Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679) - Liebesgedichte

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau



Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
(1616-1679)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 



Galante Gedichte

An Flavien

Ach edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin /
Ich schreib / und weiß nicht was / dein scherzen macht mir schmerzen /
Dein stern der freundlichkeit reist meine freyheit hin /
Du schickst mir einen brieff / und greiffst mir nach dem herzen.
Ach ein vergebner griff! du hast es ja bey dir /
Und mir ist nur davon ein kleiner rest erlaubet;
Denn seine schalen sind zwar / wie es scheint / bey mir /
Du aber hast mir längst den kern davon geraubet.
Ich schreibe sehr verwirrt: Denn wer so lebt / wie ich /
Und ohne herze schreibt / dem taumeln geist und sinnen.
Verdirbt mir dieser brieff / so schrey ich über dich /
Was solt ich ohne herz itzt wohl vollbringen können?
Doch schreib ich / wie ich kan / als sclave deiner hand;
Die fehler meiner schrifft sind deine sieges-zeichen.
Reicht Critons dienstbarkeit dir hier kein besser pfand /
So denck / ein schwacher kan nicht / was er will / erreichen;
Und rechte liebe will nicht reich verbrämet seyn /
Sie will nicht allemahl mit purpur sich bedecken /
Sie stellt nicht selten sich in schlechter kleidung ein /
Und meynt / daß schminck und schmuck nicht zieren sonder flecken.
Du aber / Flavia / gebrauchst verschwenderey /
Du thust mir deine gunst durch einen brieff zu wissen /
Und daß ich auch davon noch mehr versichert sey /
So wilst du bald darauf mein schlechtes haus begrüssen.
Ach freundin! das gelück und dessen freuden-fest
Speist die verliebten offt mit leeren fleisch-pasteten /
Und ob es seinen wein gleich etwas schmecken läst /
So fließt er mehrentheils nur unsre lust zu tödten.
Es drücket das gelück uns freundlich an die brust /
Und kratzet unvermerckt bey falschen liebes-küssen /
Es zeigt uns sein betrug den zucker reiner lust /
Und raubt uns / als ein feind / die nahrungs-reichen bissen.
Der kranz / den seine hand auff unsre scheitel setzt /
Ist mehrentheils mit dorn und disteln unterwunden.
Sein becher hat uns offt biß auff den tod verletzt;
Nicht selten hat man hier ein spinnen-gifft gefunden.
Ich rühr in meiner noth nicht fremden unfall an /
Ich kenne das gelück und dessen falsche waren /
Und wie sich dessen lust in list verstellen kan.
Denn was ich hier berührt / das hab ich auch erfahren:
Es stund mein treuer sinn in steiffer zuversicht /
In meinem hause dich / als freundin / zu empfangen;
Ach blumen ohne frucht! Ich armer fand dich nicht /
Du warst zu meiner noth mir allzubald entgangen /
Dein helles auge war vor mich ein donnerstrahl /
Als ich / du weist ja wo / dich unverhofft erblickte /
Kein pinsel kan allhier bezeichnen meine qual /
Die tausend seuffzer dir nach deinem herzen schickte.
Mein größter kummer war zu bergen meine pein /
Mein blut stund schon gerüst / verrätherey zu üben /
Doch must ich in der noth als eiß gefroren seyn.
Wie übel paart sich doch behutsamkeit und lieben!
Wie der verdruß hernach mir meinen tisch gedeckt /
Wie nichts als traurigkeit mir oben an gesessen /
Wie bitter mir hierauf das mittags-mahl geschmeckt /
Das kanst du / liebst du mich / auch vor dich selbst ermessen.
Es schloß der unmuth mir die heisse kähle zu;
Mich hätte der verdruß auch endlich selbst erstecket /
Und läge wohl vielleicht itzt in der bleichen ruh /
Wann nicht mein hofnungs-stern mich wieder auffgewecket.
Ist eine wehmuth noch vor mich in dieser welt /
So trockne / Flavia / mir meine nasse wangen;
Du weist es / da mir doch kein ander tuch gefällt /
Als das ich armer kan aus deiner hand erlangen.
Schau meine liebe nicht als wollust-sprossen an /
Die aus dem herzen nichts als geile blüthe treiben /
Du weist es / daß man auch vernünfftig lieben kan /
Und lieb und tugend wohl geschwister können bleiben.
Ich schliesse meinen brieff / doch meine hoffnung nicht /
Dich / liebste Flavia / in kurzer zeit zu schauen;
Und so der himmel uns nicht allen fürsatz bricht /
So wollen wir ein haus von zucker-rosen bauen.
Doch weil du rose bist, so will ich biene seyn /
Die bienen mögen sich in blätter ja verstecken;
Vielleicht fällt dir / wie mir / noch der gedancken ein /
Daß bienen zwar ein blat berühren, nicht beflecken.
(Theil 1 S. 31-33)
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Cupido an Berinne

Aus meiner mutter mund ist dieser brieff geflossen /
So dich / Berinne / mehr als ihre tauben liebt /
Durch ihren segen ist dein warmer schnee entsprossen /
Dem iede schwanen-brust sich ganz gefangen giebt.
Es ist der mutter wort / was ich dir übersende /
Ich hab es nur aus lust in diese reimen bracht.
Was nimmt nicht eine frau mit freuden in die hände /
Was nach der Venus wunsch Cupido fertig macht.
Dir ist nicht unbekandt / was man die liebe nennet /
Es ist vor deinen geist nicht eine fremde glut;
Du hast viel angesteckt / und bist auch selbst entbrennet /
Und kennest / was mein pfeil vor grosse wunder thut;
Du weist / daß menschen sich nicht recht entmenschen können /
Und die begierde sie als alte kinder wiegt;
Ich weiß / so gut als du / den zunder deiner sinnen /
Und daß nicht eiß und stahl dir um das herze liegt.
Ich habe dir zunächst zwey schreiben weggerücket /
So an den Criton du hast zierlich auffgesetzt;
Ich habe sie aus pflicht der mutter zugeschicket /
So sie von grösserm werth als ihre perlen schätzt.
Sie hat sie alle zwey in einen schrein verschlossen /
Dahin der diamant nur will verwahret seyn.
Sie sprach: Berinn' ist selbst in diesen brieff geflossen /
Und druckt ihr ebenbild den schönen worten ein.
Ich weiß die edle glut nicht hoch genug zu preisen /
Es steht das lieben dir ja gar zu zierlich an:
Und du / Berinne / kanst in einem spiegel weisen /
Wie gold und lieb allein im feuer dauren kan.
Dein unbefleckter mund verschencket keine küsse /
Daran nicht trinckbar gold und lebens-nectar klebt /
Es ist die süssigkeit vor ihnen selbst nicht süsse /
Weil mehr als honigseim auff deinen lippen schwebt.
Die schnelle zauberey / so du im munde führest /
Macht / daß dich Criton mehr als seine seele liebt /
Daß er / so bald du nur die lippen ihm berührest /
Sich selber ihm entzieht / und dir sich eigen giebt.
Der menschen liebe wird von vieler art gefunden /
Doch deucht mich / diese sey viel mehr als andre werth /
Dieweil die tugend selbst den brandzeug hat gebunden /
Und diese reine glut durch ihren schwefel nehrt.
Du weist / als Criton dir den ersten kuß gegeben /
Daß dieses keusche wort aus seinen lippen brach:
Ich will allhier veracht / und dort verdammet leben /
Rennt meines geistes trieb verbotnen lüsten nach!
Ich fühl in meiner brust die allerreinsten flammen /
Ich mercke mir genau den gränz-stein meiner lust /
Es setzt der tugend hand diß endlich noch zusammen:
Ein küßgen auff den mund / fünff finger auff die brust.
Diß ist die beste lust / so nicht zu reichlich quillet /
Und wo der abend nicht den tag zu schanden macht.
Wer seinen hunger nicht mit voller kost bestillet /
Der wird der süßigkeit alleine werth geacht.
Ich will hinkünfftig dich als meine schwester lieben /
Mit der ein bruder stets vernünftig scherzen muß;
Ich wil durch keinen trieb dein keusches wasser trüben.
Und diß versiegelt er durch einen heissen kuß.
Berinne bleib nunmehr auff deinen festen sinnen /
Und dencke: Dieser freund ist treuer flammen werth.
Die schwester wird ja nicht den bruder hassen können /
So in verdeckter brunst sich in sich selbst verzehrt.
Laß diesen tadel doch / den man den frauen giebet /
Daß list und unbestand bey sie zu hofe gehn /
Und keine nicht zu lang und allzu eiffrig liebet /
Laß böse nachbarschafft weit von den gränzen stehn.
Brenn' und verzehr dich nicht in diesen edlen flammen /
Laß keinen neben-zug verleiten deinen geist:
Kein süsses säiten-werck stimmt so geschickt zusammen /
Als wenn beständigkeit die liebe schwester heist.
Streu die vertrauligkeit / den zucker reiner herzen /
Vor deinen Criton nicht mit allzu karger hand;
Laß seinen kühnen blick um deine liljen scherzen /
Es wird ein öle seyn für seinen liebes-brand.
Ein blick entführt dir nichts / und kan dich nicht versengen /
Er steiget ohne list in deinen garten ein /
Und wird sich ohne raub in deine blumen mengen /
Denn Criton will dir hold / nicht aber schädlich seyn.
Berinn' ich will dir itzt nicht mehr gesetze geben.
Dein witz wird führer seyn / du kennst die rechte bahn /
Du wirst ja diesen nicht auff dornen lassen leben /
Der dich so ehrlich liebt / und nicht verlassen kan.
So bald dich Criton wird das nächste mahl begrüssen /
So flöß in seinen mund ihm einen solchen kuß /
Von dem der amber selbst wird auff die seite müssen /
Und alle süßigkeit zu wermuth werden muß.
Doch laß nicht deine gunst wie die Cometen glänzen /
So scheinen und vergehn in einer jahres-zeit;
Die rechte liebe lebt entfernt von allen gränzen /
Sie folgt den göttern nach / und sieht die ewigkeit.
Die mutter will alsdenn dich auff den wegen führen /
Wo alle freudigkeit mit vollem munde lacht;
Sie wird dir deinen hals mit einem schmucke zieren /
So auch den diamant schlecht und verächtlich macht.
Ich aber werde dich nun meine schwester nennen /
Ein weib / so treulich liebt / ist dieses tituls werth /
Durch mich wird Criton dir das herze ganz verbrennen /
Er soll dein weyrauch seyn / sey du sein opffer-heerd.
(Theil 1 S. 33-36)
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Wohlmeynende gedancken über den
geburts-tag der Bleßine

