Georg Rudolf Weckherlin (1584-1653) - Liebesgedichte

Georg Rudolf Weckherlin



Georg Rudolf Weckherlin
(1584-1653)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





[57.]
15.
Amor betrogen

Cupido einmahl sehr verdrossen,
Das Er hat sovil pfeil umbsunst
Auf meine Myrta loß-geschossen,
Welche verachtet seine kunst,
Erwöhlet ihre zarte schoß,
Zu wunden ein scharpfes geschoß.

Also flog Er bald in den garten,
Da Er dieselb zu sein gedacht,
Und nemend-wahr von fern der zarten,
Die Ihn in dise welt gebracht,
Wolan, sprach er, Myrta dein blut
Soll ietzt büssen deinen hochmuht.

Er spannet (unweiß) seinen bogen,
Zihlet nach dem hertzen ohn gnad,
Und schoß ihn plötzlich loß (betrogen)
In seiner muter brust gerad;
Also das ein grewlicher schmertz
Vergifftet ihr götliches hertz.

Ach weh! was magst du wol gedencken,
Sprach Sie, du undanckbarer knab,
Wie kanst du so tödlich bekräncken
Die, welche dir das leben gab?
Und sparest gleichwol deine macht
Gegen deren die dich verlacht?

Solches das kind so sehr erschröckte,
Das es bald seine wängelein
Mit haissen zehern überdöckte,
Und schryh, Ach! liebes müterlein,
Ach! verzeihet mir, ich nam Euch
Für Myrta, deren Ihr gar gleich.
(Band 1 S. 156-157)
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[58.]
16.
Bestätigung der Lieb

Das ihr von vilen seit geehret,
Das ihr von vilen werd begehret,
Mag wol wahr sein:
Das aber ihr andere sehlen
So sehr als die meine könt quehlen,
Hat keinen schein.
Das vil schönheiten hie auf erden
Gelobet und verwundert werden,
Mag wol wahr sein:
Das aber auch eine auß allen
Den Göttern mög, wie ihr, gefallen,
Hat keinen schein.

Das ein ieder, so euch ersehen,
Ewern dienst wolte undergehen,
Mag wol wahr sein:
Das ihr aber möcht einen finden,
Den ihr so hart als mich könt binden,
Hat keinen schein.

Das durch ewere süsse sitten
Ich nicht allein vil müh erlitten,
Mag wol wahr sein:
Das aber darumb andre hertzen
Leiden dem meinen gleiche schmertzen,
Hat keinen schein.

Das endlich solche pein zufliehen
Meine vernunft sich woll bemühen,
Mag wol wahr sein:
Das aber von so schönen händen
Ich mich zu andrer dienst woll wenden,
Hat keinen schein.

Das der Tod allein meine klagen,
Und ewern hochmuht werd vertragen,
Mag wol wahr sein:
Das aber durch ewer belaiden
Mein hertz könde von Euch abschaiden,
Hat keinen schein.
(Band 1 S. 157-158)
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[59.]
17.
Stumme red der Lieb

Wan zu reden und still-zu-schweigen
Zumahl verhindert unser glück,
So laß uns unser hertz bezeugen
Durch sich besprachende anblick,
Amor, welchen wir allzeit ehren,
Wirt uns solche stumme sprach lehren.

Laß die anblick hin und herfliegen,
Getrewe botten deiner gunst,
Der Neyder torheit zu betriegen,
Toll und dölpisch zu diser kunst;
Dan Amor, welchen sie nicht ehren,
Wirt sie die stumme sprach nicht lehren.

Wan aber diser blicken fahrt
Auch irgends iemand solt verdriessen,
So laß uns, nach der Engeln art.
Uns mit den gedancken begrüssen:
Amor, welchen wir allzeit ehren,
Wirt uns solche stumme sprach lehren.

Also durch die listige kunst
Wollen wir die schwetzer betrüegen,
Und lachend ab ihrer ungunst,
Unsre hertzen nach lust vernüegen;
Weil Sie torrecht Amorn nicht ehren,
Wirt Er sie dise sprach nicht lehren.
(Band 1 S. 159-160)
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[61.]
19.
Unbestand bringt Unbestand

Sie, welche ich so lang geehret,
Weil ich ihr lieb standhaft gedacht,
Hat durch ihr untrew ihren pracht,
Meine hofnung und Frewd zustöret.
"Aber glückseelig ist die pein,
"Die die buhler lehret weiß sein."

Sie, die ihre augen zufeuchten
Meinetwegen allein oft schwur,
Lasset sie, wie ein andre hur,
Möniglich zu erdappen leuchten:
Darumb hab ich nu ihren schein,
"Dan schön ist nicht was zu gemein."

Wie oft hat sie fälschlich geschworen,
Das ihr hertz von betrug gantz frey;
Aber ihre wort, lieb und trew
Seind zu mahl in dem wind verloren;
Und ietzund mein schlechter verdruß
(Ihr grosse schand) ist meine buß.

Diser verdruß kan nicht lang wehren,
Weil ihr torrechter wanckelmuht
Folget nach übergebnem gut,
Und nach dem verlust ihrer ehren.
"Zuspaht, und umbsunst ist die flueht,
"Wan man behaftet mit der sucht."

Ich kan zwar, und will nicht verneinen,
Das ihr fürtrefliche schönheit
Gewan meines hertzens freyheit,
Mit liebkosen, klagen und weinen:
Nu aber schaidet meine Rew
Meine lieb von ihrer untrew.

Ich war ihr hertz, ihr trost und leben,
Sie war die Göttin meiner Brust;
Ietz hab ich bey ihr keinen lust,
Will auch ihr keine frewd mehr geben.
Ihr unbestand und mein verstand
Löschen auß Amors süssen brand.

Und ob sie schon wolt wider schwören,
Als ob ihr mein verdruß sehr laid,
So soll mich doch kein newer ayd
(Wie hoch und süß Er auch) bethören.
"Ein leichtförtig doppelter fehl
"Ist zu schädlich für leib und sehl."
(Band 1 S. 161-162)
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[64.]
22.
Horatianisch. Gesprächs weiß

Φ.
Alß lang mir dein Hertz war kund,
Das sein süsser Rosen-mund
Niemand dan mich wolt erlaben;
War ich so seelig und reich,
Das ich König in Franckreich
Zusein nicht gewünscht wolt haben.

S.
Als lang ich dir so lieb war,
Das meine gelb-krause haar
Dich allein hielten gefangen;
Kont mich meinen süssen stand
Nicht mit der Cron Engelland
Zuvertauschen ie verlangen.

Φ.
All mein glück war, das ich sah,
Wie dir nichts bessers geschah,
Dan dich hertzlich umbzufangen;
Und das kein liebers halßband
Dan meine arm mit wolstand
Umb deinen halß konte hangen.

S.
All mein glück war, das ich wußt,
Das dein hertz in keiner brust,
Dan in der meinen losieret;
Biß ich ietz (gleichwol spaht) spühr,
Daß die schwartze Phillis mir
Solches listiglich entführet.

Φ.
Wiewol es zwar gar nicht ohn,
Das die Phillis nicht wie rohn,
Und an schönheit dir mag weichen;
Bist du doch an freundlichkeit,
Und süsser holdseeligkeit
Ihr vielleicht nicht zuvergleichen.

S.
Ob es wol nicht ohn mag sein,
Das sich Ladon nicht so fein,
Und wacker als du kan stöllen;
Ist doch seine sitsamkeit,
Wie deine geschwindigkeit,
Villeicht nicht so bald zufällen.

Φ.
Obwol auch die Phillis nicht
Mich lobet in mein gesicht,
Brenn ich doch umb sie zu werben;
Und wan ich hör ihr gesang,
Wünsch ich, damit sie leb lang,
Das ich oft für sie mög sterben.

S.
Obwol auch der Ladon nicht
Durch poetisches gedicht
Mein lob, wie du, kan beleben;
Sitzt Er doch so wol zu pferd,
Daß für ihn, so lieb und wehrt,
Ich mich in den tod wolt geben.

Φ.
Wie? wan ich ohn heucheley
Mich wider ergib, getrew
In deinem dienst mich zu üben,
Und keine mehr dan dich preiß;
Wilt du mich nicht gleicherweiß
Wider, und ihn nicht mehr lieben?

S.
Wiewol Er so hipsch und groß,
Wiewol du so gedult-loß,
Das dich alle ding verdriessen:
Iedoch, wa dir ernst mit mir,
Wünsch ich mehr nicht dan mit dir
Mein leben gantz zubeschliessen.
(Band 1 S. 167-170)
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[66.]
24.
Musicalische Lieb

Meinen gaist, muht, sehl und hertz,
Amor mit klag, forcht und schmertz
Recht componieret;
In laid ändert sich mein schertz,
Angst mit mir accordieret.

