Benjamin Neukirch (1665-1729) - Liebesgedichte

Benjamin Neukirch


 

Benjamin Neukirch
(1665-1729)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 



Uber die gestalt der Sylvia

Ich finde zwar sehr viel / die schön und artig seyn;
Dann eine rühret uns durch ihrer augen schein /
Die andre lacht und prangt mit lippen von corallen /
An vielen pflegen uns die haare zu gefallen /
Die hat ein kleines kinn / und eine steiffe brust /
Die macht durch ihren gang uns zu der liebe lust /
Die rühret / ich weiß nicht was für anmuth in den lenden /
Und andre fesseln uns mit ihren marmel-händen;
Du aber / Sylvia / hast alles diß allein:
Dann iedes glied an dir kan eine kette seyn.
Wie soll mich ärmsten dann nicht deine pracht entzünden /
Die / wann man sie zertheilt / kan ihrer sieben binden?
(Theil 1 S. 62)
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Auff ihre augen

Ihr habet mich besiegt / ihr himmel-blauen augen /
Ihr sollet auch allein
Nur meine freude seyn /
Wenn andre blitz und tod aus braunen augen saugen /
Wann sie das schwarze pech biß an den pol erhöhn /
Und dennoch, wann es brennt / für schmerzen fast vergehn /
So seh ich nichts als lust aus euren sternen lachen /
Ihr seyd mir / hab ich gleich
Nicht geld und große sachen /
Mein ganzes königreich.
Ja / wenn ein ander sich in schwarzen augen siehet /
Und meynet / daß er schon im feur und hölle steh,
So denck ich / wann mein bild aus euren äpffeln blühet /
Daß ich auff erden mich in einem himmel seh.
O himmel / schütze dann / weil sie allein nur taugen
Dein ebendbild zu seyn / stets meiner liebsten augen.
(Theil 1 S. 62)
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Auff ihren mund

Ihr rosen Indiens / weicht meiner liebsten munde /
Ihr balsam-blumen rühmt mir euren honig nicht /
Eur glanz und eur geschmack vergeht in einer stunde /
Ihr mund wird aber stets von neuem angericht.
Je mehr ich rosen schau / ie schönre seh ich blühen;
Je mehr ich ihn geküst / ie süsser schmeckt der safft /
Sein purpur kan mein blut zwar aus den adern ziehen;
Ich aber geb ihm nur durch meine geister krafft:
Ach daß er Sylvia doch eher nicht verdürbe /
Als biß ich küssens satt auff seinen lippen stürbe!
(Theil 1 S. 63)
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Auff ihre haare

Laßt Berenicens haupt mit güldnen haaren prangen /
Schreib / Conon / wie du wilst / sie in die sternen ein.
Leug / leug / Callimachus / daß wann der tag vergangen
Sie dieser unter-welt statt einer lampe seyn.
Eur ruhm ist fabel-werck, und wär es auch geschehen /
Was wunder wär es denn ein rothes haar zu sehen?
Schaut, meine liebste führt kein feuer auff dem kopffe /
Dann dieses steht allein nur ihren augen an;
Ihr haar ist seid und flachs / und ihrem lichten zopffe
Fehlt nichts / als daß man ihn nicht recht beschreiben kan.
Wer wolte sich denn nun nicht willig lassen binden /
Wenn man die fässel kan in solchen stricken finden?
(Theil 1 S. 63)
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Auff ihre hände

So offt ich euch beschau / ihr angenehmen hände /
So offtmahls fühl ich auch im herzen neue brände /
Und saug / ich weiß nicht was für süsse funcken ein.
Wie geht es aber zu? Ihr seyd von elffen-beine /
Die finger gleichen schnee und reinem marmel-steine /
Daß euer schnee zugleich kan glut und flammen speyn.
Jedoch was frag ich erst? Ich hab es ja empfunden /
Das feuer brennet noch in meinen tieffen wunden;
Wiewohl ich klag allhier euch meine wunden nicht.
Ihr habet recht gethan / ich will es also haben /
Eur schnee / der mich entzündt / kan mich auch wieder laben /
Und giebt mir / sterb ich schon / auch noch im tode licht.
Durch euch allein kan ich die ganze welt besiegen;
Dann kann sich manche gleich an ihrer brust vergnügen /
Hat Doris ihr gesicht mit kreid und kalck gebleicht /
Und Phillis einen mund / den Venus selbst gepriesen /
So bin und bleib ich doch im herzen überwiesen /
Daß keine Sylvien an ihren händen gleicht.
(Theil 1 S. 63-64)
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An Sylvien

Was fluchst du / Sylvia / wenn meine schwarze hand
Um deinen busen spielet?
Sie war so weiß als du / eh' sie der liebe brand /
Um deine macht gefühlet.
Flöstu das feuer nun in meine glieder ein /
So kan ja meine hand nicht schnee und marmel seyn.
Du sprichst: Sie hat hier nichts zu suchen und zu thun.
Gar recht; Es soll auch bleiben.
Sie suchet nichts als dich / sie wünschet bloß zu ruhn /
Und ihren scherz zu treiben.
Was ursach hast du dann, daß du dich so beklagst?
Da du doch diese gunst den flöhen nicht versagst.
(Theil 1 S. 64)
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Ein anders

1.
Ach! wirff doch einen blick auff deine silber-ballen /
Verstockte Sylvia /
Sie sind dem tode nah;
Die spitzen lassen schon die rosen-blüthe fallen /
Die berge ziehn die stoltzen liljen ein /
Und werden bald so gleich wie deine wangen seyn.

2.
Wie / sind wir / schreyen sie / dann darum nur erschaffen /
Daß uns ein blinder groll
In kercker schliessen soll?
Cupido nennet uns seine liebes-waffen.
Was kommet dich dann für ein eyffer an /
Daß du / o Sylvia! uns in den bann gethan?

3.
Ihr männer helffet uns durch eure macht erretten!
Zerreißt das mörder-schloß /
Und macht uns wieder loß.
Wir lieben keinen zwang / und leiden keine ketten /
Und Franckreichs mod' und tolle kleider-pracht /
Mag seyn für wen sie will / nur nicht für uns gemacht.

4.
So klagen / Sylvia / die hart-bedrängten Kinder.
Ach höre doch ihr schrey'n /
Und hilff sie bald befrey'n /
Wo nicht / so schneid sie ab / und wirff sie vor die rinder.
Dann wenn sie nur im finstern sollen ruhn /
So kan dirs / wann du willst / auch wohl ein schnupftuch thun.
(Theil 1 S. 65)
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Madrigal
Aus dem französischn übersetzet

Du bist ein plumper kerl / recht närrisch und verwegen /
Die klugheit mangelt dir / die sinnen sind verkehrt.
Du weist sonst anders nichts als klagen zu erregen /
Und bist der prelle mehr als meiner augen werth.
Diß waren ohngefehr unlängsten namen /
Die / Phillis / mit verdruß aus deinem munde kamen.
Die ganze that / warum der eyffer dich belieff /
War / daß dir meine hand nach deinen brüsten grieff.
Ach dieses ist zu viel für eine handvoll sünde.
Nun seh ich / daß ich mich so wie du befinde /
Du zürnst / daß ich die hand nach deiner brust geführt /
Ich schweige / da du doch mein herze selbst gerührt.
(Theil 1 S. 66)
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An Flavien / als sie kranck war

Man klaget / Flavia! daß ich dir weh gethan /
Und redet öffentlich / du werdest bald verscheiden /
Du selber zeigest es durch deine schwachheit an;
So dencke nun / was ich muß in der seele leiden.
Ich komme / liebes kind / mir als ein teuffel für /
Und bin so mir als dir zu einem hencker worden.
Dann alle meine lust bestehet bloß in dir /
Und darumb kan ich dich nicht ohne mich ermorden.
O himmel! wende doch die schulden von mir ab /
Hilff meiner Flavia / und lege mich ins grab!
(Theil 1 S. 94)
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An Charatinen

