Lot zu senken in die Ewigkeit.
O hülfst du, Schmerz, daß unser Bündnis bliebe!
(Band 3 S. 37)
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Qualen

Vor einem Jahre hielt ich's in den Händen:
Dein Herz mit einem tiefen Spalt inmitten,
Den deine jähe Gierde dir geschnitten.
Wir sahn uns an, wie wir die Qualen wenden.

Du fragtest mich mit scheu verhaltnen Bitten,
Mich drückte all der Kummer an den Wänden.
Auch ich sah Lippen, die bereit sich fänden,
Mir wohlzutun für das, was ich gelitten.

Da gingst du wieder und mit dir die Stunde,
Wo es noch Zeit war, daß ich Risse heile.
Bald wuchs die alte Liebe aus der Wunde.

Zu spät. Du hattest nach dem andern Eile.
Und weil mein Mund stumm blieb in der Sekunde,
Spiel ich mitunter Fangball mit dem Beile.
(Band 3 S. 38)
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Die Wage

Wer hat die meiste Schuld an unsern Qualen?
Komm her, du meine altvertraute Wage,
Daß mir dein goldnes Zünglein Antwort sage!
Hier werf ich meine, ihre in die Schalen.

Und hier der treuen Liebe treue Plage.
Jetzt all die Wörtlein, jene giftig fahlen
Von Freunden, die mir dein Vertrauen stahlen
Und die ich still vor ihrem Stuhl verklage.

Ich sehe die gefüllten Schalen wanken.
Mein Herz horcht anfangs mit geschwindern Schlägen.
Doch nun verstummt der Groll und die Gedanken,

Die mir bei Tag und Nacht das Hirn zersägen.
Und sollte auch die Zunge immer schwanken,
Das Schicksal kühlt die Hände, wenn sie wägen.
(Band 3 S. 38-39)
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Blick in die Wirklichkeit

Die Wirklichkeit enthüllt mir das Gesicht
Und weist mir ruhig ihre strengen Züge,
Damit ich ihren Anblick leichter trüge
Und wiederfände in mein Gleichgewicht

Und nicht mit Zweifeln mehr die Brust befrüge!
Sie sagt mir still, wie alles sich verflicht.
Auf diesem Antlitz ruht ein eignes Licht,
Und Spruch und Urteil wird zuletzt zur Lüge.

Vor ihrem unergründlich offnen Blick
Verblassen alte Qualen und entschweben.
Reif wird mir in der Seele mein Geschick.

Ich darf den Schlüssel zu den Tiefen heben.
Vor Mächten schaudernd beug ich das Genick,
Vor jetzt und einst, dem Quell in unserm Leben.
(Band 3 S. 39)
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Die Verzweiflung

Wer niemals gegen sich gerichtet war,
Kennt die Verzweiflung nicht und ihre Meute.
Du sitzt in dir verknäult als ihre Beute,
Von ihr gepeitscht mit schweißgenäßtem Haar.

Dein Herz, das nie bis in den Tod bereute
Und nach den Stürmen immer sonnenklar
Erschien, verkehrt sich, jeden Schimmers bar,
Und du begrübst dich ohne Grabgeläute.

Wer nie aus Herzensscham sich totbegehrt,
Selbstmörderisch Selbstmördern eng verbündet,
Kennt auch das Feuer nicht im eignen Herd,

Das neuer Glaube in dem Qualm entzündet.
Er kennt die Flamme nicht, die Schutt verzehrt,
Wenn steil dein Leben in das ihre mündet.
(Band 3 S. 40)
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Schrei in die Ferne

Dein Leib war mein Leib, mein Leib war der deine.
Drum hielt ich unbefleckt die fromme Mitte
Von fremdem Trost, damit dein Leib nicht litte,
Dein Auge nicht noch mehr der Tränen weine.

Denn stumm aus meinem Innern wuchs die Bitte,
Daß wir verklärt von neuem Kerzenscheine
Vom Brot der Liebe kosten und vom Weine,
Ward unser Herz gespalten auch durch Dritte.

In deinem Leib lebt immerdar der meine,
Solang du lebst. Rett ihn vor fremden Händen,
Die ihn betasten möchten, daß der meine

In dir nicht weint, bebst du in trüben Bränden!
O halte heilig deine letzte Reine,
Laß unsre Liebe nicht im Krampf verenden!
(Band 3 S. 40-41)
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Ohne Maske

Nun ist die zarte Maske abgefallen,
Die meine Liebe auf dein Antlitz drückte,
Und was mein Herz im Innersten beglückte,
Hör ich aus deinem nimmer widerhallen.

Wenn früher uns ein süßer Rausch entzückte,
Ich mußte immer wieder zu dir wallen
Wie vor ein Bild, fast in die Kniee fallen,
Bis dich ein frecher Ruf zur Lust berückte.

Einst warst du mir Geliebte und Madonne,
Ich durfte dankbar meine Stirne neigen.
Dann wollt ich mit dir in die klare Sonne

Der hohen Welt, wo Geister kämpfen, steigen.
Du nahmst die Maske weg und meine Wonne,
Und vor der Maskenlosen muß ich schweigen.
(Band 3 S. 41)
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Die vergiftete Liebe

Du hast der Liebe, die ich für dich hegte
Und nach der Trennung neu ins Herz geschlossen,
Zuguterletzt Gift in den Mund gegossen
Und zucktest nicht, als sich ihr Blick bewegte.

Du lächeltest, halb grausam, halb verdrossen,
Du, die sich meinem Wunsch zu Füßen legte,
Solang ich trunken dir das Blut erregte,
Und hast nun deine Rache ausgenossen.

Die Schaufel her! Ich will die trübe Leiche
Aus meinem Herzen graben und sein Wehe
Zerhacken, daß es nicht mit ihr verbleiche

Und nicht mit ihr in Fäulnis übergehe.
Versenken will ich sie im schwarzen Teiche,
Damit ich die Entstellte nimmer sehe.
(Band 3 S. 42)
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Schlangenblut

So  hattest du denn doch in dir die Schlange,
Die ich verachten muß! Um es zu wissen,
Hab ich dich oft aus deinem Schlaf gerissen
Und neckte dich mit einem Rütlein, bange,

Ich hätte einst dein Bild zu rein umrissen.
Du lagst in dir versteckt an deinem Hange
Und, statt zu warnen in erzürntem Drange,
Hast du mich hinten in den Fuß gebissen.

Ich hinkte lange mit gebrochnem Mute,
Und du, o Weib, du hast uns allen zweien
Geschadet. Mit dem Gift, das in dir ruhte,

Mußtest du Glück aus deinem Herzen speien.
Ich aber bade jetzt in deinem Blute,
Um mir die Haut zu hürnen und zu feien.
(Band 3 S. 42-43)
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Wandlung

Nun ändert sich auch die Vergangenheit
Und jeder Pfad, den ich mit dir gegangen.
Ich such nach frühen Gängen deiner Schlangen
Im Garten deiner Jugend weit und breit.

Wohl hätt ich selber gerne mein Verlangen
Gewechselt: deine Kühle war mir leid.
Da dachte ich an unsre erste Zeit
Und küßte Treue dir auf deine Wangen.

Was immer sich im Herzen mir geregt,
Ließ ich dich, wie ein Kind die Mutter, schauen
Und übersah dabei, was sie bewegt.

Ich gab dir in die Hände mein Vertrauen.
Doch als Verrat dein schweres Herz belegt,
Da kehrte sich der Tag des Glücks in Grauen.
(Band 3 S. 43)
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Rätsel

Ich kann die süßen Nächte nicht vergessen
Aus unsres Frühlings wunderlichen Zeiten.
Wir staunten in die ungemeßnen Weiten
Und freuten uns, wie sich die Sterne messen.

Stumm ließ ich dein Gewand zur Erden gleiten
Und mußte auf den Knieen dich umpressen.
Du gabst mir deine erste Frucht zu essen,
Und Sternen dankte ich, die das bereiten.

Furchtbare Sterne mit der klaren Pracht,
Mein armes Hirn will's immer noch nicht fassen,
Daß Liebe wie die unsre über Nacht

Umschlagen konnte in so bittres Hassen
Und daß die himmlisch rätselhafte Macht
Auf uns hat ihre Schlacke regnen lassen.
(Band 3 S. 44)
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Der steile Berg

Ich wollte steigen und dir Höhen zeigen,
Von denen sonngeklärte Winde wehen,
Und dann mit dir ins Land hinuntersehen
Und mich zur Blüte unsrer Liebe neigen.

Stets sah ich sie am Rand des Abgrunds stehen,
Stets wollte ich sie in Gefahr ersteigen,
Um dann in ihrem sanften Kuß zu schweigen.
O hätt'st du Kraft gehabt, mit mir zu gehen!

Du warst gewohnt, durch reiches Tal zu schreiten
Und jeder Flur den Blick zu überlassen.
Mich lockte es, die Aussicht zu erstreiten

Und nur auf Gipfeln nach dem Glück zu fassen.
Dir wurde bang in unsern Einsamkeiten,
Du flohst, um meinen steilen Berg zu hassen.
(Band 3 S. 44-45)
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Unmögliches Verlangen

O wärst du wieder, wie du in den Jahren
Der Liebe warst: ein Spiegel ohne Flecken!
Du brauchtest dich vor mir nicht zu verstecken
Und schimmertest im Glanz von deinen Haaren.

Mit beiden Händen wollt ich dich bedecken,
Mein Bild so rein in deinem großen, klaren
Aufblick erschaun und, die versunken waren,
Die Stunden frühen Glückes wieder wecken.

Ich möchte dich an deinen Händen fassen
Und an mich ziehn im alten, süßen Bangen
Uns müßte sie erkaltet sinken lassen:

Der Tau auf deinem Kranze ist vergangen.
Da, wo ich lieben möchte, muß ich hassen,
Und vor entweihtem Mund stirbt mein Verlangen.
(Band 3 S. 45)
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Entweiht

Wie gerne wollt ich dir ins Auge sehn,
Erinnerungen wecken, die verklangen,
Dir glätten deine tränennassen Wangen
Und heiß wie einst um deine Liebe flehn.