Marter ist mein Music-klang,
Ach und weh ist mein gesang,
Gantz ohn pausieren,
Dan allein das mich oft lang
Amor macht suspirieren.

Lieblich kan es zwar nicht sein
Einig singend stehts von pein
Nicht zu mutieren;
Aber weil ich sing allein
Muß ich wol colorieren.

Ach hertzlieb thu doch mit mir
(Greiffend den thon nach gebühr)
Nur moderieren;
Und alsdan will ich mit dir
Schon tief gnug intonieren.
(Band 1 S. 171-172)
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[68.]
26.
Abwesenheit

Eben gleich wie die Erd
Würt mit finsternuß überspraitet,
Wan Phaebus seine pferd
Hat in den Nidergang belaitet:
Also ist mein gesicht verblichen
Dieweil Myrta mein Liebelein,
Und meines hertzens diebelein
Von Mir hinweg gewichen.

Gleich wie, wan sich die Son
Abends in ihr Westhauß verstöcket,
Mit den sternen der Mohn
Das klare Firmament bedöcket:
Also bin ich mit laid umbfassen,
Sydher Myrta mein Nymfelein,
Mein tröstelein, mein schimpfelein
Mich hinder ihr gelassen.

Gleich wie Apollons pracht
Mit dem lieblich-frölichen morgen
Hinweg-treibet die nacht,
Und zumahl die nächtliche sorgen:
Also wirt mein schmertz weggenommen,
Alßbald Myrta mein hertzelein,
Mein wohnelein, mein schertzelein
Wirt wider zu Mir kommen.

Gleich wie der Sonnen kraft
Alle ding auf Erden ergötzet,
Und die gewächs mit saft,
Und das feld mit blumen besetzet:
Also soll ich mehr lusts genüessen,
Wan mich Myrta mein schätzelein,
Mein hertz-kützlendes schmätzelein,
Würt mit küssen begrüssen.
(S. 174-175)
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[69.]
27.
Der Lieb unzähliche Zahl

Nachdem die Nymf auß Albion
(Der Frombkeit und der Tugent Cron)
Ihrer diener verdienst erwegen:
Zog Sie ihren Landshürten vor
Den frembdling, welcher Filodor
Genant ist, seiner tugent wegen.

Fieng demnach an (für seine pein
Und pure trew danckbar zusein)
Ihm mit gleicher lieb zabegögnen;
Das Er seinen entfreyten stand,
Und Amors Tyrannischen brand
Und stralen nu anfieng zusegnen.

Also ihr beeder schertz und schmertz
Wurd gleich, gleich wurd ihr will und hertz,
Zu laid vilen ihren Landts-leuten;
Sie lieben einander so sehr,
Das all ihr sorg ist, welches mehr
Das ander lieben kan, zustreiten.

Nu einmahl an deß Möhrs gestad
Sprach Er zu ihr, O deren gnad
Und lieb mich ewiglich verbinden,
Für dich hab ich mehr quahl und müh,
Dan man kan körnlein sands alhie,
Oder tropfen in dem Möhr finden.

Myrta gab ihm hierauf antwort,
Süsse sehl meiner sehlen hort,
Ich trag zu dir in meinem hertzen
Mehr lieb dan minuten ein Jahr,
Mehr dan stern hat der himmel klar
Leid ich für dich heimliche schmertzen.

Alßdan der hürt mit grossem lust
Zog dise wort auß seiner brust,
Sovil süssigkeit laß Uns fühlen,
Wievil blumen zieren das feld;
Und wievil laub tragen die wäld,
So vil laß uns schertzen und spihlen.

Darauf mit süß-schmollendem mund
Sprach Sie zu ihm von hertzengrund;
So laß uns einmühtiglich lieben,
Und laß uns nu für taussent pein,
Das die frewd dem laid gleich mög sein,
Mit taussent küssen auch entrüeben.
(Band 1 S. 175-177)
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[87.]
Die 12. Ode.
Brautlied Zu Ehren der Hochzeit Filanders und seiner Cloris

Als Filander mit grossem lust
Die lang-begehrte edle blust
Seiner standhaften lieb errungen:
Hat ein hauf Liebelein gar laut,
Dem Bräutigam und seiner Braut
Zu ehren, dises lied gesungen.

O Das Ihr möget allezeit
Einig, in keinem andern streit,
Dan nur in dem liebes streit leben!
Darinnen eines ieden hertz
Mög dem andern wollust und schertz
Für schertz und wollust widergeben!

Durch küß von süssem nectar feucht
Das hertz und sehl von frewden leicht
Solt Ihr Euch nemen und mitthailen:
Ihr solt durch tief-wundende küß,
Ihr solt durch süß-hailende büß
Euch verwunden und wider hailen.

Des einen mund soll mit wollust
Des andern hertz auß seiner brust
Zunemen, ihm die brust aufspalten:
Des andern hertz soll mit dem mund
Durch süße küß verwundend wund
Sich der andern brust nicht enthalten.

Mit Ewern armen starck und zart
Mit Ewern glidern sanft und hart
Solt Ihr einander fro umbfassen:
Und Ihr solt einander fürhin
Nicht mehr, dan mit süßerm gewin
Wider umbzufassen, verlassen.

Deinen ererbten Helden-muht,
Nicht dein ererbtes Helden-blut
Solt du junger held ietzund spahren:
Lieb, lieber schertz, lieblicher glimpf,
Liebkosen, küß, kützlender schimpf
Werden Sie dir machen willfahren.

Wan aber ein solches nicht gnug,
Solt du khüner mit gutem fug
Dein freundliche feindin anfallen:
Und laß dir Ihre scham und zucht,
Ihr klagen, flehen und außflucht
Wolgefallen und doch mißfallen.

Durch den schwaiß nimmet die frewd zu,
Die ruh ist süßer nach unruh,
Und süßer die küß so genetzet:
Also wirt dein laidige fraid,
Also wirt Ihr frewdiges laid
Durch beeder laid und fraid ergötzet.

Ach wie forchtsam scheinet Sie doch?
Ach wie zittert Sie ab dem Joch,
Darunder Sie deine arm binden?
Nu kan dein mund (dürstig) zumahl
Von seufzen und zehren ein mahl
Auf Ihrem mund und augen finden.

Köstliches mahl! götliche speiß!
Himelisches getranck! mit fleiß
In so reiche gefäß gegossen?
Gefäß so schön, das auch kein Got
Auß schönern in der höchsten noht
Der nahrung noch artzney genossen!

Damit nu Ihrer süßigkeit,
Und anraitzenden lieblichkeit
Du und Sie mögest geniessen,
So laß dich kein bit umb anstand,
Kein widerstehen Ihrer hand
Fangen, verhindern noch verdriessen,

Geh fang nu muhtig an die schlacht,
Doch gebrauch nicht zu große macht
Sie nicht gleich zusehr zu erschröcken:
Sondern gebrauch weil, list, betrug,
Falsche flucht, angrif, und aufzug,
Damit die vöstung zu entdöcken.

Wan dan mit zitterender stim,
Wan dan mit gleißnerischem grim
Sie dich wirt arg, frech und böß nennen;
Hör doch nicht auf mit vollem lust
Ihre stirn, mund, hals, wangen, brust
Mit taussent küssen anzurennen.

Sie mag lang sagen, es ist gnug,
Es ist gnug, seit ein wenig klug,
Und dir mit beeden händen wöhren,
Damit Sie doch nicht unden lig,
Heng du gleichwol stehts nach dem sig.
Durch welchen sich die Lieb muß nöhren.

Also in disem haissen streit
Begihrig nach der süssen beut,
Kanst du den sturm wider ernewen:
Und laß von Ihrer brust und schoß
Weiß, rund, steif, glat und mangel loß,
Deine gaile hand nichts abschewen.

Wan du nu so nah bey dem platz,
Solt du küß auf küß, schmatz auf schmatz,
Schmuck auf schmuck, lieb auf lieb loßschiessen,
Alß dan solt du dein blut, den lohn
Der lieb, namlich die Myrten-cron
Zuerlangen, hertzhaft vergiessen.

Mehr dan stern in der klaren nacht
Mehr dan blumen des Frülings pracht,
Mehr dan bihnen auf Hybla fliegen,
Sollen gantz tief-gründende küß,
Sollen süß-empfindende büß
Ihr vergebliche forcht betriegen.

Ächzen mit gailschimpfender schmach,
Und lächlen mit schertzender sprach,
Und bossen sollen da nicht fählen:
Seüfzen, schmätz, bitten, klag und lob,
Schimpf, ernst und schertz, züchtig und grob
Solt du mit einander vermählen.

Also durch der lieb rechte kunst
Wirt Sie Ihr artliche ungunst
Artlicher nach und nach verkehren;
Und endlich frey von forcht und zorn
Mit gilgen und rosen ohn dorn
Deinen leib durch ihren leib ehren.