Bleßine laß mich doch in diesem brieffe scherzen /
Es scheint / daß heute mir der himmel selber lacht;
Es quillt / ich weiß nicht was / aus meinem engen herzen /
Das alle schmerzen mir zu süssem zucker macht.
Die Venus will mir selbst die dicke dinte rühren /
Cupido träget mir die weissen blätter zu;
Jedoch was diese mahl soll meine Feder führen /
Das kan nichts anders seyn / als nur Bleßine du.
Du weist am besten mir die geister zu erwecken /
Und legst im sand und eiß beblümte gärten an /
Du läst mich nicht im schlamm der bleichen sorgen stecken /
Und machest / daß ich noch / was lust ist / schmecken kan.
Du kanst aus nächten tag / aus winter frühling machen /
Aus deinen augen quillt der zeug zum hurtig seyn.
Du lehrst die traurigkeit und schwermuth selber lachen /
Und lockst aus trüber nacht den hellen sonnen-schein.
Die jahre deiner gunst sind ohne marter-wochen /
Der schwarze sonntag wird durch dich zum oster-fest.
Es läst dein paradeiß mich liebes-äpffel suchen /
Darben die schlange sich nicht leichtlich spüren läst.
Bleßine / weist du auch / warum ich dieses schreibe /
Warum dir meine faust itzt hundert reime schickt?
Du kennst den schönen merz / als aus der mutter leibe
Vor siebzehn jahren du die welt hast angeblickt.
Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget /
Und dich mit ihrer milch als mutter auch getränckt;
Sie hat die liebligkeit dir reichlich eingepräget /
Und selbst ihr ebenbild auf deine brust gehenckt.
Sie hat mit rosen-blut die lippen dir besprützet /
Und ihre zunge hat die deinige genetzt;
Sie hat dir alsobald das junge blut erhitzet /
Und warmen wunder-schnee in deine hand gesetzt.
Nach diesem hat sie dich den Gratien befohlen.
Die eine küßte dich / du weist es wohl auff was;
Cupido muste dir zeug zu den windeln holen /
Der niemahls allzuweit von deiner wiege saß /
Er sang dir: kindgen schlaff; dein mund ist wie rubinen /
Dein bäuchlein schwanen-weiß / dein hals wie helffenbein /
Es wird die freyheit dir vor eine sclavin dienen /
Wann um dein brünnlein wird ein schönes püschgen seyn.
Schlaff sanfft! Es müsse dich kein harter schall erwecken /
Die mutter decket dich mit ihrem flore zu.
In deine lippen will sie zucker-stengel stecken /
Die mehr als zucker sind / und lieblich seyn / wie du.
Er lehrte bald darauf die glatten Füsse schreiten /
Er macht aus seinem pfeil dir offt ein tummel-pferd /
Die Venus lacht' / und sprach: Wie kan diß dirnlein reiten ?
Der himmel mache sie des besten reuters werth!
Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben /
Dieweil ihr schnäblein dir fürtrefflich wohl gefiel /
Du fragtest: Was ist diß? was sie vor kurzweil treiben?
O fürwitz / sagte sie / es ist ihr liebes-spiel.
Was soll ich endlich viel von deiner jugend sagen?
Dich hat der himmel selbst als tochter angelacht.
Und dich ohn unterlaß auff arm und schooß getragen /
Ja sammt und seide dir zu bett und stuhl gemacht.
Und hat er etwan dich was sauer angeblicket /
So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt /
Und aus dem nebel dir den schönsten strahl geschicket /
So wie ein pinsel thut / der neuen fürniß giebt.
Bleßine / darff ich dir meine herze recht entschliessen?
Du weist / ich bin kein freund der schnöden heucheley;
So sag ich dir / du sitzt auff des gelückes küssen /
Und lebest noch zur zeit von scharffen dornen frey.
Die lebens-göttin spinnt vor dich gar feste seide /
Die sonne deiner lust weiß nichts von untergehn.
Es kaufft die freudigkeit dir zeug zu einem kleide /
Und will als dienerin dir zu gebote stehn /
Sie reichet lachende dir ihre beste schaale /
Sie schencket nectar dir biß an den deckel ein /
Sie speist verschwenderisch dich auff dem bunten saale /
Und heisset herzen dir gemeine bissen seyn.
Bleßin' ich schrey itzund / ich fühle deine bisse /
Doch wo Bleßine beißt / da richt sie lachen an.
Beiß / beiß Bleßine / beiß / dein beissen ist so süsse /
Daß ich vor liebligkeit fast nicht mehr leben kan.
Ich habe schon vorlängst mein herze dir geschencket /
Dein mund zerreist es zwar / zermalmt es aber nicht.
Ach! freundin / glaub es mir / worauff dein geist gedencket /
Das hab ich allbereit als diener ausgericht.
Küßt aber / schönste / dich vergnügung und gelücke /
Drückt dieses werthe paar dich freundlich an die brust /
So thu mir auch also / du weist es / deine blicke /
So mir dein auge schenckt / sind strahlen meiner lust.
Laß deiner lippen thau um meine lippen fliessen /
Den thau / der erstlich mich / wie leim den vogel / fing.
Laß die vertraulichkeit die seele mir durchsüssen /
Vertraulichkeit bleibt doch der liebe siegel-ring.
Mein auge kennst du ja / es ist zwar nicht die sonne /
Es sey dir / was du wilt / nur sey ihm nicht zu scharff.
Wilst du mein himmel seyn / so gönn ihm doch die wonne /
Daß es / was himmlisch ist / auch recht bestralen darff.
Itzt schließ ich diesen brieff. Bleßine / das gelücke
Das müsse nimmermehr verändern deinen fuß /
Die sterne senden dir dergleichen freuden-blicke /
Vor denen traurigkeit zu asche werden muß.
Es reihe mich und dich durch einen drat zusammen /
Es streu uns überall vergnügungs-körner ein /
Und lasse ungestört / bey diesen süssen flammen /
Dein hauß mein paradieß, dich meinen engel seyn.
(Theil 1 S. 37-40)
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Auff die abbildung des Cupido /
wie er die pfeile wetzte

