Christian Hölmann (1677-1744) - Liebesgedichte



Christian Hölmann
(1677-1744)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 




Als er sie im sommer-hause schlaffen fand

Den rosen-stöcken hat die zeit den schmuck entführt;
Die lilien sind auch gefallen und verblichen;
Den tulipanen ist die bunte zier entwichen;
Und die narcissen hat der blumen-tod gerührt;
Die nelcke / die vorher den garten so geziehrt /
Und unsre brust erquickt durch ein gewürztes riechen /
Ist ebenfals als wie die andern schon verstrichen /
Und kurz: von blumen wird itzund nichts mehr verspürt.
Doch hier bey Clelien sind alle plätzgen voll /
Hier blühen rosen auff / dort zeigen sich narcissen /
Ja alles blumwerck liegt auff diesem jungfer-küssen /
Ich weiß nicht was ich recht hierüber sagen soll:
Vielleicht will mich ein trieb mit blumen-hunger straffen /
Drum liegt der frühling hier im sommer-hause schlaffen.
(Theil 4 S. 75-76)
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An seine Träume

Ihr früchte meiner ruh und kinder stiller nacht!
Euch träume muß ich mehr als Lesbien erheben /
Denn ihr versüsset mir doch wiederum das leben /
Wenn sie es bittrer noch als galle hat gemacht.
Ihr habt mir manchen blick von ihr zu wege bracht /
Durch euch hat sie mir offt die zarte hand gegeben /
Durch euch kont' offt mein mund an ihrem munde kleben /
In euch hat sie mich auch sehr freundlich angelacht.
Ihr seyd barmherzigkeit als ihre steiffe sinnen:
Doch wolt ich euren ruhm noch zehnmahl mehr erhöhn /
Wenn ich durch euch dies könt auch wachende gewinnen /
Was ich im schlaffe seh so offte vor mir stehn /
Dann stürben augenblicks die schweren trauer-bürden /
Wenn eure nächte nur einmal zu tage würden.
(Theil 4 S. 76)
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Als sie mit zu grabe gieng

Es gieng die Lesbia nechst hinter einer leiche /
Aus ihrem auge fiel ein strahl der traurigkeit /
Um ihre schultern lag ein weisses schleyer-kleid /
Nur auff den wangen sah' ich frische rosen-sträuche /
Ich dachte: diese tracht ist ja selbst nicht gleiche /
Es hat den ganzen leib die wehmut überschneit /
Wie daß die rosen denn hier auch nicht abgemeit /
Ist das nicht wieder der begräbnisse gebräuche?
Vielleicht wird's schon allhier so gewohnheit seyn /
Daß bey der leiche man auch kan geblüme führen /
So solte mich fast bald die seele selbst nicht reun /
Wenn ihren leich-proceß dein blum-werck wolte zieren /
Ich stürbe heute noch auff dir / als blosser erden /
Wenn deine blumen nur gefährten wolten werden.
(Theil 4 S. 76-77)
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Über die sonnen-fächer

Die schönen führen uns als ihrer blicke zügel /
(Sonst giengen die zu weit und zündten alles an)
Allein die heßlichen die brauchen uns zum riegel /
Damit ihr schlacken-werck sich wohl verstecken kann.
Wie wir den sonnen nun lufft und auch schatten geben;
So kann der schatten selbst durch uns in schatten leben.
(Theil 4 S. 86)
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Grabschrifft des Adonis / welche ihm die
Venus gesetzt beym Marini in seinem L'Adone

Ihr leute: die ihr sonst hier pflegt vorbey zu gehn
Bleibt / seyd ihr selbst nicht stein / bey diesem steine stehn /
Hier ist’s Adonis grab! die liebe hälts so werth /
Daß sie darinnen selbst in asche sich verkehrt.
Ist gleich ihr licht hier todt / lebt doch noch ihre glut /
Der weder so ein grab noch kalter staub was thut.
Daß dies die wahrheit sey / so rührt den stein nur an /
Wie der auch ohne stahl doch Feuer geben kann.
(Theil 4 S. 86-87)
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Clelie sucht die einsamkeit in einem Garten