Wie gern wollt ich vergessen, was vergangen,
Mit dir verjüngt auf neuem Wege stehn,
Wie gerne wollt ich wieder mit dir gehn,
Aufküssen dein erstorbenes Verlangen.

Allein erblickt' ich deines Leibes Au,
Die lange unser reines Glück getragen
Und unsrer armen Liebe Morgentau,

Säh ich auf einmal einen Schatten ragen.
Ich sähe fremde Spuren sehr genau -
Und hätte Furcht, ich müßte dich erschlagen.
(Band 3 S. 46)
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Die Peitsche

Hätt ich anstatt, wo ich gefehlt, zu büßen,
Dich für Verrat die Peitsche fühlen lassen,
Und dann nach deinem zornigen Erblassen
Den Hieb mit neuen Küssen zu versüßen:

Du ließest wieder gerne dich umfassen,
Du säßest wieder gerne mir zu Füßen,
Um mich wie einst mit einem Blick zu grüßen,
Darin erloschen wäre kaltes Hassen.

Ich tat es nicht, weil ich das Weib verachte,
Das nach der Faust verlangt, die es geschlagen,
Wenn sie darnach ihr nur den Zucker brachte,

Antwort auf alle ihre vielen Fragen.
Ich tat es nicht, weil ich den Mann verlachte,
Der so das Kreuz der Liebe hülfe tragen.
(Band 3 S. 46-47)
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Dein Bild

Ich kann nur die mit ganzer Seele lieben,
Die ich mit ganzer Seel mir gleich erachte.
Daß meine Liebe mich so glücklich machte,
Geschah, weil ich dein Bildnis klar gerieben.

Sein stiller Glanz war's, der mir Freude brachte,
Und sah ich viele Träume auch zerstieben,
Dein erstes Bild ist tief in mir geblieben,
Weil ich es treu, auch gegen dich, bewachte.

Ich trag es noch in mir, allein es schwindet
In der Gestalt, in der ich's einst besessen,
Nun du, was Menschen bis zum Tod verbindet,

So von dir warfst, als hättest du's vergessen.
Kalt wird's in meiner Brust. Mein Auge findet
Die Grenze, wo sich Bild und Urbild messen.
(Band 3 S. 47)
_____



Das erste Bild

Du gabst mir einst mit deinen ersten Küssen
Dein erstes Bild. Es glänzte mir im Herzen,
Als stünde es im Kranz von süßen Kerzen.
Es bleibt, obwohl wir haben scheiden müssen.

Meins ließest du von fremder Gierde schwärzen.
Ertränken wolltest du's in wilden Flüssen.
Nun hältst du, aus Verrat und schwülen Güssen
Erwacht, in Nächten deine Hand auf Schmerzen.

Nimm einen Spiegel, Weib! Muß zwischen beiden
Hinschwankend dir dein Bild nicht bitter schmecken?
Zerrissen ist es von geheimen Leiden.

Dein reines kannst du noch in mir entdecken.
Nun aber suchst du meinen Blick zu meiden -
Du könntest bis ins Herz hinab erschrecken.
(Band 3 S. 48)
_____



Das verlorene Gesicht

Du hattest der Gesichter für mich viele,
Und manches, das dein stilles Antlitz faßte
Und mir als wunderlicher Spiegel paßte,
Hab ich dir aufgedrückt im süßen Spiele.

Und eines war so kalt, daß ich dich haßte,
Wie wenn ich in den leeren Abgrund fiele.
Denk ich daran, erfaßt mich Zorn - ich ziele
Noch jetzt darnach, daß es, durchschaut, verblaßte.

Und eines war von einer Demutreine,
Mir war, als ob mir diese Welt entschwinde.
Ich kniete wie vor dem Marienschreine;

Kein Lächeln machte mich wie deins zum Kinde.
Ich sah die Liebe mit dem Himmelsscheine -
Und schreie auf, daß ich es nimmer finde.
(Band 3 S. 48-49)
_____



Falsche Rechnung

Einst spielte ich mit dir. Du warst zu jung,
Mein Herz mit Höll und Himmel zu erfassen.
Ich wollte dich in Höllen schmachten lassen,
Damit du reiftest für den Himmelsschwung.

Und trieb ein Spiel mit Lieben und mit Hassen,
Ich drängte dich zur Glut als Musterung.
Da warfst du dich hinein mit einem Sprung.
Ich sah dich noch in kaltem Zorn erblassen.

Dann liefst du gleich so tief in sie hinein,
Daß ich dich nimmer fand vor Feuerwogen.
Ich suchte dich und brannte selbst vor Pein.

Mein Schalk hat dich in Höllentor gebogen.
Es ist zu spät fürs Himmelskämmerlein -
Ein Teufel kam und hat den Schluß gezogen.
(Band 3 S. 49)
_____



Der andre Marmor

Du hast den Stein, den Marmorstein mißachtet,
In den mein Meißel Bild um Bild geschrieben
Von unserm lust- und leidbewegten Lieben,
Hast ihn zuletzt mit kaltem Neid betrachtet,

Als wäre meine Liebe drin geblieben.
So war dein nimmersattes Herz umnachtet.
Der weiße Stein hat deinen Haß verachtet
Und über Nacht ein neues Bild getrieben.

Wohl ist es anders als in jenen Zeiten,
Da süße Freuden uns im Innern blühten.
Auch noch im Grausen will der Meißel gleiten

Und Qualen zwingen, die mich fast verglühten.
Und was die stillen Mächte mir bereiten,
Will ich vor der Vergänglichkeit behüten.
(Band 3 S. 50)
_____



Mein Spiegel

Mein Spiegel war so blank und blinkte weit:
Ich blickte gläubig durch die offne Pforte
Ins Leben, liebte alles ohne Worte
Und war zur hohen Liebe wohl bereit.

Es funkelte in meinem tiefen Horte.
Ich nahm und schenkte froh im Widerstreit.
Dann hat die Liebe mich mit mir entzweit,
Verriet sich selber, und mein Glück verdorrte.

Nun blicke ich verzerrt ins Morgenlicht,
Muß mich in Qualen auf dem Bette winden;
Mein Spiegel zeigt ein bitteres Gesicht.

Muß ich den Haß in solchem Glase finden?
Geh, dunkler Gast, bedroh ihn länger nicht,
Sonst wird er mir am Ende noch erblinden.
(Band 3 S. 50-51)
_____



Zwiefache Liebe

Das Wort der Liebe scheint mir ohne Sinn,
Soll ich es einer andern weitersagen,
Wo dein Herz mir bei seinem Klang geschlagen
Und ich für eine doch geschaffen bin.

Du aber gingst zu einem andern klagen,
Als trüg ich Schuld, wenn deine Freuden fliehn,
So muß ich denn mit schwer geprüften Knien
Zwiefache Liebe in der Seele tragen.

Du schienst mir lange Zeit wie Tau so klar,
Ich durfte heilig dich Maria nennen.
Ich wähnte froh, du bliebst es immerdar.

Nun muß ich wund in neuer Sehnsucht brennen.
Allein mir schwankt die Welt, die blumig war,
In ihrem tiefen Grund, wenn wir uns trennen.
(Band 3 S. 52)
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Kampf

Ich kann mein junges Blut kaum niederringen,
Erscheinen unsre ersten süßen Nächte,
Als ich auflöste deine blonde Flechte,
Um mit dir das Geheimnis zu vollbringen.

O, wenn ich oft an unsre Wonnen dächte,
Könnte mir in der Brust die Ader springen.
Dein schlanker Leib entband mir meine Schwingen,
Allein dein Inneres barg morsche Schächte.

Fühl ich auch altes Heimweh in mir pochen,
Wenn meine Hände sich vor Mordlust ballten,
Und muß es noch in meinen Pulsen kochen,

Will ich doch mein Verlangen niederhalten.
Dein Zauber, ach dein Zauber ist gebrochen!
Nur reinem Herzen mag ich mich entfalten.
(Band 3 S. 52-53)
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Spuk

Mich narrt ein Spuk in meiner Einsamkeit:
Weil ich seit langem dich nicht mehr gesehen,
Willst du in meinem Herzen auferstehen,
Betaut vom Glanze unsrer ersten Zeit.

Ich sehe deine Augen wieder flehen,
Ich öffne meine Tür, zum Glück bereit.
Die Ferne nimmt von dir, was uns entzweit.
Ich meine noch, ich könnte mit dir gehen.

Du stehst wie einst vor meiner Seele da,
Wenn ich nach deinem alten Fenster spähe.
Ein Bild aus einem Traume ist mir nah,

Drum möchte ich, daß ich dich vor mir sähe.
Dann könnt ich frei sein, fühlen, was geschah:
Lauter und unerbittlich spricht die Nähe.
(Band 3 S. 53)
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Die Befreierin

Wie einer Schlange, die vor Gift und Wut
Sich blind in ihren eignen Leib gebissen,
Ging's deiner Freundin, die dich fortgerissen
Von mir, der mit dir teilte Herz und Blut.

Zu blöd, um keuschen Mannesstolz zu wissen,
Der hinter Stacheln birgt sein liebstes Gut,
Half sie entfachen deinen freveln Mut
Und dachte nicht an mein verwaistes Kissen.

Mitleidig ließ sie ihres Gatten Hand
Trost spenden deinem sturmzerzausten Haare.
Sie ahnte nicht, wie rasch auf dich ein Brand

Bei dem Geschäft aus seinen Fingern fahre.
Nun hat sie, da ihr ins gelobte Land
Fortzieht, das Nachsehn für die späten Jahre.
(Band 3 S. 54)
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Der schlaue Freund

In Freundesmaske, einer meisterlichen,
Gabst du Gehör dem Klagen meiner Kranken,
Die schon im jähen Mutterleib zu schwanken
Geboren war. Ach, als sie mir entwichen,

Gab ich sie frei, in Angst, sie könnte wanken.
Du lauertest, bis eine Zeit verstrichen,
Hast Trennungsweh dann mit Verrat umschlichen.
Hätt ich's gewußt, lägst du mit starren Flanken.