Cupido / der dich mehr als seinen köcher liebt /
Will seinen schleiffer-zeug in deine kammer tragen /
Ich weiß / daß er dir schon im geiste küsse giebt /
Und dir manch schlüpffrig wort wird in die ohren sagen.
Er stellt sich nackt und bloß für deinen augen ein /
Sein weisser attlaß ist der schnee von brust und lenden;
Denn wahre liebe soll recht offenherzig seyn /
Und unsre augen nicht durch schminck und schmuck verblenden.
Er lehrt dich / wie man recht vertraulich lieben kan /
Wie heisse liebe sich nicht leichtlich läst verdecken /
Die paradieß-tracht steht ihm mehr als zierlich an /
Denn reiner liebe zeug ist rein von staub und flecken.
Beyneben tröstet mich die gute zuversicht /
Er werde gegen dich auch meiner treu gedencken /
Und sagen / wie mir offt mein mattes herze bricht /
Mein herz / das sich allein will nach Ambretten lencken.
Ich weiß / er wird nicht weit von deiner lager-statt /
(Sein schleiffen wird dir ja nicht deine ruh verstören /)
Nach seiner kühnen art / bewegen stahl und rad /
Und was hier ferner folgt dich deutlich lassen hören:
Ambrette / wo dein geist nicht meinen rath veracht /
So laß beständigkeit und Liebe sich vermählen.
Wer auff veränderung und neue funcken tracht /
Dem wird es nimmermehr an wermuths-körner fehlen.
Ich lobe / was bißher dein treuer geist verübt /
Ich will ein kostbar oel in deine flammen giessen /
Wo deine seele nicht die neben-züge liebt /
So will ich deine gunst / so gut ich kan / versüssen.
Ich weiß / wie redlich dir Cretin sein herze schenckt /
Wie willig sich sein geist nach deinem willen beuget /
Und wie er mehr auff dein als seine wohlfahrt denckt /
Ja wo es dir gefällt / zu seinem grabe steiget.
Ich hab ihn neulich noch mit wehmuth angeschaut /
Als du aus zeitvertreib von ihm dich weggerissen /
Wie er aus trauer-sucht ihm hatt' ein haus gebaut /
Und er in einsamkeit sich dachte zu verschliessen.
Die armen macht er ihm zum spiegel seiner noth /
Ambrett' / Ambrette / rieff er aus dem bleichen munde /
Dein aussenbleiben wär ihm herber als der tod /
Und deine wiederkunfft bezuckert' ihm die stunde.
Es hat Cupido mir auch ferner zugesagt /
Ein mehrers wegen mein bey ihr noch anzubringen /
Eh' als er mich verließ / so hat er mich gefragt /
Wie tieff mein auge dörfft in deine gegend dringen?
Ich hoffe / weil er so beweglich bitten kan /
Er werd' / Ambrette / dich noch endlich wohl erweichen.
Ach freundin! hör ihn doch mit offnem herzen an /
Und laß mein freyes aug in berg und thäler streichen.
Cupido mag itzund verschleissen tag und nacht /
Du wirst ihm ja bey dir den engen raum vergönnen /
Es hat der kleinste gott die allergröste macht /
Wer wird / was ihm beliebt / doch wohl verwehren können?
Doch wenn er einmahl dich entblöst im bette schaut /
Und an der zarten haut sein auge kan ergetzen /
So schleifft er ferner nicht / und ruffet überlaut:
Ambrette soll allein hier stumpffe pfeile wetzen.
(Theil 1 S. 40-41)
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An Amaranthen / über sein an sie
geschicktes bildniß

Mein bildniß hast du hier auff dünnes glaß geleget /
Es scheint / daß zwischen mensch und glaß verwandniß sey /
Denn die gebrechligkeit ist beyden eingepräget /
Sie seyn von dem verderb fast keine stunde frey.
So bald ein glaß zerbricht / kan auch ein mensch vergehen.
Das glaß zerbricht der mensch / den menschen GOttes hand;
Es können beyde nicht die länge recht bestehen /
Ihr end und anfang ist fast nichts als asch und sand.
Zerbricht das glaß nicht ganz / so kriegt es schnöde flecken /
Laufft von dem wetter an / und wird sehr ungestalt:
So will die kranckheit offt uns allen schein verdecken /
Und macht gemüth und leid verdrießlich / schwach und kalt.
Zerfällt das schönste glaß / wer achtet dessen stücke?
Man stößt es schändlich hin / als schlechten ziegel-grauß:
Die menschen sparen nicht den menschen ihre tücke /
Man hat uns kaum verscharrt / so ist die freundschafft aus.
Ruhm, nahme und gestalt ist alsobald verschwunden /
Wenn man uns nach gebrauch das letzte hemde giebt.
Wo hat man dieser zeit wohl einen freund gefunden /
So an das grab gedenckt, und nach dem tode liebt.
Hier ist das dünne glaß, wilt du es bald zerbrechen /
So nehm ich es von dir vor keine feindschafft an;
Denn Amaranthen weiß ich nicht zu widersprechen /
Indem mich ihre hand in nichts verletzen kan.
(Theil 1 S. 42)
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Scherz-gedancken

Cupido faßte dich vergangen zu gesichte /
Er nahm den besten pfeil / und griff den bogen an /
Ich schaute / wie er ihn nach deinem herzen richte /
Ich sprach: es ist nunmehr um Flavien gethan.
Als aber dieser schalck genugsam angeschauet
Des angesichtes glanz / so heller ist als tag /
Das haar / wo ihm das gold ein bergwerck auffgebauet /
Und sonnen-strahlen selbst mit ehren trotzen mag;
Die schönen zauberin / die fleischichten rubinen /
Die augen / wo das pech sich in den schnee gesetzt /
Die wangen / welchen selbst Aurora wünscht zu dienen /
Der hals / der auch den schwan in seiner pracht verletzt /
Die brüste / so den witz in kurzem können blenden /
Die schultern / so den stuhl der schönheit angericht;
So fiel der bogen ihm aus den geschwinden händen /
Und sprach: dergleichen pracht führt auch die Venus nicht.
Er sanck ihr auff den hals mit mehr als tausend küssen /
Es konte nicht sein mund von ihren lippen gehn /
Er ließ das süßte gifft auf ihre zunge fliessen /
Und in der reinen flut die heisse glut entstehn.
Er bließ ihr in den mund was buhlschafft kan erregen /
Was amber in sich hält / und bisem mit sich führt /
Was Paphos geben will / und Cypern denckt zu hegen /
Was kalte geister regt / und schlaffe sehnen rührt.
Er schwur bey seinem pfeil und seiner mutter brüsten /
Der schönen Flavia zu gönnen ihre ruh;
Er sagte: Werd' ich mich mehr wider diese rüsten /
So schlage Jupiter mit blitz und donner zu!
So tadle mich nun nicht / weil ich dir stets gesaget /
Daß deine küsse sind mit anmuth angethan;
Das / was mir itzt an dir am meisten mißbehaget /
Ist dieses / daß dein geist mich nicht recht lieben kan.
(Theil 1 S. 43)
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Sonnet
Er liebt vergebens

Ich finde keinen rath / die liebe wächst allein /
Und wenig neben mir / es sey denn meine noth /
Die brunst bestricket mich / warum nicht auch der tod?
Frist jene marck und fleisch / so fresse der die beine.
Was aber hilfft mein wunsch / was hilffts mich / daß ich weine?
Der tod hört nicht vielmehr / als sonst der liebes-gott /
Wo solte meine qual und meines lebens spott
Nun besser seyn bedeckt / als unter einem steine?
Und bin ich endlich todt / vergraben und verscharrt /
So schwatzt die grabschrifft noch / daß dieser mensch genarrt /
Und sagt: Hier liegt ein narr / und läst nicht wenig erben.
Ach! daß den schwarzen leib das erste wasser-bad /
So mir die mutter gab / nicht bald ersäuffet hat /
So dörfft ich itzt allhier wie ein narr verderben.
(Theil 1 S. 44)
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Sonnet
Auf eine schlitten-fahrt

Ist das nicht Flavia / die sich bey trüber nacht
Läst in der rauhen lufft und auff dem schlitten führen?
Will sie den weissen schnee mit ihren rosen zieren?
Und wird zu winters-zeit der lenz herfür gebracht?
Sie ists / ich kenne sie aus ihrer augen pracht /
Die stralen lassen sich als neue sterne spüren /
Und was mir stets mit recht zu loben will gebühren /
Hat meine feder stumpff / und mich itzt stumm gemacht.
Wird aber auch der schnee vor deinen augen fliessen?
Den augen, welchen geist und herzen schmelzen müssen /
Für denen eiß zergeht / und eisen selbst zerbricht?
Nein. Ist der brüste schnee so lange liegen blieben /
Und hat den weissen glanz dein auge nicht vertrieben /
So schmelzet es gewiß den schnee der strasse nicht.
(Theil 1 S. 44-45)
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Sonnet
Er schauet der Lesbie durch ein loch zu