Im paradiese war wohl erst die einsamkeit:
Allein ietzt wird man wohl in solchen wollust-gründen
Nicht mehr den auffenthalt der stillen ruhe finden /
Weil blume / laub und gras von lauter liebe schreit /
Und gleichsam diese ruh durch solchen ruff entweiht.
Der thau / der früh sich pflegt ums rosen-haubt zu winden /
Ist nicht ein thau / es sind die nassen liebes-sünden /
Die thränen nenn‘ ich so / die dies vor liebe streut;
Ja sein geruch der ist nur seiner seuffzer wind /
Durch dessen sprach‘ es offt die gegen-liebe findt /
Ach blume! dieses feld das rufft dir gleichsam zu /
Wilstu der einsamkeit und ihrem stillen leben
Den garten deiner brust / und dich der ruh ergeben /
So such‘ im lieben das kleinod wahrer ruh.
(Theil 4 S. 87)
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An seine reime

Lauf / lauff geringes buch in der Albine hand /
Die für den weissen zwirn den scepter sollte führen /
Doch hütte dich genau für ihrer augen brand /
Sonst werd ich dich gewiß / als wie mich selbst / verliehren.
Mein herze müste dir itzund gefehrte seyn /
Hätt' es Albine nicht und drengt' es mit den flammen.
Läst ihre höffligkeit auch schlechte blätter ein /
So kommt alsdenn mein herz und auch mein reim zusammen.
(Theil 4 S. 106)
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Galante und Verliebte Arien

1.
Ich liebe das freyen / und hasse das lieben /
Das ausser der ehe die wollust heist üben;
Die also umirrend‘ und naschende liebe
Die machet die säffte des leibes nur trübe.

2.
In frembden gefielden sind auch zwar gewässer;
Doch kühlen die eignen die hitze weit besser /
Die eignen sind sichrer zum trincken zum baden /
Die frembde die dienen zum mercklichen schaden.

3.
Die blumen umzäunen die dornichten wachen /
Damit sich kein frembder kan über sie machen;
Doch mögen die keuschen und fleißigen bienen
Sich ihrer zum honig / zur Nahrung bedienen.

4.
Drum liebet das freyen / und hasset das lieben /
Dort findt man ergötzen / hier langes betrüben;
Dort bindet der himmel die herzen zusammen;
Hier aber erwecket die wollust die flammen.
(Theil 4 S. 176)
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An Clelien

1.
Alles thu ich in gedancken /
Daß ich selbst davon nichts weiß;
Offte fall‘ ich aus dem schrancken /
Doch geschieht es nicht mit fleiß;
Fallen ist mir angebohren /
Und ein Weib ist schuld daran /
Daß ich diesen schatz verlohren /
Der dem falle steuren kan.

2.
Spiel‘ ich irgend mit den blicken
Auff ein schönes mädgen zu /
Die durch selbe zu berücken /
Daß sie schöne mit mir thu /
So geschiehts nur in gedancken /
Und ich weiß es selber nicht /
Daß das aug‘ aus seinen schrancken
Ohne meinen willen bricht.

3.
Fallen irgend meine hände
In den jungfern ey-land ein;
Können ihrer brüste wände
Nicht vor diesen sicher seyn /
Ach! so thu ich’s in gedancken /
Und gewiß ich weis es nicht /
Das die geile hand den schrancken
Aller ehrbarkeit durchbricht.

4.
Fängt die lieb‘ in meinen gliedern
Durch des blutes besten theil
Alle sehnen an zu fiedern /
Das es scheint / als würd‘ ich geil /
Bleib ich dennoch in den schrancken /
Grieff ich eine gleich auch an /
Thät ich’s doch nur in gedancken /
Da man leichtlich fehlen kan.

