Simon Dach (1605-1659) - Liebesgedichte

Simon Dach



Simon Dach
(1605-1659)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 




168.
Hochzeitsgedicht

Umb die schöne frühlings-zeit,
Alß die schöne sommerpracht
Gab dem winter das geleit,
Und das feld nun war erwacht,
Alß die brunnen klar wie glaß
Lieffen, gantz umbhült mit graß,
Alß ein jeder blumen laß,

Als der schäffer aus dem stall'
In die wälder weiden gieng,
Alß es grünet überall
Und der knopffe bäum' empfing,
Kam auch Dorilea gehn,
Sich im grünen umbzusehn,
Und blieb bey sich denckend stehn,

Ob sie in ein grünes thal
Gienge, da ihr winterleid
Mit den blumen ohne zahl
Zu vergehn in fröligkeit,
Oder in den kühlen wald,
Aller schäffer auffentbalt,
Zu den quellen mannigfalt.

Doch vor aller felder zierd'
Hat der garte sie ergetzt,
Den selbst Venus auffgeführt
Und auff einen berg gesetzt,
Der viel schöner rosen tregt,
Der so frische quellen tregt
Und viel tausent freud' erregt.

Dorile die wolt‘ hinauff,
Setzt' an ihre macht und sterck',
Ob sie durch den schnellen lauff
Möcht erklimmen diesen berg;
Aber nein, umbsonst es war,
Sie fiel rückwärts immerdar,
Biß daß sie vermüdet gar.

Lieff das feld durch hin und her,
Suchte da mit allem fleiß,
Ob nicht wo ein schäffer wer'
Und gewünschte hülff erweis‘;
Über berg und über thal
Lieff sie und sucht' überall,
Doch war niemand dazumahl.

Endlich in dem myrtenstrauch'
Hüttet Lucidor der schaff‘,
Allda er nach seinem brauch
Hielte seinen mittags-schlaff.
Er lag in das graß gesenckt,
Ward vor liebe, die ihn krenckt,
Da mit süsser ruh getrenckt.

Dorile wird deß gewar
Und erfreuet sich darab,
Darff ihn doch nicht wecken gar,
Sondern nimbt den hirtenstab,
Leufft damit den berg hinan,
Meint zu halten sich daran,
Doch sie nichtes schaffen kan.

Darauff hat sie sich gewandt
Wieder zu dem Lucidor,
Den sie eben schlaffend fand
In dem grase nach wie vor.
Nimbt die flöt' aus seiner hand,
Dadurch er lengst war bekandt
Hin und wieder auff dem land',

Und bläst, daß der nechste wald
Von der flöthen hellem thon
Hoch biß in die lufft erschallt,
Ob er möcht' erwachen nun;
Doch er kehrt sich nicht daran,
Meint im schlaff', es sey gott Pan,
Der sonst lieblich spielen kan.

Weil nun Dorilea spürt,
Daß er nicht erwachen wil,
Wiewol sie ihn off gerührt
Durch den stab und durch das spiel,
Reist sie von ihm mit gewalt
Seine kleider dergestalt,
Daß er must' erwachen bald.

Alß nun Lucidor erblickt
Nebenst ihm die Dorile,
Ward er gleichsam wie entzückt
Und fragt, warumb sie da steh',
Auch warumb sie ihn geweckt,
Seine kleider ihm entdeckt
Und die flöth' und stab versteckt.

Sie sprach: Schäffer, laß uns gehn,
Da sich jener berg so spitzt,
Da die schönen blumen stehn,
Da die Venus selber sitzt;
Von den rosen bester art,
Von den myrten schön und zart
Sey ein krantz dir vor gespaart.

Auch solstu, mein Lucidor,
Sprach sie, mit mir allezeit
In dem reyen gehen vor,
Auch (wo du mich bringest heut,
Wo ich wünsch' anjetzt zu sein)
Soltu haben, was allein
Lindert deine liebes-pein.

Lucidor sprach: Dorile,
Ach, wie hastu mich erfreut,
Ach, komm eilends, komm; ich geh',
Ich verricht‘ es warlich heut,
Halte dich nur fest an mir,
Ich wil sein in warheit dir
Eine leiter für und für.

Hiemit kamen sie hinauff,
Venus nam sie willig an,
Alle nymphen stunden auff,
Die göttinne gieng voran.
Alß sie sah ihr beyder hertz,
Wie es lauter liebes-schmertz,
Sprach sie lachend voller schertz:

Weil dich Lucidor gebracht
Dorile, an diesen ort,
Gieb ihm, nur nicht lang bedacht,
Das, was du laut deiner wort‘
Hast gesagt; sie nam den krantz,
Setze ihm auff und gieng zum tantz,
Biß der tag verlauffen gantz.

Venus schloß den garten zu,
Merckte, wie es war gespielt,
Und sprach: Geht nur hin zur ruh,
Weil es nur dahin gezielt;
Geht nur, geht, ihr liebes paar,
Helfft euch also immerdar,
Dis sey zeug' ein jedes jahr!
(S. 405-409)
_____


170.
Frühlings-Lied

Die sonne rennt mit prangen
Durch ihre frühlings-bahn,
Sie lacht mit ihren wangen
Den runden erdkreiß an;
Der westwind lest sich hören,
Die Flora, seine braut,
Kömpt auch, uns zu verehren
Mit blumen, graß und kraut.

Die vögel kommen nisten
Auß frembden ländern her,
Das vieh' hengt nach den lüsten,
Die schiffe gehn ins meer,
Der schäffer hebt zu singen
Von seiner Phyllis an,
Die welt geht wie im springen,
Es freut sich, was nur kan.

Drumb wer anitzt zum lieben
Ein ehrlich mittel hat,
Der flieh' es auffzuschieben
Und folge gutem raht,
Weil alles, was sich reget,
In dem es sich verliebt
Und zu seins gleichen leget,
Hiezu uns anlaß giebt.
(S. 410-411)
_____


171.
Herbst-Lied

Jetzund heben waldt und feldt
Wieder an zu klagen,
Denn es wil die grimme kält'
Alle lust verjagen;
Boreas pfeifft, saust und ruft
Hin und wieder in der lufft,
Fellet alle blätter
Durch sein strenges wetter.

O, wie wol pflag mir zu sein,
Wann mich bey den bronnen
Venus deckte vor dem schein
Und dem feur der sonnen,
Wenn ich alles kummers loß
Lag in ihrer zarten schoß,
Wann ich alles tichten
Pflag auff sie zu richten.

Manchen schönen verß hat sie
Selbst mir vorgeschrieben,
Amor hat mit mir alhie
Offt die zeit vertrieben;
Er warff seinen köcher hin
Sampt dem bogen in das grün
Und saß bey mir nieder,
Hörte meine lieder.

Ich sang, wie vor seiner list
Jedes muß erliegen,
Wie sein reich und himmel ist
Über alles siegen;
Venus sagt', Adonis pein
Solte mein getichte sein,
Dem sie sich ergeben,
Eh' er kam umbs leben.

Ich empfing davor von ihr
Einen krantz von myrten,
Hiedurch brach mein lob herfür
Unter allen hirten;
Amor aber vor sein theil
Drückt‘ in mich ein scharffes pfeil,
Dessen ich noch schmertzen
Fühl‘ in meinem hertzen.

Galathee, du preiß und ehr
Aller schäfferinnen,
Dich must' ich je mehr und mehr
Damals lieb gewinnen!
Ach, wie manche lange nacht
Hab' ich schlaffloß hingebracht,
Und dir, o mein leben,
Mich zu dienst‘ ergeben.

Meiner herde hab ich nie
Wegen dein geachtet,
Und nur dir mit höchster müh'
Immer nachgetrachtet,
Ja, es steht anjetzt noch kaum
In dem wald ein einig baum,
Da nicht ist beschrieben,
Wie ich pflag zu lieben,

Biß sich Venus mir versprach
Hülffe zu gewehren;
So genaß ich allgemach.
Meiner augen zehren
Wusch sie ab mit eigner hand
Und verleschte meinen brand,
Heilte meine wunden,
Die ich hatt' empfunden.