Es dachte Lesbie / sie sässe ganz allein /
Indem sie wohl verwahrt die fenster und die thüren;
Doch ließ sich Sylvius den geilen fürwitz führen /
Und schaute durch ein loch in ihr gemach hinein.
Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein /
Die hand war höchst bemüht / den schuh ihr zuzuschnüren /
Er schaute / wie der moß zinnober weiß zu zieren /
Und wo Cupido will mit lust gewieget seyn.
Es ruffte Sylvius: wie zierlich sind die waden
Mit warmem schnee bedeckt / mit helffenbein beladen!
Er sahe selbst den ort! / wo seine hoffnung stund.
Es lachte Sylvius / sie sprach: du bist verlohren /
Zum schmerzen bist du dir / und mir zur pein erkohren:
Denn deine hoffnung hat ja gar zu schlechten grund.
(Theil 1 S. 45)
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Sonnet
Er ist ein unglücklicher wecker

Ich eilte Lesbien aus kurzweil zu erwecken /
Als gleich Aurorens glanz um ihr gesichte stund /
Die rosen krönten ihr die wangen und den mund /
Durch weisses helffenbein ließ sich der hals bedecken.
Ich wolte meine hand auff ihre brüste strecken /
Es hat ein nasser kuß ihr meine geilheit kund.
Es ruffte Lesbie: Ist dein verstand gesund /
So führe kein brunst in meine keusche hecken.
Ich war darob bestürzt / und fluchte dem gelücke /
Und fuhr den himmel an / und seine reiche blicke.
Ich sprach: Wo rosen stehn / da müssen dornen seyn.
Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben /
So hab ich dieses wort in ihr gemach geschrieben:
Auff morgenröthe folgt gar selten sonnenschein.
(Theil 1 S. 46)
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An Flavien / als sie etliche lieder von
der welt eitelkeit sang

Wenn dein rubinen-mund die eitelkeit der erden /
Den glanz / durch welchen hier so viel betrogen werden /
Geliebte Flavia / uns vor die augen legt /
So weiß ich offtmahls nicht / wofür ich dich erkennen /
Ob ich dein wesen soll gött- oder menschlich nennen;
So hefftig wird mein geist durch deinen thon bewegt.
Mich dünckt / die engel selbst die fahren auff und nieder /
Und hören ganz bestürzt die angenehmen lieder.
Ihr nectar ist / was itzt aus deinen lippen fährt.
Ich fürchte gar gewiß / sie werden dich entführen /
Mit deiner liebligkeit ihr reines chor zu zieren.
Denn deiner weisen ist kein irrdisch ohre werth.
(Theil 1 S. 47)
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Als Flavia auff das land reisete

Eilstu denn / Flavia / so schleunig auff das land?
Wilstu zu dieser zeit dich in die rosen setzen?
So hüte dich doch auch / daß deine schöne hand
Der rosen nachbarin / die dornen nicht verletzen.
Die Flora / die dich nicht genugsam rühmen kan /
Wirfft ihre liebligkeit zu deinen zarten füssen /
Sie legt mit eigner hand dir einen sässel an /
Und wünschet nichts so sehr als deinen mund zu küssen.
Sie spricht: ich bin beschämt, daß mein beblümtes reich
Für deiner glieder pracht muß auff die seite weichen;
Die rosen werden hier von deinen lippen bleich /
Dir muß die lilie den weissen scepter reichen.
Ja selber der Jeßmin reucht nicht so gut wie du.
Der weisse Isabell läst sich dein haar vertreiben /
Und jede blume rufft dir / schönste blume / zu:
Wir blumen / wir vergehn / du blume kanst verbleiben.
(Theil 1 S. 48)
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Als Flavia einsmahls an einem
groben sack arbeitete

Was macht doch Flavia mit ihrer weissen hand?
Bald hebet sie sie auff / bald sencket sie sie nieder.
Mich deucht / in grobes tuch / ein nichtiges gewand
Bemüht den schönen arm / und plagt die zarten glieder.
Ach schönste Flavia / so muß denn deinen muth
Ein ungestalter zwirn und schlechte leinwand binden?
Doch weil dein werther leib im sacke busse thut /
So sage mir doch auch den Zufall deiner sünden.
Ich irre. Flavia will lebens-göttin seyn;
Der faden / den sie zeucht / trägt tausend männer leben /
Doch führt sie ihn mit fleiß nicht allzu zart und klein /
Es möchte sonst allhier zu viel der leichen geben.
(Theil 1 S. 48-49)
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Auff den mund

Schöner mund / darff ich dich fragen /
Was bedeut dein purpur-schein?
Weil die augen Phöbus-wagen /
So must du Aurora seyn.
(Theil 1 S. 68)
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Seine geliebte wolte ins kloster gehen

1.
Lisippe will der erden sich entreissen /
Ihr edler geist geht zu der ruh /
Er eilt der reinen sonne zu /
Und will / was himmlisch ist / zu küssen sich befleissen /
Sie stöst die erde hin / und suchet allzu viel /
Weil sie bey fleisch und blut als engel leben will.

2.
Schau doch zuvor ein wenig noch zurücke /
Entlauff dir doch nicht vor der zeit;
Der schönen augen zärtlichkeit
Verträget nicht so bald die heissen sonnen-blicke.
Du kanst nicht Enoch seyn / noch des Elias art /
Und ehe man verstirbt / wird keine himmelfahrt.

3.
Mit was hat doch die erde dich verletzet /
Du stürmest wider fleisch und blut /
Ich weiß nicht / was Lisippe thut /
Die aller regung sich verwegen widersetzet.
Wer mit sich selber kriegt / und sich zu schlagen tracht /
Vor diesen hat der sieg die krone nicht erdacht.

4.
Du bist zu schwer / der erde zu entfliehen /
Du kanst noch kein gestirne seyn.
Komm / sammle freudens-blumen ein /
Die dir als dienerin itzt selbst entgegen ziehen.
Wer ungezwungen ihm das marterthum begehrt /
Ist der erbarmung zwar / doch keines ruhmes werth.

5.
Lisippe laß die prächtigen gedancken /
Kein mensch verengelt sich doch nicht;
Vernimm was deine jugend spricht /
Und schreit itzt nicht so bald aus deinen freuden-schrancken /
Da tausend lieblichkeit auff süsse spiele denckt /
Und lust-rubinen dir zu deinem schmucke schenckt.

6.
Geneuß doch noch der welt ambrirte früchte /
Der himmel bleibt dir unversagt.
Wer allzu kühn zur sonne jagt /
Dem macht ein scharffer strahl den heissen flug zunichte.
Mensch und auch engel hat uns zeitlich kund gethan /
Daß man im paradieß und himmel fallen kan.
(Theil 1 S. 72-73)
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An Flavien

Will das gelücke denn ganz meine feindin werden?
Stürmt süd / ost / nord und west?
Bin ich ein gauckel-spiel und leichter ball der erden /
Den Venus fallen läst?
Will keine sonne mehr mein schwarzes haupt berühren?
Umhüllt mich nichts als nacht?
Will das verhängniß mich an einer kette führen /
So mich verzweiffelt macht?
Orontes weiß fast nicht was ferner sey zu dencken /
Zürnt Venus oder du?
Ach gläub es! Flavia / mein leiden und dein kräncken
Kommt mir und dir nicht zu;
Was hab ich dir gethan / daß du mich nicht wilst kennen?
Wie heist du meine schuld?
Soll mein verbrechen sich mit rechtem namen nennen?
So rufft es: Lieb und huld /
Du läst mein auge nicht zu deinen gränzen dringen /
Mein auge sonder licht /
Du deckst den schönen mund mit deines schatten schwingen/
Und kennst mich ferner nicht.
Das basilisken-gifft / der rauch von allen drachen /
Der fledermäuse blut /
Kan meiner Flavie nicht solchen eckel machen /
Als des Orontes glut.
Doch hab ich dich erzürnt / so will ich treulich büssen /
Es schweret hand und geist.
Wie solte nicht mein blut mit reichen strömen fliessen /
Wenn du es springen heist.
Solt ich / o Flavia! zu deinen füssen sterben /
So stürb ich ohne spott;
Denn liebe / so nicht kan die gegenlieb erwerben /
Ist ärger als der tod.
(Theil 1 S. 74-75)
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An Floriden