Wie irret doch das rad der menschlichen gedancken!
Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein:
Jedoch wenn schluß und rath kaum unterschrieben seyn /
So fängt der leichte sinn schon wieder an zu wancken.
Mein kind / ich will dich nicht mit sitten-lehren speisen;
Mein brieff war neulich kaum nach - - abgeschickt /
Die augen waren erst vom schlaffe zugedrückt /
Da reitzte mich die lust schon wieder nachzureisen.
Pfuy! sprach ich / lästu so die süsse zeit verschiessen?
Strahlt deine sonne dich mit todten blicken an?
Wer ist / der deinem thun hier grenzen setzen kan?
Und wer / der deinen geist in fässel denckt zu schliessen?
Wilstu die nase nun erst in die bücher stecken?
Ach allzuschwache krafft vor deine liebes-pein!
Da muß kein todes oel und fauler balsam seyn /
Wo sich die funcken schon in lichte flammen strecken.
Weg mit der phantasey! weg mit den feder-possen!
Ein mädgen ist weit mehr / als alle bücher werth.
Der hat sein glücke schon in asch und grauß verkehrt /
Der in das Cabinet auch seel' und geist verschlossen.
Mit diesem sprang ich auff / fing alles an zuschmeissen /
Riß zettel und pappier in hundert stück entzwey /
Und sprach: die last ist hin und Abimenin frey:
So muß ein tapffres herz durch tausend stricke reissen.
Ein blat / ein kahles blat soll meine freyheit binden?
Ja / (fuhr ich weiter fort) das stünde schülern an:
Ich habe längsten schon dir / liebste / dargethan /
Daß ich in dir allein will meinen kercker finden.
Der eifer mehrte sich wie meine liebes-kohlen /
Gleich aber als ich noch die letzten Worte sprach /
Da trat des fuhrmanns knecht in unser schlaff-gemach /
Umb den verdienten lohn von neulich abzuholen.
Er ließ sich unverhofft durch meine lust bewegen /
Befohlen und geschehn / war alles nur ein wort:
Ich saß mit Thyrsis auff / und fuhren beyde fort /
Umb dir die liebes-schuld / mein engel / abzulegen.
Es schien / der himmel selbst bestrahlte mein verreisen /
Die winde liessen nichts als amber-lüffte wehn /
Die wolcken musten uns in tausend rosen sehn /
Und auge / mund und herz mit voller anmuth speisen.
Die pferde säumten nicht den leicht-beladnen wagen /
Die räder flohen schnell / wie pfeile / strom und blitz /
Die glieder fühlten kaum den hart gebauten sitz /
Und wurden wie ein stein durch dicke lufft getragen.
Und so weit muste mich das blinde glücke küssen.
Darauff nahm Sandau uns zur abend-taffel ein:
Ach Sandau! daß du soltst mein trauer-denckmahl seyn!
Ach Sandau / daß du mich in diese noth gerissen!
Warumb hab ich doch hier die liebe müssen brechen?
Warumb hat dich mein herz mit thränen angeschaut?
Ach Sandau! hätt ich nicht auff deinen sand gebaut /
So dürffte nicht der todt itzt meine sünde rächen.
Verzeihe / liebstes kind / ich muß es nur bekennen /
Ein weib / ein schwaches weib hat meinen kranz entführt;
Doch wo dich noch ein strahl der alten liebe rührt /
So laß nicht deinen zorn wie meine laster brennen.
Nicht wundre / schönste / dich / wie dieses zugegangen:
Ich nahm von ihrer hand nur einen becher wein /
Der becher flößte mir den liebes-nectar ein /
Und ich ward wider art / ganz unvermerckt gefangen.
Da sah ich ihr gesicht als hundert sonnen blitzen /
Sie schien mir etwas mehr als Venus selbst zu seyn.
Und das verborgne gifft der stillen liebes-pein
Fieng an mit aller macht in meiner brust zu schwitzen.
Die taffel ward darauff mit tüchern überzogen /
Hier trug man löffel-kraut und hasel-hüner auff /
Und setzte vor begier die scharffen messer drauff /
Dort ward der süsse wein aus gläsern eingesogen.
Was uns der starcke safft vor geister eingegossen /
Wie sich die stille glut im busen angesteckt /
Was vor ein liebes-strom mir meine brust befleckt /
Und wie mein mattes herz von flammen fast zerflossen /
Ist / schönste / diß papier zu wenig abzureissen;
Genug; der schlaff zerbrach den augen ihren schein /
Ein ieder scharrte sich ins lager ein;
Ich aber fieng allein für trauren an zu kreissen.
Amanda / (so will ich die geile Venus nennen)
Lag dichte neben mir zur seiten mit der brust /
Mein seuffzen war ihr trost / und meine liebes-lust
Schoß auch verborgne glut / ihr feuer anzubrennen.
Ach daß ich / sagte sie / dein leiden könte stillen /
Ach kühlte meine brunst auch / liebster / deine pein /
So müste diese brust itzt nicht verschlossen seyn.
Und dieser dünne zeug nicht meinen leib umhüllen.
Ich netzte deine mund mit hundert tausend küssen /
Es würde nichts als lust aus allen adern gehn /
Die lippen müsten dir in vollem amber stehn /
Und mein erhitzter schooß mit muscateller fliessen:
Nun aber kenn ich nicht die qvelle deiner wunden.
Es muß was höhers seyn / das deine freude bricht /
Dein kummer stammt aus mir und meiner anmuth nicht /
Sonst wäre schon der trost für deine noth gefunden.
Mir ward durch dieses wort die seele fast entrissen /
Doch stieß ich / wo mir recht / noch diese seuffzer aus:
Bleibt / schönste / deine brust nur meiner wollust haus /
So weiß mein sonnen-licht von keinen finsternissen.
Was brust? versetzte sie / das herze steht dir offen /
Komm / reiß den blumen-schatz nach deinem willen hin /
Komm / küsse / biß du satt / ich aber krafftloß bin /
Und endlich beyde wir in liebe sind ersoffen.
Drauff ließ das kühne weib die feder-decke fliegen /
Und gab den geilen leib von allen ecken bloß /
Hier sprang das leichte schloß von ihren brüsten loß /
Dort sah ich noch was mehr in voller flamme liegen.
Das leichte marmel-spiel der apffel-runden ballen /
Der schnee-gebürgte bauch / der purpur-rothe mund /
Und was noch etwan sonst hier zu berühren stund /
War leider! allzu starck zu meiner unglücks-fallen.
Ich ärmster konte mir nicht länger widerstreben /
Ich warff mich in den schlam der sünden-vollen lust /
Ich druckte leib an leib / und wieder brust an brust /
Und wünschte nichts als so mein leben auffzugeben.
Mein leben / das allein an meiner liebsten augen /
Mein leben / das allein an ihrem herzen hieng /
Und das / wenn meiner brust der athem gleich entgieng /
Doch wieder konte safft aus ihren lippen saugen.
Ich lernte / wie sich fleisch und fleisch zusammen schickte /
Ich sanck vor matter pein in den gewölbten schooß /
Biß meine beste krafft wie warme butter floß /
Und wie die seele gar aus meinen adern rückte.
Gleich aber / als wir noch der süssen lust genossen /
Kam und zerriß ihr mann die zucker-süsse ruh /
Und schaute mit bestürzt- und blassen augen zu /
Wie unser leib und geist in einen klumpen flossen.
Der eyfer ließ ihn nicht viel donner-worte machen /
Diß war sein erster gruß: Ha / hure / liegst du hier!
Macht denn ein ieder hund vor deiner kammer-thür /
Und stößt sich ieder fels an deinen liebes-nachen?
Mit diesem fing er mir vom schelmen an zu singen /
Da fühlt ich / wie der zorn mir gall auff galle goß:
Die glieder brannten an / die klingen giengen loß /
Und ieder suchte nun den degen anzubringen.
Inzwischen weiß ich nicht / ob es sich schicken sollen /
Daß ich durch einen sprung zur erden niedersanck.
Da merckt ich / daß der stahl durch meine ribben drang /
Und mir das warme blut kam aus der brust gequollen.
Wie / wenn ein tieger-thier das leben sieht entweichen /
Nach blut-besprützter haut sich doppelt stärcker macht:
So ward mein eyfer auch in volle glut gebracht /
Und dachte mit gewalt den mörder abzureichen.
Ich schwang mit blosser faust mein eisen hin und wieder;
Ach aber nur umsonst! die adern wurden schwach /
Die seele selber floß durch meine purpur-bach;
Ich aber fiel erstarrt auff meinen rücken nieder.
Da sucht ich ärmster nun vergebens zu genesen /
Nachdem die wunde mir das halbe leben nahm.
Doch als ich wieder heim / und zu mir selber kam /
Ist / Charatine / diß mein erstes wort gewesen:
Ach Abimenin! ach! was hast du doch verbrochen?
Wo bleibt die grüne treu / wo der verliebte schwur /
Der neulich / falscher / dir aus deinem munde fuhr /
Als Charatine dir das herze zugesprochen?
Geh hin / und rühme dich der süssen liebes-wunden /
Geh / sage wie ihr thau die lippen dir gekühlt /
Diß hast du nur geschmeckt / und jenes nur gefühlt;
Denn beydes ist bereits auff einen tag verschwunden.
Verräther / traust du dich wohl selber anzuschauen?
Muß so dein liebes-glaß in hundert stücken gehn?
Wer wird hinfüro mehr auff deine freundschafft sehn/
Und auff den porcellan der glatten worte bauen?
Doch / Abimenin / halt! / halt deinen geist zurücke!
Bezähme qual und pein mit zügeln der gedult.
Offt ist ein kleiner fall und hencker-werthe schuld
Zu der erwünschten gunst die beste gnaden-brücke.
Geh / wirff dein angesicht zu ihren zarten füssen /
Und mache deinen fleck mit tausend thränen rein /
Laß ein beklemtes ach statt hundert worte seyn /
Und nichts als trauer-salz aus beyden augen schiessen.
Das feur wird endlich doch die reine brust bewegen /
Die brust / in welche sich mein falsches herze schloß /
Die brust / aus der die lust der keuschen liebe floß /
Und die mir kett und band hat wissen anzulegen.
Was aber hast du vor? was hoffst du? sprach ich wieder /
Auff zweiffel-volle gunst? Nein / Abimenin / nein.
Die sonne tilget nicht die flecken deiner pein /
Und stürzt dich nur in grund des grösten kummers nieder.
Du wirst vergeblich nur die thränen hier vergiessen /
Dein abgeschicktes flehn ist keiner ohren werth.
Wer selbst den himmel ihm in höllen hat verkehrt /
Muß auch mit etwas mehr als schlechtem wasser büssen.
Hier riß die traurigkeit aus den gesetzen dämmen /
Ich stieß mit ungestüm den degen in die brust /
Und sprach: Wo gleich itzund die schmerzen meiner lust
Dich / Charatine / nicht mit wehmuth überschwemmen;
So solst du doch die treu aus meinem blute lesen.
Mein engel / zittre nicht. Itzt folgt das ende drauff:
Denn hier erwachten mir die müden augen auff /
Da war das ganze spiel ein blosser traum gewesen.
(Theil 1 S. 94-99)
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Im namen einer Fräulein an
ihren Hauptmann