Sonsten war mein auffenthalt
Nirgends nicht zu finden,
Als nur durch den grünen waldt
Bey den hohen linden;
Ein schön quell, ein frisches graß
Liebet' ich ohn unterlaß,
Da ich dan gesungen,
Daß die bäum' erklungen.

Aber nun der nordenwindt
Alles hin wil reissen
Und mit schnee und frost beginnt
Umb sich her zu schmeissen,
Muß in höchster traurigkeit
Ich verbringen meine zeit,
Weit von solchem leben,
Das uns wälder geben.

Doch, Atmithas, wer, wie du
Sich so wol versehen,
Und ergreifft die süsse ruh,
Der lest immer wehen
Alles wetter zu ihm ein,
Nichts mag ihm beschwerlich sein,
Mitten in den winden
Kan er ruhe finden.

Darumb muß dich jederman
Für glückselig halten;
Wer so liebt, derselbe kan
Kaum im tod' erkalten.
Rechte treue liebe macht
Hitz' aus kälte, tag aus nacht,
Kehret alles leiden
In gewünschte freuden.
(S. 411-414)
_____


172.
Hochzeit-Wunsch

O, du vormals grünes feld,
O ihr püsch und auen,
Vor mein pallast und gezelt,
Jetzt ein ödes grauen,
O ihr bäche, die ihr klar
Hinzurauschen pflaget,
Da, wo Pan der nymphen schar
Offtmals hat verjaget,

Meine Phyllis zwingt mich, euch
Gutte nacht zu geben,
Ihr seyd traurig, tod und bleich,
Sie ist gantz mein leben;
Euch ist durch des herbstes noht
Aller pracht vergangen,
Sie ist weiß und sonnen-roht
Auff den frischen wangen.

Bey euch stürmt es ohne ruh
Und in allen hölen,
Phyllis weht ein theil mir zu
Ihrer edlen seelen;
Bey euch muß ohn unterlaß
Sich die lufft ergiessen,
Sie wird nur von thränen naß
Umb die nacht-zeit fliessen.

Keine sonne lacht euch an,
Ihr gesicht von fernen
Ist, was mich ergetzen kan
Trotz den lichten sternen.
Ich wil in der Phyllis schoß
Steten früling führen,
Bey euch möcht' ich nackt und bloß
Und vor kält' erfrieren.

Darumb sol nur sie allein
Mir an stat der felder
Und an stat der berge seyn;
Hie sind meine wälder,
Meine brunnen sind allhie,
Wo ich ohne leiden
Meine seele spat und früe
Sicher werde weiden.

Kein betrübtes sinnenweh
Sol mich hie erschrecken,
Ihrer weissen arme schnee
Wird mich treulich decken;
Mein verliebtes hertze sol
Zwischen ihren brüsten,
Als den hügeln, welche vol
Süsser freude, nisten.

Dieses ist mein keyserthumb,
Dieß sind meine schätze,
Was hat sonst bey mir den ruhm,
Daß es mich ergetze?
Dieses ist das rechte ziel
Meiner müh auff erden;
Was mein hertze denckt und wil,
Muß mir Phyllis werden.

Zeucht ein kauffman hin und her
Über stock und steine,
Durch die klippen, durch das meer,
Durch die wüsten haine,
Was er suchet für und für,
Und ich kan gedencken,
Kan mir meiner Phyllis zier
Reicher vorraht schencken.

Viel erzwingen ihre lust
Auß dem wilden kriegen,
Da sie offt in reiff und frost
Unterm himmel liegen.
Unterm himmel darff ich nicht
Reiff und frost ertragen,
Gleichwohl giebet mir mein liecht
Worumb sie sich plagen.

Die sind über leut und land,
Reich an schönen städten,
Diese muß der flüsse rand,
Die das meer anbeten.
Meine Phyllis, die mich helt,
Kan mich reicher machen,
Sie ist mir die gantze welt
Bey so schlechten sachen.

Andre fallen immer hin
Zu des glückes füssen,
Es umb ehr' auß eytelm sinn
Freundlich zu begrüssen;
Nun sich meiner Phyllis gunst
An mir hat verliebet,
Ist mir aller ruhm ein dunst,
Den das glücke giebet.

Bey der Phyllis hab' ich mich,
Weißheit, dir vermählet,
Der hat alles, welcher dich
Klüglich ihm erwehlet.
Du bey meiner Phyllis bist,
Die mich vor dem blitzen,
So des glückes eigen ist,
Krefftig weiß zu schützen.

Phyllis, mein gewünschtes gut,
Meine zier und krone,
Du, in derer milch und blut
Ich am meisten wohne,
Komm, uns wil an solchen ort
Venus selber leiten,
Wo uns keines glückes nort
Muß noch kan bestreiten.
(S. 414-417)
_____


173.

O Venus, die du uns mit deinen flammen
Durch marck und seele dringst,
Und hertzen, die es nie gemeint, zusammen
Sich zu begeben zwingst,
Komm doch her und thue das best
Hie auf diesem hochzeit-fest!

Schau auff die braut und ihrer tugend gaben,
Schau auff den bräutgam hin,
Sie sind es, die sich dir verpflichtet haben
Mit hand und mund und sinn,
Komm, verschertze durch dein band
Ihre sinnen, mund und hand.

Du kanst dich tieff in unsre hertzen sencken,
Und nimst mit süsser pein
Da, wo wir es am wenigsten gedencken,
Den platz der seelen ein;
Daß man liebet ohne ruh,
Süsse Venus, das machst du.

Nicht die du pflegst die hertzen zu vergeilen,
Dich arge mein ich nicht,
Die du uns triffst mit keuschen liebes-pfeilen,
Und eheliche pflicht
Zweyen hertzen aufferlegst,
Und ein keusches feur erregst,

Dir ruff ich zu, du must von dem her kommen,
Der alles geben muß,
Du kanst auch nichts, als nützlich seyn und frommen,
Du bringest nie verdruß;
Segen, ruh und einigkeit
Geben stets dir das geleit.

Was? ist sie nicht schon bey uns auff dem saale?
Ach ja, schaut nur empor,
Ihr helles liecht und ihres feuers strale
Blinckt wie im gold hervor;
Weg, was ihr im wege steht,
Machet raum da, wo sie geht!

Sie träget in der hand die heisse kertzen,
Ihr kleines volck ist wach
Und führet ihr der küsse thun, das hertzen,
Bald auff der fersen nach;
Diesem folgt der liebes-sieg,
Dann auch fried und gutes glück.

Nemt euch in acht, ihr jungfern und gesellen,
Ihr kind, das spät und früe
Durch seine krafft sich uns bemüht zu fellen,
Ist auch mit ihr allhie,
Geht im saal herumb und schaut
Auff den breutgam und die braut.

In mittelst, was er kan und mag erreichen,
Das macht er eilends wund,
Wer ihn nicht kennt, der merck' ihm diese zeichen:
Sehr freundlich ist sein mund,
Purpurfarb ist seine tracht,
Pfeil und bogen seine macht.

Er wird im tantz am meisten seyn zu spüren,
Bald geht er mitten ein,
Bald wird er selbst verdeckt den reyen führen,
Bald gar der letzte seyn;
Schertz und list, die uns bethört,
Ist, was sonst ihn kennen lehrt.

Die augen sind ihm beyde zugebunden,
Doch scheut ihn nicht zu viel,
Er trifft uns zwar, jedoch mit süssen wunden,
Durch ein gewünschtes spiel,
Wunden, die das sterben fliehn
Und das leben auff sich ziehn.

Ich weiß, daß jetzt sich braut und breutgam freuen
Nur über seiner list,
Die ihnen nun zum leben sol gedeyen
Und recht das mittel ist,
Daß ihr nahm in dieser welt
Nach dem tode raum behelt.

Schaut, wie sie schon einander freundlich wincken,
Die flamme steigt empor,
Die augen sind, wie wann die sterne blincken,
Geht, lasst die braut hervor;
Venus wil nicht länger stehn,
Sagt, Bie sol zu bette gehn.