Dazumahl auf ein newe art
Must du mit küssen lang und hart
Ihre sehl auß Ihr in dich ziehen:
Und Sie wirt auch auf gleiche weiß,
Sich und dich mit lieblichem fleiß
Zu sättigen, sich sehr bemühen.

Dazumahl frecher dan zuvor
Erheb du das banier entbohr,
Und fang von newem an zustreitten;
Üb aller süßen schalkeit stück,
Üb aller süßen boßheit dück,
Und greif Sie an auf allen seitten.

Gebrauch list auf list, schmach auf schmach,
Biß Sie fro ist, das Sie zu schwach,
Und zu verlieren scharmützieret:
Gebrauch kunst, stärck, betrug und macht
Zwing Sie zu einer freyhen schlacht,
Da Ihr beed siget und verlieret.

Also Ewer stehts frischer muht
Soll dises süßen kampfs ohn blut
Euch wider und wider gewehren:
Und so oft Phaebe ihren glantz
Macht neunmahl halb und neunmahl gantz,
Ewer geschlecht durch Euch vermehren.
(Band 1 S. 237-243)
_____




[93.]
18.
Amors Wohnung

Amor, der allsigende Got,
Von hochmuht einmahl überwunden,
Rhümet sich den Göttern zu spot,
Das Sie all Ihm allein verbunden.

Sie endlich (und billich) zumahl
Ab dises kinds frechheit verdrossen,
Haben ihn auß des himels sahl
Verjaget und gantz außgeschlossen.

Also ist Er, folgend dem glantz,
In meiner Myrten augen kommen,
Da Er auß so bequemer schantz
Sich zu rechen ihm fürgenommen.

Aber dises orts lieblichkeit
Hat Ihn alsbald so sehr besessen,
Das Er alle rachgihrigkeit,
Götter und himel gar vergessen.
(Band 1 S. 255-256)
_____



[94.]
19.
Abwesenheit

Auf, auf, fleug bald mein junges hertz
Zu deren die dich allein nöhret,
Sag Ihr, wie über großer schmertz
Ihrethalb meine sehl bethöret.

Sag Ihr, wie mein gaist tag und nacht
Von ihr nichts dan klagwort erdichtet,
Und wie Amors zu große macht
Alle meine vernunft vernichtet.

Sag ihr wie die abwesenheit
Mein gesicht unabläßlich nötzet
Und wie ihr süße freundlichkeit
Mich laider! ietz tödlich verlötzet.

Doch sag auch, das wa in der pein,
Noht, angst, trübsal, ellend und klagen,
Sie meiner ingedenck wirt sein,
Ich seelig solches zu ertragen.
(Band 1 S. 256-257)
_____




[95.]
20.
Newe-Jahrsgaab. An seine Liebste

Ich wolt Euch gern zu disem jahr,
O einige schönheit, was schencken,
Dabey Ihr meiner also bahr,
Und ewiglich möchtet gedencken:

Aber weil ich mich Euch ergab
Mit allem so mir zugehöret;
So folget das ich mehr nichts hab,
Das ich Euch nicht schon vor-verehret.

Wan dan mein hertz, will und begihr,
Und was ich bin gantz Ewer aigen;
Lieber so erlaubet doch mir
Mich durch wünschen milter zuzaigen.

Nu wünsch ich, das Ihr an schönheit
Die erst in der welt möget bleiben;
Das man Ewre volkommenheit
In allen sprachen mög beschreiben!

Das Ewer liebliche person
Als der Tugent person auf erden;
Und Ewer sehl (der Engeln wohn)
Für der Tugent sehl erkant werden!

Das Ewer schönheit so liebreich
Mag blühen nach vil hundert Jahren;
Das die himel allein durch Euch
Uns ihren seegen offenbahren!

Kurtzlich, dieweil ewer verstand
Selbs besser weist was zu begehren,
So wünsch ich das Euch Gotes hand
Wöll all Ewrer wünschen gewehren!
(Band 1 S. 257-258)
_____



[96.]
21.
Bestähtigung seiner Trew

Ach was betrübt ihr mich so sehr,
Das Ihr mich wanckelmühtig nennet,
Ich weiß, das mich Amor vil mehr
Dan Euch (so schön) standhaft bekennet.

Man kan Ewre vollkommenheit
Mit keiner andern bald vergleichen;
Und meiner lieb beständigkeit
Waist keiner lieb und trew zuweichen.

Da ich Euch meine trew versprach,
Hab ich mir selbs nichts vorbehalten;
Darumb wer es ein große schmach,
Wan Ewer glaub nu solt verkalten.

In Euch ist mein hertz, gaist und sinn,
Euch zu lieben bin ich bey leben:
Ach! wan ich nicht mehr Ewer bin,
So sagt mir, wem Ihr mich gegeben.
(Band 1 S. 258-259)
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[100.]
Über abschaiden

Ach süße sehl muß ich dich dan verlieren,
Ietz da ich dich starck zu halten gedacht?
Darf ich dan nu länger nicht triumfieren
Verringert sich dan meiner schönheit macht?
Ach nein. Vilmehr will sich deine lieb enden;
Dan wahre lieb kan sich von lieb nicht wenden.

Was! soll ein Fürst mehr macht über dich haben,
Dan Amor selbs, der grösten Götter Gott?
Wirt dan der Krieg dich mit blut mehr erlaben,
Dan dise küß meines munds süß und roht?
Ach nein, mein hertz, laß krieg und Fürsten fahren,
Ein buhler soll seiner Liebsten willfahren.

Was hilft es dir nach lob und ehr zustreben,
Wan ich allein ohn hofnung zagen solt?
Weiser ist der, der seinem freind das leben,
Dan der dem feind den tod mitthailen wolt.
Mein hertz ohn dich kan keinen ruhm vermehren.
Ohn mich dein hertz soll keinen ruhm begehren.

Also thät sich Myrta weinend beklagen,
Da Filodor auch seufzend jämerlich
Sprach, laß uns doch der Götter zorn ertragen,
Du hast mein hertz, Myrta, dein hertz hab ich:
Und wie sehr uns das schaiden nu verlötzet,
So sehr und mehr die widerkunft ergötzet.
(Band 1 S. 264-265)
_____



[105.]
31.
Meine meinung
wie ein Weib zu wöhlen

Mich zu entfreyhen, und ein weib
(Ja vilmehr meinen leib) zufreyhen,
Das Ihr leib mein, mein leib Ihr bleib,
Und es mich nicht mög wider rewen:
Glaub ich, ich soll vertrawen nicht
Eines andern mund noch gesicht:
Zu buhlen und sich selbs zupreisen
Kan ein man selbs das best erweisen.

Damit nu die wahl khün und frey,
So wolt ich anfänglich begehren,
Das Sie solcher Eltern kind sey,
Die an freyheit, frombkeit und ehren
Alter dan ein altes geschlecht.
Eine schönheit fromb und nicht schlecht
Auch ein schlechtes und rechtes leben
Kan selten das blut allein geben.

Zwar waiß ich wol, das gute zweig
Noch von alten bäumen aufschiessen,
Zu deren lob ich nicht verschweig,
Das Sie Ihres stammens geniessen,
Und darumb wehrt, das man sie ehr:
Doch vermein ich auch, das ie mehr
Ein berg sich in die höhin ströcket,
Ie bälder er mit schnee bedöcket.

Furchtloß nu vor der Rew zu sein,
Die uns zu spaht doch bald erschleichet,
Soll meine wahl nicht auf den schein,
Sondern recht nutzlich sein bereichet.
Wer seine freyheit gibt dahin
Umb Stands oder gesichts gewin,
Der kauffet ein pferd zu prachtieren
Darauf Er schimpflich mag verlieren.

Iedoch wolt ich Sie an statur
Und an schönheit vollkommen haben,
Auch das Sie solt (schön von Natur)
Eines Ieden gesicht erlaben:
Gleich wie die Sonn solt Sie schön sein,
Das Sie mit unbeflecktem schein,
Zwar von allen augen gesehen,
Mög doch nur bey mir nidergehen.

So darf Sie auch nicht sein gelehrt,
Vil weniger sprachen studieren;
Der verstand des weibs ist vil wehrt,
Der gnug ist Ihr hauß gnug zuzieren:
Die nur ein solches gespräch hab
Als ein köstliche Gottes gaab;
Und mehr nicht dan mein thun und lassen
(Als mein spiegel) in sich thu fassen.

Ja, ich wolt nicht das Sie mit glimpf
Solt iemand wollen lang vexieren,
Vil weniger mit spot und schimpf
Iemand verlachen und stumpfieren:
Sie soll förchten böse anblick,
Vilmehr böser geberden stück,
Böse buhler förchten zu machen
Ihr für-zu-bringen böse sachen.