Nun sitzt an deinem Tisch ein stummer Schatten
Und wird dir die gestohlne Freude töten,
Gehst du die Freundschaft hinterrücks bestatten,

Wirst du unsicher in der Brust erröten.
Dir folgt mein Blick und wird dein Herz abmatten.
Aufstöhnen wirst du noch in Todesnöten.
(Band 3 S. 54-55)
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Der zersprungene Spiegel

Daß ich dich nun verlor, soll ich's noch klagen?
Die ich in dir geliebt, hast du verlassen,
Dein trübes Herz im Rausche zu verprassen,
Anstatt mit mir das Leid des Glücks zu tragen.

Die ich geliebt, die hast du fallen lassen.
Nicht kann ich mehr zu dir Madonne sagen,
Wie einst an unsern blauen Sommertagen.
Nur die, die ich gehaßt, kann ich noch hassen.

Nicht kann ich mehr in deinen Armen singen,
Von Sonn und Regentropfen und vom Winde.
Nicht kann ich mehr in froher Liebe klingen.

Furcht hab ich, daß mir Lust am Leben schwinde.
Dein Spiegelantlitz mußte so zerspringen,
Daß ich mich selber nimmer darin finde.
(Band 3 S. 55)
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Sterbende Liebe

Dein schlanker Leib war schöner als dein Herz.
Denk ich zurück an unsre Liebeszeiten,
Vermischt sich Sehnsucht mit den Bitterkeiten
Enttäuschten Glaubens, und mich spaltet Schmerz.

Um deine Lippen spielten Häßlichkeiten.
Zog je dein Sehnen mit mir sonnenwärts?
Als ich's erkannte, wurde ich zu Erz
Und ließ dich, bis zum Tode wund, entgleiten.

Dein süßer Leib, der war einmal mein Glück.
Dein Inneres vermorschte unter Flecken.
Ich mag ins alte Leben nicht zurück,

Kann nicht mit Traum mehr Klüfte überdecken.
Zum Bild des Weibes gabst du nur ein Stück.
Nach anderem muß ich die Hände strecken.
(Band 3 S. 56)
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Alte Qual

Mir zuckt das Herz von einer alten Wunde,
Die mir Verrat mit frechem Mund geschlagen.
Wie mich's empörte, kann ich niemand klagen,
Keins fühlt ins Glück und Leid von anderm Bunde.

Ich träumte manche Stunde vom Erschlagen,
Die Schmach zu werfen aus dem Herzensgrunde -
Und sah in einer heiligstummen Runde
Auf einem Berg ein Kreuz zum Himmel ragen.

Ich opferte der Stimme dort die Rache
Und frage doch: war's nicht mein Seelenschaden?
Und horche oft, ob ich nicht irre lache,

Weil ich es unterließ, mich zu entladen.
Ja, Tage gibt's, wo ich in Qual erwache,
Anstatt durch einen Mord mich frei zu baden.
(Band 3 S. 56-57)
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Der Tod der Liebe

Ich hasse dich, weil du vom ersten Bilde,
Das ich von dir in meiner Brust getragen,
Dich so entferntest, daß ich um mich schlagen
Und dich zertreten könnte im Gefilde.

Solang du treu warst, konnte ich's ertragen,
Daß du auch Züge hattest, launisch wilde
Und höhnisch kalte, die auf deiner Milde,
Die mich gebannt, wie leichte Flecken lagen.

Nun du Verrat begingst, weint mein Verlangen.
Noch muß ich in der Nacht die Hände strecken
Nach deinen einst ach so geliebten Wangen,

Als könnte ich die alte Zeit erwecken -
Und seh's auf unsrer Liebe bläulich prangen,
Kalt weht mich's an: das sind die Leichenflecken.
(Band 3 S. 57)
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Flüchtige Begegnung

Wohl kann ich dich nach allem, was geschah,
O Weib, auf Erden nimmermehr begehren.
Ich mußte mich zu einer andern kehren,
Treu will ich die, in der ich mich ersah.

Eins aber muß ich innig an dir ehren:
Dein Lächeln. Heute standest du mir nah,
Und hinter Leiden war es wieder da,
Und dieser Liebe brauch ich nicht zu wehren.

Dein Auge sprach: ich büßte bitterlich!
Und Glück von ehmals lag auf deinem Munde.
Still fühlte jedes nur: verwandle dich!

Das Tor zum Himmel schmolz in unsrer Wunde.
In Tränen schwebten beide über sich.
Stumm leuchtete der Blutkelch durch die Stunde.
(Band 3 S. 58)
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Die Passion

Ein jeder geht den Pfad der Passion.
Auch ich und du. Das Herz ist uns zerschunden,
Die wir zur Liebe nicht mehr heimgefunden.
Aus meiner wurde Zorn, aus deiner Hohn.

Nachts aber redeten die treuen Wunden
Vom alten Glücke. Deiner Stimme Ton
Hört ich, der längst aus meinem Haus entflohn.
Dann waren wir im Reiche fernverbunden.

Wo du auch bist: wenn einst im Erdenland
Das Kreuz errichtet ist für unser Leben,
Laß uns nicht von einander abgewandt

Kalt das Gesicht zum Sternenhimmel heben;
Mit mildem Lächeln, fernem Druck der Hand,
So laß uns vor dem ewigen Glanz erbeben!
(Band 3 S. 58-59)
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Mondnacht

Mit einer andern Liebe als Verlangen
Muß ich in hellen Nächten dein gedenken
Und ruhig in dein Wesen mich versenken,
Auf diesen Wegen, die wir einst gegangen.

Ich kann nur Milde in die Ferne schenken
Auf deine harten, leidgefurchten Wangen,
Auf denen auch das alte Glück vergangen;
Kann dir dein Schicksal nimmer helfen lenken.

Doch mögen leise Wellen zu dir schlagen,
Die jetzt den Zorn in meinem Herzen kühlen,
Und ruhig dir von meinem Wesen sagen -

Geläutert wirst du es geläutert fühlen,
Und einstens mag in unsern alten Tagen,
Bevor wir sterben, Friede uns umspülen.
(Band 3 S. 59)
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Das alte Schloss

Nun liegt das Schloß, darin ich dich gefreit,
Im gelben Park verlassen und verloren
Mit trüben Scheiben, mit verschloßnen Toren,
Und keine Uhr verkündet mehr die Zeit.

Die Bänke, wo wir unter Küssen schworen,
Frösteln in ihrer kühlen Einsamkeit,
Und auch die Marmorfraun im Schönheitskleid
Sehn drein, als wäre längst ihr Herz erfroren.

Die blauen Iris stehn am Teich verdorrt
Und können sich nicht mehr im Spiegel zeigen.
Die Eltern fuhr dir jäh ein Kutscher fort,

Der dafür Sorge trug, daß sie fein schweigen.
Du lebst, doch fern von deinem Heimatort,
Und mir verblaßt dein Bild im Blätterreigen.
(Band 3 S. 60)
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Erinnerung

Wer bist du, Weib? Das frag ich länger nicht.
Was ich seit deiner harten Wandlung trage,
Klingt meinem Ohre bald wie eine Sage,
Erzählt von fremdem Mund im Dämmerlicht.

Ich suche aus den Trümmern alter Tage
Dein frühes, oft so leuchtendes Gesicht.
Ich höre, wie es liebe Worte spricht,
Und leis verstummt im Herzen meine Klage.

Was du mir warst in deiner Blütezeit,
Bevor der Blitz uns jäh das Glück zerspalten,
Will ich im Garten meiner Einsamkeit,

Wenn jeder Schritt verhallt ist, scheu entfalten,
Vergessen Haß und kalte Grausamkeit
Und ersten Duft an meine Lippen halten.
(Band 3 S. 60-61)
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Das graue Schloss

Ich seh das graue Schloß im Nebelring
Nach langer Zeit am grauen Wasser ragen,
Mit seinen Rosen, die wie einstens klagen,
Als meine Sehnsucht sich darin verfing.

Ach, wie dem Gaste, den zu Fuß, zu Wagen
Das Schloß zum Fest mit offnem Tor empfing
Und der entschwand, wenn es in Schleiern hing
Und Fenster starrten wie in leeren Fragen,

So ging es mir. Ein Nebelschleier lag
Vor deinem Blick. Bin ich bei dir gesessen,
Erglühtest du mit süßem Herzensschlag,

Ich durfte deine bangen Hände pressen.
Und war ich fern, verschwamm dir schon bei Tag
Mein wahres Bild, als hättest du's vergessen.
(Band 3 S. 61)
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Die tote Liebe

Mein banges Herz gleicht einer Leichenhalle,
Da liegst du aufgebahrt im Kerzenglanze.
Am Tage wehre ich dem Mummenschanze,
Nachts weck ich dich und hole dich zum Balle.

Nacht gleite ich mit dir im leichten Tanze
Durch alten Saal, gespiegelt vom Kristalle.
Ich seh dich an und sehe in dir alle.
Weiß wogt dein Schleier unterm Myrtenkranze.

Nachts taumelst du im Schlosse mir entgegen
Und blickst mich an, als wäre nicht gewesen.
Im Treppenhaus, auf weißen Gartenwegen.

Läßt du mich erstes Glück im Blicke lesen.
Stumm folgst du mir durch Rosenblätterregen -
Um dann am Morgen wieder zu verwesen.
(Band 3 S. 62)
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Verlorene Liebe

Dein schlanker Leib blüht in mir, wie er war,
Als du zum ersten Mal dich hingegeben,
Und bleibt mir blühen für mein ganzes Leben
Mit herrlich aufgelöstem schweren Haar.

Versunken fühle ich mein Herz erbeben,
Zeigt eine Stunde wieder morgenklar
Dein frühes Bild, noch rein und süß und wahr,
Und traurig sehe ich's vor Augen schweben.

