Christian Hölmann (1677-1744) - Liebesgedichte

 

Christian Hölmann
(1677-1744)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 

Auf Clelien

Der schönen Clelie stehn alle sünden frey:
Das stehlen, denn sie hat mein herze mir genommen:
Das lügen, denn sie spricht: daß dem nicht also sey;
Das morden, ich bin fast durch sie ums leben kommen;
Die hoffart, denn sie sieht mich offetrmahls kaum an;
Die unbarmherzigkeit, sie achtet nichts mein klagen;
Ja was vor sünden man nur immer nennen kan,
Die kan ich insgesamt von dieser schönen sagen.
(Theil 6 S. 57)
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1.
Ich liebe / du liebest / er liebet das lieben;
Was liebet / wird alles vom lieben getrieben /
Wir lieben / ihr liebet / sie lieben zusammen /
Drum kommet ihr Nymfen / und kühlet die flammen.

2.
Ich liebte zum ersten die stolze Clorinde /
Die keusche Diana / die schöne Melinde /
Sie liebten mich wieder / ich kont‘ es wol spüren /
Doch ließ ich mich niemahls von einer verführen.

3.
Ich hatte geliebet / ich muß es gestehen /
Da meint‘ ich mir solte das lieben vergehen;
Nun hat mich das lieben doch wieder bestricket /
So bald ich die schöne nur einmahl erblicket.

4.
Die werd‘ ich hinführo alleine nur lieben /
Sie wird mich im lieben auch nimmer betrüben /
So offt ich sie küsse / küst sie mich von neuen;
Doch lieb‘ ich das lieben und hasse das freyen.
(Theil 4 S. 176-177)
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An eine liebenswürdige Schlesierin

Ich will den Rübezahl aus Schlesien verjagen:
Ich will dir seinen Schatz zum leibgedinge weihn:
Ich will sein zauber-schloß biß auff den grund zerstreun:
Ich will den zoten-berg von seiner stellen tragen:
Ich will mich gar biß auff die riesen-koppe wagen:
Ich will ins ganze land von deiner schönheit schrein:
Ich will / wo du's verlangst / ein glaubens-eifrer seyn /
Und da des Schwenckfelds schwarm biß auff daß haubt erschlagen:
Ich will den Oderstrom in andre gänge bringen:
Ich will zu deiner lust sein Ufer schöner baun:
Ich will den Oder-wald der erde gleiche haun:
Ich will viel Arien zu deinem lobe singen:
Wenn ich nur kan dadurch dir den gefallen thun /
Daß du mich läst auff deinem schooße ruhn.
(Theil 4 S. 75)
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An die sterne

Ihr sterne mögt euch in die decken
Der nacht und des gewölcks verstecken.
Ich sag‘ es euch, hüllt ja bey zeiten euren schein
In dunckle schatten ein;
Denn Sylvia wird itzund durch die gassen
Von mir sich führen lassen.
Mein bitten und die nacht
Hat sie zu dieser lust gebracht.
Nun wißt ihr ja, daß ihr nicht könnt bestehen,
So bald die sonn‘ ist willens aufzugehen.
(Theil 6 S. 64)
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An dieselbe

Im garten hat die erste welt geliebt /
Und jeden satz der wollust ausgeübt;
Weil wir nun hier in einem garten seyn /
So räum‘ auch du die brust dem lieben ein /
Die liebe kocht in mir bereits das blut /
Das wachsthum bringt / und liebes-wunder thut.
(Theil 4 S. 87-88)
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Verachtung der wollust

1.
Meine liebe geht zu ende /
Und die wollust bindet mir /
Itzt nicht mehr / wie vor / die hände /
Mich verlangt auch nicht nach ihr /
Hab ich doch schon ihrem leben /
Längsten wollen abschied geben.

2.
Sie verführet die gemüter /
Wie ein irrlicht durch den schein;
Der’s nicht weiß / daß ihre güter
Falsch-gemüntzte sorten seyn /
Küsst wohl gar noch ihre stricke /
Als ein sonderbahr gelücke.

3.
Besser bring ich bey den büchern
Meine lebens-stunden zu /
Denn da kan ich mich versichern /
Daß ich nichts verbotnes thu:
Es gehört ohndem das buhlen
Nicht gar wohl auff hohe schulen.

4.
Drum so springt ihr festen schlösser
An der wollust-kett‘ entzwey /
Jtzund seh‘ ich / daß nichts besser
Als die süsse freyheit sey /
Drum so reist ihr wollust-bande!
Meiner seelen gröste schande.
(Theil 4 S. 184-185)
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Die bewachende Seuffzer

1.
Nehmt / ihr seuffzer! alle winde
Nun zu mit-gehülffen an /
Und bemüht euch so geschwinde /
Als ich nur gedencken kan /
Hin zu jenen dichten bäumen /
Wo mein kind im schatten liegt /
Und mit angenehmen träumen /
Von dem schlaffe wird gewiegt.

2.
Fallt auff ihre brüste nieder /
Wie ein sanffter frühlings-wind /
Und umbschliesset diese glieder /
Die zwar fleisch / doch marmel sind /
Haltet da genaue wache /
Daß kein molch noch hoppe-pferd
Sich an ihren purpur mache /
Denn er ist was bessers werth.