Ach könte dir mein herz wie meine dinte fliessen!
Ach zöge dieses blat auch meine seuffzer an!
So würde / werther / leicht dein mund bekennen müssen /
Daß mich der himmel itzt nicht höher straffen kan.
Du würdest meinen brieff mit bleichen lippen netzen /
Die thränen würden dir biß an die seele gehn /
Und endlich müste mich doch dieser trost ergetzen:
Dein hauptmann wird dir bald vor deinen augen stehn.
Nun aber kan ich dir mein leiden nicht beschreiben /
Die feder ist zu klein für meine traurigkeit;
Und was mir etwan noch soll meine geister treiben /
Hat schmerz und ungedult mit wermuth überstreut.
Ich schreib / und weiß nicht was; es irren hand und sinnen /
Die sylben halten nicht gewichte / maß und ziel.
Der sorgen schwarze nacht umnebelt mein beginnen /
Ich selber aber bin der liebe gauckel-spiel.
Ich weiß nicht / ob ich dir die warheit darff bekennen /
Mein schatz / dein strenger schluß hat meine qual erregt:
Du schaffest / daß mir nichts als trauer-kerzen brennen /
Du hast mir unverhofft die martern angelegt.
Ein land / ein weites land hält deinen leib gebunden /
Du suchst in fremder lufft bekrönte frühlings-ruh /
Doch glaube / hast du dich mit rosen gleich umbwunden /
So weht dein freuden-wind mir doch die dornen zu.
Ich soll mich nur entfernt mit schatten-wercken speisen;
Wie aber reimt sich doch verliebt und ferne seyn?
Wie schickt sich doch mein weh zu deinen anmuths-reisen;
Und deine grausamkeit zu meiner seelen-pein?
Die liebe läst sich leicht durch lange meilen dämpffen /
Ein frischer amber-kuß sticht tausend alte weg
Wo schönheit und verstand die schwache treu bekämpffen /
Da pflastert leicht die lust den süssen liebes-steg.
Wir jungfern müssen nur den kleider-moden gleichen /
Was heute prächtig scheint / wird morgen ausgelacht;
So könt ihr männer uns auch sanffte pflaumen streichen /
Biß ihr den leichten mund wo besser angebracht.
Ihr spielet mit der lust / wie winde mit narcissen.
Bald kommt ihr ganz entfernt mit complimenten an /
Bald wolt ihr uns die hand / bald auch die schürze küssen /
Da doch der zehnde kaum die buhlen zehlen kan.
Itzt stürmt ihr herz und mund uns durch Syrenen-lieder /
Und schließt uns unbedacht in liebes-fässel ein /
Itzt zieht ihr wieder fort / und endlich kommt ihr wieder;
Denn wolt ihr kälter noch als Salamander seyn.
Doch / liebster / tadle nicht mein allzukühnes schreiben.
Ich weiß zwar / daß du mir mehr als gewogen bist /
Die regel aber wird auch noch der nachwelt bleiben /
Daß furcht und eyfersucht der liebe zunder ist.
Die größte gluth besteht in thränen-vollen herzen.
Wer sonder eyfer liebt / der liebt auch ohne treu;
Auch winde blasen feur in die erstorbne kerzen /
So macht ein kleiner streit uns aller zweiffel frey.
Zwar ich gedencke noch der zucker-süssen stunden /
Als ich die rosen dir von deinen lippen laß /
Als sich die nelcken mir umb meinen mund gewunden /
Und mir das glücke selbst zu meinen füssen saß.
Wo aber ist der glanz der freuden hingeschossen?
Wo bleibt der stille tag / wo die beperlte zeit /
Da deine leffzen mir mit nectar-safft geflossen /
Und mich dein reiner kuß mit bisem eingeweyht?
Mein Hauptmann prüfe selbst die schmerzen meiner wunden /
Und dencke / was vor angst mir alle glieder schlug /
Als sattel / pferd und knecht zur reise fertig stunden /
Und dich der schnelle gaul aus meinen augen trug.
Ich dachte dazumahl vor thränen fast zu brechen /
Was aber dazumahl? Itzt lern ich erst verstehn /
Wie nacht und finsterniß die freuden-lichter schwächen /
Und wie die lampen uns von winden untergehn.
Ach liebster / laß mich nicht in dieser noth versincken /
Steh auff / und stelle dich in meinen armen ein!
Komm / weil die sterne dir zur liebes-taffel wincken /
Und selbst der himmel will zu deinen diensten seyn.
Wer wunden heilen will / muß keine zeit verscherzen /
Ein allzuspäter rath schlägt leider! wenig an /
Der lindert nicht die qval / und mehret nur die schmerzen /
Der nicht den augenblick auff mittel dencken kan.
Mehr weiß ich nicht in eil hier worte beyzusetzen /
Genung / daß meine lust in deinen händen steht /
Daß mich dein wille kan betrüben und ergötzen /
Und ewig mein magnet nach deinem norden geht.
Du kanst wohl selber leicht aus deiner treu erdencken /
Daß uns in Dännemarck noch keine rosen blühn /
Daß sich dein auge muß nach meinen augen lencken /
Und dein entfernter mund nach meinem munde ziehn.
Ich grüsse schon den tag mit tausend freuden-küssen /
Da mir ein engel wird an meiner seite stehn.
Da mir dein süsser mund wird wieder nectar giessen /
Und nichts als malvasier von deinen lippen gehn.
Ach Hauptmann eile fort / beflügle pferd und wagen /
Und gönne meiner lust bald deinen sonnenschein!
Wo nicht / so glaube nur / daß ich durch diese plagen
Bald meiner lebens-zeit werd überhoben seyn.
(Theil 1 S. 99-102)
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An Melinden / auff ihren
namens-tag