So blühst du mir, auch wenn du fern verblühst,
Die ich seit unsrer Zeit nie mehr gesehen.
Du glühst in mir, auch wenn du einst verglühst,

Wenn kühl die Winde unsres Herbstes wehen.
Und so kann ich, auch wenn du dich bemühst,
Mich zu vergessen, nie in dir vergehen.
(Band 3 S. 62-63)
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Das steinerne Antlitz

Wie wenn er atmete, so sprach mein Stein
Und wollte fast die schweren Lider weiten:
Nun denkst du wieder an entschwundne Zeiten
Und weinst bei dunkler Nacht in dich hinein.

Die du geliebt, du ließest sie entgleiten,
Als ihr Gesicht nicht mehr wie meines rein.
Du wolltest mich zu deinem Weibe weihn
Und deinem süßen Schmerz ein Fest bereiten.

Die dir einmal das Liebste war, verglüht
An fremder Brust und mag sich oft verzehren.
Bald ist der Mund, der dich geküßt, verblüht,

Magst du auch jetzt dem Heimweh nimmer wehren.
Sieh mir ins weiße Antlitz: wie es sprüht,
Und kniee nieder, ohne zu begehren!
(Band 3 S. 63)
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Mein Herzensbildnis

Du hattest Ein Gesicht, das war mein Bild.
Umsäumt von deinem jungen, blonden Haare,
Warst du auf meinem heimlichen Altare
Die Liebe selbst, entrückt und himmelmild.

Du bliebst es trotz Besitz und Qual durch Jahre,
Hinter dem Alltag süßes Traumgefild.
Und meine Strenge, ach, war nur sein Schild.
Du konntest mir es bleiben bis zur Bahre.

Nun es herabfiel, muß ich's Stück für Stück
In anderen Gesichtern suchen gehen
Und find's nicht mehr. Wie könnt ich unser Glück

Der ersten Zeit in neuen Augen sehen!
Todwund irr ich zum alten Bild zurück -
Um vor entzaubertem Altar zu stehen.
(Band 3 S. 64)
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Das alte Glück

Will ich aus Qualen die Erinnerung
Mir retten, muß ich dich in mir verändern,
Dein Bild, das täuschende, mit Traum umrändern,
Wie's mir geglänzt vor seiner Änderung.

Einst standest du in blumenbunten Ländern
In vielen Stunden frühlingschön und jung.
Ich kniete oftmals bis zur Heiligung -
Und stand darnach an schwankenden Geländern.

So will ich der vertrübten Wirklichkeit
Entreißen, was ich einst als Glück gesehen,
Den Nachglanz einer frühen Seligkeit

Noch unbehaucht von Haß und kalten Wehen.
Verlor die Liebe ihre Ewigkeit,
Mag noch ihr Traumbild eine Zeit bestehen.
(Band 3 S. 64-65)
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Täuschung

Dein reines Bild, das lange mir geblieben,
Das alle meine Sinne mild entfachten
Und mir zutiefst zur stillen Andacht machten,
War eine Täuschung. Wahn hat es geschrieben.

Noch will es oft in meinem Innern nachten,
Darin die Stürme auf- und niederstieben.
Frag dich doch selber: kannst du wahrhaft lieben?
Du konntest immer nur nach Liebe schmachten.

Du warst nicht die, die ich in dir erschaute,
Gab es auch oft genug der süßen Stunden,
Darinnen mir erfüllt dein Auge taute.

Es schien, als hätte ich ein Herz gefunden.
Nun mir vor deinen Wirklichkeiten graute,
Hab ich den Bann der Traumbilds überwunden.
(Band 3 S. 65)
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Abschied

Zerrissen bist du wieder heimgekommen.
Nachdem du böslich von mir fortgegangen
Und mich verraten hast, ist mein Verlangen
Zu dir in einem langen Schmerz verglommen.

Ich sehe durch die Tränen auf den Wangen
Dein schwankes Herz, als wär sein Kern entnommen.
Jetzt hat mich neue Sehnsucht überkommen,
Darin die alten Sterne klarer prangen.

Was du mir einmal warst, bleibt in mir leben.
Was du mir wurdest, wird ins Nichts versinken.
Dein frühes Bild will ich aus Fluten heben,

Doch nicht in ungewissem Grund ertrinken.
Du wolltest nicht mit um Gestirne schweben.
Ich sehe Sonnen durch die Nebel blinken.
(Band 3 S. 66)
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Getrübtes Leid

Wenn Liebe hinstirbt, glänzt ihr Anfang wieder
Mit dem Gefolge der geweihten Stunden,
Die einmal zwei in Ewigkeit verbunden
In Sternennächten, Duft von blauem Flieder.

Wenn zwei sich trennen, die sich einst gefunden,
Rührt früher Traum an ihre Augenlider
In süßem Schmerz. Fällt eins zur Erde nieder,
Erhebt sich Staub, vergiftet er die Wunden.

Ach, hättest du dein Sinnen frei gehalten
Von Falschheit, als dich Wahn von mir getrieben,
Ich könnte dich, mocht' auch dein Herz erkalten,

In reiner Trauer im Gedenken lieben.
Ja, lägst du tot im Sarg in weißen Falten,
Mir wäre noch dein schönes Bild geblieben.
(Band 3 S. 66-67)
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Medusa und Pegasus

Nun steht am hellen Morgen mir im Tor
Ein Ungetüm, das Haupt umknäult von Schlangen,
Die mit den glatten Hälsen nach mir langen,
Mir Gift zu zischeln ins verträumte Ohr.

Sie möchten meine ganze Seele fangen.
Noch zweilf' ich, halb im Schlaf, und trete vor:
Das ist kein Auge, das mein Wunsch erkor!
Mein Herz versteint mir, das voll Tau gehangen.

Und jeden Morgen schlag ich dieses Haupt
Mit einem Schwerthieb ab dem Ungeheuer.
Was mir die Freude an dem Tag geraubt,

Macht mir den Kampf für Stunden wieder teuer:
Aus blutgem Rumpfe springt, schon totgeglaubt,
Mein Flügelroß, im Atem Glut und Feuer.
(Band 3 S. 67)
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Vergänglichkeit

Was ist mir nun von allem unserm Lieben,
Von Glück und Traum, von süßer Qual und Wunden,
Von Nächten, da wir uns im Kuß gefunden,
Für meine andern Zeiten noch geblieben?

Einst waren wir doch inniglich verbunden!
Wie Blätter, die im gelben Parke stieben,
Vom Herbstwind auf den Wegen hingetrieben,
Vertropften und verwehten unsre Stunden.

Einst gaben manche vollen Wirklichkeiten
Dem Herzen Antwort auf die bange Frage:
Dann kam die Liebe mit dem Glück ins Gleiten.

Verändert blickt sie, um den Mund die Klage,
Und horcht ins Rauschen der Vergangenheiten.
Was ich erlebte, klingt wie eine Sage.
(Band 3 S. 68)
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Die geheime Tür

Fremd wird und fremder, was noch in mir stritt.
Ich höre innen eine Türe gehen.
Ein Etwas will die Dinge anders sehen,
Als es mein Herz tat, da es blutend litt.

Ein Etwas sieht die Dinge anders stehen
Und nimmt mich still zu seinem Throne mit.
Nach letztem Kampfe folgt ihm scheu mein Schritt.
Ich fühl mich jenseits meiner schweren Wehen.

Ein Etwas will der alten Lust und Not
Den spitzen Stachel aus dem Fleische heben.
Ein Etwas, das mich stumm zu sich entbot,

Läßt mich in seinem tiefen Glanz erbeben:
Es lächelt über meines Herzens Tod,
Es lächelt über meines Herzens Leben.
(Band 3 S. 68-69)
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Letzter Gruss

Jetzt ist das Wasser zwischen dir und mir
So breit und tief geworden, daß wir nimmer
Zusammen kommen. Wäre ich ein Schwimmer,
Wie keiner war, ich fände nicht zu dir.

In stiller Nacht nur sehe ich dein Zimmer
Erhellt - vielleicht siehst du auch meines hier
Erhellt von drüben, und dann fühlen wir:
Einst saßen wir vereint beim Lampenschimmer.

Dann mögen wir an unsern Fenstern stehn
Und in die dunkle Flut hinunterlauschen.
Wir werden, können wir uns auch nicht sehn,

Stumm einen Blick voll schwerer Milde tauschen.
Wir horchen, wie die großen Wogen gehn
Und über den versunknen Schätzen rauschen.
(Band 3 S. 69)
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Die Muse

Das Feuer, das in meinem Innern brennt
Und große Ruhe gibt mit seinem steilen
Aufleuchten, stumm bewußt, daß Stunden eilen,
Ist mir zu jeder Zeit ein Sakrament.

Du wolltest immer nur im Glück verweilen
Und littest, schuf ich von dir abgetrennt.
Mit jener Hohen, die mich einzig kennt,
Unsichtbar anhaucht, mochtest du nicht teilen.

Viel stand ich einsam auf dem Gletscherfirn,
Nicht, wie du wünschtest, mit dir im Vereine -
Du sahst voll Neid die Glut in meinem Hirn.

Und wenn ich manchmal auch im Herzen weine:
Der Kuß der Muse auf gehobne Stirn
War mir im Grund noch teurer als der deine.
(Band 3 S. 70)
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Die Flamme

Ja, eine Liebe, die ich nimmer achte,
Muß ich erwürgen, laß ihr Blut verrinnen.
Ich will mich klar aus ihr zurückgewinnen,
Daß ich mich nicht ob schlechter Treu verachte.

Auf eine Treue will ich mich besinnen,
Die Heiligkeit in meine Kämpfe brachte
Und die kein Weibmund je verlöschen machte:
Die Treue zu der Flamme in mir drinnen.

Von ihr durchleuchtet will ich weiterschreiten
Und klare Herzen suchen, die ihr leben,
Mit ihnen mich zu einem Kreise weiten,

In der Gemeinschaft Einsamkeit erstreben
Und einen unsichtbaren Dom bereiten,
In dem die Wellen ewigen Lichtes beben.
(Band 3 S. 70-71)
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Bild der Ewigen

Die ganz erfüllt, hab ich sie je gesehn?
Oft meint ich es. Oft wurde es zur Lüge,
Und ich entdeckte hinter Lächeln Züge,
Die mich erschreckten, und mein Herz blieb stehn.