Das Sie niemahl ab dem werd roht
Was sie begangen und versaumet;
Das Sie sey keusch, ohn schand und spot,
Das Ihr ie nichts böses getraumet.
Dan die Jungfraw in deren brust
Sich einmahl nistet böser lust,
Die hat, eh Sie thut böse thaten,
Ihrer zucht vöstung schon verrahten.

Sie soll stehts mit forcht, scham und ehr,
Wan ich sie besuch, der lieb pflegen:
Doch wolt ich das sie fruchtbar wär,
Zwar mehr Namens dan wollusts wegen:
Dan die so in dem werck schamhaft,
Hat stehts ein newe Jungfrawschaft;
Und die zucht kan die Trew erhalten,
Das der Heurath nicht kan veralten.

Sie soll, wan sie mir gibt die hand
Vor dem Pfarrern, in Ihr hertz graben,
Wie durch dises hailige band
Got auß uns beed nur eins woll haben;
Wünschend mit mir aus hertzen grund,
Das wir beed in gleicher stund
(Als Aarons steck) zumahl auf erden
Grünen, blühen, tragen, dirr werden.
(Band 1 S. 276-279)
_____



[207.]
3.
Ihr Lob ist unaußsprechlich

Welchen der Götter schatz, der Natur beste kunst,
Des himmels köstlichkeit allhie zu sehen söhnet,
Der segne sein gesicht durch die Schön, deren gunst
Erquicket meinen gaist, und diese welt beschönet.

Doch kommet Er nicht bald, so kommet Er umbsunst,
Dan schon ein ieder Got begihrig nach ihr göhnet,
Damit in purer lieb und gantz hayliger brunst
Er werd mit ehr von ihr, und sie von ihm gekrönet.

Der tugent süsse krafft, der Lieb und Schönheit prob,
Mit der holdseeligkeit und götlichen geberden
In eines Engels leib er sehen wird auff erden,

Bekennend, daß allein des süssen Engels lob
Von eines Engels mund kan recht gesungen werden,
Und daß ohn Sie die welt gantz ellend, arm, und grob.
(Band 1 S. 463-464)
_____



[208.]
4.
Sie ist die gröste Reichthumb

Das prächtigste Kriegsschiff, dem ie das Meer war kund,
Hat keinen mast so hoch, als hoch ist mein begehren;
Kein äncker halb so starck und beissend in den grund,
Als meine lieb und trew, die unauffhörlich wehren.

So knüpfet auch kein sayl noch leyn ein solchen bund,
Als die zart krause haar, die meinen gaist beschweren;
Kein wind bließ iemahl auff die seegel stoltz und rund
Als mich die süsse lufft des rothen munds bethören.

Kein Schiffman hat iemahls in einer schwartzen nacht
Ein halb so klares liecht oder gestirn erblicket
Als hell seind die augstern, mein trost und Amors pracht:

So hat auch noch kein schiff, nach langer fahrt beglicket,
Ein Kleinoth so viel wehrt zu uns von Ost gebracht,
Als dises Kleinoth ist das alle welt erquicket.
(Band 1 S. 464-465)
_____



[209.]
5.
Sie ist gantz lieblich und löblich

Das gold des Morenlands, wie pur es auch kan sein,
Muß ihres krausen haars köstlichem schimmern weichen:
Der rohteste Coral, des schönsten Rubins schein
Ist ihres Rosenmunds reichtumb nicht zuvergleichen:

Und keine perlein seind so weissz, so gleich, so rein,
Als die, die ihres munds red unnd geschmöll bereichen:
So kan auch die Natur und Kunst kein helfenbein,
Das so zart, glat und weissz, wie ihr leib, herauß streichen.

Kurtz, meine Nymff Myrt ist ein Kunst-stück der Natur,
Der hertzenbrunst und wunsch, die herrscherin der seelen,
Der holdseeligkeit quell, der lieblichkeit figur,

Der augen süsse wayd, die todte zu besehlen,
Der Schönheit gantze sum, der Tugenten Richtschnur;
Wie kan ich immer dan, Sie liebend, lobend, fehlen?
(Band 1 S. 465)
_____



[210.]
6.
Venedig gegen seiner Liebsten verglichen

Witzloß war die fürwitz, aufsätzig der fürsatz,
Creutz-geitzig der ehrgeitz, die mich so sehr bethöret,
Daß eines Fürsten will, der Schön und Lieb gesatz
Zuwider, mich gleichwol gehorsamen gelehret.

Dan was seind doch die Brent, Galleen, Marxenplatz,
Die statliche palläst, der schatz so weit vermehret,
Gegen der haaren strom von purem gold bewehret,
Und gegen der Schönheit und tugend grösserm schatz?

Was ist des Hertzogs, Rahts, und Curtisanen prangen
In purpur, scharlach, gold, in bestem saal unnd mahl,
Verglichen mit dem schmuck der lippen und der wangen:

Was seind die Müntz, Zeughauß, geschütz und Arsenal,
Gegen dem schönen aug, das billich (mein verlangen
Zustrafen) so weit ab mich tödet wie ein strahl?
(Band 1 S. 466)
_____



[212.]
8.
Ihr Hertz ist gefroren

Gleich wie ein armer mensch, auß irrdischem verstand,
Vermeinet, horchend zu des Aberglaubens lehren,
Ein schön-gemahltes bild, als seines gaists hayland,
Mit bitten, opfern, lob und anderm dienst zu ehren:

Also, und mehr fehl Ich (witzloß) durch mein begehren,
Wan ich für euch erhöb mein hertz, gesicht und hand,
Wan ich mich darff ab euch beklagen unnd beschwehren,
Da schuldig doch allein mein aigner unverstand.

Ja. Göttin, deren gnad mich könt allein erlaben,
Euch klag ich an umbsunst, umbsunst hoff ich den lust,
Daß ewer hertz mit lieb werd meine lieb begaben.

Dan, solt ich, als ich sah ewrer schnee-weissen brust
Bezauberende bühl, nicht (klüger) gedacht haben,
Daß under solchem schnee ein hertz von eyß sein must?
(Band 1 S. 467-468)
_____




[213.]
9.
Von ihren überschönen augen

Ihr augen, die ihr mich mit einem blick und plitz
Scharpf oder süß nach lust könt strafen und belohnen;
O liebliches Gestirn, Stern, deren liecht und hitz
Kan, züchtigend den stoltz, der züchtigen verschonen:

Und ihr, der Lieb werckzeug, kundschaffter unsrer Witz,
Augbrawen, ja vilmehr triumfbogen, nein, Cronen,
Darunder lieb und zucht in überschönem sitz
Mit brauner klarheit schmuck erleuchtet, leuchtend wohnen!

Wer recht kan ewre form, farb, wesen, würckung, krafft,
Der kan der Engeln stand, schein, schönheit, thun und gehen,
Der kan der wahren lieb gewalt und aygenschafft,

Der Schönheit schönheit selbs, der seelen frewd und flehen,
Und der Glickseeligkeit und Tugenten freindschafft,
In Euch (der Natur kunst besehend) wol verstehen.
(Band 1 S. 468)
_____



[214.]
10.
Der Schönen wunderliche Kunst

Daß auß undanckbarkeit, oder auß mißverstand,
Sie mein lob, lieb unnd layd als einen schimpf verlachet,
Ist mir nicht wunderbar; Dieweil des himmels hand
Sie also raw als schön zu meiner qual gemachet.

Und daß nach dem verlust, ohn alles gegenpfand,
Von seiner hofnung traum mein gaist noch nicht aufwachet,
Ist mir kein wunder auch: Dan meines gaists bestand
Verliebet sich in dem, was sein laid verursachet.

Das aber ist mir frembd, daß ihr so schöner mund
Die, deren hertzen Sie durch ihre blick versehret
So leichtlich lehren kan der hitzigsten lieb grund.

Dan alle meine witz mit wunder wirt beschweret,
Wan Sie so schnell und wol das was ihr selbs nicht kund,
Was Sie nicht lernen will, die dolleste köpff lehret.
(Band 1 S. 469)
_____



[215]
11.
Ihre Schönheit von Rosen und Gilgen

In lieblichem geruch auff frischem grünem thron,
Den tausent Liebelein (auffwartend) allzeit zieren,
Erhube sich die Roß, mit lächlend-süssem wohn,
Als blumen-Kayserin frölich zu triumfieren.

In reicher Mayestet, gleichloß in ihrem wohn,
Mit unbeflöcktem pracht ließ sich die Gilg aufführen,
Vermeinend, demnach ihr allein gebühr die Cron,
Als Königin das land der blumen zu regieren.