Auff / schönste / tauche dich in milch und rosen-blut!
Laß deinen mund-rubin erfrischte strahlen fangen /
Und streich den trüben schaum der herben thränen-flut /
Und das vergiffte salz von deinen purpur-wangen.
Der himmel stellet sich zu deinen diensten ein /
Die sonne spielet selbst umb deine perlen-glieder.
Und was dir etwan noch kan kummer-dornen streun /
Legt dieser stille tag bey deinem bette nieder.
Du solst ( ich rede kurz) dein namens-fest begehn /
Drum auff / und rüste dich / dein glücke zu begrüssen!
Dein glücke / das dich heißt auff lauter rosen stehn
Und nichts als zucker lässt umb deine lippen fliessen.
Ich weiß zwar allzu wohl / daß deine trauer-see
Von grosser herzens-angst die worte wird gebähren:
Ach daß ich ärmste doch noch diesen tag begeh!
Daß doch die morgen mich nicht wie die nacht verzehren!
Wohin treibt wind und sturm doch meinen liebes-kahn?
Ist wohl ein ärmrer mensch auff erden noch zu finden /
Der komm / und schaue mich und meine thränen an /
So will ich gerne mich der sorgen-last entbinden.
Ach aber liebes kind! die klagen sind zu groß /
Wer sich aus ungedult zum grabe will verdammen /
Wird endlich durch den tod zwar dieser erden loß /
Stürzt aber leib und seel in tausend höllen-flammen.
Im glücke lustig seyn ist warlich keine kunst;
Ein kluger aber saugt auch nectar aus den qvitten /
Und folgt der sonne nach / die durch den nebel-dunst
Zwar öffters finsterniß / doch keinen bruch erlitten.
Der liebe frucht entspringt aus einer stunde nicht:
Erst trincken wir das gifft aus porcellanen schalen /
Gehn wie die taumelnden / wenn unser herze bricht /
Und schätzen ihren dampff vor lauter freuden-strahlen.
Nach diesem greifft der schmerz die glieder besser an /
Das schnelle gifft zerfleust in strome schwarzer sorgen;
Und endlich / wenn wir so die proben abgethan /
So bringt das ende nichts als süsse frühlings-morgen.
Ach liebste! kanst du nun dem himmel noch vertraun /
So trag das kummer-joch mit unverzagtem rücken;
Denn die ihr glücke nur auff Gottes felsen baun /
Die brechen angst und noth wie schwaches rohr in stücken.
Mein herze leget sich zu deinen füssen hin /
Ich schencke mich dir selbst zum schemmel deiner plagen /
Und schwere / wo ich dir nicht gar zuwider bin /
So solt du nur ein loth / ich aber centner tragen.
Mehr hab ich ärmster nicht / das weist du selber wohl /
Denn meine schätze sind nur wollen und entschliessen /
Sonst trieb ich deinen ruhm biß an den sternen-pol /
Und liesse nichts als gold aus meiner feder fliessen.
Nun / allerliebstes kind! erkenne meine treu;
Was dieser schrifft gebricht / ersetzen meine flammen.
Springt gleich das glücke nicht itzt meiner armuth bey /
So schlägt die liebe doch in frische glut zusammen.
Du solt in kurzer zeit mit andern augen sehn /
Wie dich dein treuer knecht wird suchen zu bedienen /
Wenn kummer / ach und weh zu grabe werden gehn /
Und unsre freude wird in vollen knospen grünen.
Der himmel schencke dir nur ferner sonnenschein /
Und führe deinen fuß von dornen auff narcissen!
Du aber ziehe selbst den strom der thränen ein /
Sonst wird mein leben so wie deine lust zerrissen.
(Theil 1 S. 102-104)
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An Flavien

Wenn meine feder nicht mit rosen-zucker quillet /
Wenn eckel und verdruß aus allen zeilen steigt /
So dencke / daß der schmerz mein schreiben itzt umhüllet /
Und dir die traurigkeit auff armen blättern zeigt.
Zwey wörter: gute nacht! verrücken hand und sinnen /
Die liebe macht nicht mehr mein herze geister-voll /
Und alles / was mir noch kan in die feder rinnen /
Ist / daß ich / schönste / dich nicht länger sprechen soll.
Ach wie betrieglich sind doch hoffnung und gedancken!
Wie schwer verbinden sich doch lieb und mögligkeit!!
Was anfangs uns gelückt / kan noch im ende wancken /
Und morgen donnert offt / was heute sonnen streut.
Mein lieben war bißher ein paradieß gewesen /
Ein garten / den ich offt verwundert angeschaut /
Der mich so blumen ließ wie palmen-früchte lesen /
Wenn ihn dein freundlich-seyn mit zucker überthaut.
Die nelcken blühten mir auff deinen zarten wangen /
Dein amber-voller mund trug purpurnen jesmin /
Und machte / daß ich offt mehr safft und krafft gefangen /
Als bienen honigseim aus hyacinthen ziehn.
Der hals schwamm voller milch von reinen lust-narcissen /
Die brüste fiengen an mit rosen auffzugehn /
Und wilst du mein gelück in einer zeile wissen?
Dein auge / Flavia / war auch mein tausendschön.
Diß alles hat der sturm der zeiten mir entzogen /
Und wie der sonnen licht durch nebel unterdrückt /
Nachdem ein ander mich an anmuth überwogen /
Und dein verliebtes herz aus meiner hand gerückt.
Du fingst ihn selber an mit liljen zu beschütten /
Und halffest ihm mit lust auff des gelückes schooß;
Doch alles konte noch bey weitem nicht verhüten /
Daß ich zuweilen auch nicht einen blick genoß.
Itzt aber must du gar aus meinen augen scheiden /
Wie will mein paradieß nicht endlich untergehn!
Denn wenn du Pommern wilst mit deinen rosen kleiden /
So werden künfftig hier nur scharffe dornen stehn.
Was werden? ich bin schon von aller lust verlassen /
Denn himmel und gewalt reist ihren garten ein /
Und heist den liebes-stock vor traurigkeit erblassen /
Mich aber ohne trost / und ohne blumen seyn.
Das süsse löffel-kraut / das meinen geist getrieben /
Entzeucht mir seine krafft / wie du dein angesicht;
Und was mir endlich noch von allen übrig blieben /
Ist nur ein blümichen / das heist: Vergiß mein nicht.
Diß leg ich / schönste / dir zu deinen marmel-füssen /
Ach strahl es / wie du pflegst / mit holden augen an;
Weil diß mein leiden doch alleine wird versüssen /
Wenn deine liebe mich nur nicht vergessen kan.
Mehr fordert nicht mein herz / wohl aber meine flammen /
Die / weil ich seuffzen kan / nicht werden untergehn;
Denn ihre hitze schlägt von weitem auch zusammen /
Und sucht / was glück und zeit itzt heissen stille stehn.
Ich brenne / doch der mund muß wider willen schweigen;
Mein feur soll voller qual / nicht aber redend seyn /
Sonst würd ich dir den schmerz so wie mein herze zeigen /
Und mehr als thränen-salz zu deinen füssen streun.
Ach allerschönstes kind / erkenne mein gemüthe /
Und schau zuweilen mich noch in gedancken an!
Denn hab ich ärmster nur die strahlen deiner güte /
So weiß ich / daß der tod mir wenig schaden kan.
Ich sterbe mit gedult in meinen harten stricken.
Wenn deine flamme nur noch meinen geist bewegt;
Denn dieses soll mich auch im tode noch erquicken.
Daß mich die blosse treu zu meinem grabe trägt.
(Theil 1 S. 104-106)
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An Sylvien auf ihren namens-tag