Ach, daß ich doch die Liebe leichter trüge,
Will sie in bittre Schmerzen übergehn!
Kann es nicht sein, wenn kalte Lüfte wehn,
Daß ich mich in ihr Doppelantlitz füge?

So bleibt mir denn auf meinen wunden Knien
Erinnerung an die versunknen Stunden,
Wo rein ihr Bild in dieser Welt erschien,

Ist es nach kurzem Glanze auch entschwunden,
Und Wiederkehr im Kuß, da Glück gediehn,
Wenn ich es rasch im Augenblick empfunden.
(Band 3 S. 76)
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Das Zauberbild

O gibt es Liebe, die nie Stacheln zeigt,
Die unser Herz verletzen und zerritzen,
Wenn wir sie immer, Tag für Tag besitzen -
So daß es manchmal wie verwandelt schweigt?

Empfinden wir, wenn Wunden uns erhitzen
Und stille Tobsucht alle Qualen beigt,
Nicht Trauer, holder Liebe abgeneigt,
Weil wir in ihrem kalten Schatten sitzen?

Erfüllt ein Blick, der uns mit süßer Macht
Und fernem Lächeln in den Sinn gedrungen
Und uns das zaubrisch erste Bild gebracht,

Das wir mit unsern Armen nie umschlungen,
Das unerreichbar blieb wie Stern der Nacht,
Nicht milder als ein Glück, das wir errungen?
(Band 3 S. 76-77)
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Das neue Paradies

Wann aber wird es endlich Tag auf Erden?
Wann können Mann und Weib sich mehr verstehen,
An ihren Seelen nicht vorübersehen?
Wenn sie durch Liebe reife Kinder werden.

Wenn sie die Ehrfurcht zart um Freundschaft flehen,
Die sie erwärmt in Freuden und Beschwerden,
Wenn sie fernab von gierigen Gebärden
Stumm, Hand in Hand, die steilen Stufen gehen.

Dann wird sich wieder jenes Tor entriegeln,
Aus dem das Engelsschwert sie einst vertrieben.
In klaren Wassern werden sie sich spiegeln,

Die unberührt von blinden Händen blieben,
Und ihren Bund mit jenem Kuß besiegeln,
In dem sich selig Lichtumfloßne lieben.
(Band 3 S. 81)
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Der heimliche Schatz

Es ruht ein Schatz in jedes Menschen Haus,
Verteilt in seine Höhe, seine Tiefe.
Er schweigt, als ob er angebunden schliefe,
Und sehnt sich dennoch in den Tag hinaus.

Dann ist's, als ob er stumm nach Hilfe riefe.
Oft braucht er nur ein Stücklein Himmelblaus
Und oft nur einen Tropfen Morgentaus,
Damit sein Glanz durch alle Wände triefe.

Er ist nicht aus Smaragd, nicht aus Rubin,
Unfaßbar blickt er durch die Ladenspalten.
Er tut sich kund nur einer Königin:

Der wahren Liebe ist es vorbehalten,
Ihn zu erkennen auf den frommen Knien
Und ihn mit ihrem Zepter zu entfalten.
(Band 3 S. 82)
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Eros

Eros, zeig mir den Pfad zu deinem Licht,
Sanftglühender, so edlem Volke teuer!
Du neugebor'ner Gott, du Welterneuer,
Weis mir dein starkes, süßes Kindgesicht!

Mein Leid verbrenne ich in deinem Feuer.
Die mich verließ, trug deine Flamme nicht.
Wer seinen Kranz um deine Füße flicht,
Den macht die Liebe täglich immer treuer.

Wem deine Fackel anfangs voll geloht,
Dem loht sie tiefer jede Sonnenwende,
Sie leuchtet Liebenden bis in den Tod.

In keiner Qual geht ihre Glut zu Ende,
Sie hilft uns klar aus unsrer Herzensnot
Und wärmt uns noch im Sterben unsre Hände.
(Band 3 S. 82-83)
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Zwiespalt der Liebe

Der gleiche Mund, der uns am Morgen küßt,
Kann schon am Abend herbe Worte sagen,
Die stumm am kaum beseßnen Glücke nagen,
Und hat uns doch die Welt mit Glanz versüßt.

Das will die Liebe nimmer länger tragen
Und spielt mit Schlinge und mit Hochgerüst,
Wo sie die Welt mit irrer Zunge grüßt
Und ihre Arme wirft, sich selbst zu schlagen.

Hat sie sich dann genugsam ausgetobt,
Steigt sie herab, betört von neuem Flehen,
Bis sie den Mund, den bittern, wieder lobt

Und Augen macht, als wäre nichts geschehen.
Doch hat sie öfters diesen Tanz erprobt,
Muß sie im Glück wie zwischen Dornen gehen.
(Band 3 S. 84)
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Alte und neue Liebe

Die Einheit meiner Liebe ist dahin.
Ich kann den süßen Frühling nicht vergessen,
Den ich an ihrer bangen Brust besessen,
Erfüllt dein Kuß auch voller meinen Sinn.

Wenn deine Hände stumm die meinen pressen,
Naht auch die Stunde, wo ich auf den Knien
Vor ihrer Schönheit hingesunken bin.
Auf deinem Platze ist einst sie gesessen.

Du brachtest in die Stuben Sonnenschein.
Tief in der Gruft, da hör ich's leise klagen,
Als wollt im Sarg die alte Liebe schrein.

Sie war nicht tot, als ich ihn zugeschlagen.
So füg ich mich in mein Geschick hinein
Und will dich über einem Sarge tragen.
(Band 3 S. 84-85)
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Nachtgesicht

Zur gleichen Stunde mitten in der Nacht,
Wenn mir aus Armen neuen Glücks Gedanken
Zu dir, die von mir ging, hinüberschwanken,
Hältst du an unsrer Liebe Totenwacht.

Dann fühle ich dein fernes Herz erkranken,
Nun du Verrat zur Selbstqual dir gemacht.
Du gibst auf Stimmen weit im Dunkeln acht
Und fühlst dein neues Haus auf einmal wanken.

Nun du die andre Liebe ausgelebt,
Mußt du zu einer Gruft hinüberlauschen
Und siehst entsetzt, wie sich der Deckel hebt:

Mit meinem Bilde mußt du Fragen tauschen,
Das rein vom Alltag dir entgegenbebt,
Und hörst ein wüstes Meer dazwischen rauschen.
(Band 3 S. 85)
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Der dünne Boden

Wenn meine Schritte froh im Tanze gleiten,
Muß ich mitunter in die Tiefe schauen
Und sehe Augen, die noch leben, blauen,
Wie unter Eis - aus den Vergangenheiten.

Wenn treue Blicke süß und innig tauen
Und neue Gänge meinen Atem weiten,
Hör oft ich's hinter mir unmerklich schreiten
In Traurigkeit, und mich erfaßt das Grauen.

Es blickt ein Bild mich an aus alten Zeiten,
Das mich getäuscht, als hätt es Reueschmerzen.
Die Mächte tauchen auf, die Qual bereiten.

Kein neues Glück vermag Weh auszumerzen,
Das mir beschieden ist, mich zu begleiten.
Erwürgte Liebe stöhnt in meinem Herzen.
(Band 3 S. 86)
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Hass der Liebe

Ruf nicht den Haß herauf, der auf dem Grunde
Von jedem Bunde unverhohlen lauert,
Und hätte ihn Vernunft auch eingemauert!
Von Zeit zu Zeit geht er auf seine Runde.

Du kennst den Schatten, der im Dunkel kauert.
Scheu ihn, damit er nicht mit offnem Schlunde
Den Schacht verläßt und unsre Frühlingsstunde
Der Liebe eisig lachend überdauert!

Das reine Glück verliert von seinem Glanze,
Wenn schwarze Geister aus der Tiefe steigen
Und sich zu mörderischem Fackeltanze

Vereinigen in losgelaßnem Reigen
Und sich in ihrem gellen Mummenschanze
Vor Königin Vergänglichkeit verneigen.
(Band 3 S. 86-87)
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Wirrnis

Du bist mir schön in vielen Augenblicken.
In anderen, wenn du die Form zerschlagen,
Die meiner Sehnsucht reines Bild getragen,
Mit fremdem Ausdruck, könnt ich dich ersticken.

O Freuden, Qualen, rätselhafte Fragen!
Will ich der Himmlischen ins Auge blicken,
Muß ich so oft mit Wahn die Risse flicken,
Die sich vor ihr Gesicht auf deines wagen.

Ich bin von meinem Sterne ausersehen,
Die höchste Schönheit auf die Welt zu ziehen,
Bis mir erfüllt die Augen übergehen

Und ich anbetend singe auf den Knien -
Und muß, bekam ich Teile nur als Lehen,
Zu ihrem Bild ins Reich des Traumes fliehen.
(Band 3 S. 87)
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Verschattung

O Liebe, kommst du niemals ohne Leid?
Erglüht auch Rausch aus unserm engen Bunde
Und manchmal Glück - bisweilen fällt die Stunde,
Wo jäh mein Leben angefesselt schreit.

Du kamst aus jener Welt. Nun Mund auf Munde
Geruht, bist du von dieser. Traum ist weit,
Oft auch das Wunderbild der Seligkeit,
Wie es zuerst erschien auf dunklem Grunde.

Entschwindet mir's, dann überrascht mich Qual,
Und aus dem leeren Herzen steigt es bitter.
Entfernung zeigt mir, wie's zum ersten Mal

Geglänzt. Zornbäumend rüttle ich am Gitter -
Bis heilig dann aufglüht ein Wundenmal
Und Himmel niedertränen ins Gewitter.
(Band 3 S. 88)
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Die Stunde

Am Tore meiner letzten Einsamkeit
Steht oft das Weib, sie unbedacht zu stören,
Und muß ich Worte aus dem Tage hören,
Schlägt oft die Freude um in Bitterkeit.

Ich darf allein dem Gotte angehören,
Dem ich für meine Stunde mich geweiht.
Die Flamme flackert, ein berußtes Scheit,
Wenn Sorgen mit den Pflichten sich verschwören.