5.
Nun / so dürfft ihr euch nicht sperren /
Wenn ich künfftig mich aus lust
Werde wollen mit euch zerren /
Weil euch schon mein sinn bewust /
Dieser pflegt auch nie zu wancken /
Drum versteht mich itzo nun:
Alles thu ich in gedancken /
Was ich künfftig werde thun.
(Theil 4 S. 183-184)
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1.
Nehmt / ihr grünen myrten-sträuche /
Nach dem tode meine leiche
Doch in eure schatten ein!
Lasset künftig meinen schatten
Mit dem eurigen sich gatten /
Und genau vermischet seyn.

2.
Myrten haben mir im leben
Einen himmel abgegeben /
Myrten lachen mich noch an;
Myrten laben meine glieder /
Wenn mir alles dies zu wieder /
Was mich sonst erfreuen kan.

3.
Nun ihr grünen myrten-sträuche
Euch befehl ich meine leiche /
Nehmet sie mit willen ein /
Kan ich nur in euren schatten
Mich mit lust und ruhe gatten /
Werd ich wie im himmel seyn.
(Theil 4 S. 185-186)
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Als er sie an einem Ufer schlafen fand

Ihr lieblich rauschenden und spiegel-gleiche fluthen!
An deren ufer hier fast wieder mein vermuthen /
Die müde Clelie im schlaffe träumend liegt /
Und / wie ein schiff von euch / von selbem wird gewiegt;
Euch rath ich / schaut nicht her zu dem entblösten beine /
Ihr bleibt sonst stille stehn / und würdet gar zu steine /
Wie euch / ihr wist es noch / schon einmahl ist geschehn /
Da ihr / gesteht es nur / etwas zu weit gesehn.
Fliest / sag ich / fliesset fort / geht / wo ihr hingehöret /
Denn wo die Liebe hier den lauff der fluthen störet /
So ists um euch geschehn; ihr wist es ja noch wohl /
Daß eure nässe sich vorm Feuer hütten soll.
Die ufer mögt ihr wohl nach eurer wollust küssen /
Auch um das schilff und rohr nach eigner regung flüssen /
Ja auff die buhlerey zu frembden flüssen gehn
Nur last mir meine bahn unangestastet stehn.
Ich kan / ich schwer es hier / ich kan es nicht vertragen /
Daß sich ein kahler fluß will an die Göttin wagen /
Die fast / wo ihr nicht fromm / die hier so nasse bahn
Durch ihrer blicke macht in grund vertrocknen kan.
Rauscht / rauscht ihr wogen fort / und macht hier nicht viel wesen.
Sonst muß ich hefftiger euch das Capitel lesen /
Ja gar durch Clelien euch denn zur straffe ziehn /
Der ihr / wofern ihr folgt / noch itzund könt entfliehn.
Nun / es ist euch gesund / daß ihr euch lassen rathen /
Und eure wellen heist an andre ufer wathen /
So bleibt ihr schaden frey / und seyd weit mehr vergnügt /
Als einer der / wie ich / in liebes fesseln liegt.
Du aber schönstes bein / vergönne / daß ich wache /
Damit nicht sonst sich was an deinen Marmel mache /
Ja gar was anders thu / als ich noch nicht gethan /
Wer ists der allemahl der gluth entgehen kan?
Doch laß mir dieses zu / daß ich dich mag beschauen /
Und hier ein freuden schloß vor mein gesichte bauen /
Du bist vorher meist bloß / drum kost es wenig müh /
Daß ich das übrige von dir herunter zieh.
Mein zweck geht dahinaus die adern zubefühlen /
Und werd ich gleich etwas auch mit den waden spielen /
So macht doch dirs nicht viel / es ist ja menschenfleisch /
Als wie das meine ist / ich bleibe doch wohl keusch.
Der seidne scharlach-strumpff der hält mir ziemlich feste /
Doch seh ich allbereit der rosen-ader äste /
Und Inseln / die sie macht; wie sie zun zehen flüst /
Und da denn purpur-safft in alle zweigchen güst.
Doch pflegt auch wohl der fluß mir irgend zuzusehen?
Weiß er vielleicht nicht mehr / was ihm vorher geschehen?
Ihr fluthen bleibt ihr stehn? was soll doch dieses seyn?
Was dringt ihr euch denn so um dieses blosse bein?
Ich schwer euch bey dem schlaff / in dem die Göttin lieget /
Wofern ihr euch nicht bald von hinnen weg verfüget /
Es soll euch denn gereun / zumahl wenn sie erwacht /
Da weiß ich allbereit was sie vor blicke macht.
O ungeschlachte zeit! wie ist man nicht geplaget /
