Benjamin Neukirch (1665-1729) - Liebesgedichte

Benjamin Neukirch

 

Benjamin Neukirch
(1665-1729)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 

Auff die liebe

Ach! was wird durch Amors hand
Nicht auff erden ausgericht?
Man vergißt das vaterland /
Aber seine liebste nicht.
Man verlässet hoff und hauß /
Man versäumet freund und schmauß /
Aber seine liebste nicht.
(Theil 1 S. 396)
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Climene / prüfe fleisch und blut /
Und straffe meine liebes-glut /
Nicht nach der schwäche deiner flammen;
Mein feuer kömmt aus Adams schooß /
Darein der himmel selber floß;
Wie kan dein menschlich herz doch meine glut verdammen.

Du bist / wie Eva / fleisch und bein /
Drum kanstu auch kein engel seyn /
Und ausser menschen dich verlieben /
Und das gesetze der natur /
Das mit dem athem in uns fuhr /
Hat auch in deine brust: seyd fruchtbar; eingeschrieben.

Wer sich in stiller glut verbrennt /
Und menschen-liebe sünde nennt /
Muß auch das paradieß verdammen;
Denn Evens weisse marmel-haut
War kaum aus knochen auffgebaut /
So fühlte Adams herz schon süsse liebes-flammen.

Climene / drum bedencke dich /
Du kanst hier ohne dornen-stich
Die schönsten zucker-rosen brechen.
Ein mensch muß wie die ärzte seyn /
Und eher nicht von todtes-pein /
Als von der lebens-krafft der starcken öle sprechen.

Schau / meine seele schmelzt in mir /
Und alle glieder folgen dir /
Gleich wie die blumen ihrer sonnen;
Bist du mir nun mein sonnen-schein /
So laß mich deine blume seyn /
Biß meine wurzel grund in deinem schooß gewonnen.
(Theil 1 S. 417-418)
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An Florinden

Florinde / soll ich dich ersuchen /
Und hab ich nicht zu grob gespielt /
So sage doch nur / ob dein fluchen
Auff freundchafft oder feindschafft zielt?
Sonst muß ich fort / sonst muß ich fliehn /
Und dir aus deinen augen ziehn.

Ein griff wird dich ja nicht verdriessen /
Greifft man doch wohl den käyser an;
Du weist ja / daß aus griff und küssen
Kein krancker leib entstehen kan:
Denn was von aussen nur geschehn /
Läßt keine grosse flecken sehn.

Ein feigenbaum ist auffgeschossen /
Daß man ihn endlich brechen soll;
Ein apffel / den kein mund genossen /
Schmeckt auch nicht in den augen wohl /
So quillt aus überdeckter brust /
Auch keine rechte liebes-lust.

Drum laß den marmel deiner brüste
Mir länger nicht verschlossen seyn;
Nimm die begierden meiner lüste
Zu deinen engen pforten ein /
Und mache meine schwarze hand
Mit deiner weissen haut bekandt.

Ich werffe meine liebes-flammen
In deinen auffgeblehten schnee /
Streich du nur alle krafft zusammen /
Und kühle meines herzens weh /
So lieb ich dich / so liebst du mich /
So lieben wir uns inniglich.

Jedoch verzeihe mir / Florinde /
Daß ich so frey mit dir gescherzt /
Du fühlest nicht / was ich empfinde /
Noch was mich in der seele schmerzt.
Du siehst zwar meiner liebe wahn /
Nicht aber meine kranckheit an.

Was fleisch ist / muß vom fleische leben /
Ich bin kein engel oder geist;
Drum wundre dich nicht / daß mich eben
Ein trieb auff deine brüste reißt /
Und dencke / wer du auch schon bist /
Daß nichts umsonst gewachsen ist.
(Theil 1 S. 463-465)
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An Sylvien / als sie mit ihm getanzet hatte

Ich brenne / Sylvia / ach aber ohne schuld!
Denn du hast mich entzündet.
Jedennoch leid ich mit gedult
Den schaden / den mein herz empfindet.
Ich weiß es allzuwohl / daß du es hast gethan /
Doch klag ich / schönste / dich bey keinem richter an.

Ach strenge Sylvia! wie könt ich besser seyn?
Du suchest mein verderben /
Der brandt nimmt meine glieder ein /
Und heist mich sonder ursach sterben;
Ich aber liebe dich / und küsse noch das licht /
Das mir diß feuer hat so listig angericht.

Du weist es selber ja / wie heimlich es geschehn /
Wir waren stets beysammen /
Und hatten uns schon offt gesehn /
Doch wust ich nichts von liebes-flammen.
Allein so bald du mich zum tanzen auffgeführt /
Hastu mein kaltes herz / ich weiß nicht wie / gerührt.

Ich sahe dich alsbald mit andern augen an /
Jedoch ie mehr ich sahe /
Je mehr versanck ich in den wahn /
Durch den mein süsser fall geschahe.
Ist dir mein lieben nun / so wie es scheint / verdruß /
Warum verlangest du denn daß ich brennen muß?