Ich quälte neulich mich in meinen krancken sinnen /
Die augen stunden mir voll wasser und voll glut /
Die zunge zwängte sich / ihr klagen zu beginnen /
Doch war der athem nicht viel besser als der muth.
Den himmel schaut ich an / von dem mein leiden kommen /
Und dann den reinen leib / der mich zum sclaven macht /
Und ob ich mir gleich viel zu sagen fürgenommen /
So ward es endlich doch in diese reime bracht:
Hier ist ein reiner geist / von reiner zucht entzündet /
Dem weder schein noch schmuck hat eine brunst erregt /
Der seine hoffnung bloß auff deine tugend gründet /
Und seinen ganzen sinn zu deinen füssen legt.
Ich weiß / du liebest nicht von liebe viel zu hören /
Weil thorheit ingemein der liebe richtschnur ist;
Doch glaube / Florida / ich will dich nicht bethören /
So wenig als ich mir die thorheit auserkiest.
Ich liebe keinen schmuck / ich ehre keine seide /
Sie ist der würmer werck / und auch der würmer kost /
Mein auge sehnt sich nicht so sehr nach einem kleide /
Was gold und perlen sind / ist mir genung bewust.
Dein reden ohne falsch hat meinen sinn gebunden /
Dein scherzen ohne list legt mir die fessel an;
Die reine liebligkeit / so ich bey dir gefunden /
Macht daß ich Florida nicht wohl verlassen kan.
Bedencke / was du thust / und dencke / daß die flammen
So reine sind wie du / von der sie kommen sind;
Laß endlich blick und blick / und kuß und kuß zusammen /
Doch daß die keuschheit stets sich zum geferten find.
Ein kuß der ist mein ziel / und meines wunsches ende;
Mehr schreib ich ietzo nicht / mich rufft die süsse ruh.
Immittelst küß ich dir die wollen-weiche hände /
Und schliesse diesen reim / doch nicht die hoffnung zu.
(Theil 1 S. 75-76)
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An Flavien

Kennt Flavia den arm / der ewig ketten träget /
Der niemahls frey will seyn / der ewig dienstbar bleibt?
So nimm den treuen brieff mit wehmuth beygeleget /
Und schau / was Damon hier mit kranckem finger schreibt.
Es will die traurigkeit mir itzt die feder führen /
Es trägt die Ungedult papier und dinte zu /
Und wirst du keine lust in diesen reimen spüren /
So dencke / Damon liebt so laulich nicht wie du.
Ich liebe was mich haßt / du hassest was dich liebet /
Verzeihe / Flavia / wo ich allhier zu frey /
Wo das verhängniß mir nicht geist und auge trübet /
So deucht mich / daß der reim hier nicht zu tadeln sey.
Mein trost in dieser noth / und was mich kan erquicken /
Ist dieses / daß ich dir mit willen nichts gethan.
Der himmel reisse mich in hundert tausend stücken /
Dafern mich Flavia mit recht verklagen kan.
Ich weiß wohl / daß ich dich nicht sattsam kan verehren:
Doch was geniesset nicht der sonnen klares licht?
Ein armes opffer kan die götter nicht versehren /
Der wille wird erkannt / raucht gleich der weyrauch nicht.
Und diese dürfftigkeit fällt itzt zu deinen füssen /
Ich bitte / rechne nicht die unbekandte schuld.
Es scheint / ich werde zwar nicht grosse gunst geniessen /
Doch bleibt die tugend stets der tugend bester sold.
Genung / die feder fällt aus meinen schwachen händen /
Mich düncket / Flavia zerreist itzt meinen brieff /
Und wird wohl keinen blick auff dessen schreiber wenden /
Der auff ihr süsses wort in sein verderben lieff.
(Theil 1 S. 76-77)
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An Flavien

Geliebte Flavia / du kennest ja mein herze /
Du kennest es allzuwohl / es steht in deiner hand.
Es wächst das andre mahl Dianens weisse kerze /
Als du das herz und mich dir selber hast entwandt.
Wird ein gefällig wort auff diese blätter fliessen /
So rühme deinen trieb / nicht meinen geist und mich.
Ich werde sonder zwang dir doch bekennen müssen /
Die liebste Flavia die schreibt hier mehr als ich.
Doch bist du meisterin von meinen treuen sinnen /
So schaue diesen brieff mit holden augen an.
Du wirst die feder ja mit recht nicht tadeln können /
Die ohne deinen zug kein wort mehr schreiben kan.
Ich hoff es werde mich die richtsucht nicht verdammen /
Vor der die tugend selbst nicht unberührt kan stehn /
Es kennt der himmel ja die reinen freundschaffts-flammen /
Die auch an sauberkeit den sternen gleiche gehn.
Ach! liebste Flavia / die schrifft und die gedancken
Sind ja ein wunderwerck und kleinod dieser welt;
Was spielen wir doch nicht in des gemüthes schrancken?
Was haben wir da nicht verwegen fürgestellt?
Was uns verboten wird / das kan man hier erfüllen /
Man lachet / scherzt und küßt / thut was uns wohlgefällt.
Kein scharff gesetze stört allhier den freyen willen /
Und nichts ist starck genug / das uns zurücke hält.
Man mag die schönste brust hier ohne scheu berühren /
Und schauen / was man sonst nicht wohl befühlen darff.
Man kan die heisse lust biß auff den gipffel führen:
Dann den gedancken ist kein richter allzuscharff.
Kein riegel hält sie auff / es kan sie nichts verdecken /
Wann ihre räder nur in scharffem triebe gehn;
Es kan kein zarter ort vor ihnen sich verstecken /
Kein zahn und nagel weiß hier recht zu widerstehn.
Zeit und gelegenheit weiß keinen nicht zu fehlen /
Hier bricht man rosen ab / und fühlt die dornen nicht.
Man kan was / wo und wie nach seiner lust erwehlen /
Man findt kein thor allhier / so unsern fürsatz bricht.
Die schrifften / die man sonst verdolmetscht durchs gemüthe/
Die stumme redens-art / so aus der feder quillt /
Hat eine solche krafft / und ist von solcher güte /
Daß offt ein schreiben mehr als ein gespräche gillt.
Fällt gleich ein süsser schall uns in die dünnen ohren /
So prägt die feder uns doch dessen meynung ein.
Es hat des menschen witz die littern ihm erkohren /
Daß sie der sterbligkeit geschwerzte boten seyn.
Sie lauffen über berg und schwimmen über flüsse /
Sie stifften buhlerey / und richten freundschafft an:
Sie führen gut und geld / sie bringen gruß und küsse /
Und schwingen offtermahls der liebe sieges-fahn.
Sie pressen thränen aus / sie regen unsre herzen /
Sie blasen feuer auff / sie stärcken die gedult.
Sie sagen reichlich zu / sie wissen wohl zu scherzen /
Und ein geschmeider brieff zahlt offt die gröste schuld.
Schrifft und gedancken sind der trost entfernter seelen /
Damit bestillen sie die regung heisser pein /
Und was man vor der welt aus wohlstand muß verhölen /
Das kan im sinn gespielt / im brieff geschrieben seyn.
Geliebte Flavia / in meinem angedencken
Schwebt itzt dein freundlich seyn / dein anmuths-überfluß;
Mich deucht du wilst mich itzt mit rosen-thau beschencken /
Vor dem die rose bleicht / und thau vertrocknen muß.
Mich deucht es rühren mich der hellen augen flammen /
Und das geschwinde gifft / so aus rubinen fährt.
Es schlägt itzt über mir die wollust-fluth zusammen /
So mir die höllen-angst ins paradieß verkehrt.
Ich schau auff warmem schnee die rothen beeren stehen /
Die ohne zucker auch dem zucker ähnlich seyn;
Es scheint du heissest mich auff tuber-rosen gehen /
Und machst die schwarze nacht zum hellen sonnenschein!
Ich schliesse diesen brieff / der hin zu dir begehret /
Und der die hände küst / die ich nicht küssen kan.
Was mir versaget ist / das wird ihm itzt gewähret /
Es scheint / als stösse mich ein kleiner eifer an.
Gesegnetes papier! du schwebest voll gelücke /
Lauff itzt an meine statt in süssen hafen ein:
Geneuß von wegen mein der süssen liebes-blicke /
Vor der die sonne selbst scheint ohne krafft zu seyn.
Bezeuge Flavia / daß schrifft und angedencken
Des treuen freundes dir nicht ganz zu wider sey /
Und wilst du seinen geist nicht unverschuldet kräncken /
So denck itzund an ihn / und schreib ihm auch darbey.
(Theil 1 S. 77-80)
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An Algerthen