Wenn man ein mädgen hat / die einem wohl behaget /
So thät es / warlich noth / man setzte wachen hin /
Sonst sucht ein jeder da den süssen liebs-gewinn.
Man kann vor andern fast itzund nichts mehr behalten /
Darzu so will die treu der mädgen auch veralten /
Die goldne zeit ist weg / da zwey sich recht gemeint /
Man spürt nicht mehr daß itzt die treu so helle scheint.
Doch wo verfall ich bin / ich bin ja bey dem beine /
Ich bin / ja ja ich bin / bey diesem nur alleine /
Was übermannet mich denn hier die eiferucht?
Ich habe ja ihr garn zu aller zeit verflucht.
Was bild ich mir denn ein / als giengen auch die flüsse
Zu meiner schönsten hin / und sammleten da küsse /
Die mir gehörig seyn / ach daß ein kalter fluß
Mich doch zur eifersucht itzund bewegen muß!
Das wasser weiß ja nichts von schönheit und von lieben /
Noch wie es soll das thun der liebenden verüben /
Es fehlt ihm ja verstand! doch nein / itzt fällt mirs ein /
Daß die gewässer auch verliebet können seyn.
Verliebte thränen giebts / die uns weit mehr entzünden /
Als wenn durch flammen man uns sucht zu überwinden /
Die augen brennen mehr / wenn sie voll wasser stehn /
Als wenn sie ohne das herum im kopffe gehn.
Drum bin /und hab ich recht / daß ich den fluß beneide /
Damit er seine fluth nicht an der schönsten weide /
Es ist gar leicht geschehn / daß man ein bündniß macht /
Dabey der dritte mann wird hönisch ausgelacht.
Das graß hier wird mich auch bald eifersüchtig machen /
Es scheint / als säh ich es vor lauter hochmuth lachen /
Weil Clelie diß drückt / und hier ihr lager hält /
So meints / es sey dis ihm zu ehren angestellt.
Wie? wacht sie irgend auff? mich deucht / daß sie sich regte /
Und daß ihr athem sich etwas zu sehr bewegte /
Als eines / der sich nun dem schlaff entziehen wil /
Und dessen müdigkeit erreicht ein besser ziel.
Doch nein / sie schläfft ja noch / und zwar so ziemlich feste/
Sie schläfft / und dieses ist vor mich itzt auch das beste /
Sonst würd es schlecht bestellt um ihre gnade seyn /
Ich glaub / ich schusterte heut alle wollust ein.
Denn daß ich mich allhier bey diesem lieben kinde /
Und da ihr bein entblöst / alleine nur befinde /
Das nehme sie wohl nicht zum allerbesten an /
Und dächte / wunder! was ich irgend ihr gethan.
Die furcht bemeistert mich / ich werde müssen weichen /
Eh noch ein sturm-wind kan in meinen vorsatz streichen /
Doch eh ich weiter geh / so nimm o schönster Fuß
Von mir / zur danckbarkeit / den höchst-verpflichten kuß.
Und du / sein bestes theil / du marmel-gleiche wade /
Vergönne daß ich dich mit einem auch belade /
Wer weiß / obs noch einmahl so das geschicke schickt /
Daß mich dein blosser blick wie diesesmahl erqvickt.
Nun laß noch meine hand an deine lilien fühlen /
Laß eine männer-hand mit deinem fleische spielen /
Wie gerne zwickt ich dich aus brünstiger begier /
So sehr / als es erlaubt; doch nein es möchte hier /
Die schöne schlaffende zu balde munter werden /
Und auch mit ihr / vor mich die zornigen gebehrden /
Drum muß ichs lassen seyn. Ein theil der klugheit ist /
Wer in dem lieben ihm die mäßigkeit erkiest.
Was mach ich? bleib ich hier? wie? oder soll ich gehen?
Wie? oder soll ich nur da in der nähe stehen /
Wo ich sie sehen kan? was saß ich hier vor rath?
Ich geh / weil sich mein sinn zu was entschlossen hat.
Ihr grünlich scheinende und fast betrübte fluthen /
An deren ufer hier fast wieder mein vermuthen /
Die schöne Clelie im süssen schlummer liegt /
Der sie / als wie ein kind / in einer wiege wiegt;
Euch bitt ich / tretet her / zu dem entblösten beine /
Und last mir meinen trost bey leibe nicht alleine /
Verzeiht mir / was vorher ist unter uns geschehn /
Wacht wohl / ich geh wohin / wo sie mich nicht kan sehn.
(Theil 5 S. 10-13)
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Die überschickten Blumen