Leb ich der Welt der Bilder, dann zerfällt
Die Welt des Scheins. Doch muß ich jene lassen,
Geschiehts wohl, daß ein Qualschrei mich durchgellt.

Jäh fühl ich mein beschwertes Herz erblassen.
Liebe, die sonst mein Sinn in Ehren hält,
Muß ich, wenn sie mich stört, als Feindin hassen.
(Band 3 S. 88-89)
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Das Bild im Kampf

Ach, zwischen mir und deinem süßen Bild
Steht mancherlei, was ich von Anfang hasse.
Glück schlägt leicht um in Qual. Oft, wenn ichs fasse,
Weht sie wie Rauch um blühendes Gefild.

Dann kommt die Zeit, da ich in Trübsal prasse.
Mein Brunnen, der dir sonst entgegenquillt,
Flattert von Sturm zerrissen, tobt und schwillt,
Ein Sehnen lockt, daß ich von Liebe lasse.

Oft magst auch du mein Bild in Nebeln sehn.
Besitz mengt Glück und Qual in Einen Tiegel.
Hörst du die Panther auf den Ballen gehn?

Sie steigen hoch und stoßen an die Riegel.
Doch seh ich neu das Bild im Glanze stehn,
Spielt hinter uns der Tod mit seinem Spiegel.
(Band 3 S. 89)
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Tollheit

Zorn fällt mich an, weil ich dich so begehre,
Daß alle meine lang verhaltnen Gluten
In mir aufrauschen, dich zu überfluten,
Und ich mich dieses Strömens kaum erwehre.

Wenn wir beseligt ineinanderruhten
Und ich mit neuem Wunsche mich beschwere
Und wieder nach der Trunkenheit verzehre,
Kommt auch mit ihr die Sehnsucht zu verbluten.

Ich will in unserm Rausch nicht untergehen,
Erbeben wir auch beide im Verlangen,
Daß sich die Seelen immer nackter sehen

Und stumm bis an den dunklen Rand gelangen -
Liebe erstirbt in solchen wilden Wehen,
Es sei, daß wir von ihr den Tod empfangen.
(Band 3 S. 90)
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Der leidende Gott

Als ich dich fand, da war es feierlich.
Es glühte alles mit geheimem Feuer.
Die Welt und ihre Sonne strahlte neuer,
Ich klang empor und fühlte nur noch dich.

Aus Stunden wurden Jahre. Scheu und scheuer
Barg ich das Bild der frühen Zeit in mich,
Daß es nicht leide unterm Sonnenstich.
Das Leben ist ein halbes Ungeheuer!

Der graue Tag bedroht mit seinem Staub
Das erste Bild. Verzweiflung warf mich nieder.
O, fällt ihm auch der süße Gott zum Raub?

Legt er sich ihm aufs funkelnde Gefieder?
Nein, der verhüllt sich nur und stellt sich taub.
Steh ich entfernt, erwacht sein Auge wieder.
(Band 3 S. 90-91)
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Schmerz im Glück

Ich muß mit einer alten Wunde leben,
Die unter neuem Glücke weiterblutet.
Wenn es mich auch mit klarem Glanz durchflutet,
Steht oft genug ein bittrer Gram daneben.

Und wenn auch neue Liebe heilig glutet -
Wer kann je Schmerz aus seinem Innern heben
Um Liebe, die uns einmal Glück gegeben!
Ich habe viel dem Willen zugemutet.

Schenkt neue Liebe sich auch rein und mächtig,
Sie tilgt nicht Trauer aus vergangnen Tagen:
Oft steht die alte Liebe übernächtig

Ganz unwillkürlich da mit müden Fragen.
Unheilbar muß mein Herz auch sonnenträchtig
In neuem Glück Leid um verlornes tragen.
(Band 3 S. 91)
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Die alte Liebe

Manchmal muß ich aus Tages Glut und Qualen
Nach einem milden Lächeln heimverlangen,
Das mir in alter Liebe aufgegangen,
Eh mir's verräterische Süchte stahlen.

Marienhaft hat's hinter Lust und Bangen
Geglänzt wie Himmel, die im Quell sich malen,
Als wollte es mein Reinstes widerstrahlen.
Ich habe es für Lebenszeit empfangen.

Ich find's nicht mehr. Sie hat es fallen lassen,
Ein welkes Blatt, vom Winde hingetrieben.
Wenn ich es suchte, müßte sie erblassen

In der Erinnerung an unser Lieben.
Doch muß ich sie fortan auch steinern hassen -
Ihr Bild mit jenem Lächeln ist geblieben.
(Band 3 S. 92-93)
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Aufschwung

Ich laß mich nicht um meine Gegenwart
Von einem Bild vergangner Zeit betrügen,
Die mit verblichnen und verklärten Zügen
Voll tiefer Wehmut in mein Leben starrt.

Erfüllung funkelt rings in neuen Krügen,
Von denen mancher auf die Stunde harrt.
Auch Glück darf mich nicht beugen. Knabenhart
In Glut und Leid bleib ich bereit zu Flügen.

Zuguterletzt muß ich, will ich allein
Hinauf, hinab, hinauf die Flügel schlagen
Und überstrahlt von ewigem Sonnenschein

Selig zur ganzen Erde jubeln, klagen.
Von oben schau ich alle Zeiten rein,
Hilft Liebe mich zur höchsten Liebe tragen.
(Band 3 S. 93)
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An die Leidenschaft

O beug mir nicht den Willen, Leidenschaft,
Die Herz und Sinn aufs neue mir durchblutet!
So hab ich noch vor keinem Mund geglutet.
O nimm mich, Kuß, nicht in zu süße Haft!

Viel Glück hat mir mein Schicksal zugemutet.
Doch halt ich Maß, wird mir der Wundersaft
Zum Quelle. Er verjüngt mir meine Kraft,
Daß sie im Bogen mit der Sonne flutet.

Erfüllte Liebe sucht den Liebestod.
Ich aber will am süßen Abgrund leben,
Im Kampf mit meiner Sinn- und Seelennot

Das Bild der Schönheit aus der Tiefe heben.
Doch schimmert einstens mir die Sonne rot,
Will ich, jetzt Gast, an liebster Brust verbeben.
(Band 3 S. 94)
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Der Bildner

Mein ist das Bild, das reine Bild der Welt.
Kampf tobt in mir drum, daß ich ihre Dinge,
Die mich beschweren wollen, niederringe
Und so mein Herz nicht aus dem Schauen fällt.

Kampf tobt, daß ich die Leidenschaft bezwinge,
Die mich in Glut und Qual im Banne hält,
Und wenn auch Schrei aus meiner Brust aufgellt -
Aufschweben will ich mit gelöster Schwinge.

So steh ich mit der Liebe auch im Streit,
Wenn ich mich ihrem Sein zu eng verbinde.
Ich bin zum höchsten Schwunge nur bereit,

Wenn ich mich aller Dinglichkeit entwinde
Und selig von der Last der Welt befreit
Ihr Bild im Innern zu den Himmeln finde.
(Band 3 S. 94-95)
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Minne und ein fernes Mädchen

Heimliche Bewunderung

Du birgst ein Rätsel, scheue Mädchenblüte,
Das ich am Ende zu erraten wüßte,
Wenn du befehlen solltest, daß ich's müßte,
Und ich um seinen Sinn mich tief bemühte.

Doch daß du bist, vom Leben Ungeküßte,
In alter Zucht und schlankem Schritt Erglühte,
Das bleibt ein Rätsel, das ich schweigsam hüte,
Weil dein Gesicht mir manchen Tag versüßte.

Ich möchte deine Sehnsucht nicht entzünden
Um deines ersten Morgenhimmels willen,
Dafür darf ich in meinen Anfang münden.

Ich hör den Bach im Paradiese quillen.
Komm, laß dich liebrein anschaun und verkünden
Und so ein Heimweh meiner Seele stillen.
(Band 3 S. 98)
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Der Anblick

Was du mir bist, kann ich dich's wissen lassen?
Du stehst noch bang als Jungfrau vor dem Leben
Und sehnst dich heimlich, dich ihm hinzugeben,
Und weißt nicht, daß erfüllte Sehnsucht Hassen

Und Glück im gleichen Glase läßt erbeben,
Daß wir's manchmal vor Traurigkeit nicht fassen!
Ich sah schon Liebe jubeln und erblassen;
Ich darf den schweren Schatz der Nähe heben.

Schau ich dich an, dann wollen Wundertore
Unwirklich wirklich nach den Auen springen -
Ich stehe stumm vor taugefülltem Flore.

Schau ich dich an, dann fang ich an zu klingen,
Ich darf in einem knabenhaften Chore
Mit Lippen, die wie deine schlummern, singen.
(Band 3 S. 98-99)
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Junge Madonne

In deinem süße Anblick schweigt die Wunde,
Die ich einmal vor langer Zeit empfangen.
Nach solchem Lächeln mußt ich heimverlangen
Und find es reiner nun auf deinem Munde.

Der Riß ist mir zutiefst ins Herz gegangen,
Daß ich bei aller Freude schwer gesunde.
Und immer wieder naht mir jene Stunde,
Wo Arme der Verzweiflung nach mir langen.

Nun ich zu deinem wundersamen Bilde
In Zeiten der Zerrissenheit hinfliehe,
Ist mir, als ob vor deiner frühen Milde

Mir endlich Ruhe in das Innre ziehe.
Vor deinem unbetretenen Gefilde
Naht mir das Heiligtum, vor dem ich kniee.
(Band 3 S. 99)
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Die letzte Schönheit

Erfüllte Liebe kann mir auf die Dauer
Im Tageslicht der Nähe nicht genügen.
Ich lernte es am Mund von offnen Krügen,
Daß Trunkenheit leicht übergeht in Trauer.

Die Schönheit mit den nieberührten Zügen
Schenkt seliger als Leidenschaft den Schauer.
Zu Zeiten blick ich durch die Gittermauer,
Wie wenn mich Schwingen in die Ferne trügen.