Alßbald bewögte sich beeder Princessin schoß
Durch eyfer und hochmuht, der offt die Schönheit quälet,
Sie fangen an den streit, und sparen kein geschoß:

Iedoch ihr hassz in lieb (weil Amors raht nicht fehlet)
Verkehret, hat zu letzt zugleich die Gilg und Roß
Auff ewerm angesicht zu prachtieren, vermählet.
(Band 1 S. 469-470)
_____




[217.]
13.
Ihrer Schönheit übernatürliche Würckung

Ich sah, als ihr gesicht, der Morgenröhtin gleich,
Als ihre zwilling brust, so weiß als schnee zusehen,
Und ihren glatten hals vil taussent ringlein reich
Von ihrem krausen gold umbgaben, Sie auffstehen.

Auffstehen sah ich Sie, so kunstloß als liebreich,
Mit solcher schönheit schatz ohn müh, ohn sorg versehen,
Daß Sie so schön, so früh, in der Lieb Königreich
Kont andern umb mittag gezieret weit vorgehen.

Alßbald ich Sie ersah, O wunder, schryh ich bald,
Was kan von diser brunst und disem band mich freyhen,
Wan götlich Sie an macht, und götlich an gestalt;

Und wan, als sie mir wolt ihr angesicht verleyhen,
Ie bloser ihre brust, ie stärcker ihr gewalt,
Ie freyher ihre haar, ie mehr sie mich entfreyhen.
(Band 1 S. 471)
_____



[218.]
14.
Lieb gegen lieb

Demnach mich Amor selbs nu mehr ein lange Zeit
Gezüchtiget, und recht zu kriegen underrichtet,
Hat endlich sich mein muht, mein lang-erwünschte beut,
Oder den schönsten tod zuerwerben, verpflichtet.

Darumb als in dem feld sich Myrta, nicht mehr weit
Von mir, forchtloß befand, und newe list erdichtet,
Hab, wie sie wider mich, ich wider Sie (den streit
Anfangend) die geschoß der anblick stracks gerichtet.

Das treffen war sehr groß. Dan ihrer augen blick
Nicht nur wie pfeil und plitz, sondern wie grosse stück,
Zerschmetterten mein hertz, vorhin voll taussent wunden.

Endlich hat meine kunst und müh den weg gefunden,
Daß, wie Mein, so ihr hertz, numehr mit gleichem glick
Verwundet, sich ergab, sigreich und überwunden.
(Band 1 S. 472)
_____



[219.]
15.
Schöne haar

O der Lieb liebste garn, der Schönsten schönste haar,
Wan schertzend in dem lufft ihr schon bandloß  umbflieget,
Befind ich doch alßbald, daß ihr mein hertz betrieget,
Und daß ie freyer ihr, ie grösser mein gefahr.

O goldfluß blaich und reich, Goldstriemen wahr und klar,
Wan euch ihr weisse hand in taussent ringlein bieget,
Befind ich auch alßbald, daß ihr mein hertz bekrieget,
Und ie mehr ewre knöpff, ie mehr ich strick erfahr.

Zwar wie solt dises garn doch meine sehl verdriessen?
Ist ein hertz in der welt das disem schatz nicht hold?
Wer wolt nicht einen strom von gold gern sehen fliessen?

O reiche haar, zugleich der Freyheit strick und sold,
Wie ihr, als der Lieb strick, mich pfleget zu beschliessen,
Also belohnet ihr mich auch mit bestem gold.
(Band 1 S. 472-473)
_____



[220.]
16.
Schöne Hände

Glicksselig bin ich wol, weil sie mir ihre hand,
Hand unsers vertrags zeug, und unsers fridens zaichen,
Auch ihrer gunst und lieb unverwürfliches pfand
Numehr, nach meinem wunsch zu küssen, will darraichen.

O hand, die du zuvor mein hertz mit taussent straichen
Gefoltert, du bist nu für meine wund ein band;
O hand, ab deren schnee man mich oft sah verblaichen,
Zuvor ein brand der lieb, du bist nu mein wolstand.

Wan du dan so wol kanst beleben und entleiben,
Und kanst den Göttern selbs der Lieb und Ehr gesatz
Fürschreibend, frewd und layd mitthailen und vertreiben:

So schwör ich dir, O hand, ich schwör bey disem schmatz,
Du sanfftes helfenbein solt fürhin stehts mein schatz,
Und meines lebens hand, band, brand, pfand, wolstand bleiben.
(Band 1 S. 473-474)
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[222.]
18.
An eine, sich alt zu werden beklagende, Schönheit

Nein. Ihr seit noch nicht alt. So zart, so schön, so klar.
Pfleg ich stehts ewer flaisch, farb und aug zuerfahren,
Daß ihr mir billich jung. frisch, hurtig, süß ist zwar
Der glatten jugend Lieb, und Früling unsrer jahren.

Daß unser Sommer auch gantz liebreich sey, ist wahr;
Doch ist die hitz so groß, daß sein gedranck zu spahren
Ihm kaum kan möglich sein: Daher er matt und bahr
Durch der Lieb starcke brunst in taussenten gefahren.

Wan nu, weil noch zu jung, fruchtloß die Frühlings zeit;
Der Sommer vil zu heissz: Ist weder zu verschweigen,
Noch zu erhöben gnug des Herbsts lust-reiche beut.

Dan Er ergötzet Uns mit so Lieb-reiffen Feigen,
Mit solcher Wollusts frucht, daß er ohn allen streit
Die ander übertreff, ihm gnug an zweyen Zeugen.
(Band 1 S. 475)
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[223.]
19.
An eine alte üppige Fraw

Was dienet deine brunst, dein muhtwill und verlangen?
Dein Sommer ist dahin, dein Herbst ist eingebracht,
Dein Winter auff dem halß: umbsunst ist diser pracht,
Nim doch hinweg den busch, lassz ab von deinem  prangen.

Was reich und schön umb dich mag einen geitzhalß fangen,
Wa deines leibs gestäud, wa deiner augen nacht,
Wa deines munds saphir, und deines athems macht,
Deiner brust Corduan, und das gold deiner wangen,

Wa dein von bein und haut, flaischloses angesicht
Nicht dein Ich waiß nicht was, und ehr so wol bewahren,
Daß seine Lieb gewiß, wie dein lob, ein gedicht.

Doch wan er seine lieb, dir sich zu offenbahren
(Meinaydig) schwören solt, So liebet er doch nicht
Wie deines beuttels gold das silber deiner haaren.
(Band 1 S. 475-476)
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[224.]
Von ihrer Schönheit Wundern - Stände

1.
Seind es haar oder garn das kraußlecht, reine gold,
Nach dessen purem schatz die Götter ein verlangen?
Ach! Es seind zarte haar, meiner lieb wehrter sold:
Nein. Es seind starcke garn, da sich die sehlen fangen.

2.
Ein gestirn oder stirn ist dan das helfenbein,
Darauff sich Mayestet, weißheit und zucht erfrewet?
Es ist ein glatte stirn, die hofnung meiner pein:
Nein. Es ist ein gestirn, das die freche betröwet.

3.
Seind es blick oder plitz der schnell und helle glantz,
Darab wir uns zugleich entsötzen und ergötzen?
Ach! Es seind süsse blick auß Amors starcker schantz:
Nein. Es seind scharpfe plitz, so die hertzen verlötzen.

4.
Ist ein brust oder blust der zwirig-böbend thron,
Darauff die Charites den Liebelein liebkosen?
Es ist ein vöste brust, da wohnet all mein wohn:
Es ist ein edle blust von erdbör-gilg-und-rosen.

5.
Ist ein hand oder band der fünffgezincket ast,
Dessen schneeweisser pracht das aug und hertz verblindet.
Es ist ein zarte hand, erleuchtend der Lieb last:
Es ist ein hartes band, das die Freyheit verbindet.

6.
Wie seelig bin ich doch, O haar, stirn, blick, brust, hand,
So köstlich, freindlich, klar, anmuhtig und beglicket!
Daß ich durch solches garn, gestirn, plitz, blust und band,
Gefangen bin, freyh, wund, erquicket und verstricket!
(Band 1 S. 476-477)
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[225.]
Ode oder Gesang, Von Überschönen augen

1.
O Der Lieb wahrer hort und port,
Ihr meiner schönen Myrten augen,
Wan anderst ein so schlechtes wort
Kan euch zu nennen gnugsam taugen!
Zwar augen kan man euch, weil ihrem angesicht
Ihr klare augen seit, zu sein verläugnen nicht:
Doch darff man euch kaum augen nennen,
Weil ihr so schön und tugenthafft,
Sondern von wegen ewrer krafft
Muß man euch himmelisch bekennen.