Die blumen schicket dir hie deines knechtes hand
Er weiß / daß du die pflegst / mehr als was sonst / zu schätzen /
Doch weil sein herze ganz ist gegen dich entbrandt /
So laß vor blumen ihn an blumen sich ergötzen.
(Theil 5 S. 38)
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An *** Schmiedin

1.
Ich bin des langen hoffens müde /
Und meine sehnsucht foltert mich /
Drum geh ich vor die rechte schmiede /
(So nenn ich / schönste ** dich /)
Und suche da / wo nicht mein glücke /
Jedoch mein wiedriges geschicke.

2.
Ich bin der funcken zwar gewohnet /
Doch wenn ich lange warten muß /
Eh man die treue mir belohnet /
So spür ich endlich den verdruß /
Der heist mich allen liebes-sachen
Den abschieds-reverenz zu machen.
(Theil 5 S. 86-87)
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An Celien

1.
Lacht ihr stunden
Mich von neuem an /
Weil sich gefunden
Was mich vergnügen kan /
Celie / der schönen zier
Ist wieder hier.

2.
Mein vergnügen
Keimt von neuen auff /
Diß muß erliegen
Was hindert dessen lauff /
Denn die lippen meiner zier
Sind wieder hier.

3.
Meine flammen
Facht die sehnsucht an /
Wer wil verdammen
Diß / was mich heilen kan?
Weil die brüste / schönstes kind /
Hier wieder sind.

4.
Auff ihr sehnen /
Auff und fiedert euch!
Weg ihr thränen!
Hier ist mein freuden-reich!
Auge / lippe / brust und schooß
Sind wieder loß.

5.
Laß uns lieben /
Schönste / recht vergnügt /
Laß das betrüben
Von freuden seyn besiegt /
Nach dem trauren muß erfreun
Das labsal seyn.
(Theil 5 S. 93-94)
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Die falsche Liebe

1.
Ihr gemüther!
Zieht der falschen liebe splitter
Doch aus eurer brust;
Wenig lust /
Bringen ihre schätze.

2.
Meine seele
Kennet schon die dunckle höhle /
Wo die unlust liegt;
Unvergnügt
Ist die liebe-grotte.

3.
Noth und jammer
Haben da die nechste kammer /
Wo die liebe wohnt;
Sie verschont
Nicht die schönsten herzen.

4.
Drum zerreisset /
Was nach dieser liebe heisset /
Werfft die sehnsucht hin;
Der gewinn
Riecht nach bittren myrrhen.

5.
Du / mein herze!
Fleuch der liebe falsche schertze /
Und ihr dampff-altar;
Eine bahr
Ist ihr wollust-bette.
(Theil 5 S. 96)
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Die gezwungne heyrath

1.
Mein leben ist mir abgesagt,
Ich soll und muß den tod umfassen:
Celinde hat mich angeklagt,
Und den proceß mir machen lassen,
Weil ich die freyheit ihr entführt,
Und sie berührt
Fast mehr, als mir zu thun gebührt.

2.
Ich solte zwar, man rieth es mir,
Von hier nach Flandern appelliren,
Celinde möcht alsdenn allhier
Mit mir dorthin processe führen;
Allein ich war etwas zu frey,
Und blieb dabey,
Daß ich die unschuld selber sey.