Mich überkommt's, daß ich die ewig Eine,
Die mir erschien auf manchem Angesichte,
Bisweilen einer Ungeküßten eine,

Die mild mich anblickt wie im Sternenlichte,
Darin ich selbst entrückt und ewig scheine.
Sie lächelt ewig schön nur im Verzichte.
(Band 3 S. 100)
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Zauber

Zu einer andern Liebe als Verlangen,
Rausch, Zärtlichkeit und den gewitternassen
Ernüchterungen, wissendem Umfassen,
Ist dir mein Herz in Strahlen aufgegangen.

Nie schlägt mein Lieben um in jähes Hassen.
Fühl ich mich hin an deine süßen Wangen,
Darf ich dein ungetrübtes Bild empfangen:
Wenn meine Wünsche es im Spiegel lassen.

Und wie der Springbrunn seine Silberwellen
Selig zurücktrinkt in sein rundes Becken,
In flutenden Gesängen aufzuschnellen,

Hör ich entzückt mit heiligem Erschrecken
Aus meiner Brust die Stimme überquellen,
Um deine Füße Blüten aufzuwecken.
(Band 3 S. 100-101)
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Das erste Bild

Du stehst noch fremd vor diesem Leben da.
Ich hab es längst an meine Brust geschlossen
Und all sein Glück, all seine Qual genossen.
Schau ich dich an, ist erste Liebe nah.

Du bist von deinen Strähnen leicht umflossen,
So lieblich, daß ein Wunder mir geschah.
Hat meine Mutter, die ich niemals sah,
Auf dich den Tau der Jugend ausgegossen?

Wenn du einmal wie ich im Leben stehst
Und manchmal auch hinausdrängst aus dem Leben,
Wenn du vor Glück aufstöhnst, vor Qual vergehst,

Fühlst du vielleicht mit heimlichem Erbeben,
Was ich jetzt fühle, wo du schweigsam flehst,
Und wirst mein Bild wie ich das deine heben.
(Band 3 S. 101)
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Süsser Verzicht

Ich saß einmal ganz in mein Schaun versunken
Dir gegenüber selig vollgeronnen,
Als blickte ich in fernen Wunderbronnen,
Daraus mir widerglänzten lichte Funken.

Nie konnt ich auf gemeißelte Madonnen,
Nie auf gemalte meine Blicke tunken
So wie auf dich, von letzter Schönheit trunken,
Als hätt ich neu das Paradies gewonnen.

Da mußtest du das ziere Antlitz neigen
In süßer Wehmut, Liebe zu entbehren,
Die aufgekommen war im ersten Schweigen,

Und lächeltest so mild in deinen schweren
Goldflechten, und da fühlt ich Liebe steigen,
Zu rein, vor diesem Bild Glück zu begehren.
(Band 3 S. 102)
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Der zauberhafte Augenblick

Als ich das letzte Mal dich lächeln sah,
War mir, als müßte ich inbrünstig flehen:
O bleib mir immer so vor Augen stehen!
Du saßest wie der erste Frühling da.

Nie möcht ich dein Gesicht ernüchtert sehen.
Und hauchst du jemals fremder Bitte: Ja -
Mir bleibst du wie in dieser Stunde nah.
Du bist zu schön, am Leben zu vergehen.

Nun bleibst du so - doch nicht, wie ich's gedacht:
Fern in der Fremde ist der Tod gekommen
Und hat dich rasch in seine dunkle Nacht

Uns allen, die dich lieben, fortgenommen.
War er's, der mir dein schönstes Bild gebracht?
Du glänztest auf, und dann bist du verglommen.
(Band 3 S. 102-103)
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Erscheinung

Im Traum der Nacht erschien mir die Gestalt
Des schönsten Mädchens, das ich einst gesehen,
Im sanften Blicke jenes süße Flehen,
Um ihre Lippen sehnende Gewalt.

So deutlich sah ich sie vor Augen stehen,
Ein Wunder, das aus Himmeln überwallt.
Mein Herz, vom Leben oft getrübt und kalt,
Es wollt' im Zauberanblick fast vergehen.

Verstummt vor Inbrunst lag ich auf den Knien,
Erfüllt von dieser ewigen Sekunde.
Dann mußte sie die Lippen mild verziehn:

Wehmut lag auf dem nie berührten Munde.
Sie sah mich an, dann schwand der Glanz dahin -
Ihr Grab rief sie zurück im dunklen Grunde.
(Band 3 S. 103)
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Stern der Liebe

Aufstieg

Was wissen die, die ihre Leidenschaft,
Das tiefe Gut, aus blindem Leib vergießen,
Von Sonnenströmen, wie sie die durchfließen,
Die Leidenschaft umsetzen in die Kraft!

Die ohne Zucht vom Lebensquell genießen,
Schwächen den Willen, der da strahlt und schafft.
Allein auch die verglühn in enger Haft,
Die sich aus Geiz nur in sich selbst verschließen.

Weib, hüten wir die Flamme in der Brust
Und laß uns dorthin, wo die Götter winken,
Aufsteigen quer durchs heiße Tal der Lust

Und über seiner Qual mit Flügeln blinken!
Laß uns nur auf den Gipfeln lichtbewußt
Zu hoher Zeit vom Schaum der Liebe trinken!
(Band 3 S. 130)
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Der Dienst

Du bist mein Weib, du stehst mir bei im Streit
Wider die Sorgen, die mir Fesseln weben.
Ich muß den Block aus meiner Tiefe heben,
Der unerlöst nach einem Leibe schreit.

Du bist mein Weib, und deine Lippen beben
Zur großen Liebe in den Tod bereit.
Ich küsse dich, hab ich den Stein befreit.
Schenk ich mich ihm, muß ich dir widerstreben.

Nie blickst du auf den weißen Block mit Neid,
Fühlst du auch fernes Antlitz mich umschweben
Und schon entrückt aus seinem Erdenkleid

Mir sanfte Glut zum strengen Dienste geben.
Du bist mein Weib und lachst von Stolz geweiht,
Wenn alle meine Marmorbilder leben.
(Band 3 S. 130-131)
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Die Bändigung

Nun folgt sie endlich: unsre kleine Schlange.
Nach hartem Kampfe hab ich sie bezwungen.
Zu eigenwillig ist sie aufgesprungen
Und züngelte an deine weiche Wange.

Ich habe sie in bunten Traum gesungen.
Ungiftig zwar, macht sie zu Zeiten bange.
Nun liegt sie viel bei unsrer Tür im Gange,
Und wie die Kinder sitzen wir umschlungen.

Das Schlänglein, das ich oft im Zorn geschlagen,
Wollt es mir Zauberkraft vom Herzen saugen,
Hilft uns die Mühen nun des Lebens tragen

Und kann uns zu verschiednen Diensten taugen:
Schenkt Jugend uns und schenkt mir kühnes Wagen
Und leichte Weisheit mit den goldnen Augen.
(Band 3 S. 131)
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Die Schau

Noch immer glüht dein Mund wie eine Frucht,
Von einem goldnen Messer zart gespalten.
Ich kann den meinigen daran entfalten:
Du hast den Mund, den ich so lang gesucht.

Nun meine Hände dich für immer halten,
Bin ich vor ihm mitunter auf der Flucht,
Damit sein Rot mich nicht so viel versucht,
Sehnsüchte im Genusse nicht erkalten.

Ich schaue dich erfüllt wie hinter Glas,
Und feine Kräfte, angefeuert, rinnen
Mit einem Dufte wie von Sommergras

Mit tief geheimnisvoller Glut nach innen.
Ich darf ein Bild, an dem die Zeit genas
Und das durch ihr Verfließen glänzt, gewinnen.
(Band 3 S. 132)
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Nähe und Ferne

Der Alltag trübt das Bild der Liebe. Zug
Um Zug stört auch im reinsten, daß ich leide
Und oft den Blick daran zum Toben schneide:
Gehemmt ist dann mein froher Sonnenflug.

Was mir zu Zeiten süße Augenweide,
Verliert an Zauberbann, als wär's ein Trug.
Ergründung lähmt die Sehnsucht, und mit Fug
Geschieht's, daß oft ich deine Nähe meide.

Laß Nähe Ferne, Ferne Nähe sein,
Dann blickst du, frühes Lächeln auf dem Munde,
Mir wie im Anfang ins Gesicht hinein,

Erscheinung auf dem unbekannten Grunde.
Dann schwebst du über Durst, Erkenntnis, Pein,
Und füllst mein Herz wie in der ersten Stunde.
(Band 3 S. 132-133)
_____



Licht und Schatten

Ach, über dich hinaus, o Weib, ist keine.
Du hast die lautre Liebe mir gespendet,
Die erst im Tod, vielleicht auch dann nicht, endet,
Verbleichen auf dem Friedhof die Gebeine.

Einst fragt ich, ob mich Glut nicht auch verblendet,
Wie in den Frühlingsstürmen mehr als eine.
Wenn ich mich deinem Herzen nun vereine,
Hat Liebe sich zum reinen Glück vollendet.

Das höchste Glück wirft auch den längsten Schatten:
Furcht vor Verlust starrt wissend in die Schlünde.
Dann möchte Schwermut Sonnenlust ermatten,

Und keine lebt, die Fernen mir entzünde.
Nur Freundschaft hilft mir Traum zurückerstatten,
Den Flug in Weiten, die ich nie ergründe.
(Band 3 S. 133)
_____



Wandlung

Die Jahre eilen, mit der Zeit vernarben
In meiner Brust die ungezählten Wunden,
Die Liebe schlug, die ich nicht so gefunden
Wie jenes Bild, um das die Wünsche warben.

Süß tönt und traurig Tropfenfall der Stunden.
Die Fluren blühten, und die Fluren starben.
Nun leuchtet mir die Welt in neuen Farben;
Oft gleichst du jener, die ich vorempfunden.

Aus deinen wundernd quellbachhellen Blicken
Glänzt mir auf meinen vielverschlungnen Wegen,
Um mich im Lebenskampfe zu erquicken,

Ein Herz, vom Tau der Treue voll, entgegen.
Wenn wir uns Grüße aus der Seele schicken,
Schenkt langerprobte Liebe Glut und Regen.
(Band 3 S. 134)
_____



Leben der Liebe

Im Anfang unsrer Liebe stand dein Bild.
Mit einem Schauer hab ich es empfunden.
Es leuchtete durch unsre frühen Stunden
Frisch wie die Rose auf dem Taugefild.