Ach! könte doch mein geist durch meine feder fliessen!
Wie gerne schlöß er sich in diese reimen ein /
Wie emsig würd' er dir die süssen lippen küssen /
Und einer biene gleich auff deinen rosen seyn.
Er würde zärtlich sich auff ihre blätter legen /
Und durch den honig-thau bald truncken seyn gemacht.
Dein purpur würd' in ihm dergleichen trieb erregen /
So nur das paradieß zu erst hat angelacht.
Auff deinen bergen würd' er rothe beeren suchen /
Wohin dringt endlich doch lieb und auch fürwitz nicht?
(Ich muß aus ungedult auff das verhängniß fluchen /
So unlust stählern macht / und lust wie glaß zerbricht.)
So bleibt mein schwacher geist in seinen liebes-schrancken /
Und kommt / wie dieser brieff / Algertha / nicht zu dir /
Verschluckt die hoffnungs-kost / und tränckt sich in gedancken /
Was ich nicht melden kan / verdolmetscht das papier:
Wer offtmahls wenig sagt / thut allzu viel zu wissen /
Nimm meiner liebe pfand / die schlechte reimen / an:
Du wirst das leben mir ie mehr und mehr versüssen /
Wenn ich in deiner gunst seyn und auch sterben kan.
Du schickst mir einen brieff / geziert mit weisser seide /
Mit gold der zierligkeit und perlen ausgeschmückt.
Und meiner der ist schwarz und geht wie ich im leide /
Daraus die traurigkeit an allen orten blickt.
Algerthe / wo soll ich doch endlich worte finden?
Ach! was gewähr ich dir für deine freundlichkeit.
Es will mich deine faust mit solchen seilen binden /
Die nicht zernagen kan der scharffe zahn der zeit.
Du weist der seelen selbst die fässel anzulegen:
O süsse dienstbarkeit / so nach der freyheit schmeckt!
Du kanst mehr lieblichkeit durch deine hand erregen /
Als nicht in Indien das zucker-rohr verdeckt.
Wie ist dein schöner brieff doch mit zibet bestrichen /
Und wie verschwenderisch ist deiner worte pracht:
Ein iede sylbe will nach mosc und ambra riechen /
So dich zur herrscherin und mich zum sclaven macht.
Doch zeucht vor andern mich dein redliches gemüthe /
So wie ein heller stern aus deinem brieffe dringt.
Es rühret meinen geist und reget mein geblüthe /
Ich fühle wie sein strahl die seele mir bezwingt.
Du zeigst mir unverstellt die reinen liebes-flammen /
Das feuer / das durch dich auch mich zugleiche brennt.
Es reimt sich in der welt doch nichts so wohl zusammen /
Als wenn sich eine brunst der andern freundin nennt.
In dieser wollen wir als Salamander leben /
Die tugend trägt uns stets ihr reines öle zu:
Es wird uns noch die welt das gute zeugniß geben /
Es liebe keiner nicht so rein als ich und du.
Und können wir nicht stets der süssen frucht geniessen /
So schmeckt doch nichts so gut / als wann mans selten  schmeckt.
Dein wein / der mäßig muß in unsre kehle fliessen /
Hat in dem magen offt die gröste lust erweckt.
Gefahr / verbot und zwang brennt zunder zu der liebe /
Verschloßne thürme sind die sparren unsrer lust /
Erzürnte blicke seyn die schärffsten buhlschaffts-triebe /
Und die bestraffung selbst erhitzt uns geist und brust.
Der lange winter giebt dem lenz die beste zierde /
Der schönheit sonnenschein kommt aus der schwarzen nacht:
Verbotne frucht vermehrt dem menschen die begierde /
Und folgen haben offt glaß zu rubin gemacht.
Wer ungestöret liebt / ist mehr als halb gestorben /
Wer täglich zucker käut / spürt keine liebligkeit.
Die speisen haben selbst den besten ruhm erworben /
Darauff der kluge koch ein scharff gewürze streut.
Auff dornen schauet man die schönsten rosen blühen /
Der sturm mehrt / wie man glaubt / den perlen ihren schein /
Und dürffte man sich nicht darnach so weit bemühen /
So würden sie nicht mehr als grauß geschätzet seyn.
Man muß / Algerthe / sich mit der vernunfft bestillen /
Und dencken daß der durst den krancken anmuth giebt /
Vergnügung paart sich nicht mit allzufreyem willen /
Der liebet ohne lust / der ungestöret liebt.
In dieser hoffnung will ich meine reime schliessen /
Es schaut mir itzt die nacht mit schwarzen augen zu.
Ich hoff / ich will dich bald in einem traume küssen /
So nach dem himmel schmeckt / und lieblich ist wie du.
(Theil 1 S. 80-82)
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An Arbinen

Arbine / meine hand geht itzund tieff im leide /
Sie hat gleich wie mein herz die trauer angelegt /
Sie weiß von keinem schmuck / und leidet keine seide;
Indem sich nichts als angst in ihren adern regt.
Du wirst auch ihre schrifft nicht gar zu wohl erkennen /
Wem herz und finger bebt / der schreibt nicht allzugut.
Es scheint / ich soll nicht mehr in freuden-flammen brennen /
Ach! daß der himmel mir so grosses unrecht thut.
Wo ist die edle zeit / wo seyn die süssen stunden?
Genieß ich dann nicht mehr der heissen liebe pfand?
Ach die vertrauligkeit ist allbereit verschwunden:
Vor schmerzen fället mir die feder aus der hand.
Ich zürn itzt auff mich selbst. Verwirrung der gedancken
Ist meine morgen-kost und auch mein abend-brod.
Es scheint / daß überall die freundschaffts-pfeiler wancken /
Und meine freundin wird zur schmidin meiner noth.
Arbine liebst du mich? Du sagst: Ich muß es glauben.
Durch nasse zeugen will der schwur versiegelt seyn.
Du liebst und wilst mich doch der liebe frucht berauben /
Und führst aus Eden mich in dürre felder ein.
Du wirst hinkünfftig mir die augen noch verbinden /
Es paart sich grausamkeit und liebe nicht zu wohl /
Ich kan mich warlich nicht in deinen willen finden /
Du lehrst mich denn zuvor / wie ich dich lieben soll.
Mit was hat doch dein freund die härtigkeit verschuldet /
Daß ihn dein herber schluß mit solchem jammer tränckt?
Und mit vergessenheit und unlust ihn besoldet?
Ach würd ich doch zugleich itzt in ein grab gesenckt!
So läg ich in der ruh befreyt von allen plagen /
Es fielen mich nicht mehr die unglücks-wellen an:
Ich weiß / du würdest doch nach meinem tode sagen:
Hier ruht ein werther freund / dem ich zu viel gethan.
Ach! könt ich seinen leib dem bleichen schnee entführen /
Er würde nicht wie er durch liebes-durst verzehrt:
Er solte nichts als milch erhitzter küsse spüren;
Denn seine göldne treu ist solcher säffte werth.
Verzeihe freundin doch der freyen art zu schreiben:
Du schaust allhier die frucht verwirrter ungedult /
Kan witz und feder nicht in ihren angeln bleiben /
So tadle doch nicht mich / es bleibet deine schuld /
Es spielt / ich weiß nicht was / tieff unter meiner stirne /
Der argwohn richtet mir ein distel-bette zu:
Es schwermet mir itzund betrübniß im gehirne /
Ist kein erbarmen mehr? Arbine schläffest du?
Könnt ich das alte jahr doch nur zurücke ruffen /
Indem mir mund und hand so manche lust gewährt.
Mich hieß die höflichkiet canari-zucker hoffen /
Der sich / ich weiß nicht wie / itzund in wermuth kehrt.
Mich tröstet endlich noch ein süsses angedencken /
Wie dein geneigter blick so freundlich mich empfing;
Laß ihn doch dergestalt bald wieder auff mich lencken /
Wenn er als morgen-stern mir frisch entgegen gieng.
Diß alles kützelt mich empfindlich im gemüthe.
Mich deucht / ich schmecke noch den süssen liebes-most.
Und die erinnerung erschüttert mein geblüte /
Und rühret noch in mir die funcken meiner lust.
Arbine / setze doch das uhrwerck meine sinnen /
(Es geht ja wie du wilst ) in seinen alten stand.
Mein frölich seyn / mein schlaff / mein reden / mein beginnen
Entsprüssen nur durch dich als früchte deiner hand.
Hab ich gesündigt / so will ich redlich büssen /
Nur melde mir zuvor auch mein verbrechen an.
Ich werffe mich als knecht zu deinen werthen füssen /
Und zeige was ein mensch aus liebe leiden kan.
Ich mag mit heucheley nicht diese blätter füllen /
Das weiß ich / daß ich dich mit willen nicht verletzt;
Denn mein gesetze floß allein aus deinem willen /
Dein wincken hab ich stets für ein gebot geschätzt.
Soll ich verworffen seyn / so muß ich es zwar leiden /
Ich reisse nicht den schluß des strengen himmels ein.
Jedoch Arbine kan mich endlich nicht vermeiden /
Denn ihre untreu wird noch meine rache seyn.
Ach! freundin nicht zu scharff / bleib was du stets gewesen /
Geuß nicht den unlust-sturm auff mich zu häuffig aus;
Laß nach gewohnheit mich die freuden-rosen lesen /
Und zeige mir doch nicht vor perlen ziegel-grauß.
Was wilt du deinen freund mit gall und wermuth träncken /
Der dich / du weist es wohl / mehr als sich selber liebt?
Wie kanst du einen knecht in kummer-sand versencken /
Der dir das herze selbst zu einem geissel giebt?
Laß die vertrauligkeit nicht in der blüte sterben /
Die blum ist traurens werth / die ohne frucht vergeht:
Und laß bey meiner treu mich das gelück ererben /
Daß dein beständig seyn an meiner seiten steht.
Mich deucht ich sehe schon die schönen augen-blicke /
Wie deine freundlichkeit auff allen seiten lacht;
Und wie sich wiederum das flüchtige gelücke /
So vormahls feindin war / sich mir zur freundin macht.
Der ungemeine thau der schwätzigen rubinen
Benetzt mich allbereit mit seiner alten art;
Ich bilde mir itzt ein / mein lust-stern sey erscheinen /
Und meine wollust hält itzt ihre himmelfahrt.
Doch dieses alles sind nur hole wunsch-pasteten /
Und schüsseln mit der kost von hoffnung angefüllt;
Diß alles rettet mich noch nicht aus meinen nöthen /
Durch leere becher wird kein heisser durst gestillt.
Arbin' / es muß dein eiß in flammen sich verkehren:
Entschleuß mir wiederum die schätze deiner brust /
Laß deinen nebel sich in sonnenschein verkehren /
Und spare doch nur nicht die tropffen süsser lust.
Sprich nur ein süsses wort aus deinem schönen munde /
Dein wincken macht bey mir den grösten feyertag:
Benenne mir doch bald die angenehme stunde /
Da ich dich wiederum vertraulich küssen mag.
(Theil 1 S. 83-86)
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Als Flavia wieder gesund worden