3.
Nun ist mein ende diese nacht,
Da man mich ärmsten will begraben;
Mein testament ist schon gemacht:
Celinde soll die erbschafft haben
So, wie bey mir es steht und liegt.
Sie ist vergnügt,
Weil sie mein ganz vermögen kriegt.

4.
Ach! seht, nun führt man mich hinaus:
Hier bringt man mich, den armen sünder.
Ich zieh, wie die gebadte mauß;
Es lachen drüber alt‘ und kinder.
Der mantel hängt mir wunderlich,
Und zolckert sich,
Ich aber bin selbst böß‘ auf mich.

5.
Ich muß als wie ein Jude gehn,
Kein pfaffe geht mir an der seiten;
Im urtheil hört ich dieses stehn:
Celinde soll dich nur begleiten.
Der folge nach, wohin sie winckt,
Da sie’s bedünckt,
Da man fein sanffte niedersinckt.

6.
Nun hört die art des todes an:
Ich soll und soll mich lassen säcken.
Celinde weist den marter-plan,
Und will mich selbst ins säckgen stecken.
Sie rufft mir zu: Ins säckgen nein!
Es ist zwar klein;
Doch must du hier gesacket seyn.
(Theil 5 S. 64-65)
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Auf ihr herze

Mein kind! was ist dein herz? Ein ort, da reine tugend
Beliebte frömmigkeit, und keusche flammen hegt;
Es ist ein fester schild, der bey beliebter jugend
Das wort beständigkeit statt seiner losung trägt;
Es ist die sichre burg, die noch kein feind bestiegen.
Solt‘ ich darinnen doch nur zur besatzung liegen!
(Theil 6 S. 66)
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Feuers-gefahr

1.
Mein herze brennt: Ach! weiß jemand,
Wie man den angelegten brand
Durch stille wörter kan versprechen?
Der gebe sich bey zeiten an,
Und lasse sehen, ob er kan
Des feuers wüten unterbrechen!

2.
Ist ein entlauffner kriegs-knecht hier?
So bringt ihn eilends her zu mir;
Wo nicht? so laufft zur klugen frauen:
Denn dieses ist ein solches paar
Auf welches man bey der gefahr
Offt glücklich pfleget viel zu bauen.

3.
Doch last die kluge frau nur seyn;
Mir fällt itzund was bessers ein:
Holt mir an deren statt Belinden!
Denn diese kostets einen kuß,
So weiß ich, daß das feuer muß
Als wie ein schneller blitz verschwinden.
(Theil 6 S. 66)
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Verliebte thränen

Wenn ich an Clelien gedencke,
Wie sie in nächster frühlings-zeit
Durch ihr geblüme mich erfreut;
Wie ihrer küsse perlen-träncke
Mich aus der schlaf-sucht aufgeweckt,
Darein der kummer mich gesteckt;
Ja, wenn ich ferner überlege,
Wie durch des himmels strengen schluß
Ich ihrer nun entbehren muß:
So wird die wehmuth in mir rege.

So quält die sterbens-angst die sinnen:
Mir wird wie einem, dem das schwerd
Durch das erschrockne herze fährt,
Dem blut und seele will entrinnen;
Die augen sehen nichts als nacht;
Der zungen fehlet alle macht,
Die trauer-wörter vorzubringen;
Der jammer hält der thränen lauff
Itzt wider meinen willen auf,
Wie gern ich ihn auch wolt erzwingen.

So muß ich wie gefesselt gehen,
Nichts, als die seuffzer sind mir frey,
Und manchmahl ein verwirrt geschrey,
Das ich doch selbst nicht kan verstehen.
Doch soll es heissen: Ach! und weh!
Wo ist, wo bleibt die Clelie?
Will, oder muß sie sich entfernen?
Was ist es vor ein unglücks-rath,
Von welchem sie, gezwungen, hat
Mich zu verlassen müssen lernen?