Nun, kömpt sie? Ja, der Venus völcker springen
Und jauchtzen vor ihr her,
Ich sehe Gott viel segen auff sie bringen,
Das horn ist vol und schwer,
Schwer von glück, und segens voll,
Das sie überschütten sol.
(S. 417-419)
_____



175.
Hochzeit-Lied

Lachen jetzt der sonnen wangen
Durch die lufft uns freundlich zu,
Liegt des westes sturm gefangen,
Ist die stoltze see in ruh,
Zeigen sich die felder gütig,
Stehn die saaten übermütig,
Dencket, ob es lang auch hin,
Daß die zier der lufft und erden
Soll nur leid und grauen werden
Durch des herbstes eigen-sinn.

Warumb sol man nun verseumen,
Was die liebe zeit uns gönnt?
Trollt euch, die ihr nichts als träumen,
Nichts als sauer sehen könnt.
Laß uns wo in einem garten
Unsers frischen leibes warten,
Oder umb der bäche randt
In ein weiches graß uns strecken,
Wo die rosen uns bedecken
Für der heissen sonnen brandt.

Jungen, gebt das flaschenfutter!
Ey, nicht dieses, dort den wein!
Sagt bey leibe nicht der mutter,
Daß wir jetzund frölich seyn.
Weht, ihr winde, weht und kühlet,
Ihr, schertzhaffte quellen, spielet,
Klunckert hin auff euren zweck,
Keine rückfahrt könnt ihr halten,
Wenn auch wir einmahl erkalten,
Sind und bleiben wir schon weg.

Komm, du meiner seele leben,
Du mein trost, den Gott mir schenckt!
Komm, du kannst vollauff mir geben
Alles, was mein hertz gedenckt.
Weil wir ja denn mit den jahren
Zu dem tode müssen fahren,
Laß es immerhin geschehn,
Wenn wir uns und unsern nahmen
In gewünschtem heyraths-samen
Nur zuvor erstattet sehn.
(S. 421-422)
_____



176.

Hie habt ihr, ihr jungfrauen,
Was ohne schein und list
Recht wehrt an euch zu schauen
Und höchst zu lieben ist.
Ihr mögt durch schöne jugend
Gefallen, wem ihr wolt,
Der keuschheit güldnen tugend
Sind Gott und menschen hold.

Ihr lob kan fest bestehen
Und hält beharrlich fuß,
Wenn aller pracht vergehen
Und flüchtig werden muß.
Der wangen farb und leben
Wird außgestrichen seyn,
Wenn ehr und zucht wird geben
Den allerbesten schein.

Legt hie an diese waare,
Die nicht verderben kan,
Das theure gold der jahre,
Die zarte jugend an!
Seht, daß ihre eure seele
Mit ihren farben mahlt,
Durch die des leibes höle
Wird sonnen-klahr bestrahlt.

Wisst ihr heraußzustreichen
Den leib, den erde trägt,
So werd' auch schmuck imgleichen
Dem hertzen angelegt;
Lasst nicht den sack der motten,
Die haut und das gebein,
Das endlich muß verrotten,
Mehr als die seele sein!
(S. 422-423)
_____



177.

Mein kind, dich müssen leuthe lieben,
Vor welchen ich ein schatten bin,
Drumb wundert mich es, daß dein sinn
Zu meiner einfalt wird getrieben!
Es pfleget jetzt ja zu geschehn,
Daß alle mir auff hobeit sehn.

Ich weiß mich nicht so außzuputzen.
Wie jetzt die geile jugend thut,
Und die ihr väterliches gut
Im halben jahr offt gantz verstutzen;
Was hoch und über stands gebühr,
Da eckelt meiner seelen für.

Wie schlecht ich auch herein mag gehen,
So schämest du dennoch, mein licht,
Dich nimmer meiner liebe nicht;
Du darffst es offentlich gestehen,
Und sagst durch keines zwang und trieb:
Ja, ja, mein kind, ich hab euch lieb.

Ich hab es Venus wissen lassen,
Sie hat es Amor kundt gethan,
Die haben ihre lust daran
Und lieben dich auch bester massen,
Daß du, o frommer seelen lust,
So fromm und redlich bey mir thust.

Gehabt euch wol, ihr stoltzen pfauen!
Ich kenn' und liebe wenig gold,
Und dennoch ist mir treu und hold
Die zier und krone der jungfrauen,
Die mehr auff ein berühmtes lied,
Als auff vergüldte kleider sieht.
(S. 423-424)
_____



178.

Was von mir dein leichter sinn,
Tyrsis, zu begehren scheinet,
Geb ich dir und keinem hin,
Der mich nicht in ehren meynet,
Keinem, der mich nur durch list
Aufzusetzen willens ist.

Schweine lieben schlamm und koht,
Eulen nacht und wüste hölen;
Was sucht ihr gefahr und tod
Hie in meiner keuschen seelen,
Der anstat verfluchter lust
Gott und tugend ist bewust?

Weg mit eurem seyten-spiel,
Welches ihr mir zu gefallen
Auff der strassen ohne ziel
Lasset abendlich erschallen!
Solche worte, solch gethön
Führt die hellische Syren.

Ist denn meiner haare gold,
Meiner wangen liecht und leben,
Euch zu dienen, wie ihr wolt,
Mir zu hohn und spott gegeben?
Nein, der schönheit eigenthum
Sieht auff reiner keuschheit rhum.

Ey, wie würde meine zier
So ein schönes lob erlangen,
Solt ein solcher, gleich wie ihr,
Schon mit ihrem raube prangen!
Was ist derer rosen schein,
Welche schon berühret seyn?
(S. 424-425)
_____



179.

O, ihr außzug meiner freuden,
Dem mein hertz sich untergiebt,
Müsst ihr eben von mir scheiden,
Da euch meine seele liebt?
Gebt ihr mir schon gute nacht,
Nun ihr mich erst auffgebracht?

Könnet ihr kein mittel finden,
Das euch hie behalten kan?
Sagt was von den rauhen winden,
Von dem kalten winter-mann,
Der solch ungemach erregt,
Und so sehr zu stürmen pflegt!

Sollet ihr zu lande reisen,
So gedenckt der krieges-glut,
Redet stets vom brand und eysen,
Von der mörder wildem muht,
Sagt, es sey zu land und meer
Jetzt das grösseste beschwehr.

Klaget über eure glieder,
Sprecht, es sey euch kost und tranck
Zu geniessen gantz zuwider,
Esst genöttigt und durch zwang;
Vielen hat zu seiner zeit
Kranck zu liegen nicht gereut.

Treue lieb' ist allermassen
Witzig, sinnreich und gelehrt,
Kan mit jedem griff erfassen,
Was die klügsten auch bethört.
Wer nicht wol zu dichten weiß,
Hat im lieben keinen preiß. (
S. 425-426)
_____



180.

Nymfe, gieb mir selbst den mund,
So wird mir dein hertze kundt,
Reich mir deiner armen band,
Der gewünschten liebe pfand!

Denn so lange du noch nicht
Mir gehorchen wirst, mein liecht,
Wird dein lieben nur ein schein
Und für nichts zu achten seyn.

Treue lieb' ist jederzeit
Zu gehorsamen bereit,
Hat ihr thun gerichtet hin
Auff des liebsten hertz und sinn.

Glut bricht von sich selbst hervor
Und stösst ihre flamm hervor,
Wo sich rauch und dampff nur find,
Muß vergehn durch lufft und wind.

Schämst du aber dich vor mir,
So gedencke, meine zier,
Daß ich das bin, was du bist,
Und werd' jetzt nicht erst geküsst.

Wo ich mich, gleich wie du wol,
Auch mit andern schämen sol,
Würde nicht die gantze welt
In gar kurtzer zeit gefällt?

Venus hat sich, wie bekannt,
Zum Adonis selbst gewandt
Und mit ihm so manche nacht
In der liebe zugebracht.

Komm, der mond am firmament
Hat sich schon zu uns gewendt,
Komm, die nacht kömpt auch heran,
Da sich küsset, was nur kann!

Morgen, hör' ich, wilst du fort
Von uns an ein frembdes ort
Und wer weiß, auff welchen tag
Ich dich wieder sprechen mag.