Ein ieder in der welt gläubt / daß es sünde sey /
Ein häußgen anzustecken;
Ein hauß kommt keinen menschen bey;
Diß solte billig dich erschrecken.
Und dennoch denckestu / indem du mich verletzt /
Daß keine straffe sey auff deine that gesetzt.

Ach öffne doch einmahl dein felsen-hartes herz /
Und höre meine klagen!
Ich leide zwar / wie vor / den schmerz /
Und will ihn mit zu grabe tragen;
Doch alle rechte sind von diesen lehren voll:
Daß der / so andre brennt / auch wieder brennen soll.
(Theil 1 S. 392-393)
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Als er sie das erste mahl küßte

Ich habe / Sylvia / dich einmahl nur geküßt /
Und meynt' ich würde mir mein kranckes herze laben;
O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht / wo es ist /
Und glaub / es hat sich gar in deinen mund begraben.
Dann meine krafft ist hin: Ich fühle nichts als glut /
Und stürbe / wenn ich nicht aus liebe leben müste.
Ach! wann ein einzig kuß so grose würckung thut /
Wie solte mir geschehn / wann ich dich zehnmal küßte?
(Theil 1 S. 93)
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An Melinden

Schönste der seelen / ich muß es bekennen:
Daß mich dein augen-blitz endlich besiegt /
Daß ich vor liebe wie feuer muß brennen;
Weil mir mein herze selbst wunden zufügt;
Und wieder mich kriegt.
Drum setze mir / o meine zier!
Die schaalen der himmlischen lebens-krafft für /
Und laß mir die morgen
Der traurigen sorgen /
Die täglich in meinen gedancken entstehn /
Mit rosen auffgehn.

Zwar ich betadle mein kühnes verlangen;
Denn ich bin gegen dir freylich zu schwach:
Aber der purpur der lachenden wangen
Mehret mein winseln und seuffzendes ach /
Und zieht mich dir nach.
Stürzt nun dein scherz mein treues herz /
Wie flammen die motten in tödlichen schmerz;
Wie hast du Melinde /
Denn was ich empfinde /
Und was mich noch täglich mit dornen verletzt /
So gringe geschätzt?

Schau / wie ich armer in thränen zerfliesse /
Wie mir mein herze vor trauren verschmacht;
Weilen dein safftiger balsam der küsse /
Andern die lippen zu nectar-thau macht /
Mich aber veracht.
Doch schmerz und leid wird mit der zeit
Nicht anders als nebel durch sonnen zerstreut;
Drum hoff ich auff lachen
Auch mitten im krachen /
Wie lächzende muscheln in wäßriger grufft /
Auff morgen und lufft.

Nun ach! mein engel / du kanst mich erretten:
Höre doch endlich mein liebes-geschrey!
Trenne die stricke / zermalme die ketten /
Reiß die beschwerlichen fessel entzwey /
Und mache mich frey.
Du hast gesiegt. Ich bin bekriegt.
Schau / wie dir dein diener zun füssen hier liegt.
Ach laß dich des armen
Doch endlich erbarmen /
Und kühle durch qvellen bezuckerter flut
Die traurige glut.

Wilst du denn lebenslang eisern verbleiben?
Ist denn dein herze von stahl oder stein?
Soll ich mich ewig zum sclaven verschreiben?
Oder soll diese verbitterte pein
Mein liebes-lohn seyn?
Ich liebe dich! du hassest mich!
Doch deine gedancken verfinsteren sich /
Und werden von fernen /
Noch endlich erlernen /
Daß du mich unschuldig zum tode verdammt /
Da du mich entflammt.

Kanst du dich aber nicht meiner erbarmen /
Wilst du gleich ärger als tiegerthier seyn;
So reist dein grausam-seyn dennoch mir armen /
Durch die mit unglück erfüllete pein /
Das herze nicht ein.
Ich bin getreu / und schwere frey:
Daß niemand an liebe beständiger sey.
Du hast mich betrübet /
Weil ich dich geliebet.
Ich aber muß / weil ich dich / schönste / gesehn
In flammen vergehn.
(Theil 1 S. 460-462)
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An Sylvien / über ihrer Veränderung

Weinet ihr betrübten augen!
Weil der mund nicht reden kan.
Sylvia speyt voller wahn /
Da ich ihr doch nichts gethan.
Weinet ihr betrübten augen!

Weinet ihr betrübten augen!
Schmerz und leiden ist zu groß;
Denn der himmel / dessen schooß
Neulich mir mit zucker floß /
Läßt nun alle donner loß.
Weinet ihr betrübten augen!

Weinet ihr betrübten augen!
Und verhüllet euer licht;
Krieg und unruh wird geschlicht /
Marmel / stahl und eisen bricht /
Aber meine schmerzen nicht.
Weinet ihr betrübten augen!

Weinet ihr betrübten augen!
Weinet aber nichts / als blut /
Und bewegt den harten muth;
Denn was meine göttin thut /
Macht kein schlechtes wasser gut.
Weinet ihr betrübten augen!
(Theil 1 S. 465)
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Alle Gedichte aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)


siehe auch Teil 2




Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Neukirch

 

 


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