Dein edler namens-tag zeigt heute seinen schein;
Mir aber meine pflicht / dich würdig anzubinden;
Allein wo soll ich was bey meiner armuth finden /
Weil federn und papier für dich zu wenig seyn?
Mein wollen ist zwar groß / doch mein vermögen klein /
Drum laß mich / was ich kan / dir zum geschencke winden:
Denn wer die liebe will auff gold und reimen gründen /
Schleust nur viel prahlerey und wenig freundschafft ein.
Ich biete dir mein herz zum opffer selber an /
Mein herze / das dich zwar nicht / schönste / binden kan;
Weil du es schon vorlängst mit ketten angebunden /
Legst du es aber nur zu deinen füssen hin /
So glaube / daß ich auch in ketten lustig bin;
Weil es nach so viel angst doch einen ruh-platz funden.
(Theil 1 S. 106)
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Uber ihre veränderung

Du hast / o Sylvia! mein treues herz besiegt /
Und liessest neulich selbst mich deine neigung wissen:
Doch da das arme ding in deinen ketten liegt /
So jagest du mich fort / und stössest mich mit füssen.
Ach allzugrausame! was quälstu meine glieder?
Behalt dir die person / gieb mir das herze wieder.
(Theil 1 S. 106)
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Auff ihren abschied

Verzeihe mir allhier / mein widriges gestirne /
Wofern ich mich zu sehr auff deinen lauff erzürne /
Du hast mir allzuviel auff einen tag gethan.
Mein leben reiset fort / und dennoch soll ich leben:
Du nimmest / was du doch mir niemahls hast gegeben /
Und legst mir unverhört die gröste martern an.
War es dann nicht genug / daß ich mit tausend thränen
Mich täglich / doch umsonst / nach kühlung muste sehnen?
Soll ich von Sylvien auch noch geschieden seyn?
Ach armer Seladon! du hast zu viel erfahren /
Doch diese stunde mehr / als vor in zwanzig jahren.
Drumb hoffe nur nicht erst auff neuen sonnenschein;
Du wirst / du solst / du must auff dieser auen sterben:
Umb / wie es scheint / den platz mit purpur anzufärben /
Wo ehmahls Sylvia so schöne blumen laß.
Gedencke nur nicht an die vergnügten stunden;
Wie sich ihr keuscher arm um deinen hals gewunden /
Und wie sie milch und brodt aus deinen händen aß.
Die lust ist schon vorbey. Itzt ist der todt erschienen.
Der tod / so dir allein kan zur ergetzung dienen;
Nachdem die ganze welt dir ihren trost versagt.
Die zeit verändert sich offt anders als man meynet.
Heut' hat dein treues herz umb Sylvien geweinet:
Wer weiß / wer morgen schon auch wieder dich beklagt.
O himmel / wald und thal / und ihr begrünten auen /
Wo ich mich früher offt ließ als Aurora schauen /
Nehmt / wo ihr mich noch kennt / die letzten seuffzer hin /
Und saget Sylvien / wenn man mich hat begraben /
Und sie sich wieder wird an euren blumen laben /
Daß ich für sie allein allhier gestorben bin.
(Theil 1 S. 106-107)
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Uber ihren vermeynten todt

Der weit-erschollne tod der schönen Sylvia /
Der nur / der meynung nach / nicht in der that geschah /
Gieng ihrem Seladon so ungemein zu herzen /
Daß er das feld verließ / und voll entbrannter schmerzen
In eine wüste lieff / allwo er lange zeit
Für vielen seuffzern schwieg: bald aber weit und breit
(Nachdem ein thränen-guß die erste regung stillte)
Die ausgespannte lufft mit diesen klagen füllte:
Betrübter Seladon / was hast du doch erlebt?
Ein liebes-faden ward mit weh und angst gewebt /
Mit schmerzen wird er nun auch wieder abgeschnitten
Du hast sehr viel gehofft / noch aber mehr erlitten.
Ein tag schloß deinen geist in schwere ketten ein:
Itzt heist ein andrer dich frey / aber elend seyn.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Mich dünckt / ich kan den ort annoch im traume sehn /
Wo unser erster blick / wo unser kuß geschehn.
Hier hat das liebe kind mir blumen abgepflücket;
Dort hab ich ihren mund mit süsser milch erqvicket.
Hier sang / hier spielte sie / dort weinte sie für leid /
Und küßte / da sie schied / mich voller traurigkeit.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Die sterne strahlen sehr / noch schärffer Cynthia;
Doch lange nicht so schön / als meine Sylvia.
Für ihrem munde must' Aurora selbst erbleichen;
Narcissus durffte sich nicht ihren wangen gleichen /
Ihr hals und ihre brust war schnee und elffenbein /
Ihr süsses augen-licht ein steter sonnenschein.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Wenn ich mein morgen-brod mit salz und thränen aß /
So fiel sie neben mich in das bethaute gras /
Und sang / ob wolte sie die ganze welt bewegen.
Die winde musten sich auff ihre seuffzer legen:
Die blitze stunden still / und Phöbus trat die bahn /
So offt er sie ersah / mit vollen freuden an.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Ihr qvellen / die ihr mich mit wasser offt getränckt /
Ihr wisst / wie sehr ich mich durch lieben abgekränckt:
Doch wolt' ich gerne noch mein ganzes gut hingeben /
Könt' ich bey Sylvien nur arm und elend leben.
Ich liesse hauß und hoff / und alle schafe stehn /
Und wolte / wär es noth / nach brodte betteln gehn.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Ach! (sprach das arme kind beym scheiden für und für)
Mein liebster Seladon / das herze sagt es mir /
Du wirst mich heute wohl zum letzen mahle sehen.
So wie sie mir gesagt / so ist es auch geschehen.
Ein tag und eine nacht begräbet mich und sie;
Sie todt und ohne schmerz / mich lebend und voll müh.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Ihr Götter / saget nur / liegt sie in eurer schooß /
So bitt ich sie vielleicht durch meine seuffzer loß:
Hat sie der feuer-schlund der schwefel-lichten höllen /
So lösch ich ihre glut mit meinen thränen-quellen:
Und hat sie endlich gar Neptunus tieffes hauß /
So zehr' ich seinen strohm durch meine flammen aus.
O himmel / erd' und lufft / erhöret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / schafft meine liebste wieder.
Jedoch es ist umsonst / betrübter Seladon!
Der himmel hörte nicht mehr deiner lippen thon:
Der wald erzittert zwar für deinen schweren klagen;
Doch will er / was du fragst / nicht mehr zurücke sagen.
Feu'r / wasser / erd und lufft befördern deinen tod /
Und ieder augenblick mehrt deine sterbens-noth.
Was sinnstu weiter denn auff ungereimte lieder?
Du kommst zu Sylvien / doch sie zu dir nicht wieder.
(Theil 1 S. 107-109)
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Uber ihre unempfindligkeit

Wie lange wiltu grausam seyn /
Du göttin meines herzen?
Dein blitz gebieret meine pein /
Du aber lachst der schmerzen /
Und siehst den henckern meiner ruh
Mit kaltgesinntem scherz und stolzen augen zu.

Ich bin / wie Aetna / feuer-heiß /
Und brenne voller flammen;
Doch deine brust bleibt schnee und eiß /
Und schmelzet nicht vonsammen.
Ihr berg steckt tausend seelen an;
Ich aber finde nichts / das ihn entzünden kan.

Den stahl muß endlich feur und glut /
Den marmel regen schwächen /
Und warmes bock- und ziegen-blut
Soll diamanten brechen:
Allein je mehr mein herze sich
Mit feur und thränen rüst / ie mehr verhärtst du dich.

Was soll ich ärmster denn nun thun?
Dich kan ich nicht bewegen;
Und gleichwohl kan ich auch nicht ruh'n
Noch in das grab mich legen.
Selbst hab ich weder krafft noch macht /
Und such ich rath bey dir / so werd ich ausgelacht.

Ach Sylvia! bedencke doch
Das ende meiner plagen;
Ich trage mit gedult dein joch /
Und will mich nicht beklagen.
Laß aber nach der langen pein
Doch endlich auch einmahl nur meinen ruh-tag seyn.
(Theil 1 S. 394)
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Ein anders

Sylvia ist wohl gemacht.
Ihre glieder sind wie ketten /
Und ich wolte sicher wetten /
Daß von hundert Amouretten
Drey nicht ihre schönheit hätten /
Noch ihr holdes angesicht;
Nur ihr herze tauget nicht.