Darumb hertz mich ohne scheu,
Daß ich deiner inndenck sey!
Ich bitt einmal noch jetzund,
Nymfe, gieb mir selbst den mund!
(S. 426-427)
_____


181.

Sol denn mein junges leben,
Da alles liebt und freyht,
Alleine sich ergeben
Der langen einsamkeit?
Bleibt dann die freud und lust
Der schleyer-weissen brust,
Nach der wir alle streben,
Mir ewig unbewust?

Die würme, die nur schleichen,
Die schnellen fisch' im meer,
Das wild in den gesträuchen,
Der vögel leichtes heer,
Und was sich in der welt
Durch lufft und flut erhält,
Kriegt jedes seines gleichen,
So bald es ihm gefällt.

Nur ich muß nicht geniessen,
Worauff dieß leben geht,
Das glück wil mir verschliessen,
Was andern offen steht;
Der früling meiner zier
Ist ferne schon von hier,
Gleich wie die bäche fliessen,
So eilt mein herbst zu mir.

Ich aber muß noch bleiben,
So wie ich vormals war,
Sol nimmer mich beweiben,
Mit keiner seyn ein paar,
Das süsse wangen-roht
Sol nimmer mir die noht
Der einsamkeit vertreiben;
Solch leben ist ein tod.

Du königin Dione,
Von der es einig rührt,
Daß meiner zeiten krone
Mir keine lust gebührt,
Ist dieß der lieder danck,
Die ich mein leben lang
Von dir und deinem sohne
In meine geige sang?

Es hat mich nie gefangen,
Was mir verboten ist,
Bin nie dem nachgegangen,
Was leib und seele büst,
Wil keiner wilden brunst;
Nur eines menschen gunst
In ehren zu erlangen
Versuch ich alle kunst.

Sol ich mir dann erst rahten,
Wenn schon mein winter schneyt,
Was thue ich dann vor thaten
Im süssen liebes-streit?
Wer jung ist, liebt den krieg,
Ein alter bleibt zurück,
Denn solcher art soldaten
Erhalten schlechten sieg.

Nein, jetzund wil ich haben,
Was auff mein leiden dient,
Weil noch die füsse traben
Und noch mein alter grünt.
Komm, Venus, schleuß mich ein
Der liebsten, die ich meyn',
Ich wil von deinen gaben
Recht satt und truncken seyn.
(S. 427-429)
_____


182.

Sol sich der mensch, die kleine welt,
Jetzt nicht auff süsse heyraht lencken?
Muß doch das prächtige gezelt
Der grossen nur an liebe dencken.

Die erd‘ ist sauber und beleckt
Durch den gewünschten schein der sonnen,
Ist ihres winter-fells entdeckt
Und wird vom himmel lieb gewonnen,

Der sich herab in ihren schoß
Durch einen warmen regen machet,
Und schwängert ihren dürren kloß,
Daß alles frölich sieht und lachet.

Was aus der lufft den ackersmann
Mit singen tröstet und erfreuet,
Spricht lieblich eins das ander an
Und wird zu gleichem gleich getreuet.

Die heerde treibt den hirten fort
Der Galatheen nach zu lauffen,
Pan braucht sich jetzt der besten wort',
Ihr Nymphen, eure gunst zu kauffen.

Das meiste, welches auffenthalt
Nur in den wellen ist zu finden,
Ja hügel, berge, wild und wald,
Muß jetzt in liebe sich verbinden.

Der mensch, ein außzug dieser welt,
Wird vieler schuld entledigt bleiben,
Wenn er sich dem gemeß verhelt,
Was lufft, see, erd und himmel treiben.
(S. 429-430)
_____


183.

Mein, lasst mir doch den willen,
Ich kan nicht traurig seyn,
Ich habe mich der grillen,
Des kummers und der pein
Jetzt kaum entladen können,
Ihr machet wieder streit
Und wolt mir gantz nicht gönnen
Die kurtze fröligkeit.

Ich weiß mich wol zu halten,
Bin ja nicht mehr ein kind,
Traurt ihr mit euren alten,
Die schon untüchtig sind!
Wehrt ihr in eurer blüte,
Ihr würdet so nicht stehn,
Den zügel dem gemüthe
Was weiter lassen gehn.

Wie oft habt ihr gesaget,
Wenn wo ein junges blut
Das kalb hat außgejaget:
Pfui, daß es nie so gut
Mit mir vorhin geschehen,
Ach hätt' ich noch zurück
Ein jarchen oder zehen,
Ich wolt erst seyn ein strick!

Offt habt ihr angefangen
Zu sagen, wie ihr wol
Es vormals angegangen,
Wie ihr des stockens voll
Gespielet und gesungen,
Wie ihr zu fusse frisch
Getantzet und gesprungen
Offt über stuel und tisch.

Auch noch, wenn unterweilen
Euch eine lust berührt,
Wie pflegt ihr dann zu eilen,
Da, wo man täntze führt!
Ich hab' euch hören singen
Manch altes buhlen-lied,
Das zeuget von den dingen
In eurer jugend blüet.

Drumb lasst auch mich geniessen
Was mir das glück und Gott
Ertheilet wollen wissen!
Der sorgen bleiche rott'
Ist doch in stetem wachen
Und schauet, wie sie sich
Nur an uns möge machen
Durch ihren mord und stich.

Die zeit, so untern händen
Nicht ruhend kömpt und fleucht,
Sol man zur lust anwenden,
Eh als sie von uns weicht;
Das augenblick, die fahrte,
In der ich sage: Nu,
Ist mein; auff die ich warte,
Kömpt tausend fällen zu.
(S. 430-432)
_____


184.

Der bräutigam an seine hertzgeliebte braut,
als ihn dieselbe zum erstenmal
in seiner behausung ersuchte

Seydt mir tausentmal wilkommen,
Ihr mein trost und sonnenschein!
Ach, was segen, heil und frommen
Kömpt mit euch, mein liecht, herein!
Welch ein glantz bricht durch mein hauß
Jetzt mit güldnen straalen auß!

Alles beut euch dar die hände,
Nichts bey mir ist so erstarrt,
Das nicht lächle; ja die wände
Mercken eure gegenwart,
Eure, die ihr sie in goldt
Bald hernach verkehren solt.

Schaut, wie alles einsam-leben,
Nun ihr hie seydt, auff die flucht
Sich im kurtzen zu begeben
Schon sein thun zusammen sucht,
Dessen stelle schertz und spiel
Süsser lieb' ersetzen wil.

Hieher werdet ihr entbinden
Eures muhtes edlen geist,
Hie sol eure seele finden,
Was sie sucht, doch allermeist
Wird mein hertz, mein freudenschein,
Euer hauß und ruhstat seyn.
(S. 432-433)
_____


185.

Wol dem, der sich nur lässt begnügen
Daran, was ihm auff Gottes gunst
Das glück unfeilbar zu muß fügen,
Und nährt sich redlich seiner kunst!
Ein ander half auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Wie bald kan reichthumb dich verlassen,
So bist du elend gnug daran!
Kunst aber wird dich stets umbfassen,
Sie nähret treulich ihren mann.
Ein ander halt‘ auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Giebt sie mir nicht viel goldes-tonnen,
So macht sie mich doch besser satt,
Als den sein geld, der viel gewonnen,
Und herr nicht ist deß, was er hat.
Ein ander halt' auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Wie manchem hat der krieg genommen,
Was ihm vorhin das glücke gab,
Der jetzt für alles geld bekommen
Nur einen kahlen bettel-stab!
Ein ander halt' auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Wer was gelernt, scheut keiner waffen,
Die kunst ist ihm für alles geldt;
Der muß in steten ängsten schlaffen,
Der nur den schatz im kasten helt.
Ein ander halt' auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Was ich besitz', ist nicht im kasten;
Wil jemand meinen gütern an,
Der muß mein leben selbst antasten,
Ist dieß nun hin, was darff ich dann?
Ein ander halt' auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Bring mich dahin aus diesem lande,
Wo nie der tag recht bricht herfür,
Durch kunst kan ich im fremden sande
So seelig leben, gleich wie hier!
Ein ander halt' auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Muß gleich die kunst nach brot jetzt gehen,
Wie man von ihr verächtlich schwätzt,
So wil ich dennoch bey ihr stehen,
Weil sie mich inniglich ergetzt.
Ein ander halt‘ auff geld und gut,
Ich liebe kunst und freyen muth.