Ich nahte, von Verlangen überwunden,
Und hab an deinem Mund den Durst gestillt:
So sind wir beide lust- und leidgewillt
In einer nahen Innigkeit verbunden.

Ach, nach Vereinigung und trunknem Kuß,
Wenn Seelen wieder auseinanderfallen,
Da horcht das Herz mitunter jenem Fluß,

Der alles mitreißt, wie die Wellen wallen.
Doch hinter Glück und Trübung, Überdruß
Lächelt das Bild von einst, als wär's kristallen.
(Band 3 S. 134-135)
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Erfüllte Sehnsucht

Die ich im Traum erblickte, die ich nicht
Ganz, wie ich sie ersehnte, je gefunden,
Saß bei mir in der frohesten der Stunden,
Umspielt von hellem Mittagssonnenlicht,

Und ließ Erfüllung meiner Sehnsucht munden.
Die Ewge, die ein volles Glück verspricht,
Erschien der Liebsten festlich im Gesicht,
Wie meine Ahnung sie von je empfunden.

Du saßest da, ein schönes Frauenbild,
Vor mir in deiner jungen Sommerblüte.
Den Wundermund umspielte Sonne mild

Und glänzte dir im Blick aus dem Geblüte;
Mein Auge trank, in Ewigkeit gestillt,
Indes ein süßer Rausch mein Herz durchglühte.
(Band 3 S. 135)
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Die Gezeiten

Du nahmst mein Herz mit deiner Liebe ein,
Du frohes Weib, mag ich's auch nicht gestehen.
Wenn deine blauen Kinderaugen flehen,
Dann ströme ich ins Leben voll hinein.

Doch weil wir täglich unsre Straße gehen,
Schlägt auch das Wetter um und droht zu schnein.
Nicht immer glänzt der Himmel wolkenrein.
Von allem Glück muß ich den Schatten sehen.

Du hast mein leiderfahrnes Herz erfreut
Mit Lippen, die mir immer fromm erglühten;
An deiner Seite hab ich mich erneut.

Du schenkst mir Schlaf, wenn sich die Hände mühten,
Und wenn ein Sturm auch manchmal Schloßen streut,
Der Zauberbaum trägt immer wieder Blüten.
(Band 3 S. 136)
_____



Wendung

Aus Unglück wurde Glück. Ich sag's nicht laut.
Ich hatte mich an Glück schon satt getrunken,
Bis ich ernüchtert aus dem Rausch gesunken.
Leicht wird es bitter, daß dem Munde graut.

Nun haben Augen innig mir gewunken,
Aus denen süß ein reiner Himmel blaut
Und noch nach Jahren wie im Anfang taut,
Und mir im Blute perlt der gleiche Funken.

Nach Täuschung, einem nie versiegten Leid,
Nach einem Traum, der mir das Herz geblendet,
Gibt mir die Liebe treueres Geleit.

Ein altes Mißgeschick hat sich gewendet.
Nun lodre, Flamme, in die Ewigkeit,
Daß sich die Glut zu klarem Licht vollendet.
(Band 3 S. 136-137)
_____



Nachglanz

Du hast in jener ersten süßen Nacht,
Als weiße Kerzen vollen Glanz gespendet,
In einem Kuß, der nie im Leben endet,
In Demut mir dein Erstes dargebracht.

Und immer, wenn der Himmel Glanz verschwendet,
Stern an geliebtem Sterne sich entfacht,
Erschauern wir der rätselhaften Macht,
Die Herzverwandte zu einander sendet.

Und immer, wenn wir in der hohen Zeit,
Entrückt dem Tage, ganz zusammenfinden
Und fern von seiner Lust und seinem Leid

Das Heiligtum der Liebe neu empfinden,
Erglüht im Innern wieder glanzbereit
Die erste Nacht, um Blut an Blut zu binden.
(Band 3 S. 137)
_____



Liebe und ihr Schatten

Unendlich glüht mir Glück an deiner Brust
Im Rausch des Frühlings, Traum der Winternächte.
Daß Liebe solche hellen Freuden brächte
Wie Sonne, war zuvor mir kaum bewußt.

Dank ist das Opfer an die Himmelsmächte,
Die unser Schicksal brauen, Leid und Lust,
Wie wir es tief im Inneren gemußt.
Doch nah ist auch der Rand der dunklen Schächte:

Das Glück der Liebe ist von Angst bedroht
Vor jener Stunde, die zwei Herzen scheidet.
Denn einmal taucht empor der strenge Tod,

Der Leben unvermerkt von Leben schneidet,
Daß stumm das Überlebende die Not
Der bitteren Verlassenheit erleidet.
(Band 3 S. 138)
_____



Dauer der Liebe

Soll Leidenschaft ein langes Leben dauern,
Braucht sie die stille Freundschaft zum Genossen,
Daß sie nicht übersättigt und verdrossen
In ihrer Glut verlodert und wir trauern.

Ihr süßes Bild, vom Herzensschrein umschlossen,
Erzittert stetig unter leisen Schauern:
Die dunklen Mächte in den Tiefen lauern
Darauf, das Glück dem Abgrund zuzustoßen.

Du schenkst auch Freundschaft. Deine Sonne brachte
Glanz in den Werktag. Bunte Blumen blühen.
Mir, der so oft enttäuscht aus ihr erwachte,

Gibt Liebe Trost in Schrecken und in Mühen.
Da ich dich auch als meine Freundin achte,
Erfüllt die Stunde tiefer, wo wir glühen.
(Band 3 S. 138-139)
_____



Venus Maria

Bisweilen, wenn an deinem jungen Munde,
Dem roterblühten, meine glutgewillte
Sehnsucht verhaltenes Verlangen stillte,
Rührte mich Heimweh an in stiller Stunde -

Heimweh nach einem wundersanften Bilde
Auf unergründlich himmelblauem Grunde.
Nun reift auch dir in unserm Liebesbunde
Ein Zug und Hauch marienhafter Milde.

Vom Schicksal durft ich dieses Glück empfangen -
Ich fühle Dank im Strahle seiner Sonne.
Ein alter Spalt ist leise zugegangen.

An deinem Herzen blüht mir reine Wonne.
Rausch, süße Heimat konnte ich erlangen:
Du bist mir Venus bald und bald Madonne.
(Band 3 S. 139)
_____



Neues Bild

Du hast von eurem spielenden Geschlechte
Nicht jenen Blick der aufgeschnellten Schlange,
Mich traf ihr Gift ins Herz. Ich fragte lange,
Ob neue Liebe mir die Heilung brächte.

Du reichtest sie mit zart erglühter Wange.
Ich trank und wurde nicht zu ihrem Knechte,
Wie einst ein Weib gewünscht, das ihre Flechte
Verräterisch gelöst in eitlem Drange.

Dein tiefes Bild, das süße, keusche, herbe,
Enttäuschte nicht und wurde mir zum Spiegel
Des eignen, reinsten. Daß es nie verfärbe,

Verwahr ich's vor dem Tag wie unterm Siegel.
Und wenn ich einmal sterbe, dann vererbe
Ich's an den Gott zurück für seinen Tiegel.
(Band 3 S. 140)
_____



Zauber der Schönheit

Ach, wer die Schönheit liebt, der liebt ihr Bild,
Wie es zum ersten Mal sein Blick getrunken,
Das Glänzen ihrer Augen ihm gewunken.
Hinknien möchte er vor Gnade mild.

Als wäre sie aus andrer Welt gesunken,
Schaut er, wie für die Ewigkeit gestillt.
Sich selbst zu opfern ist sein Herz gewillt,
Heilig entzündet sich darin der Funken.

Ach, wer die Schönheit liebt, der liebt den Tod;
Auf seinem Dunkel hat er sie empfunden.
So, wie der erste Augenblick sie bot,

Sieht er sie nie mehr im Gefäll der Stunden.
Heimweh erfaßt ihn nach dem Himmelsbrot.
Wie sie erschienen, ist sie ihm entschwunden.
(Band 3 S. 153)
_____



Ewige Sehnsucht

Unsäglich ist, was ich für dich empfinde.
Wie könnte sich auch das mit Namen nennen,
Was in der Seele glüht, die wir nicht kennen,
Und was ich stumm in deinen Blicken finde.

Kein Raum der Erde kann uns wieder trennen,
Nun ich geliebt mich deinem Sein verbinde,
Sei's auch, daß eins dem andern lang entschwinde.
Nur der Gedanke macht mich manchmal brennen.

Ich müßte immer nach dir heimverlangen,
Wenn uns das Leben, draus die Schmerzen stammen,
Je trennen möchte. Tod mit dir zusammen

Löschte den letzten Rest von leisem Bangen.
O fänden einst gemeinsam unsre Flammen
Zurück zur Ewigkeit, der sie entsprangen!
(Band 3 S. 154)
_____



Macht der Liebe

In Nächten, wenn der Sternenschimmer fällt,
Darfst du, o süßes Weib, in meinen Armen
Und ich in deinen bebenden erwarmen,
Von Ewigkeit der Liebe überhellt.

Doch könnt ich durch die Liebe auch verarmen,
Wenn Glück mich allzubang gefangen hält.
Mein Herz ist groß und klopft der ganzen Welt
In Überschwang und Leid und Allerbarmen.

Oft hilft mir Liebe zu der Himmelslust,
Die ganze große Welt ans Herz zu halten
Und ihre Mächte in der eignen Brust

Zu schaun, wie sie mit Lust und Grauen walten.
In der bestrahlten Zeit darf ich bewußt,
Als wär's ein Spiel, den Kampf der Welt gestalten.
(Band 3 S. 158-159)
_____


Aus: Emanuel von Bodman
Die Gesamten Werke Band 3
Im Auftrage von Clara von Bodman
Herausgegeben von Karl Preisendanz
Philipp Reclam jun. Stuttgart 1960

siehe auch Teil 1 und Teil 2


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Emanuel_von_Bodman


 

 


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