Der ort, wo wir uns offt umschlosen,
Wo ein gespräch, ein scherz, ein spiel,
Uns gar niemahls beschwerlich fiel,
Und wo es offt das gras verdrossen,
Wenn wir da ungemein vergnügt
Den mund dem munde zugefügt,
Daß jenes ein geräusch erreget,
(Diß muste der verräther seyn,)
War’s gleich, wiewohl nur uns zum schein,
Als würd‘ es von der lufft beweget;

Der ort nun wird es itzt noch wissen,
Was da ihr unbefleckter mund,
Der voller frischer rosen stund,
Vor schöne reden offt ließ fliessen;
Sie sprach: ich schwöre bey der macht,
Die mich zu lieben hat gebracht,
Daß ich nur dir mein herz will schencken:
Und werd‘ ich wo dawider thun;
So soll kein segen auf mir ruhn,
Noch dessen thau mein blum-werck träncken.

Ja, hat es dieser ort vergessen;
So ist nicht weit ein bircken-wald,
In dessen kühlen auffenthalt
Wir öffters und mit lust gesessen,
Da wird den rinden eingehaun
Man die versicherungen schaun,
Und in den jungen bircken-rinden
Wird man das wort: Diß ist mein schluß,
Daß ich den Criton haben muß;
Durch ihre hand geschnitten, finden.

Ach! dächte sie an diese rinden,
Die itzund über meiner pein
Aus beyleid höchst betrübet seyn,
Und meinen schmerzen mit empfinden;
So würde durch die leere lufft
Von ihr vielleicht mir zugeruft,
Es würd‘ ein lispeln um mich schweben;
Und mir, wie daß noch ihre treu
Und liebe nicht entheiligt sey;
Ganz deutlich zu verstehen geben.

So aber ist es nur vergebens,
Ich bleibe gänzlich ausgethan
Denn deß ich mich getrösten kan,
Ist blos das ende meines lebens.
Es kan alsdenn mein leichen-stein
Mit dieser schrifft bezeichnet seyn:
Hier lieget lieb und treu begraben.
Und welcher im vorüber gehn
Hieraus wird meinen tod verstehn,
Der wird mit mir erbarmung haben.

Doch eh ich noch die augen schliessen,
Und meiner schmerzen end und ziel
Bey euch, ihr leichen! suchen will;
So sollen vorher alle wissen,
Daß, ob ich gleich um ihre zier
In rein-gesinnter liebs-begier
Mich fast zu tode hier muß kräncken,
Ich doch um ihres leibes wohl,
Und was sie sonst vergnügen soll,
Zum himmel will die augen lencken.

Ich will vor ihre blumen-wangen
Bey allen winden bürge seyn,
Daß nicht ihr rosen-lichter schein
Woll‘ ihnen zum gespötte prangen,
Damit sich selbe nicht bemühn,
Den purpur ihnen abzuziehn,
Noch ihre blumen zu entblättern;
Die andern blumen, gras und laub
Nehmt, o ihr wind‘! als euren raub;
Hier aber schont mit harten wettern!

O unerbittliches geschicke!
Laß ja dem wunsch ein gnügen thun!
Sonst kan ich nicht im grabe ruhn,
Und komm aus jener welt zurücke;
Wiewohl, wo ich vorm tode darff,
Und dessen satzung nicht zu scharff,
Wird ohnedem mein leichter schatten
Aufsuchen dieses schöne kind,
Um sich, so bald er es nur findt,
Mit seiner fleischlichkeit zu gatten.
(Theil 6 S. 67-70)
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Vergleichung der liebe mit den bienen
[von Torquato Tasso (1544-1595)
(übersetzt von Hölmann?)]

Die bienen sind zwar klein;
Ihr kleiner biß macht dennoch grosse pein.
Und was ist kleiner als die liebe?
Sie geht durch enge strassen ein,
Und kan in engem auch verborgen seyn.
Sehr offt verhalten sich derselben scharffe triebe
Im schatten derer augenlieder,
Bald in den schönen haaren wieder,
Bald in den grübchen, die das wange macht,
Wenn dieses freundlich lacht;
Und dennoch macht sie auch so groß‘ und arge wunden,
Vor die kein mensch noch nicht ein mittel ausgefunden.
(Theil 6 S. 70-71)
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Bey übersendung eines schatten-
oder sonnen-fächers