Wenn mir der höchste das nur giebet,
Was mir zu leben nötig ist,
Und eine seele, die mich liebet
Und mich vor allen außerkiest,
So lieb' ich über geld und gut
Sie, und die künst', und freyen muth.
(S. 433-434)
_____


186.

Mein urtheil wiederräth es mir
Und sagt, ich sol mich von dir wenden,
Ich aber habe die begier,
Mein lieb, noch nicht in meinen händen,
Ich streit' in grosser sorg und pein
Und kan doch nicht ihr meister seyn.

Mein zartes alter weiß noch nicht
Vor ihren kräfften obzusiegen,
Ich muß durch ihre strenge pflicht
Im ersten ansatz unten liegen,
Wie klüglich mein verstand auch lehrt,
So wird er doch nicht angehört.

Ich kenne zwar die tugendt wol,
Was hilfft es mir? ich muß sie hassen,
Ich sehe, was ich meiden sol,
Und kan es doch nicht unterlassen,
Zum bösen lieb ich schnelle fahrt,
Zum guten trag' ich schnecken-arth.

Recht wie ein schiff in vollem lauff
Die Syrten zwar vor augen siehet,
Und hält doch seine flucht nicht auff,
Wie hefftig es sich auch bemühet,
Der ungezähmten winde streit
Gönnt hie der kunst nicht krafft, nicht zeit,

So seh' ich meinen untergang
Mir auch zwar stets vor augen schweben,
Und kan mich doch durch keinen zwang
Der sorglichen gefahr entheben;
Das geile wolthun führt mich hin,
Wo ich mir selbst nicht ähnlich bin.

Da, wo ich eben das muß seyn,
Was vormals Ithacus geferdten,
Die sich in bähren, wölff' und schwein'
Auff Circe zauberey verkehrten,
Wer unter den begierden ist,
Darff keiner Circe kunst und list.

Sie ziehen ihm den menschen auß
Und heissen ihn zum viehe werden,
Dann ist er nur des menschen hauß
Und trägt nur menschliche geberden,
Der kern des menschen ist verheert
Und in ein tummes wild verkehrt.

Jedoch, gleich wie die wilde fluth
Nicht allezeit sich muß bewegen,
So wird mit meinem jungen bluth
Der sinnen toben auch sich legen;
Ich weiß, mein urtheil und verstand
Behelt zuletzt noch oberhand.

Indessen, weil ich unverliebt,
Wie gern ich wolte, nicht kan bleiben,
Und aber dich das glück mir giebt,
Der jugend süsses spiel zu treiben,
So solt nur du, mein licht, allein
Mir meine gegen-liebe seyn.

Kein weibes-bild sagt mir so zu
Und räumt sich so zu meinen sitten,
Mein sinnen-trost, als einig du,
Drumb hast du mir die seel erstritten,
Die seele, die mir gantz entfällt
Und sich zu deiner seelen hält.

Vor dieses aber, meine lust,
Daß meine seel' auff dir muß rasten,
Laß dich auch ferner, wie du thust,
Kein ungelehrte hand betasten,
Weil Phoebus selbst und ich, sein kind,
Kaum deiner liebe würdig sind.
(S. 434-436)
_____


187.

Lesbia, mein leben,
Hat sich mir ergeben
In gewünschter pflicht,
Ich wil bey ihr stehen,
Biß ich werde gehen
Hie auß diesem licht.
Was vor leid
Ich jederzeit
Umb sie hab ertragen müssen,
Wil ich jetzt beschliessen.

Die gewünschten freuden,
So sie vor mein leiden
Mir ertheilen wil,
Sol kein leid beschweren,
Ja sie sollen wehren
Ohne maaß und ziel.
Ihre zier
Wil einig mir
Sich in allen liebesfällen
Zu gebothe stellen.

Aller pracht und prangen
Ihrer süssen wangen,
Ihr korallen-mund,
Ihre zarten hände,
Ihrer armen bände.
Sind mir nun vergunt.
Ehe muß
Ein überfluß,
Als ein mangel in den sachen
Mich verdrossen machen.

Sind im obst viel kerne,
Viel am himmel sterne,
Wirfft der nord viel schnee,
Sind viel rauhe wellen,
Wenn die winde bellen
Auff der wüsten see,
Mehr sind küss',
Ich weiß gewiß,
Die sie mir zum liebes-zeichen
Wird mit willen reichen.

Solt ich solcher massen
Mich gereuen lassen
Meiner sorg und pein?
Wer auff sein verdriessen
Dieß hat zu geniessen,
Kan nicht elend seyn!
Elend kan
Nicht seyn der mann,
Dem sein lieb auff alles leiden
Lohnt mit solchen freuden.
(S. 436-438)
_____


193.

Auff, ihr meine güldne seiten,
Raffet meinen geist von hier,
Lidia wil neben mir
Über lufft und himmel schreiten,
Ist durch meiner sinnen macht
Auff ein ewigs lob bedacht.

Sie erkennt, daß pracht und jugend
Wie ein dampff verrauchen muß,
Darumb stellt sie ihren fuß
Auff den pfad standhaffter tugend,
Wil durch meiner gaben schein
Immer jung und schöne seyn.

Schau, ich reisse mich von hinnen!
Sey beseelt, o meine hand,
Fleuch, du feuriger verstand,
Über des gestirnes zinnen,
Suche da hinauff zu gehn,
Wo dieß schöne mensch sol stehn!

Ihre sonnen-rothe wangen,
Ihrer augen güldnes licht
Und ihr himmel-rund gesicht
Sol hie neuen pracht erlangen,
Pracht, der ewig nicht verblüht
Und nicht herbst noch winter sieht.

Freue dich, du preiß der schönen,
Hie sol deiner gaben schaar
Sich vor aller zeit gefahr
Mit der ewigkeit bekrönen,
Keine friedliche gewalt
Sol dir rauben die gestalt.

Dieses, was ich von dir schreibe,
Hebt mein Phebus selber auff,
Daß es von der zeiten lauff,
Ewig unbetastet bleibe,
Legt es bey, wo glut und wind,
Erd und see verbannet sind.

Starcke wälle, thürn und mauren
Fallen mit den jahren ein,
Ertz und eisen, stahl und stein
Können vor der zeit nicht tauren,
Aber deine pracht und zier,
Lidia, bleibt für und für!
(S. 444-445)
_____


194.

Mein hertz enthält sich kaum, es wil und muß zerbrechen,
Mein geist geht in der irr' und kennt sich selbst nicht wol,
Weil ich nicht weiß, mein lieb, wenn ich euch werde  sprechen,
Indem ich jetzt so weit von hinnen ziehen sol.

Ihr winde, kehret umb und stellt euch mir zuwieder,
Biß daß ich sie, gleich wie sie mich gesegnet hat,
Ihr segel, haltet an, legt euren hochmut nieder!
Wir letzen uns noch erst, und weinen uns recht satt.

Lasst ab, mein Argine, und schonet eurer thränen,
Was schwächt ihr eur gesicht? Ich muß doch endlich fort,
Je mehr ihr weint, je mehr werd ich mich nach euch sehnen
Und irren ohne trost dort umb den frembden port.

Ich wil in meine seel ein kleines hauß euch bauen,
In welches eure stets sol eingeschlossen seyn,
Und wil hergegen euch auch meine seele trauen,
Die hebt euch auff und schliesst sie eurer seelen ein.

Kein thränlein fleusset jetzt von euren bleichen wangen
Und muß kein seufftzer auch auß eurem hertzen gehn,
Ich habe sie mit fleiß zur beylag auffgefangen
Und lasse meine seel hiemit gefüllet stehn.