3.
Merckt ihr irgend an den zweigen /
Daß es hier nicht richtig steh /
Daß sie gar zu tieff sich beugen /
Ey so jagt sie in die höh /
Die nach meiner sonne trachten /
Deren blätter / frucht und pracht
Müsse durch die glut verschmachten
Und noch werden ausgelacht.

4.
Auch den blumen raubt die säffte /
Die das wollust-lager seyn /
Lasset ihnen keine kräffte /
Hült sie zum verwesen ein /
Daß auch keine blume lebe /
Die an glück und liebe sich /
Meinen flammen gleich erhebe /
Ja sie mehr vergnüg‘ als ich.

5.
Aber euch ist’s zugelauffen /
Euch / die ihr mein lieben wist /
Sie bald hier / bald da zu fassen /
Doch wo sie am schönsten ist /
Küst das paar der netten hände
Küst das auge / küst den mund /
Küst der brüste Marmel-wände
Küst bis alles werde wund.

6.
Reissen irgend ihre blicke /
Dieses schlafes band entzwey;
So verfüget euch zurücke /
Dann bin ich des kummers frey /
Weil sie wachend auch den schatten
Aller buhlerey verlacht /
Und mit nichts sich sucht zu gatten /
Das mich eyfersichtig macht.

7.
Aber ihr beglückten träume!
Die ihr in der seele steckt /
Bleibt mit allem dem daheime
Was die schlaffenden erschreckt /
Drückt vielmehr den zarten sinnen /
Diese letzten wörter ein:
Lieben muß die zeit gewinnen
Und nicht lange schläffrig seyn.
(Theil 4 S. 124-126)
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Das verdrüßliche Lieben

1.
Wer dem lieben
Sich verschrieben /
Ist ein unglücks-kind /
Weil sich sehnen
Angst und thränen
Nur in selbem findt.

2.
Alle tage
Sind zur plage
Dem / der liebt / bestimmt /
Nacht und morgen
Bringen sorgen /
Wenn des feuer glimmt.

3.
Manches scherzen
Macht dem herzen
Folgentlich viel pein /
Wenn viel triebe
Dieser liebe
Ganz zuwieder seyn.

4.
Alles lieben
Bringt betrüben
Sorgen / thränen / noth.
Drum so fliehet /
Was euch ziehet
In dem frühen tod.

5.
Ihre gütter
Sind ganz bitter
Und von myrrhen-art /
Ihre blicke
Sind vom glücke
Thränen zugepaart.

6.
Weg o liebe /
Deinem triebe
Bleib ich allzeit feind;
Weil dein schimmer
Doch nur immer
Zum verderben scheint.
(Theil 5 S. 92-93)
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Alle Gedichte aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)
 

siehe auch Teil 2 und Teil 3




Biographie:
Hölmann, Christian, auch: C.H., geb. 28.12.1677 Breslau, gest. 28.1.1744 ebda; Grabstätte: ebd., St.-Maria-Magdalena-Kirche. - Lyriker.

Hölmann besuchte als Stipendiat bis 1699 das Magdalenen-Gymnasium in Breslau und studierte dann Medizin an der Universität Wittenberg. Hier schloß er Freundschaft mit Christoph Gottehr Burghart und gehörte wohl zu einer "Deutschen Gesellschaft". Auch seine Kommilitonen Michael Richey, Barthold Feind und Ephraim Gerhard zählten zu seinem Freundeskreis.
Hölmann edierte 1704 und 1705 die Erstausgabe der Teile IV und V der Neukirchschen Sammlung bei Gotthilff Lehmann in Glückstadt. Zum ersten Mal tauchte dabei im Titel des vierten Teils die Bezeichnung "andrer Schlesier" auf, die bei der sofort folgenden Neuauflage wieder zu dem urspr. "andrer Deutschen" verändert wurde.
Beide Bände sowie Band VI (1709) enthalten zahlreiche Gedichte von Hölmann, galante und verliebte Lyrik, Arien, Schäfer-, Hochzeit-, Begräbnis- und Sinngedichte. Realistisches Beobachtungsvermögen, witzige Pointen und spielerische Galanterie zeichnen die Verse aus. Einige Texte, z.B. die Grabschrift Eines unerfahrenen Artztes und das "Sinn-Gedicht" Der Artzt im vierten Band, spielen auf Hölmanns medizinische Tätigkeit an, die ihm bald immer weniger Zeit zum Schreiben ließ. Vermutlich ließ sich Hölmann 1704 als Arzt zunächst in Breslau nieder, später in Rosenberg und in der Nähe von Fraustadt. Unermüdlich kämpfte er gegen die Pest, die er zweimal selbst überlebte. Von 1714 bis kurz vor seinem Tod lebte er als angesehener Arzt in Lissa. Sein Briefwechsel mit Dr. Johann Georg Kulmus, Vater von Louise Adelgunde Gottsched, ist von bes. Interesse.
Aus: Walther Killy Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bertelsmann Lexikon Verlag Band 4 (1989)
 

 


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