Den selbst die sehnsucht fast zum schatten hat gemacht,
Der übersendet dir hier einen sonnen-schatten.
Wie nun beym schatten, und bey dem tage nacht;
So wollst du, sonne! dich mit diesem gleichfalls gatten!
Der schatten folgt dem licht‘, ich folge, sonne! dir;
Doch brennen unerhört mich deines lichtes blicke:
Hältst du hinfüro nun dir diesen schatten für;
So find ich bey dem licht im schatten mein gelücke.
Der schatten kühlt den brand, das licht erwecket ihn;
Doch du, o sonne! kanst durch licht und schatten kühlen.
Wo deine strahlen sich der gegen-gunst hinziehn,
Und wo du schatten machst, ist frühling-lust zu fühlen.
Ich flehe dich nun auch, mein licht und schatten an,
Dein licht zertreibe mir das schatten-werck der sinnen,
Ja alles, was mir sonst die lust verfinstern kan!
Und in dem schatten laß mich deine gunst gewinnen!
Doch deine gunst muß selbst nicht nur ein schatten seyn.
Soll ich nun meinen zweck und deine gunst erlangen;
So lasse diesen schluß, o sonne! mich erfreun:
Daß sich dein schatten will mit händen lassen fangen!
(Theil 6 S. 71)
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Er schicket ihr perlen

Bey diesen perlen liegt zugleich mein armes herze.
Weil perlen sonsten nichts als harte thränen sind;
So zeuget es dadurch von seinen grossen schmerze,
Da bey den thränen sichs in der gesellschafft findt.
Sie gleichen dir und mir: An härte deinen sinnen;
An blässe kommen sie fast meinen wangen bey.
Denn wo die sehnsucht kan die oberhand gewinnen,
Da muß das angesicht in solche liberey.
Doch ihre blässe kan auch aus der furcht entspringen,
Der eyfer hat vielleicht denselben beygebracht,
Daß ihrem strahl bey dir es werde mißgelingen,
Weil deines halses schnee ihr eiß zu nichte macht.
Doch allen ungeacht, wohin mein geist sich neiget,
Da müssen sie auch hin, wo mein‘, ist ihre ruh,
Die morgen-röthe hat sie durch den thau gezeuget,
Darum gehören sie auch einer sonne zu.
Nimm sie erfreuet an, so schwinden meine schmerzen,
Nimm sie und auch zugleich derselben art an dich;
Du kennest diese ja, sie stärckt die matten herzen,
Ach stärcke, Doris! auch mit deinen perlen mich!
Dergleichen perlen sind vor mein geschlecht erkohren,
Der himmel machte sie, da er an uns gedacht;
Und die hat die natur vor Evens volck gebohren,
Und also den verlust der ersten gleich gemacht.
Mein herze sehnet sich nun nach den perlen-träncken,
Es stellt sich abgematt bey deinen schätzen ein.
Wilst du vor perlen ihm auch was von perlen schencken;
So laß den perlen-kuß davon den anfang seyn!
(Theil 6 S. 72)
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Als sie verreisen wolte

Was treibt dich, Clelie! zu solchen harten schlüssen?
Was hat dir dieser ort, was diese brust gethan?
Daß dich dein herze nicht zu frieden geben kan,
Und deinen schönen leib von mir entfernt will wissen?
Ach schönste! wo du ja wilst fremde lüffte küssen,
Tritt dann dein zarter fuß auf die verwehrte bahn?
So fang ich allbereit vor angst zu sterben an,
Und werde bald mein hauß und grab bestellen müssen.
Doch will ich dich noch hier zu halten mich bemühn:
Mein seuffzen soll den wind dir ganz zuwider fachen,
Mein wünschen soll das rad des wagens rückwärts ziehn,
Den pferden will ich was an ihre füsse machen;
Ja ich will eher nicht alsdenn zu frieden seyn,
Biß dich, o Clelie! dein abschied wird gereun.
(Theil 6 S. 80)
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aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)


siehe auch Teil 1 und Teil 2



 

 


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