Die sollen mit mir ziehn durch wetter, wind und wellen,
Ich nehme sie für euch zu meiner liebsten an,
Auff daß sie euer bild mir stets vor augen stellen,
Und tragen, was ich selbst nicht mit mir nehmen kan.

Mit ihnen wil ich mich besprechen und ergetzen,
Sie sollen seyn mein trost in noht und traurigkeit,
Rein glück, kein böser fall soll mir dieß volck verletzen,
Kein sturm und wilde flucht, auch keiner winde streit.

Kein frembdes weib sol sie durch ihre gunst vertreiben,
Sie sollen, hilfft mir Gott gesund hie zu euch her,
Bezeugen meine treu und mein beständigbleiben,
Und sagen, wie ich nie ein ander lieb begehr.

Ihr werdet selbst alsdann es an mir können schliessen,
Wenn dieses euer pfand durch meiner augen bach
Aus lieb' und frölicheit euch wird entgegen fliessen,
Und rühmen meinen sinn, mein lieben vor und nach.

Mit dem bedinge nun geh ich von euch zu scheiden.
Du, Venus, die du uns zusammen hast geführt,
Komm abendlich zu steur mit deinem licht uns beyden,
Was mich und sie betrifft, werd auch an dir gespührt!

Traur' ich wo, oder sie, so zeige deine wangen
Erblasst, als wehrestu auch neben uns in noht,
Steht's wol umb sie und mich, so solt du, güldne, prangen
Mit deinem besten glantz gemahlet rosen-roht.

Und wo mir je mein lieb wil etwas sagen lassen,
So schick dein liebes-volck für ihren zarten mund,
Die meiner liebsten red in ihre köcher fassen
Und thun sie nachmals mir vom hohen himmel kundt.

Muß gleich das wilde meer uns von einander trennen,
So wollen wir durch dich dennoch beysammen seyn
Und unser beyder thun und leben stets erkennen,
Uns freuen in dem glück und trösten in der pein.
(S. 445-446)
_____


195.
Tantz nach art der Pohlen

Was ist zu erreichen
Hie in dieser zeit,
Das sich möchte gleichen
Meiner frölichkeit,
Nun ich mein verlangen
Kühnlich mag umbfangen,
Und mit meines lebens zier
Einen regen führ?

Aller pracht der erden
Ist nur rauch und wind
Neben den geberden,
Die du trägst, mein kind.
Nicht die güldne sonne
Macht mir solche wonne,
Solchen glantz befind' ich nicht
An des mondes licht.

Hier in diesen armen,
In dem freuden-saal',
Hoff' ich zu erwarmen
Tausent tausent mal;
Hier in diesem hertzen
End' ich meine schmertzen,
Diese brust sol meiner pein
Niederlage seyn.

Mit den schönen händen,
Welche marmor ziert,
Wil sie mir verpfänden
Alles, was sie führt;
Auff dem süssen munde
Sol ich manche stunde
Künfftig weiden meinen geist,
Der sich mir entreisst.

Liebste, laß uns leben,
Sey mein trost in noht!
Ich wil dir mich geben
Auch biß in den todt.
Fleuch, das rechte lieben
Länger auffzuschieben,
Fort! Hab' ich doch recht dazu,
Was ich mit dir thue!
(S. 447-448)
_____


196.

Man sagt mir zwar, ich sol dich hassen
Und nicht mehr lieben, wie ich pflag,
So kan ich doch nicht von dir lassen,
Ich fliehe dich auch, wie ich mag.

Wie offt hab' ich mir vorgenommen,
Du soltest mir in meinen sinn,
O Galathe, nun nicht mehr kommen,
Nein, nein, ich lieb' als nie vorhin.

Wir seyn ja nicht zugleich geboren,
Es gleichen unsre sternen nicht,
Mir hatte Venus sich verlohren,
Dir aber schien ihr helles liecht.

Werd' ich durch list denn hintergangen
Und hat man mir was beygebracht,
Daß ich so stets an dir muß hangen
Und ruhen weder tag noch nacht?

Seh' ich dich nicht, so fühl‘ ich schmertzen,
Genieß' ich deiner gegenwart,
So ist mir doch nicht wol im hertzen,
Ich stehe bey dir wie erstarrt.

Die rede wil mir gantz nicht fliessen,
Ich zittre wie ein eßpen-laub,
Der augen quell muß sich ergiessen,
Und ich bin sinnloß, stumm und taub.

Ich glaube, daß auß dieser ketten
Und auß dem harten liebes-streit
Mich Perseus selbst nicht könn' erretten,
Der doch Andromeden befreyt.

Darumb sol Cloto meinem leben,
Weil sonst mir nicht zu helffen steht,
Die längst gewünschte endschafft geben;
Ob so ein mensch der lieb' entgeht?
(S. 448-449)
_____



197.
Vorjahrs-Lied

Wir sehn sich jetzt erfreuen
Der erden gantzes hauß,
Die schöne lust des meyen
Lockt dorff und stad hinauß.
Mein hertz beginnt zu wallen,
Wann sich das lufft-volk schwingt,
Und lässt ein lied erschallen,
Daß berg und thal erklingt.

Die heerden gehn sich weiden,
Ihr träger hirten-mann
Hebt hoch auff grüner heyden
Ein freyes wald-lied an,
Sieht, wie in grossem hauffen
Dort umb der flüsse rand
Die heerden sich belauffen,
Und wünscht ihm gleichen stand.

In dem daselbst von weiten
Ein klares bächlein quillt,
Das sich von beyden seiten
In gras und laub gehüllt.
Der schertz herrscht allermassen,
Die lust bezwingt das leid,
Die welt ist außgelassen
Mit lieb' und freundlichkeit.

Auff, Venus, dir ich singe,
Füg mir auch jetzund bey,
Die willig in mich dringe
Und meine liebste sey!
Ich habe gnug gepriesen
Zwar dich und deinen sohn,
Mich dienstlich gnug erwiesen,
Dieß aber ist mein lohn,

Daß ich ohn maaß und ende
Muß derer müssig gehn,
Die mir das hertz verpfände,
Mir trenlich beyzustehn.
Was fleugt, was kreucht, was schwimmet,
Schmeckt jetzt die vorjahrs-kost,
Ist liebe-voll und glimmet,
Nur ich klag' über frost.

Ist denn in mir kein leben
Zu deiner freuden schein,
Daß ich so gut nicht eben,
Als heerd' und laub kan seyn?
(S. 449-450)
_____


198.
Mey-Liedchen

Komm, Dorinde, laß uns eilen,
Nimm der zeiten güt in acht,
Angesehen, daß verweilen
Selten grossen nutz gebracht,
Aber weißlich fortgesetzt
Hat so manches paar ergetzt.

Wir sind in den frülings-jahren,
Laß uns die gelegenheit
Forn ergreiffen bey den haaren,
Sehn auff diese meyen-zeit,
Da sich himmel, see und land
Knüpffen in ein heyraht-band.

Wenn sich die natur verjünget,
Liegt in liebe kranck und wund,
Alles sich zu nehmen zwinget,
Thut sie frey dem menschen kund,
Daß sich er, die kleine welt,
Billich nach der grossen helt.

Still zu seyn von feld und püschen,
Von dem leichten heer der lufft,
Da sich jedes wil vermischen,
Jedes seines gleichen rufft;
Hört man in den wäldern nicht,
Wie sich baum und baum bespricht?

An den bircken, an den linden
Und den eichen nimbt man wahr,
Wie sich äst in äste binden,
Alles machet offenbahr
Durch das rauschen, so es übt,
Daß es sey, wie wir, verliebt.

Lust betrübt, die man verscheubet,
Dieser eyfer, dieser brand,
Diese jugend, so uns treibet,
Hat nicht ewig den bestand,
Zeigt sich wind- und vogel-leicht,
Ist geflügelt, kömpt und weicht.
(S. 450-451)
_____


199.

Mein schönes lieb verließ mit mir,
Ich solt in diesem garten
Ein wenig ihrer warten,
So sitz ich und verschmachte schier.
Wo bleibstu doch, mein süsses leben?
Seum nicht, mein sonnenschein,
Mit äpffeln wart ich dein,
Und trauben von den besten reben.