Sylvia ist angenehm.
Ihre lippen sind corallen /
Ihrer brüste zucker-ballen
Und ihr honigsüsses lallen
Gleicht den jungen nachtigallen /
Die die mutter abgericht;
Nur ihr herze tauget nicht.

Sylvia ist voller lust.
Sie verbirget / was sie schmerzet /
Sie ergetzet / wann sie scherzet /
Sie bezaubert / wann sie herzet /
Lachet / wenn man sie verschwärzet /
Und hört alles / was man spricht;
Nur ihr herze tauget nicht.

Ach du ungezognes herz!
Wann du denn allein mißfällest /
Wann du ihren geist verstellest /
Wann du ihren mund vergällest /
Und mit trotze von dir prellest /
Was sich dir und ihr verpflicht;
Warum ändert sie sich nicht?
(Theil 1 S. 395)
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Ein anders

Schweig / mein herz / und laß es seyn;
Denn es ist dir recht geschehen /
Du wirst eher stahl und stein /
Als Sylvetten liebend sehen.
Bring es / wie du wilst / so nah /
So erlangt dein treues flehen
Doch niemahls ein süsses ja.
(Theil 1 S. 396)
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Auff ihre augen

Ich weiß nicht / ob ich euch einmahl werde sehn /
Ihr wunder-vollen augen;
Dennoch werden meine wunden /
So ich stets von euch empfunden /
Und nicht mehr zu heilen taugen /
Ewig / ewig offen stehn.
(Theil 1 S. 396)
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Auff ihren mund

Sylvia / dein süsser mund
Machet / wenn verdruß und plagen
Tausend andre niederschlagen /
Mein verwundtes herz gesund.
Ja / daß ich nicht ganz verbrenne /
Daß ich mich nicht elend nenne /
Thut / wenn ich es nur bekenne /
Sylvia / dein süsser mund.

Sylvia / dein süsser kuß
Kan mir mehr erqvickung geben /
Als die ulmen jungen reben /
Und Egypten Nilus fluß;
Muß ich gleich zuweilen borgen /
So vertreibt doch alle morgen
Meinen gram und meine sorgen /
Sylvia / dein süsser kuß.
(Theil 1 S. 396-397)
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Auff Rosetten

Amor / willstu / daß ich sage /
Amor / willstu / daß ich klage /
Was du mir zu viel gethan?
Du entzündest meine liebe /
Und doch hilffstu meinem diebe /
Und trägst ihm Rosettgen an.

Jenem gläubt sie / wann er scherzet /
Mir verwirfft sie / was mich schmerzet;
Beydes ist zu viel gethan.
Amor / hilff ihm doch nicht stehlen /
Laß sie / wen sie will / erwehlen /
Beut sie nur nicht selber an.
(Theil 1 S. 397)
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An Flavien

Ach Flavia! du qvelle meiner schmerzen /
Was hat dir doch dein treuer knecht gethan?
Daß nicht dein ohr die seuffzer meines herzen
Mehr / wie vorhin / gedultig leiden kan?
Und daß mein mund nach hundert tausend küssen /
Doch endlich nun in thränen muß zerfliessen?

Ein sclave / der die jammer-vollen ketten
Nur mit gedult und tieffer demut trägt /
Kan endlich doch sich durch die flucht erretten /
Wenn ihm die zeit die fessel abgelegt:
Ach aber! ach! wo soll ich rettung finden?
Weil mich dein arm kan allenthalben binden.

Ich muß nur stehn und deine straffe suchen /
Die / schönste / mir dein strenges auge spricht:
Sonst müst ich offt dem himmel selber fluchen /
Wenn er den glanz durch trübe wolcken bricht.
Dein herz ist ja der himmel meiner freuden;
Drum will ich auch itzt seine donner leiden.

Ich bin bißher zu glücklich fast gewesen /
Ich habe dich mehr als zu viel geküst:
Wenn ich den schnee von deiner brust gelesen /
Und unser mund wie thau zerflossen ist:
Dieweil ich nun verbotne frucht genossen /
So wird mir auch mein paradieß verschlossen.

Wohlan denn! wenn ich nicht soll länger leben /
O Flavia! so sterb ich mit gedult.
Hastu mich gleich mit thränen itzt vergeben /
So geb ich dir doch / schönste / keine schuld.
Denn wer zu früh will mit dem feuer spielen /
Muß endlich sich mit solchem wasser kühlen.
(Theil 1 S. 403-404)
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Auff ihre eifersucht

Zürne nicht / betrübtes herze!
Denn die lebens-volle kerze
Meiner liebe brennet noch.
Phyllis mag die hoffnung haben;
Dein verstand und deine gaben
Bleiben doch mein süsses joch.

Ist es möglich / daß du weinest?
Ist es möglich / daß du meynest /
Daß ich dich verlassen kan?
Ey so schaue doch von fernen /
Auch einmahl bey andern sternen
Dich / o sonne / selber an.

Dein erhobnes angesichte
Machet allen glanz zu nichte /
Der die blinde welt bethört.
Phyllis selbst muß mit betrüben
Sich in deinen mund verlieben /
Wenn sie deine lieder hört.

Alle junge schäferinnen /
Fliehen mit gedult von hinnen /
Wenn sie dich / o wunder / sehn.
Zephyr steigt aus seinen hölen /
Deine brüste zu beseelen /
Und von neuem auffzuwehn.

Venus wird von zorn entzündet;
Weil sie alles an dir findet /
Was ihr nur allein gebührt:
Wie solt' ich denn / schönste Nymphe /
Dir zu trotz und mir zum schimpffe
Hassen / was die götter rührt?

Dencke selbst / ich bin getrieben.
Ich will / soll / und muß dich lieben.
Nichts reist meinen fürsatz ein.
Denn was du einmahl gebohren /
Muß / geht alles gleich verlohren /
Dennoch unvergänglich seyn.
(Theil 1 S. 454-455)
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Scherz-lied

Sind das nicht narren-possen?
Mein vater hat beschlossen /
Ich soll ein mägdgen freyen:
Was aber kan auff erden
Wohl völler von beschwerden
Als junge männer seyn?

Denn wie man seidne decken
Gar selten ohne flecken
Und ohne fehler findt /
So ist die kuh auch immer
Bey unserm frauen-zimmer
Auff einem auge blind.

Die schöne kehrt die feinde
Durch schwäger zwar in freunde;
Doch steht sie mir nicht an:
Weil ich die tummen hörner
So wenig / als die dörner /
Am kopffe leiden kan.

Die garstigen / die stincken /
Und pflegen offt zu hincken /
Ihr bestes ist das geld:
Inzwischen glänzt die stirne
Wie eine faule birne /
Die von dem baume fällt.

Die klugen / die befehlen /
Und wollen stets erwehlen /
Was man beginnen soll:
Die tumme bleibt geschossen /
Und macht mit ihren possen
Das ganze zimmer voll.

Die reichen sind nur prahler /
Und schliessen ihre thaler
In schwere kasten ein:
Bey armen kans nicht fehlen /
Sie müssen manches stehlen /
Und männern untreu seyn.

Die dicken seyn beschwerlich /
Und zur geburt gefährlich:
Drum mag ich auch nicht dran.
Die armen wären besser /
Nur daß man solche fresser
Nicht wohl ernähren kan.

Die fromme muß auff erden
Der mägde närrin werden /
Und bringet nur beschwer.
Die bösen sind der teuffel /
Und kommen ohne zweiffel
Von seiner mutter her.

Doch hänget manchem weibe
Gleich nichts an ihrem leibe
Von diesen fehlern an /
So hat sie doch die tugend /
Daß sie bey ihrer jugend
Nicht viel verschweigen kan.

Drum wer die narren-plagen
Bey seinen jungen tagen
Nicht bald erfahren will /
Der meide nur zwey sachen /
Die alles traurig machen;
Ein weib und karten-spiel.
(Theil 1 S. 455-457)
_____



An Basimenen
Aus dem ersten theil der Eudoria

Ihr waffen gute nacht! Es muß gestorben seyn.
Mein leben hat ein ende /
Und wo ich mich hinwende /
Brennt nichts als schwefel herber pein.
Denn trotz und hoffart / die den ersten mensch betrogen /
Hat meiner hoffnung auch ihr paradieß entzogen.

Es muß gestorben seyn. Mein herze nur gedult /
Und fluche nicht der liebe;
Denn daß ich mich betrübe /
Ist meine mehr als ihre schuld.
Sie hat mir korn gestreuet / ich disteln auffgelesen;
Sie ist mein sonnenschein / ich mein Comet gewesen.
Mein herze nur gedult! Denn mit dem tode kan
Auch deine sünde sterben.
Den meisten / die verderben /
Klebt noch in gräbern unflat an:
Dein urtheil aber ist nunmehr entzwey gerissen /
Weil Basimene nicht darff mein verbrechen wissen.

Du aber harter stein / der dieses zimmer deckt /
Dir bring ich meine klagen /
Dir will ich ärmster sagen /
Daß mich ihr blitz hat angesteckt /
Und mein verschwiegnes herz zwar schlechten ruhm
erwirbet /
Doch aber auch für nichts als Basimenen stirbet.
(Theil 1 S. 457-458)
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Er liebet ohne hoffnung

Was denckt ihr doch / ihr kühnen sinnen?
Ihr geht auff allzuhoher bahn;
Denn eur frevelndes beginnen
Will weiter / als es steigen kan;
Weil ihr dasselbe lieben wollet /
Was ihr doch nur anbeten sollet.

Die ganze welt steht euch ja offen /
Und steckt nicht voll unmöglichkeit.
Warum liebt ihr denn sonder hoffen /
Was euch die liebe doch verbeut.
Wo furcht und noth gesetze schreiben /
Muß lieb und lust zurücke bleiben.

Jedoch ich weiß nicht / was ich sage /
Ich will nicht / was ich wollen soll.
Darum erwehl ich nur die plage /
Und such im finstern meinen pol;
Vielleicht kan / wie die nesseln bienen /
So mir der schmerz zu honig dienen.

Hab ich nicht hoffnung das zu kriegen /
Was mich mit flammen überstreut;
So qvillet dennoch mein vergnügen
Auch noch aus der unmöglichkeit;
Denn darff ich gleich die glut nicht nennen /
Will ich doch in gedancken brennen.

Und also lieb ich mein verderben /
Und heg ein feur in meiner brust /
An dem ich noch zuletzt muß sterben.
Mein untergang ist mir bewust:
Das macht: ich habe lieben wollen /
Was ich doch nur anbeten sollen.
(Theil 1 S. 458-459)
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An Floretten

Dein augen-blitz preiß-würdigste Florette /
Hat auch mein herz durch stille glut gerührt.
Ich fühle schon die schwere liebes-kette /
Die deine pracht um meine glieder führt.
Dein wesen hat gesiegt /
Ich aber bin gefangen /
Und trage doch verlangen.
Nach dem / was mich und meine lust bekriegt.

Verzeihe nur / du tugend-volle seele /
Daß sich mein herz dir so vor augen stellt /
Und daß ich nicht nach meiner art verhöle /
Was meine brust sonst gar verborgen hält;
Das leiden ist zu groß /
Warum ich mich betrübe:
Drum reiß durch deine liebe
Mir meine last und fessel loß.

Ich weiß es zwar; Du wirst mir widersprechen /
Und sagen: Ach! es ist nur schatten-spiel.
Wer sich die welt mit worten läst bestechen /
Der fällt / wenn er am besten steigen will.
Ach! aber meine pein
Ist andersweit beschaffen /
Als mancher liebes-affen /
Die voller list und complimente seyn.

Mein liebes-feur besteht nicht in dem munde /
Die falschheit ist mein ärgster seelen-feind.
Ich liebe dich aus meines herzens grunde /
Diß ist genug. Bistu nun wieder freund /
So solstu eher sehn
Das leben mich verdammen /
Als meine liebes-flammen
Vor mattigkeit und ohnmacht untergehn.
(Theil 1 S. 459-460)
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Scherz-lied

Wie närrisch lebt ein kerl doch in der welt /
Wenn er erst in das garn der liebe fällt?
Wenn er den muth für einen griff verhandelt /
Und in den stricken des verderbens wandelt?
Bald sitzt ihm der kragen am halse nicht recht /
Bald ist ihm die dünne Paruqve zu schlecht /
Bald zieht er den degen / bald steckt er ihn ein;
Bald denckt er ein bauer / bald könig zu seyn.

Wie mancher tag und manche schöne nacht
Wird doch mit gram und sorgen zugebracht!
Und wenn wir endlich gar zu lange harren /
So werden wir zu thoren und zu narren.
Denn gehn wir und geben dem glücke die schuld /
Das glücke spricht: Habe nur ferner gedult.
Gedultig seyn bringt uns in leiden und pein /
Biß daß wir so mürbe wie pflaumen-brey seyn.

Doch geht es mit der zeit auch endlich an /
Daß man zur noth mit mädgen löffeln kan;
Ach Gott! mit was vor müh und schwerem lauffen
Muß man alsdenn ihm seine lust erkauffen!
Da nimmt man / so viel man bekommen nur kan /
Und leget den wechsel an spitzen-werck an;
Indessen sitzt vater und mutter zu hauß /
Und zahlen das theure Collegium aus.

Wenn man nun so das geld hat angewandt /
So machen sich denn mund und mund bekandt /
Und schliessen sich vor heissen liebes-flammen /
Wie fetter leim und junges wachs zusammen.
Denn macht man dem mädgen die brüstgen erst bloß /
Die brüste verleiten uns endlich in schooß /
Im schooße wächst unser verderben durchs kind /
Denn stehn wir im - - - und scharren den grind.

Wohl dem! der so / wie goldschmieds junge / denckt /
Und eher sich nicht zu der liebe lenckt /
Als biß er nach vollbrachten jugend-jahren
Sich kan in ehren mit der liebsten paaren.
Ich habe die regel: ich liebe nicht viel /
Und wenn ich gleich liebe / so ist es nur spiel /
Und ist es im ernste / so bin ich vergnügt /
Im fall ich nur freundschafft und küsse gekriegt.
(Theil 1 S. 462-463)
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Als sie sich ihm zum neuen jahre schenckete

Der himmel fängt dis jahr mit lauter thränen an /
Und zeigt der Erden nichts als nebel / dampff und regen:
Doch Leonore hat das widerspiel gethan /
Und will auff diesen tag die stürme niederlegen.
Ich hatte sie erzürnt / und machte mich bereit /
Die straffen ihrer hand mit demuth zu empfangen:
So kehrt sie nacht in tag / und leid in frölichkeit /
Und streicht die blasse furcht von meinen todten-wangen.
Vor ruthen schickt sie mir sich selber und ihr herz;
Was könt' ich bessers wohl von einem richter hoffen?
Mein geist war voller angst / die seele voller schmerz /
Nun steht mir unverhofft mein ganzer himmel offen.
Beglücktes neues jahr! wo brieffe bürgen seyn /
Und die gedancken so wie ihre worte klingen.
Ach aber schönstes bild! du zeigest sonnen-schein /
Und wilst mir in der that nur trüben regen bringen.
Du schenckest was du schon an andre längst verschenckt /
Und gibst mir / was du doch mit rechte nicht kanst geben.
Wie will dein Celidor / den du hierdurch gekränckt /
Nun künfftig ohne dich und sonder herze leben?
Denn deines nimst du ihm / und seines hast du schon.
Doch was bekümmern mich doch frembde qual und schmerzen?
Was giebet mir hier Rom? was Celidor vor lohn /
Das ist mein glücke soll zu seiner lust verscherzen?
Wer schenckt / der schaue zu / wie viel er halten kan.
Ich nehme / was du mir so willig angetragen.
Du kanst nun / wilstu gleich / was deine wahl gethan /
Nicht ohne schand und schmach gar wohl zurücke schlagen.
Cupido lehne mir die waffen deiner hand /
Befehle dieses herz mit ketten von rubinen /
Und schreib mit göldner schrifft an seine kammer-wand:
Daß niemand in der welt kan zweyen herren dienen.
(Theil 2 S. 25-26)
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An die Florette

Florette soll ich denn in flammen untergehn?
Ist nichts als kalter schnee in deiner brust zu finden?
Kan sich dein purpur-mund mit hitze nicht verbinden?
Und sieht man auch den neyd auff reinen wangen stehn?
Ach! schaue dich doch selbst mit andern augen an!
Der schönheit fürniß kan nicht ewig farbe fassen /
Dein schimrend wasser wird / wie trübe flut / erblassen;
Denn iede stunde zeigt / wie sie dich trotzen kan.
Was heute carmasin und scharlach überdeckt /
Wo muschel und corall um alabaster glänzen /
Was himmel und natur mit rosen-schein umkränzen /
Wird morgen durch das gifft der trüben zeit befleckt.
Der frühling wird dir nicht stets um die lippen stehn /
Der beste nelcken-strauch wird endlich hingerissen /
Und deine blumen sind nur flüchtige narcissen /
Die heute prächtig blühn / und morgen untergehn.
Dem sommer folgt der herbst / dem herbste winters-zeit /
Florette dencke selbst / wie deine früchte reiffen;
Ach! laß sie / werthe / doch den winter nicht ergreiffen /
Ein frischer apfel giebt die beste liebligkeit.
Schleuß deinen garten auff / weil dich der himmel liebt /
Ein rebenstock ist ja für menschen auffgeschoßen;
Was hilfft ein süsser trunck / der keinen mund beflossen?
Was nützt granaten-frucht / die keine kerne giebt?
Ein weib das fleisch und blut in ihrem busen trägt /
Und doch die jungfrauschafft will lebendig begraben /
Ist werth / wenn schlang und wurm den leib gefressen haben /
Daß man ihr diese schrifft auf ihren leich-stein prägt:
Hier lieget pech und stroh / das keine flammen fieng /
Ein schwefflicht wesen / das beym feuer nicht entbrante /
Ein zunder-voller leib / der keine glut erkante /
Ein glanz / der in der lufft wie trüber rauch vergieng:
Ein brunn der seinen quell in feste mauren schloß /
Ein balsam / den wir nur von weitem angerochen.
Ein süsser citronat / den keine faust gebrochen.
Ein arzt / der seine krafft auff kalte tücher goß.
Ein bunter blumenplatz / den jeder nur beschaut.
Ein feld / das weder pflug noch schare durchgeschnitten.
Ein wolgeziertes pferd / das keinen sporn erlitten /
Und wie Bucephalus dem schatten kaum getraut.
Ein himmel / der nur schmerz und keinen trost gebahr.
Ein amber-voller kram / der keinem feil gewesen.
Und will man alles hier auf einer zeile lesen:
Hier liegt ein todtes mensch / das keine menschin war.
Im leben wolte sie die Juno selber seyn /
Ihr mund vermählte sich mit schimmrenden rubinen /
Itzt muß ein kahler sarg zum trauer-zimmer dienen /
Und schliest den ganzen rest in diese breter ein.
Florette schreckt dich nun die schwarze grabes-schrifft /
So lerne / schönste / dich doch selber recht erkennen /
Laß auch die liebes-glut in deiner brust entbrennen /
Und meide mit bedacht das trübe todes-gifft.
Das bette steht dir mehr als schwarze bahren an;
Der kittel wird dich nicht so wie die federn zieren /
Das alter soll den tod / die jugend lüste spüren /
Weil sich der sommer nicht mit kälte schwistern kan.
Ein schatten-volles grab hegt schlecht lebens-lufft /
Man kan der lippen ruhm nicht vom gerippe lesen:
Und was dein purpur-mund und deine pracht gewesen /
Zeigt nur dein ebenbild / und keine todten-grufft.
Was ist die jungfrauschafft? Ein schlechtes rosen-blat /
Das mit dem alter auch die kräffte läst verschwinden /
Da pracht und zierde sich auff kurze zeit verbinden /
Und der beliebte glanz bestimmte stunden hat.
Ein kurzer augenblick reist alle sonnen ein /
Kein schimmer kan so bald / als diese glut / erblassen /
Und daß wir mit der zeit das leben selber hassen /
Komt daß wir in der zeit zu faul gewesen seyn.
Wol der / die scherz und lust in stiller andacht treibt /
Die nichts als nectar läst um ihre lippen lachen /
Und das verliebte spiel der kleinen wunder-sachen
Durch zucker-süsse krafft auff alabaster schreibt.
Die kan / wann muth und krafft von winden untergehn /
Wenn auge / mund und herz wie trüber dampff verstreichen /
Und der entseelte leib im grabe muß erbleichen /
Doch in dem Contrafait der zarten kinder stehn!
(Theil 2 S. 77-79)
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1.
Florette was umflort dein himmlisch angesicht?
Kan auch ein blitz aus lichten strahlen schiessen?
Läst jaspis und saphier auch trüben regen fliessen?
Schont denn die finsterniß der sonnen nicht /
Und zeigen die entflammte kerzen /
Daß nichts als nebel und comet
Um deinen liebes-himmel steht /
Und nach entbranter glut stets donnerkeile scherzen?

2.
So ist es: aber ach! was brauchstu doch für macht /
Mich schwachen sclaven völlig zu besiegen?
Sprich nur / so will ich dir zu deinen füssen liegen /
Die wunder und natur zu marmel macht.
Ich will die schuld mit thränen büssen /
Als zeugen meiner liebes-pein /
Und solte dieß zu wenig seyn /
So soll mein warmes blut zu deinen fersen fliessen.

3.
Ich läugne / werthe / nicht / daß Myrto fehlen kan;
Der fall ist mir als menschen angebohren /
Du bist als engel mir zum richter auserkohren /
Drum nehm ich mit gedult die martern an.
Bestraffe nur mein bittres leiden
Durch allzu heissen eyfer nicht;
Denn was mir noch das herze bricht /
Ist / daß ich armer soll von meiner seele scheiden.

4.
Florette laß dir doch den schmerz zu herzen gehn;
Ein treuer knecht kan Fürsten ja bewegen;
Der himmel selber muß die ruthe niederlegen /
Wann wir vor ihm in heisser andacht stehn.
Ich falle dir zu deinen füssen /
Mein herze brennt dir für und für /
Warum wiltu denn länger mir
Vor einen apfel-griff dein Paradieß verschliessen?

5.
Verzeihe / schönstes bild / ich rede fast zu viel:
Ein reiner mund kan alle fehler decken;
Der menschen liebe kan die götter nicht beflecken /
Man fällt nicht / wann man gleich hier fallen will.
Was hab ich armer denn entzieret /
Indem ich deine liljen-brust
Vor zucker-süsser liebes-lust
Durch einen feuchten kuß auf erden angerühret?

6.
Wiltu der tugend nach ein rechter Engel seyn /
So mustu auch / was menschlich ist / verdammen:
Denn schön und grausam seyn / schickt übel sich zusammen;
Ein nebel reißt der sonnen purpur ein;
Und deiner blitze liebes-wesen /
Das aus den lichten augen fährt /
Ist weiter keiner wunder werth /
Dafern du dir den zorn zum bruder außerlesen.

7.
Nun ach! Florette nim die demuth wieder an /
Empfange mich mit gnaden-vollen armen /
Bestrahle deinen knecht durch quellendes erbarmen /
Der ohne deine gunst nicht leben kan;
Sprich / daß dein himmel nach dem krachen
Mir wieder voller rosen steht /
So muß / noch eh der tag vergeht /
Die sonne meiner lust mit frischer anmuth lachen.
(Theil 2 S. 81-83)
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An die Schlesische Melpomene

Du fordest, schönste! mich zu reim und versen aus.
Was aber soll ich schreiben?
Wenn man an musen schreibt, und mit göttinnen spricht,
So schickt sich, wie du weist, kein falscher firniß nicht;
Wer aber herzlich spricht, den muß die liebe treiben.
Du weist, Melpomene! daß ich dir folgen muß,
Drum mache selbst den schluß,
Ob meine feder soll falsch oder redlich sprechen;
Glaub aber dieses nur, wofern ich falsch muß seyn,
So thu ich es bey dir wahrhafftig auf den schein,
Im herzen werd ich doch nicht das gesetze brechen.
(Theil 6 S. 57)
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aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)


siehe auch Teil 1


 

 


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