Ist diß Flavia? Ihr augen irret ihr?
Schau ich den schönen glanz der sonnen nicht für mir?
Der sonnen / die der tod mit ungemeinen flecken
Unlängst bemühet war mir neidisch zu verdecken?
Es ist Flavia / o angenehmer tag!
Da ich / o sonne! dich / als adler / schauen mag /
Und meine lichter kan in deinen strahlen weiden.
Verzeihe Flavia / red' ich zu unbescheiden.
Die freyheit leget mich mit künheits-flügeln an /
Und führet mich zu dem / was nicht vergehen kan /
Und mich zur asche macht. Ich hoffe bey den sünden
(So lieben irrtum ist ) genade noch zu finden.
Wo freundschafft fehler ist / so heist es schöne schuld /
Ja selbst der himmel hat mit solcher noth gedult.
Wo laufff ich aber hin? o freundin! meine sinnen
Die klagen / daß sie sich nicht gnugsam freuen können.
Mein auge trauet ihm itzund fast selber nicht /
Es zweiffelt / ob der schein / es zweiffelt ob das licht
Hier recht natürlich sey. Es fürchtet / daß die kerzen
Der tod hat angesteckt / zu mehren meine schmerzen:
Als rufft' er mir zum hohn und mehrung meiner noth:
Was vor die liebe that / das thut itzund der tod.
Nein! Nein! Hier ist kein tod. Der reinen röthe prangen /
Das lebet hier so gut / als auff Aurorens wangen:
Die rosen / die itzund auff deinen lippen stehn /
Die währen unverdeckt / und können nicht vergehn.
Der himmel dem du gleichst / der giebt dich schöner wieder /
Als er dich von uns riß; Ich schaue deine glieder
(Es kan kein irrthum seyn) umglänzt mit solcher pracht /
Die mich heist knechtisch seyn / und dich zur göttin macht.
Geehrte Flavia! Sey lange so zu schauen!
Die freude woll auf dich ihr wohn- und lust-hauß bauen /
Der jugend schöner lenz / der schönheit sonnenschein /
Der müsse lange zeit dein treuer nachbar seyn.
Dein auge schaue nichts / als nur gelücke blühen /
Der seegen wolle dich als wolcken überziehen;
Der schönen berge paar / die schwanen-weisse brust
Sey stets ein libanon von cedern grüner lust.
Bleib lange / wie du bist / ein zierrath dieser erden;
Laß deiner haare gold gar langsam silber werden.
Laß langsam schnee und eiß auff deinen rosen seyn /
Es störe ja kein frost dein weisses elffenbein /
Und deinen schönen geist / der todte kan erwecken /
Den soll die ewigkeit mit ihren flügeln decken.
Genugsam Flavia / ein zufall stöst mich an /
So mir die feder hemmt / daß ich nicht schreiben kan.
Doch laß ich dich allhier noch sieben worte lesen:
Die kranckheit Flaviens ist Damons tod gewesen.
(Theil 1 S. 86-87)
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Als Flavia sich neben ihm einst auff
dem lande befand

Wenn ich mein trübes licht nach diesem orte richte /
Da Flavia bey mir vor wenig tagen saß /
Als ich die lilien von ihrem angesichte
Und rosen um das feld der zarten lippen laß;
So seufz' ich: schöner ort! du hast zu viel verlohren!
Doch deine Flavia die findest du bey mir.
Ich fluchte / daß ein weib mich zu der welt gebohren /
Wenn mir mein herze sie nicht zeigte für und für.
O wald! muß gleich dein blat noch vor dem winter weichen /
Das bild der Flavia steht hier doch unberührt.
Wird gleich der bleiche tod mir umb die schläffe streichen /
So weiß ich / daß mein herz sie mit zu grabe führt.
(Theil 1 S. 88-89)
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An Chloris

Ist meine Chloris kranck / so muß Orontes sterben.
Was dir beschwerlich ist / greifft mich nicht minder an /
Aus deinem ungemach quillt endlich mein verderben /
Indem bey deiner pein ich nicht gesund seyn kan.
Soll ich / o schönes licht! dich nicht nach wunsche schauen?
Vernehm' ich / daß dein haupt mit schmerzen ist gekränckt /
So muß ich mir ein hauß von lauter dornen bauen /
Daran die traurigkeit ihr schwarzes zeichen hengt.
Ich will mich in den schooß der einsamkeit verschliessen /
Und unmuth soll mein freund / verdruß mein nachbar seyn /
Ich will in angst vergehn / in thränen ganz zufliessen /
Ich suche finsterniß / und keinen sonnenschein.
Doch schreibet Chloris mir: Mein haupt-weh ist vergangen /
So zeigt der himmel mir den alten Uberfluß /
Ich wünsche diesen tag nichts anders zu erlangen /
Als meiner Chloris blick und ihren süssen kuß.
(Theil 1 S. 89)
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Streit der schwarzen augen / rothen lippen /
und weissen brüste

Schwarze augen
Wir schwarzen wolcken wir / mit sonnen angefüllet /
Wir schönes finsterniß / da Venus wache hält;
Wir duncklen brunnen wir / da blitz und feuer quillet /
Wir sind besiegerin der freyheit dieser welt.
Das eiß zerschmelzt für uns / das eisen muß uns weichen /
Die felsen geben nach / es bricht der diamant;
Den purpur heissen wir durch unsre macht erbleichen /
Und manches herz zerfleußt durch diesen süssen brand.

Rothe lippen
Ihr augen thut gemach / kan euer blitz entzünden /
So denckt / daß auch der mund voll glut und feuer steckt;
Das rothe / was sich will in diesen lippen finden /
Ist brand von reiner art mit rosen überdeckt.
Der athem / so itzund aus diesem thale fähret /
Laufft jagens halber aus / und rennet durch die welt.
Ich schwere / daß er nicht von dar zurücke kehret /
Biß daß er einen geist hat in das garn gefällt.