Hie, wo der baum uns schatten gibt,
Die winde lieblich wehen
Und meinen kummer sehen,
Sol seyn, was mir und dir beliebt;
Ich habe graß hieher getragen
Und weiß von keiner ruh
Es mangelt nichts, als du,
Laß mich nicht über untreu klagen!

Ach mutter, haltet ihr sie an,
So wil ich euch beschwehren
Bey meiner glut und zehren,
Bey allem, was euch lieb seyn kan,
Bey ihren sittsamen geberden,
Bey ihrem jungen blut
Und tugendhafftem muth,
Der alles zwingt, was lebt auff erden,

Biß daß ihr lasst mein trost und licht.
Ich aber wil indessen
Nur ihre zier ermessen,
Die mein' und mich dazu zerbricht.
Betreugt mich aber mein verlangen,
So sol nach langer noht
An diesem ort der todt
An ihre stat mich doch umbfangen.
(S. 451-452)
_____


200.
Lob-gesang der liebe

O Amor, hertzen-binder,
Du herr der freundlichkeit
Und aller guten zeit,
Du zwietracht-überwinder,
Du grosser wolfahrt-heger,
Wie daß die gantze welt
Dir hin zu fusse fällt
Und folget deinem läger?

Wie weistu einzusperren
Des scepters gantze macht!
Dir dient der krohnen pracht,
Der knecht auch sampt dem herren.
Das alter wird gerissen
Zwar an dein strenges joch,
Die tugend pflegstu doch
Am meisten einzuschliessen.

Du machst dich in die wangen
Der frauen-bilder hin
Und führst den starcken sinn
Der männer so gefangen;
Was keine macht kan brechen,
Kein staal, kein fallend bley,
Was keine tyranney,
Weist endlich du zu schwächen.

Du hast die weit gelehret
Das, was sie gutes hat,
Daher auch dorff und stadt
Dir billich zugehöret.
Daß wir die felder bauen,
Nach ehr' und güttern stehn,
Tieff in das erdreich gehn,
Und wind und wellen trauen,

Wodurch wir zugenommen,
Ja, aller pracht und zier
Muß eigentlich von dir,
Du welt-bereicher, kommen.
Du endest angst und leiden,
Greiffstu, o Amor, an
Und hilffst, so träget man
Des creutzes last mit freuden.

Durch dich muß alles werden,
Was vieh und menschen noht,
Ohn dich kömmt weder brodt
Noch wein-wachs aus der erden.
Wie schön die vögel singen,
Wie frölich durch das meer
Der fische schaar, daß heer
Der thier' im walde springen;

Wie lustig sich mit täntzen
Das volck der sternen macht,
Wie helle bey der nacht
Sie umb den mond her gläntzen,
Wie schnell der sonnen räder,
Wie lieblich lufft und wind,
Wie angenehm uns sind
Die brunnen, flüsse, bäder.

Doch were nichts zu spüren
Von allem, was man kennt,
Wenn du das regiment
Nicht, Amor, soltest führen.
Glückselig ist die stunde,
Kriegt anders zeit hie stat,
Da Gott gezeugt dich hat
Aus seines hertzens grunde.

Man hat von keinen plagen
Da irgends wo gewust,
Und nur von lauter lust
Und freude können sagen.
Da war kein haß vorhanden,
Kein argwohn und kein streit,
Fried' und gerechtigkeit
Sind umb dich her gestanden.

Man sieht noch jetzund leben
Und grosses wolergehn
An allen orthen stehn,
Wo du dich hin begeben;
So komm nun, dein begnügen
Umbschließ' auch dieses paar
In eintracht immerdar,
Die ehlich jetzt sich fügen!

Du bist es, den wir singen,
Du, und das wahre gut,
Der uns das liebste thut,
Gott selbst für allen dingen.
Wir werden angetrieben
Zu sagen: Er allein
Muß selbst die liebe seyn,
Die er so rein kan üben.

O seelig, seelig weren
Wir menschen allerseit,
Die wir durch haß und streit
Erbärmlich uns verzehren,
Wenn doch auch uns die liebe,
Die alles hie und da,
Und selbst den himmel, ja
Am meisten Gott treibt, triebe!
(S. 452-455)
_____


201.

Wiltu nichts vom bräutgam hören,
Wünschest dir für ihm den tod?
Laß dich nicht, mein kind, bethören,
Setz dich willig nicht in noht!
Denck, was dieses sey für pein,
Alt und doch noch jungfrau seyn.

Lieben und geliebet werden
Ist das beste von der welt,
Ist, was bloß dieß hauß der erden
Frey von allem fall' erhält;
Was nicht lieben wil noch kan,
Wozu taug es umb und an?

Wenn der scheitel dir wird blecken
Und du wirst die zähne nicht
Mehr für alter können decken,
Runtzlecht seyn im angesicht,
Ach, hett' ich doch vor der zeit,
Wirstu sagen, noch gefreyht!

Wie die äpffel sampt den zweigen
Vor dem garten-herren sich
Umb die herbst-zeit niederbeugen
Und fast sprechen: Pflücke mich!
Wie der damals reiffe wein
Seufftzt und wil gelesen seyn,

Wie die volle ros' im lentzen
Kläglich thut nach deiner hand,
Wil, dein härchen zu bekräntzen,
Von dir werden angewandt,
Wie auch gern die reiffe saat
Ihren trost, die schnitter, hat,

Also reiffen deine gaben,
Und, treugt mich das auge nicht,
Wollen einen freyer haben,
Was dein mund dawider spricht;
Wo nicht du, doch deine zier
Suchet einen bräutgam dir.

Komm zu mir, mein obst und traube,
Ros' und saat, erfreue mich!
Komm, nach dieser früchte raube
Sehnet meine seele sich;
Dieß obst sättigt meinen sinn,
Ob ich sonst gleich obst-scheu bin!
(S. 455-456)
_____


202.
Tantz nach art der Pohlen

Die ihr jetzt seyd erschienen
Zu unsrer frölichkeit,
Was kan euch besser dienen
Bey dieser kalten zeit,
Als daß ihr theils im tantzen
Euch übt, wie ich zwar thue,
Theils auch mit gläser-schantzen
Setzt auff einander zu?

Ihr jungfern und gesellen,
Man fordert euch hervor,
Kommt, kommt euch einzustellen,
Es winckt der gantze chor,
Und sagen die schalmeyen,
Daß dieß der braut-tantz sey,
Ihr steht im ersten reyen,
Kommt, findet euch herbey!

Hat jemand nun im hertzen
Beschlossen, die er liebt,
Der thu' er kundt die schmertzen
Und was ihn nur betrübt.
Hie mag er sich besprechen
So gut er immer kan,
Er sage sein gebrechen
Getrost der liebsten an.

Er rede mit den augen,
Mit seufftzen ohne ziel,
Und was zum vortrab taugen
Mag in dem liebes-spiel;
Durch süsses händeküssen,
Und was ihm sonst bekandt,
Lass' er der liebsten wissen
Der liebe grossen brandt.

Dann auch ihr herrn und frauen,
Die ihr uns gutes gönnt,
Kompt, lasset jetzund schauen,
Daß ihr auch tantzen könnt!
Legt euren gram was nieder,
Den schlauen lebens-dieb,
Offt haben alte glieder
Noch junge freyheit lieb.

Die aber nicht zu lencken
Noch auff zu bringen seyn,
Die lassen sich beschencken
Mit gutem bier und wein.
Geht, Blasien, schenckt die mandel
Der gläser frisch und voll,
Ihr wisst in diesem handel
Des hofes ordnung wol.

Verzeiht mir doch daneben,
Ihr herren, daß ich geh',
Ihr seht, mir winckt mein leben,
Weil ich im tantze steh'.
Ich geh' euch zu erkennen,
Nembt ihr es ab an euch,
Ob nicht mein hertz mag brennen
Dem kattich-feuer gleich!

In der sich meine seele
Hat gantz und gar verirrt,
Von der mich kaum die höle
Des grabes trennen wird,
Solt‘ ich mit der nicht tantzen,
So hett' es diesen schein,
Als solte schon das pflantzen
Der lieb' erstorben seyn.