2.
Zwar mit so wunderreichem pracht,
Damit sich diese augen zieren,
Kan (es sey gleich tag oder nacht)
Der himmel selbs niemahls prachtieren:
Wan schon dem himmel gleich ihr haitter glatte stirn
Erleuchtet dise welt durch Euch, als ein gestirn:
So ist iedoch in euch vermischet
Das braun und liecht mit solchem schein,
Daß es ja muß ein wunder sein,
Wie ihrer iedes Uns erfrischet.

3.
So darff auch mein warhaffter mund
Euch mit der Sonnen nicht vergleichen,
Weil ihr glantz (wie dem Umbkraiß kund)
Muß ewerm glantz und würckung weichen:
Und zwayer Sonnen schein bedeutet krieg und layd,
Da ewer Zwilling liecht erwöcket frid und frayd:
Die Sonn durch ihre brunst beschweret,
Die sie anschawen, mit verdruß:
Da ihr mit süssem lusts einguß
Durch das gesicht das hertz versehret.

4.
Wer sich (glickseelig) kan in Euch
Besehen, wirt reichlich gesegnet,
Dan ihr gantz wunderlich liebreich
Sein hertz mit frewden überregnet.
Die strahlen ewers liechts, und ewers anblicks glantz
Seind zugleich der Lieb pfeil, und auch der keuschheit schantz;
Dan Sie mit lieb und lust entleben,
Und dan mit süsser forcht und ehr
Widrumb belebend, Uns die lehr,
Den Engeln gleich zu leben, geben.

5.
Daher, O augen braun und klar,
Schwartzlecht und hell, wie plitz und dunder;
Der Schönheit und Lieb wieg und bahr,
Der Natur schatz und gröstes wunder,
Gantz übermenschlich schön muß ich mit layd und wohn
Bekennen Euch zugleich der Götter straff und lohn:
Dan ihr könt ja mit ewern blicken
(Der Schönheit, Lieb und Tugent sitz)
Wie durch geschütz, hitz, spitz und plitz
Das hertz zerstücken und erquicken.
(Band 1 S. 477-479)
_____



[226.]

Ode oder Gesang. Von Schönen Händen

1.
Du bist, O zart schnee-weisse hand,
Der beste Zeug die lieb zu weben;
Du bist der Trew erwünschtes pfand,
Damit man kan vernüget leben;
Wan auff der Lieb bit oder frag
Du wilt zu fridlichem vertrag
Stillschweigend deine Zusag geben.

2.
Du kanst, O hand, bald den verdruß
Bald das gefallen verursachen;
Bezeugend zwayer lieb beschluß
Bist du die ursach daß sie lachen:
Gleichwie wan du der buhler schoß
Zuruck verstossest hofnung-loß
Du sie kanst leichtlich weinen machen.

3.
Schnell, lauffend, zittrend, und kunstreich,
Kanst du das Instrument berühren;
Und der wolredenheit recht gleich
In das gehör die hertzen führen:
Und mit schneeweissem hellen glantz,
Und deiner fingern leichtem dantz,
Den thon, die stim, die saitten zieren.

4.
Was immer uns der Natur gunst
Verleyhet, kanst du bald vergleichen,
Und es mit farbenreicher kunst
Bald über künstlich herauß streichen:
Du kanst mit des verstands gesatz,
Und der gedancken grossem schatz
Getrewlich das papier bereichen.

5.
In meiner hand (O süsser lohn!)
Wan du, O schöne hand, gefangen,
Gedrucket druckest du mit wohn
Und lust mein hertz, hand und verlangen:
Gefangen fanget deine Zucht
Also, daß niemahls durch die flucht,
Der dich gefangen, dir entgangen.

6.
Gehalten bist du stoltz und frey,
Du überwindest mich gebunden:
Du bist getrew und ungetrew
Als triumfierend überwunden:
Du pflegest mit unruh und ruh
Ie sanffter und ie bloser du,
Ie tieffer mein hertz zu verwunden.

7.
O zartes, glattes Helfenbein,
Welches die Rosen etwas färben!
O von der Morgen röhtin schein
Gezierter schnee, schwer zu erwerben!
Auff deiner lieblichkeit bericht
Gib Ich dir hiemit meine pflicht
Bey dir zu leben und zu sterben.
(Band 1 S. 479-481)
_____



[227.]
Ode oder Gesang
Von Seiner Lieb und ihrer Rawheit Bestand

1.
An Schön und Rawheit kan man euch,
O Myrta, keine Nymff vergleichen:
An Lieb ist mir auch keiner gleich,
Und an Trew will ich keinem weichen:
Dan hertzen haben wir von stein,
Wie, Myrta möniglich mag sehen,
Ich, außzustehen solche pein,
Ihr, meine pein nicht zu verstehen.

2.
Dan wir ja längst, ohn widerstand,
Beed weichend weren überwunden;
Ihr, Myrt, von meiner Lieb bestand,
Ich, von unzählich schweren wunden:
Also daß die selbs stöck und stein,
Die zu halßstarrig uns nicht sehen,
Mich, auß zustehen solche pein,
Euch, solche pein nicht zu verstehen.

3.
Gantz steinin ist gewiß mein hertz
Gequälet stehts, euch stehts zu lieben:
Das ewrig auch, dieweil mein schmertz
Euch (gnadloß) gar nicht kan betrüben:
Also muß man uns beede stein,
Ja harte felsen sein, wol sehen,
Mich wegen grosser lieb und pein,
Euch meine pein nicht zu verstehen.

4.
Ich hab beständig meine trew,
Alßbald Ich Euch sah, Euch geschworen:
Bey Euch beständig stoltz und frey,
Ist all mein laid und lieb verloren:
Daß also ich an trew ein stein,
Und ihr an stoltz ein felß zusehen;
Ich, ohn ablaß so schwere pein,
Ihr, mein laid ohn laid außzustehen.

5.
Wan dan, O felß an härtigkeit,
Mein weinen Euch nicht kan erwaichen:
Wan ich felß an beständigkeit
Durch undanck nicht kan tods verblaichen;
So seind wir ja zween harte stein,
Ich, solche marter außzustehen;
Ihr, ewer macht und meine pein
Und unsern verlust nicht zu sehen.
(Band 1 S. 481-483)
_____



[232.]
Ode. Anacreontisch

Die Natur hat ein iedes thier
Mit sonderbarer gaab und zier
Sorgfältiglich so wol versehen,
Daß ihrer iedes mag (billich
Vernüget) dessen rühmen sich,
Und neben andern wol bestehen.

Ein horn dem Einhorn auff das hirn
Dem Stier zwey hörner auff die stirn,
Dem Hirsch ein geweyh ist gesötzet:
Die Vögel hat sie durch den flug,
Und die Füchs mit list und betrug
Zu ihrer sicherheit ergötzet.

Der Fisch kan schwimmen, und das Pferd
Ist wegen guten hufs mehr wehrt,
Die Löwen haben zähn und klawen;
Das lauffen ist der Hasen pfand,
Der Man hat götlichen verstand;
Was haben dan die zarte Frawen?

Die Frawen seind mit der Lieb pracht,
Und mit der Schönheit höchsten macht
So unvermeydenlich gezieret,
Daß ihr holdseelige gestalt
Allein regierend, ohn gewalt
Über die hertzen triumfieret.
(Band 1 S. 500-501)
_____



[286.]
Die siebende Ode. Abwesenheit getröstet

1.
Empfindlicher ist kein verschaiden,
Als von der liebsten abzuschaiden:
Dan sunst der allgemeine Tod
Vollendet alle pein und noht,
Und pfleget die sehl durch das sterben
Ein newes leben zu erwerben.

2.
Wan aber zwey verliebte hertzen
Sich schaiden, alßdan ihre schmertzen
Seind überschmertzlich, und die pein,
Zwar tödlich, muß doch ewig sein:
Weil nach dem schaiden und ableiben
Sie tod, und lebendig doch, bleiben.

3.
Zwo liebende geliebte sehlen,
Die ihre küß einander stehlen
Geniessend der lieb süssen trew,
Die könden sich ja nicht bekräncken,
Vil weniger des tods gedencken,
Als aller forcht und sorgen frey.

4.
Doch wie bald wirt ihr trost verändert,
Wan von einander abgesöndert
Ein iedes misset seine sehl?
Indem sie beed grün und verdorben,
Beed lebendig und doch gestorben
Nicht sehend fihlen ihren fehl?

5.
O Lieb, wer kan dich recht beschreiben!
Du kanst besehlen und entleiben,
Vereinigen zu einer zeit
Kanst du mit streit Lieb, mit Lieb streit,
Ja Torheit und Verstand vermählen,
Und dan beleiben und entsehlen.

6.
Was aber kan man von dir klagen?
Was warheit kan man von dir sagen,
O Lieb, dan das, wa du wilt sein
Da ist zu gleich vil frewd, vil pein:
Nicht weiß seind die, die sich verliebet,
Doch wirt die witz durch lieb geübet.

7.
Die Lieb und Torheit uns verdriesset,
Doch ist die Torheit so versüsset
Daß ihr kein wollust der welt gleich:
Die welt (der Torheit Königreich)
Wirt von ihr und der Lieb erhalten,
Sie beed die gantze welt verwalten.

8.
Ach! Hertzlieb, wan mich dein abwesen
Nicht lasset ferr von dir genesen,
So find ich mich auch ohn verstand
Wie ohn Sehl; Es ist eine Schand
Für uns beed, die wir hertzlich lieben,
Und ohn verstand uns stehts betrieben.

9.
Ist dan Lieb wie Torheit zu schelten
So könden sie uns doch vergelten
Mit höchster frewd, trost, lob und lust,
Wan zumahl unsre Sehl und Brust,
Die stehts mit lieb sich mehr entzünden,
Mehr süssigkeit in Narrheit finden.
(Band 2 S. 267-269)
_____



[298.]
Sechster, oder, Stände.
Über vorgemelten Tod

Ach weh! So überschwer ist numehr mein verdruß,
So gar ohn liecht und trost ist meines hertzens Nacht,
Und mit so stehtem lauf vergieß ich meine Thränen
Daß sinckend tieffer stehts in meinem zeher-fluß
Durch meines schweren leyds und fünstern leydens macht
Nichts dan der Tod allein kan und muß alles krönen.

Demnach der schnöde Tod mich leyder! kont entkrönen,
So lieb ich nichts dan leyd, und will nichts dan verdruß:
Ja, daß die gantze welt seh meines schmertzens Macht
So haß ich alle Ruh, und lauf umb tag und nacht,
Dan in den dicken wald, und dan zu einem fluß,
Welchen ich bald vermehr mit regen-reichen thränen.

Befind ich mich dan schier erdruncken in den Thränen,
Und daß ein kurtzer schlaf will meine augen krönen,
Dazu dan ihr getöß verleyhen Wald und Fluß,
So stillet Er doch nicht mein ellend noch verdruß,
Sondern durch den betrug der Träumen und der Nacht
Verbittert Er noch mehr stracks meines schmertzens Macht.

Daher empfindlicher wirt meiner Trübsal macht
Die zwar befürdern wolt durch den sturm meiner Thränen
Mein unentfliehlichen Schifbruch in finstrer Nacht:
Doch kan mich mein unglick noch mit dem Tod nicht krönen,
Weil ein und andrer freind geflissen, ohn verdruß
Mit aller kunst und gunst wolt drücknen des Leyds Fluß.

Wan ich alßdan bedenck der frewden überfluß,
Wan ich zu hertzen führ der schönsten schönheit macht,
Den lieblichen lusts zwang, süß-sawren lieb-verdruß,
Und den sawr-süssen glimpf der lächlend-schönen Thränen,
Wan prächtig Amor mich mit Myrten pflag zu krönen,
Daß ich (Ach! daß ich!) war glickseelig tag und nacht:

Ach! daß ich (sprich ich dan) in ewiger trawr-nacht
Noch mehr auch drincken möcht auß der vergessung fluß,
Und meiner Lieb verlust mit mehrerm verlust krönen!
Ach! wär doch numehr gleich des Leyds krafft der Lieb macht!
Ach! wär doch numehr voll das wilde Meer der Thränen!
Die unerschöpflich nu vergiesset mein verdruß!

Alßdan solt mein verdruß mich bald nach diser nacht
Auß der Lieb über-fluß widrumb mit frewden-thränen
Durch des Tods kurtze macht mit Myrten ewig krönen.
(Band 2 S. 304-305)
_____



[299.]
Über meiner Myrten seeligen Abschid. Sonnet

In welche sich mein hertz, und deren hertz in mir
(Durch brunst der wahren Lieb entzündet) einverleibet,
Die lebet nu mit Got und in mir, für und für,
Hat der Tod (blind und taub) schon leyder? mich entweibet.

Des Himmels Engel-Chor in purer Lieb mit ihr,
Und frölich sie mit ihm die zeit ohn zeit vertreibet,
Weil seelig sie zugleich, und gantz unseelig wir,
Und Er durch sie gantz reich, ohn sie die welt arm bleibet.

Schaw seelig-schönste sehl, wie doch in meiner brust
Der heyligen Lieb glut kan mit den Aschen dawren,
Und was zuvor nur Got, ietz auch der welt bewust.

Dir aber, dem mein leyd kan deine frewd versawren,
Wer du auch bist, wünsch ich, daß für hin kein verlust
Mach dich, wie diser mich, der ich allzeit muß, trawren.
(Band 2 S. 305-306)
_____



[317.]
12.
Die Lieb ist Leben und Tod

Das Leben so ich führ ist wie der wahre Tod,
Ja über den Tod selbs ist mein trostloses Leben;
Es endet ja der Tod des menschen pein und Leben,
Mein Leben aber kan nicht enden diser Tod.

Bald kan ein anblick mich verlötzen auf den Tod,
Ein andrer anblick bald kan mich widrumb beleben,
Daß ich von blicken muß dan sterben und dan leben,
Und bin in einer stund bald lebendig bald tod.

Ach Lieb! verleyh mir doch numehr ein anders leben,
Wan ich ja leben soll, oder den andern tod,
Dan weder disen tod lieb ich, noch dises leben.

Verzeih mir, Lieb, ich bin dein lebendig und tod,
Und ist der tod mit dir ein köstlich-süsses leben
Und leben von dir fern ist ein gantz bittrer tod.
(Band 2 S. 342)
_____



[318.]
19.
Abwesenheit getröstet

Begehrest du, mein schatz, ob ich nicht buhl zuwissen?
Wiß daß ich ja mit dir mein buhlen stehts verwalt,
Und du bist stehts für mir, sydher der lieb gewalt
Dich rein mit Amors pfeil in mein hertz abgerissen.

Nu dises Controfeht betracht ich gantz geflissen,
Iemehr ich es betracht, ie höher ich dich halt,
Iemehr ich lieb, ehr, küß, dein Götliche gestalt,
Kan sie auch nimmermehr gnug lieben, ehren, küssen.

Doch weil schwer-mühtig ich zu diser schweren zeit,
Da stehte kriegs gefahr all weyse köpf stehts übet,
So meinen sie und du mein Hirn fihl auch den streit.

Ihr fehlet aber weit. Dan mich (mit dir verliebet)
Gar nichts in diser welt, dan wie uns der lieb beut
Zugleich erfrewen mög, zufinden nur betrübet.
(Band 2 S. 343-344)
_____



[319.]
21.
Eine Schöne Bettlerin

Als von mir eine Fraw, von Gottes reicher hand
Mit grösserer Schönheit dan haab und gut verehret,
Mit fliegend-schönem haar, und lumpechtem gewand
Umb Got in ihrer noht ein stücklein gelts begehret:

Empfand mit andern ich, daß ihrer augen brand
Vil mehr dan ihre bit mit lieb das hertz versehret,
Und ihr haupt, aug und leib sich (ihrem armen stand
Zu wider) einen schatz unschätzlich reich vermehret.

Darumb, O Reiche Fraw, sprach seufzend ich zu ihr,
Was bettlet diser mund, der würdig zu befehlen?
Und dessen Reichtumb mich arm machet gegen dir?

Dan weder Rubin ihm noch reine Perlein fehlen,
Und das Gold deines haupts will daß selbs (Bettler) wir
Uns deiner freindlichkeit und lieb miltreich befehlen.
(Band 2 S. 344-345)
_____



Herbst-Lied

Die Hürten
Was kan doch angenemer sein
Dan einen Becher gantz voll Wein
In seiner starcken hand, an drucknem mund zu haben,
Und seinen müden leib und geist damit zu laben?
Macht nicht der edle Rebensafft
Durch wunderreich und süsse krafft
Den kalten leib entschauderen,
Die alte Weiber plauderen?
So drincken wir herumb: und küsset ihr mit maß,
So werden frischer wir, so küsset ihr auch baß,
Mit dantzen und drincken
Daß leyd wir versincken.

Die Nymfen
Was kan doch angenemer sein,
Nach lang erlittner Lieb und Pein,
Dan unsern liebsten schatz in unsern armen haben,
Und unser miltes hertz mit küssen zu erlaben?
Kan uns nicht der Lieb eigenschafft
Mit übernatürlicher krafft,
Des Lebens lust erlängeren,
Das hertz mit frewden schwängeren?
So lieben freindlich wir: ihr, drincket nicht zuvil,
Sunst hindert es in euch das lieb-begehrte spihl.
Mit singen und kissen
Von leyd wir nichts wissen.

Allzusamen
Verjagend das leyd Ein iedes aich üb,
Mit drincken und dantzen Mit küssen und singen
Ohn alles Cramanzen Die zeit zu verbringen
In lieblicher frewd, Und frölicher Lieb.


Die Hürten
Hat der Got Bacchus nicht die kunst,
Daß Er durch sein süß-starcke brunst,
Die beste Poësy zu singen und zu schreiben,
Kan, als Apollo selbs, uns lehren und antreiben?
Und dises ist sein eigne zeit
Daß ihm ietz dienen alle Leut
Daß sich die welt verwunderet
Wan Bacchus dumlend dunderet?
So drincket nu herumb, und küsset ihr mit maß,
So drincken frischer wir, so küsset ihr auch baß.
Mit küssen und drincken
Das leyd wir versincken.

Die Nymfen
Wie? hat Cupido nicht die kunst
Daß Er durch Götlich-süsse brunst
Uns von Schönheit und Lieb zu singen und zuschreiben
Mehr dan Apollo selbs kan lehren und antreiben?
Das gantze Jahr ist seine zeit,
Und dienen ihm gern alle Leut,
Er kan uns all deemühtigen,
Er kan uns all begüttigen;
So lieben freindlich wir; ihr drincket nicht zuvil
Sunst fehlet uns mit Euch das süß-gewünschte Spihl.
Mit singen und kissen
Von leyd wir nichts wissen.

Allzusamen
Verjagend das Leyd Ein iedes sich üb,
Mit drincken und dantzen, Mit küssen und singen
Ohn alles Cramantzen Die zeit zu verbringen
In lieblicher frewd Und frölicher Lieb.


Die Hürten
Wer (geitzig) liebet den Rubin,
Nem disen rohten wein hie hin:
Der Muscateller kan das gold selbs mehr bereichen,
So kan der weisse wein dem deemant sich vergleichen:
Er kan vertreiben alles leyd,
Er kan erwecken Lieb und Frewd;
Niemand will Er bekümmeren,
Er macht das antlitz schimmeren.
So drincken wir herumb, und küsset ihr mit maß
So werden frischer wir, so küsset ihr auch baß:
Mit küssen und drincken
Die müh wir versincken.

Die Nymfen
Wer (geitzig) liebet den Rubin,
Von rohten Lefzen nem Er ihn,
Kein gold noch herrlichkeit kan sich der Lieb vergleichen,
Sie ist des Lebens Trost, und ihr muß alles weichen.
Wa die lieb ist, da ist kein leyd,
Und ohn lieb ist kein wahre frewd.
Lieb kan uns all belägeren,
Und Reich und Arm verschwägeren.
So lieben freindlich wir: ihr drincket nicht zuvil
Sunst misset uns mit Euch das süß-geliebte spihl;
Mit singen und kissen
Von leyd wir nichts wissen.

Allzusamen
Verjagend das leyd Ein iedes sich üb,
Mit drincken und dantzen, Mit küssen und singen,
Ohn alles Cramantzen Die zeit zu verbringen,
In lieblicher frewd, Und frölicher lieb.

Die Hürten
Ist Bacchus nicht ein wunder Got?
Die Blaichen kan Er färben Roht,
Die alten macht Er oft, ja auch die Lamen springen,
Geist und hertz kan Er auch in die verzagte bringen,
Den schwachen gibt Er stärck und muht
Den Armen gibt Er gelt und gut,
Die stummen macht Er mutteren
Die Redner macht Er stutteren.
So drincken wir herumb, ihr küsset doch mit maß,
So werden frischer wir, so küsset ihr auch baß:
Mit küssen und drincken
Das Leyd wir versincken.

Die Nymfen
Ist Amor nicht der gröste Got,
Er kan beleben die schon Tod,
Durch ihn kan Alt und Jung, Reich und Arm frölich singen,
Zwey hertzen in ein brust kan Er (hertz-zwinger) bringen.
Wa Lieb, da ist verstand und muht,
Und Lieb ist über gold und gut:
Die Alten sich verjüngeren
Wan sie die Mädlein fingeren.
So lieben freindlich wir, ihr drincket nicht zuvil
Sunst misset ihr mit uns das vil-begehrte spihl.
Mit lieben und kissen
Von Leyd wir nichts wissen.

Allzusamen
Verjagend das Leyd Ein iedes sich üb,
Mit drincken und dantzen, Mit küssen und singen,
Ohn alles Cramantzen Die zeit zu verbringen
In Lieblicher Frewd Und frölicher Lieb.

Corydon
Gnug, gnug, sprach Florido, der Han Euch rufet zu,
Ietz Ewern dantz, gesang und schlaf-drunck zubeschliessen:
Wolan dan gute Nacht, und iedem gute Ruh,
Daß desto früher wir uns morgen wider grüssen.
(Band 2 S. 386-389)
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[375.]
86.
Garten Buhlschafft, oder Kraut Lieb

Ich war in einem schönen Garten,
Da der Braunellen ich must warten;
Alßbald sie kam und sah mich an,
Empfanden wir das Hertzgespan.
Ach! was empfind ich in dem hertzen,
Sprach sie, ich antwort, laß uns schertzen:
Ie läng'r ie lieber bist du mir,
Ja Tag und Nacht lieb bin ich dir,
Laß uns mit maß und ohn Maß lieben,
Laß uns das Nabelkraut verschieben,
Das so süß, under deinen Schurtz.
Ja Knabenwurtz und Ständelwurtz,
Sprach sie, mir allzeit wol zu schlagen:
Liebstöckel mögen wir auch wagen,
Dieweil sie gut für die, die blaich,
So stöck es tief in das Glidweich.
Glidkraut mein glid mit lust durchdringet,
Wan es kein Muterkraut mit bringet:
Auch lieb und süß ist die Manstrew,
Mit Zapfen-kraut die frewd wirt new:
Dan seine Tugent stehts passieret,
So bald es kützlend tief berühret
Die zarte Nackent Hurenhaut
So wirt es gleichsam Seiffenkraut.
Es ist gnug laß nun ab zu schertzen,
Biß wir einander wider hertzen,
Vergiß mein nicht, und bleib doch weiß,
Mein Augentrost. Mein Ehrenpreiß.
(Band 2 S. 430-431)
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[400.]
112.
An die schöne Marina

Ach! sprechet nicht, mein süsses hertz,
Wan ich euch sag, wie groß mein schmertz,
Daß ich pfleg ohn ein F zu Fliegen.
Ich wolt (und schwör es ist kein schertz)
Mit euch stracks ohn ein E. gern liegen.
(Band 2 S. 442)
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[401.]
113.
Ein Rund-umb. An die Marina

Die gantze Nacht und Tag verdriessen,
Marina, mich die süsse blick,
Die scharpfe plitz, die oft und dick
Mein jung verliebtes hertz durch schiessen:
Verdriessen? nein. Vilmehr versüessen
Die liebliche blick mein unglick
Die gantze Nacht.
Darumb so lasset uns geniessen
Der süssen Lieb fruchtreiches glick,
Daß wir uns beed in der Lieb strick
Mit unsern armen selbs beschliessen
Die gantze Nacht.
(Band 2 S. 442)
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[403.]
115.
An die schönste und gaileste Rosina

An Schönheit kan dir keine gleichen,
An Gailheit wilt du keiner weichen,
Ach! wär dein hertz der keuschheit Ruhm,
Gleichwie dein Leib der Schönheit Blum,
So könt dich weitter nichts bereichen.
(Band 2 S. 443)
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[411.]
123.
An meine erste L. die gleich Edele und Schöne S. vom M.

Dein lieblich-singend-schöner mund,
Als dessen stim, zierd und geberden
Die wunder Gottes machen kund,
Erfrewend Himmel, Lufft und Erden,
Solt billich nur von dem allein,
Der ein Lied dichten kan so rein,
Als du es singen kanst, auß lieb geküsset werden.
(Band 2 S. 446)
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[412.]
124.
Von der hipschen Tilgen

Die braunlecht frische Tilg, des alten Jodels Weib,
Unwürsch beklaget sich, außströckend ihren leib:
Kan ich dan tag und nacht nicht meiner schand entfliehen!
Weil ich den gantzen tag mit arbeit, müh und schwaiß
(Zu machen Käß und Schmaltz) muß meine Küh und Gaiß,
Und zu nacht meines Mans alt-hangendes Ding ziehen?
(Band 2 S. 447)
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[413.]
126.
Von Heintz Knollen und seinem Weib

Du bist die ursach selbs, sprach zu dem Weib Heintz Knoll,
Daß unsre junge Baaß (die Hur) den Bauch schon voll,
Weil du ihr liessest stehts hofieren und liebkosen.
Es wär, antwortet sie, ein wunderlicher boß,
Daß ich verschlossen hielt ein schwaches Jung-fraw-schloß,
Zu welchem iederman den schlüssel in den hosen.
(Band 2 S. 447)

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Alle Gedichte aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907

siehe auch Teil 1


 

 


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