Weisse brüste
Wenn alles reden will / wie können wir denn schweigen?
Es will zwar nicht der schnee von unsern hügeln gehn;
Doch wollen flammen sich auch auff den spitzen zeigen /
Die rüstig tag und nacht in vollem brande stehn.
Wer einen leichten blick in diesen circkel schicket /
Der wird alsbald bestrickt durch süsse zauberey /
Das netze / so mit lust den leichten geist bestricket /
Reist keine helden-hand und harter stahl entzwey.

Schwarze augen
Rühmt / schwestern / was ihr wolt / den ruhm von unsern flammen /
Hat keine zeit verletzt / kein winter abgethan;
Hier steht die liebligkeit und auch die krafft beysammen /
Und dencken auff ein band / das herzen fangen kan.
Die schlüssel hengen hier zu tausend männer herzen /
Die liebe hat bey uns das zeughaus ihrer macht;
Cupido holet hier das feuer zu den kerzen;
Ja / lieben haben wir auff diese welt gebracht.

Rothe lippen
Ein wohlgeschärffter spruch von unserm rothen throne
Thut und verrichtet mehr / als euer stolzes licht;
Was seyd ihr bey der nacht? Ich red es euch zu hohne /
Wann nicht die sonne scheint / so sieht das auge nicht.
Wir aber herrschen auch / wenn Phöbus von uns weichet /
Ja / wenn ihr sternen-heer von wolcken wird bedeckt /
So hat manch kluges wort / so durch die rosen streichet /
Die löwen eingeschläfft und harte stein' erweckt.

Weisse brüste
Wenn unsre kugeln nicht mit süssem triebe scherzen /
Und dieser weisse schild der männer freyheit legt /
So stellt die Venus ja vergebens auff die herzen /
Und selten wird ein brand ohn unsre krafft erregt.
Das beben / so man stets um unsre grenzen spüret /
Bläßt tausend flammen auff / und leget feuer an /
Ja dieses / was bey uns verborgen wird geführet /
Hat offtmahls mehr / als das / was sich gezeigt / gethan.

Schwarze augen
Wenn keine brust sich zeigt / wenn lippen schweigen müssen/
So reden wir alsdenn durch unsern klaren schein /
Wir fügen offtermahls durch einen blick zu wissen /
Daß adern / blut und marck voll glut und flammen seyn.
Lust / hoffnung / liebe / zorn / kan ieder in uns lesen /
Wir reden ohne wort / und sprechen ohne mund;
Diß / was noch kommen soll / und allezeit gewesen /
Diß macht das augen-lied durch kluge blicke kund.

Rothe lippen
Der reinen lieblichkeit / so unser blut durchstreichet /
Vergleichet sich der tranck der götter selber nicht;
Die rosen / derer glanz kein purpur hat erreichet /
Sind als ein meister-stück im himmel zugericht.
Der wunder-starcke safft / der süsse thau der seelen /
So um rubinen fleußt / und hier auff perlen steht /
Gibt deutlich zu verstehn / daß in der augen hölen /
Die reizung öffters schläfft / hier niemahls untergeht.

Weisse brüste
Was euer strahl bezwingt / was eure wort verrichten /
Ist uns genug bekandt / ist uns genug bewust.
Doch lassen wir uns auch nicht ganz und gar vernichten /
Wir sind / bedenckt es wohl / der garten aller lust.
Die äpffel / so allhier auff diesem stocke schweben /
Sind süsser noch als die / so Abels mutter aß;
Ja besser / weil sie nicht verletzen an dem leben /
Und keine schlange nicht auff ihren blättern saß.

Schwarze augen
Je kleiner unser reich / je grösser unsre stärcke /
Wir schrecken manche brust / und stopffen manchen mund;
Die federn werden stumpff in rühmung unsrer wercke /
Und manch verbrochnes wort thut unsre kräffte kund.
Das herze klopfft für uns / die glieder lernen zittern /
Und wer diß wahre wort für nichts und nichtig hält /
Denselben soll der strahl von unserm blitz erschüttern /
Zum zeugniß unsrer macht / zur warnung dieser welt.

Rothe lippen
Die seelen pflegen hier zusammenkunfft zu haben /
Und speisen sich mit lust durch süssen honigseim:
Hier pflanzet die natur den reichthum ihrer gaben /
Und Venus kocht allhier den allerbesten leim.
Ein tropffen recht gebraucht / leimt geist und geist zusammen /
Thut nun der leim zu schlecht des mundes kräffte kund /
Und zeiget nicht genung die funcken meiner flammen /
So küsse man alsbald doch einen schönen mund.

Weisse brüste
Diß / was ihr itzt gerühmt / das findt ihr hier begraben;
Des himmels rundes bild / der rosen lieblichkeit /
Des frühlings bunte lust / des sommers süsse gaben /
Die sind mit reicher hand hier kräfftig eingestreut.
Der brand-befreyte schnee kan selten selbst entzünden /
Und unsre blumen tilgt kein heisser sonnenschein;
Cupido wird sich uns zu loben unterwinden /
Die feder wird sein pfeil / wir werden blätter seyn.
(Theil 1 S.268-272)
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Ich singe tauben ohren /
Dein schönes antlitz kennt mich nicht /
Hab ich der freundschafft süsses licht /
Mein bestes kleinod ganz verlohren?
Wird denn mein tag zu düstrer nacht?
Soll ich mich lebendig begraben?
Und deiner augen schöne pracht /
So vormahls sonne war / itzt zu cometen haben?

Was sind es doch für sünden /
Davor ich peinlich büssen muß /
Und aller schmerzen überfluß /
Als übelthäter / itzt empfinden?
Doch laß der übelthäter recht
Mich / eh' ich sterbe / nur geniessen!
Und mache / daß dein armer knecht /
Was er verbrochen hat / mag vor dem tode wissen.

Vor was hab ich zu büssen?
Vor göttin hab ich dich erkennt /
Mein herz als weyrauch dir gebrennt /
Und mich gelegt zu deinen füssen.
Strafft mich der himmel oder du?
Dir hab ich mich in mir verzehret;
Der himmel stürmet auff mich zu /
Dieweil ich dir zu viel / und ihm fast nichts gewähret.

Ach zürne nicht / Melinde /
So mir diß freche wort entfährt!
Ein sünder ist erbarmens werth.
Du fühlest nicht / was ich empfinde!
Nicht lache / wenn dein sclave fällt!
Du weist / verwirret seyn / und lieben
Hat allbereit die erste welt
Mit schrifft / die nicht verlescht / zusammen eingeschrieben.

Doch wilt du göttin heissen /
Zu der dich deine tugend macht?
So must du auch bey solcher pracht
Dich der erbarmung stets befleissen.
Reiß deinen kalten vorsatz ein /
Nicht mache meine noth zum scherze /
Die hölle lehret grausam seyn /
Der himmel / dem du gleichst / verträgt kein steinern herze.
(Theil 1 S. 378-379)
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O Göttin / der ich voller pflicht
Mein erstes opffer angericht /
Verachte nicht die letzten Flammen /
Und dencke noch an das altar /
Darauff mein kindisch räucherwerck war /
So dich und mich verband zusammen.

Ich weiß wohl / daß die schnöde zeit /
Und meine große niedrigkeit
Dein ohr hat von mir weggerissen /
Und daß kein zeugniß meiner pflicht /
So hand und seele zugericht /
Recht würdig ist / dich zu begrüssen.

Doch aber / wilstu göttin seyn?
So muß auch deiner strahlen schein
Ein kleines opffer nicht verhöhnen.
Der himmel liebt barmherzigkeit /
Und alle götter sind erfreut /
Wenn unsre hände sie versöhnen.

Drum thu auch deinen himmel auff /
Und laß der tauben saiten lauff
Mich und mein opffer nicht verzehren!
Die dürfftigkeit hemmt meine hand /
Und ist doch zuvor bekandt /
Was dir mein armuth kan gewähren.

Ist gleich räuch-opffer / brandt und heerdt
Nicht deiner himmel-schönheit werth /
So wird dich das doch nicht beflecken;
Und bistu göttin / so da liebt /
Da man ihr himmels-ehre giebt?
So laß mich deinen nectar schmecken.

So dich mein feuer lencken kan /
So schaue dessen funcken an /
Und laß mich nicht so schmählich sterben;
Doch / soll es ja gestorben seyn /
So laß mein leben samt der pein
Durch deiner augen glut verderben.

Es komme leben oder tod /
Es komme wohlfahrt oder noth /
Ich nehm es an mit tausend küssen /
Dein urtheil stärcket meinen muth /
Ich bin bereit / mein treues blut
Vor deinen füssen zu vergiessen.
(Theil 1 S. 379-381)
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aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)


 

siehe auch Teil 1 Teil 3 Teil 4 und Teil 5



 

 


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