So lang‘ es, meine sonne,
Mir warm zum hertzen geht,
Sollt ihr seyn meine wonne;
Ich hab' in mir erhöht
Ein schloß für euch, darinnen
Ihr ewig herrschen solt,
Hie könnt ihr meinen sinnen
Gebieten, wie ihr wolt.

So lasst euch nun zu ehren
Uns und der gantzen schaar,
Ihr musikanten, hören
Und macht es offenbar,
Daß mich für allen leiden
Die lieb' jetzt hat verschantzt,
Und daß in solchen freuden
Ich nie vorhin getantzt.
(S. 456-459)
_____


203.

Mein lieb wil nichts nach liebe fragen,
Ist solcher wollust spinnen-feind,
Wer ihr vom bräutgam was wil sagen,
Macht, daß sie sehr darüber weint.

Gott, laß es ja mich nicht erleben,
So spricht sie weh- und unmuths-voll,
Daß ich das ja-wort von mir geben
Und wem versaget werden sol!

Wil sie von diesem sinn nicht weichen,
Stimmt mit der red' ihr hertz auch ein,
So sag ich, warlich, ihres gleichen
Wird leichtlich nicht zu finden seyn.

Ihr zu gefallen wil ichs gläuben,
Seh' ihre zarte jugend an,
Der ich die einfalt zu muß schreiben,
Die nichts von liebe wissen kan.

Doch nehm' ich es mit ihren wangen,
Mit ihrer augen glantz bezeugt,
Mit allem dem, was mich gefangen
Und schönes sich an ihr ereugt,

Mit ihren sittsamen geberden,
Mit des geraden leibes-pracht,
Der noch, ob Gott wil, mein sol werden,
Sie ist dem kloster nicht gemacht.
(S. 459-460)
_____


204.
Klage eines verliebten Schäfers
über die untreu seiner Phyllis

Es fieng ein schäfer in zu klagen,
Wie seine liebste Phyllis ihn
Noch lieb gehabt vor wenig tagen,
Und nun geschlossen aus dem sinn,
Auch ihren schönen krantz von myrthen
Gegeben einem andern hirten.

Er senckt ins graß die müden glieder
Bey einer silber-klaren bach,
Und warff da stab und tasche nieder;
Sein irden trinckgeschirr zerbrach,
Verflucht auch seine wald-salmeyen
Und fieng erbärmlich an zu schreyen:

Nunmehr werd' ich doch nimmer singen
Ich dancke meinem leben ab!
Für dich, o süsses seitenzwingen,
Erwähl ich mir ein todten-grab,
In welchem ich auch noch vor morgen
Wil schliessen alle pein und sorgen.

Ihr sternen, ewig‘ himmels-liechter,
Die ihr den kreiß der welt durchrennt,
Seyd zwischen mir und Phyllis richter!
Erwegt es bey euch und erkennt,
Ob ich mit recht mein junges leben
Umb ihrentwillen auff sol geben.

Hab ich sie nicht wie meine seele,
Ja noch viel hertzlicher geliebt,
So sey auch in des grabes höle,
Was mich viel mehr als jetzt betrübt;
Hab' ich ihr nicht mein hertz verpfändet,
So werde nie mein leid geendet!

Ihr hirten, die ihr ferne weidet,
Ihr ficht- und linden-bäum alhie,
Ihr quellen, die ihr unterscheidet
Hier zwischen mein- und jenem vieh,
Ihr könnet, wollet ihr nur, zeugen,
Wie ich gewesen ihr leibeigen!

Ich habe meiner selbst vergessen
Und einig nur auff sie geschaut,
Bin schlaffloß manche nacht gesessen,
Erfrohren gar und naß bethaut,
Und nur gespielt, daß ich für allen
Ihr möcht' im hertzen wolgefallen.

Was ich je gutes hab' erzwungen,
Ward ihr zu ehren angewandt,
Ihr hab ich es zu gut gesungen,
Was von mir in der welt bekant;
Mich liebten andere schäferinnen,
Sie aber war nicht zu gewinnen.

Man schau' auff mein' und ihre heerde,
Was für ein grosser unterscheid
Darunter doch begriffen werde,
Und dieses in gar kurtzer zeit,
Weil ich nur ihr vieh außgetrieben,
Mein eigenthumb nie können lieben.

Was hab ich mir nicht unverdrossen
Entzogen und ihr zugesteckt?
Sie hat stets meiner milch genossen,
Mit meiner wolle sich gedeckt;
Daß sie nur möchte zierlich prangen
Bin ich offt nackt und bloß gegangen.

Für meine treue dienst' und gaben
Werd' ich nun also abgelohnt,
Daß frembd' auff meinem acker graben,
Ein böser gast mein reich bewohnt;
Mein feld, das mir solt' ewig bleiben,
Das seh' ich andere betreiben.

Was wil ich armer aber machen?
Ich lass' es jetzt also geschehn,
Doch, wie sie vorsteh' ihren sachen,
Das wird sie selbst in kurtzen sehn;
Der frevel so untreuer thaten
Pflegt selten glücklich zu gerahten.

Nicht, daß ihr unglück und verderben
Mich kützeln und ergetzen solt'!
Ach nein, und muß ich jetzt gleich sterben,
So bin ich dennoch Phyllis hold;
Solt' ich ihr jetzt was böses gönnen,
So hett' ich nie recht lieben können.

Ich wünsch' ihr noch vielmehr daneben
Daß sie in steter lust und ruh
Mit ihrer heerde möge leben
Und nehm' an lieb' und gütern zu!
Aus diesem allen aber scheinet,
Wie sie's bißher mit mir gemeynet!

Mich jammert, wenn ich muß bedencken,
In was für unglück sie sich stürtzt,
Wie hefftig sie es noch wird kräncken,
Daß sie mir jetzt mein loben kürtzt!
Ich weiß, sie wird noch im gewissen
Viel meinetwegen leyden müssen.

Was aber heuff‘ ich meine schmertzen?
Mein ernster vorsatz ist der tod,
Die endschafft meiner müh' im hertzen,
Die grabstät aller pein und noht;
Was ich mir gäntzlich vorgenommen,
Dem kan und wil ich nicht entkommen.

Gehabt euch wol, ihr berg‘ und felder,
Mit eurer wol-begrünten zier,
Ihr quellen, felsen, püsch' und wälder,
Ihr wilden und ihr zahmen thier',
Ihr wiesen, reich an klaren bächen!
Kein mensch sol mich mehr sehn und sprechen.

Hierüber ward der tag geschlossen,
Die sternen gaben keinen schein,
Ein dick gewölck kam auffgeschossen
Und hieß den mond gantz finster seyn,
Es blitzet' aber ungeheuer,
Die wälder stunden wie im feuer.

So bald Aurora nun beym zügel
Die sonn' einführt‘ und eylte fort,
Hat man nur einen grabes-hügel
Gemercket an demselben ort,
Mit frischen rosen überschüttet,
Da er der schaafe vor gehütet.

Kein schäfer war da zu erfragen,
Die heerde nahm sehr ab und starb,
Die bäume fiengen an zu klagen,
Das graß sanck nieder und verdarb,
Die bäche scheineten mit thränen
Nach ihrem schäfer sich zu sehnen.

Nicht weit davon stund eine linde,
Viel höher als die andern bäum',
An esten reich, in derer rinde
War eingeschnitten dieser reim:
Hie liegt der schäfer her begraben,
Den Phyllis nie recht lieb wolt‘ haben.

Wol dem, der sich der lieb' entschläget,
Und thut, was ihm vertrauet ist!
Wol der, die ein gut hertze träget,
Die ohne wanckel, schein und list
Dem, welcher sie von hertzen liebet
Gantz ungefärbet sich ergiebet!
(S. 460-464)
_____

Alle Gedichte aus: Simon Dach [Werke].
Herausgegeben von Hermann Österley
Für den Litterarischen Verein in Stuttgart 1876


siehe auch Teil 2

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Simon_Dach


 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite