Philipp von Zesen (1619-1689) - Liebesgedichte

Philipp von Zesen



Philipp von Zesen
(1619-1689)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 




Das Siebende Lied

j.
ACh! wie eitel seyn die Sachen /
Die uns sollen lustig machen!
Dieses Lachen
und das bittre Zucker-Wort
Das uns an ein solches Ort
Zihet fort /
Da die schnöden Lüste stehen /
Das muß mit der Zeit vergehen
für und für.

ij.
Mein? Wo bleiben die Geberden
Die so weit geholet werden /
Hier auff Erden?
Wird nicht blaß der rothe Mund /
Der so manches Hertz verwundt
auff den Grund /
Dem die schönsten Rosen wichen
und vor Ihm so gar verblichen?
Er muß fort.

iij.
Alle Lust und Freud' ist flüchtig /
Alles / was wir thun / ist nichtig /
gantz untüchtig;
Selbst der Leib / ob er gleich schön /
Kann die länge nicht bestehn /
muß vergehn.
Ja der gantze Kreiß der Erden
Muß durch Gluth zu nichte werden
Mit der Zeit.

jv.
Wohl! was wollen wir noch prangen
und der eiteln Ehr' anhangen
mit Verlangen?
Da doch alles nur verschwindt /
Was man hier auff Erden findt /
Wie der Wind;
Drüm wil ich nach jenem trachten
und das Weltliche verachten:
Welt Ade!
(Band 1 Erster Teil S. 163-164)
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Das Achte Lied

Auff einen schönen Lust-Platz
Nach der Melodey:
Itzund kömmt die Nacht herran

j.
WOhl dem der sich für und für
Letzen kann und laben hier /
Wo die schönen Blumen stehn
und die glatten Hirsche gehn.

ij.
Hier ergießet sich ein Fluß /
Der das Feld befeuchten muß /
Von den Alben nimmet Er
Seinen Gang und leufft anher.

iij.
Hier ist ja die güldne Spur /
Hier bekleidt sich die Natur
Mit Tapeten überall
untermänget mit Korall.

iv.
Das verbuhlte Lufft-volck singt.
Mit dem Staar die Lerche ringt /
unsre Vogel-Meisterin
Nimmet doch den Palmen hin.

v.
Dich du schönste Nachtigall /
lobet selbst der Widerschall /
Echo das verliebte Kind
Nach zu ruffen dier beginnt.

vj.
Hatt Athen wohl solche Lust /
als dier itzund ist bewust?
Hat Adonis und Lucan
Solche Lust geschauet an?

vij.
Nein. Hier ist der Götter seyn /
Hier ist Pallas Sitz allein /
Hier ist Venus und ihr Sohn /
Hier ist Phöbus und sein Thron.

viij.
Alle Götter wohnen hier /
und genießen deiner Zier;
Deine Liebligkeit und Lust
Ist uns Nymphen wohl bewust.

jx.
Drüm sey fruchtbar fort für fort /
Du O wunder-schöner Ort /
grüne / blühe / weil auffsteht
Phöbus / und zu Bette geht.

x.
und ihr Vogel tiereliert /
Weil das Gold die Sonne führt;
Macht Euch lustig / euer Schall
Soll erklingen überall.
(Band 1 Erster Teil S. 164-166)
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Das Neunde Lied

Von Sapphischen Versen
Fast nach dem Griechischen der Edlen Poetin Sappho
Faietai moi keinoV Qeoisin

j.
WEr stets mag sitzen neben Dir / o Schöne /
Schauet dein lachen / höret dein Gethöne /
Der kan den Göttern gleich geschätzet werden /
billich auff Erden.

ij.
Diß macht mein Hertze gantz und gar verzücket;
Da ich nur einmahl dein Gesicht erblicket /
bin ich verstummet; vor den süßen Reden
muß ich erblöden.

iij.
Es steht die Zunge / kann auch nicht mehr sprechen /
Weil mier die Stimme schone wil gebrechen /
Ich bin entzündet / die verliebten Flammen
schießen zusammen.

jv.
Das Ohr erklinget / beyde Lichter weichen /
Der Schweiß durchdringet mein Gebeine ingleichen /
Schauern und zittern fallen hin und wider
über die Glieder.

v.
Ich bin verblasset wie die dürren Kreuter /
Fast gantz entseelet / kann auch gar nicht weiter /
Der Athem schwindet / daß ich nun muß werden
schleinig zur Erden.
(Band 1 Erster Teil S. 166-167)
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Das Eilffte Lied

j.
WEr hat der Venus solche Macht gegeben?
Es muß ja alles Ihr zu Willen leben;
Wirfft nicht Cupido über alle Lande
Ketten und Bande?

ij.
Alle Gewalten legt Er Ihm zu Füßen:
Er als ein Blinder kann so grade schießen /
Willig und gerne muß Ihm dienstbar werden
Himmel und Erden.

iij. /
Mars weicht ihm selbsten / Jupiter auch fühlet /
Der sonst mit Donner / Blitz und Hagel spielet /
Den Pfeil der Liebe: muß vor Ihm sich schmiegen
neigen und bügen.

jv.
Kann Er doch selbsten seine Mutter zwingen /
und sie ins schwere Joch der Liebe bringen;
Wie solt' es kommen / daß Er dich nicht finden
könte zu binden.

v.
Wenn du gleich wohntest / wo sich Phöbus leget /
und wo Er wieder seinen Wagen reget /
Würde dich dennoch mit den süßen Pfeilen
Dieser ereilen.

vj.
Drüm gib dich willig / Du o mein Verlangen /
Du wirst doch sonsten anderwerts gefangen /
Bleib / wiltu bleiben / diß mein Hertz und Leben
wil ich Dier geben.
(Band 1 Erster Teil S. 168-169)
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Das Zwölffte Lied

j.
SOnne / laß scheinen deine Rosen-wangen /
Die mit Rubienen völlig einher prangen /
Komm / ach du Fürstin der Gestirnten Felder /
ziere die Wälder.'

ij.
Schmücke dich herrlich mit geflammten Haaren /
Laß durch den Himmel deine Rosse fahren /
Eyle / die Vogel hör ich schon erschwingen /
Singen und klingen.

iij.
Nun seyd willkommen / ihr geehrten Stunden /
Die mich dem trauren gantz und gar entbunden /
Nun seyd gegrüßet; Weil wir können meiden
Trauren und Leiden.

jv.
Diß ist die Stunde / Lieber / laß uns schreiben /
Laß uns mit Liedern diese Zeit vertreiben.
Meine Geliebte wil die süßen Schmertzen
tilgen im Hertzen.

v.
Ach hört! die Pferde / die geschwinden Pferde /
Schnauben und rennen frölich auff der Erde /
Sie bricht mit Freuden durch die schöne Wälder
Wiesen und Felder.

vj.
Lachet ihr Thäler / ihr begrünten Auen /
Lasset uns wider diese Freude schauen:
Die uns der Ostwind vormahls hat entführet /
Kommet gezieret.

vij.
Sey uns willkommen / du o Zier der Zeiten /
Lilien und Rosen müssen wir ausbreiten /
Wo du / mein Leben itzo pflegst zu gehen /
sitzen und stehen.

viij.
Dein Abseyn machte / daß die grünen Wiesen
Müsten verwelcken und die Winde bliesen
Nicht mehr so sanffte / da der Wind aus Norden
stürmisch war worden.

jx.
Ey nun so leb' ich stets in vollen Freuden /
Es soll uns niemand von einander scheiden /
Kein Neid / kein Trauren / keine Noth und Leiden
Sollen uns scheiden.
(Band 1 Erster Teil S. 169-171)
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Lob- Lust- und Liebes-Lieder
Sechstes Dutzend
Das Erste Lied
Von meinen eignen Versen

j.
Tugendreich / mein selbst-eigenes Hertze /
Blume der Zeit / mein Alles und Nichts /
Fackel und Licht des irrdischen Lichts /
Gönne mier doch / daß itzo mein Schmertze
Möge vergehn durch deinen Anblick /
Blicke mich an / so lob' ich mein Glück.

ij.
Solte / mein Lieb / die Feder beschreiben
Deine Gestalt / dein' Augen und Zier /
Müst' ich dich selbsten sehen allhier /
Deine Gestalt die müste mir bleiben
Immer vor Augen / immer im Sinn /
Sonsten ich selbsten Augen-loß bin.

iij.
Eyle mein Schatz / verweile nicht lange /
Eyle mein Lieb / der Garten ist hier /
Welcher abbildet dein' eigene Zier /
Rosen die Lippen / Liljen die Wange /
Nelcken den Halß / Narcissen die Brust
Zeigen an deinem Leibe mit Lust.

jv.
Deine sehr-schön-geflammete Zöpffe
gleichen dem Klee und weichen Ihm nicht /
Sonderlich wann dein schönes Gesicht
Strahlen einmischet / müssen die Köpffe
unserer Blumen sincken alsbald /
spüren die Macht der schönen Gestalt.

v.
Blühe nun fort du Rose der Zeiten /
Blühe so lange Venus regiert /
Gönne mier das / was / Schöne / dich ziert:
Deine Leit-Sterne müssen mich leiten /
Sonsten verirrt sich balde mein Sinn /
Sihe / mein Schatz / wie traurig ich bin.
(Band 1 Erster Teil S. 176-177)
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Das Ander Lied

Von Anapästischen Versen
darinnen der letzte Vers in jedem Gesetze hincket
Auff eine Hochzeit

j.
Was seh ich / was hör ich die Lüffte durchstreichen!
Ach! kommet Herr Breutigam / sehet ümm euch /
Ach! sehet die Flammen / die Zeichen ingleichen /
Wie pralen die Stralen / ich werde fast bleich;
Es zittern die Glider
wie Flittern / ein jeder
verwundert sich sehr /
Es nahen die Strahlen je mehr und mehr.

ij.
Ists etwa das Feuer der springenden Ziegen?
Wie? oder ein Irrwisch so Menschen verführt?
Mit nichten. Ich sehe den Liebes-Gott flügen /
Sein Antlitz ist also mit Flammen geziert:
Er nähert sich immer
Dem Frauen-Gezimmer /
Wirfft Stralen herfür /
Ach sehet Er sitzet auch schon allhier!

iij.
Ach! schöne Braut / schauet er spannet den Bogen /
Er zielet nach euerem Hertzen / dückt Euch!
Ach eylend! ach eylend! O seyd Ihr betrogen?
Wie werden die Lippen und Wangen so bleich /
Kein Athem sich findet /
Die Sprache verschwindet /
Bringt Wasser und Kraut /
Kraut / Wasser her / Wasser her! kühlt die Braut.

jv.
Erschrecket doch aber nicht alle zusammen /
Ihr Jungfern / und werdet nicht balde so roth:
Sie fühlet von Liebe nur innerlich Flammen /
Sie lebet noch gleichwol und lieget nicht todt.
Die Liebe das machet /
Worüber Ihr lachet
so hönisch und viel /
Hier spiegelt Euch itzund an diesem Spiel.

v.
Sol Venus Euch / Schöne / so balde bezwingen /
Recht! ruffet ein jeder / wem dieses bewust /
So wolt ich ins Kloster auch zihen mit springen /
Wo Nonnen und Münche sich paaren mit Lust;
Wo Tugend und schertzen /
Wo Jugend und hertzen
Beysammen sich findt /
Die sehenden führet das blinde Kind.

vj.
Das müssen wir lachen / die Kräntze zubrechen /
Wie sehet Ihr / Schöne / so sauer uns an?
Ins Kloster zu ziehen war Euer versprechen.
Nun habet Ihr dieses nicht wacker gethan!
Es geben Euch heute
Das letzte Geleite
Die Freunde dazu:
So kommet die Jungferschafft auch zur Ruh!

vij.
Der Himmel / die Sterne / das gütige Glücke /
Seyn sämmtlich Euch günstig und lachen Euch an;
Es zihet der Himmel das böse zurücke /
Es flinckert und blinckert der Sternen-Altan.
Das Glücke sich zeiget Anitzo geneiget /
Drüm eylet zur Ruh!
Sie sagen Euch alle viel gutes zu.
(Band 1 Erster Teil S. 177-179)
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Das Fünffte Lied

j.
O Spiegel der Tugend / wie daß du mit schweigen
Die lieblichen Stunden der Jugend verbringst /
Kann diese Musike dein Hertze nicht beugen /
Daß / Schönste / du selbsten zur Fröligkeit dringst?
Laß schimmern die Blicke /
Komm / schaue zurücke
Die Sonne sucht dich:
Dein langes verzihen /
Dein stetiges flühen /
Wie kan es die Nächte so dulden üm sich?

ij.
Die Sonne verfünstert sich selbsten und scheidet /
verlässet am Himmel die güldene Spur /
So ferne dein Leben ihr Angesicht meidet /
Du andere Sonne / du schöne Figur.
Kom unser Verlangen /
Laß blicken die Wangen /
Dein güldenes Licht;
Laß hören dein singen
Dein liebliches klingen /
Sonst werden die Tage vor trauren zu nicht.
(Band 1 Erster Teil S. 184)
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Das Sechste Lied
Auff C. W. Hochzeit

DIE JUNGF. BRAUT.
Komm Liebster / ich warte mit großem Verlangen/
Ach eyle / der silberne Monde bricht an;
und zeiget am Himmel die lieblichen Wangen /
Er scheinet und gehet die güldene Bahn;

Es wincken von ferne
Die lieblichen Sterne /
Sie reitzen zur Lust;
Drüm laß uns hineylen
mit keinem verweylen /
Wo schertzen und hertzen uns immer bewust.

Daselbsten soll keiner uns beyde verhönen /
Noch schwatzen aus unserer Schule / wohlan!
Wier wollen nach diesem nicht weiter uns sehnen /
Was unsere Hertzen vor diesem gethan:
Wier wollen uns letzen
im lieben ergötzen /
Es schweiget die Nacht /
Weil unsere Sinnen
Nur Freude beginnen /
Weil unsere Hertzen auff schertzen bedacht.


DER HERR BREUTGAM.
Vom Himmel kömmt dieses mein einigs Verlangen /
Mein Hertze / mein Leben / mein edeler Schild /
Wie artlich sind ihre so zierliche Wangen
Mit Purpur und Liljen und Rosen erfüllt?
Ihr freundlich sehn zwinget /
Zur Liebe mich bringet
Ihr rößlichter Mund:
Wann Cynthia lachet /
Wann Phöbus erwachet /
Hatt meine Geliebte mein Hertze verwundt.

Drüm wollen wir / Schönste bey Zeiten uns letzen /
Ich folge der Liebsten / Sie gehe voran.
Wir wollen uns hertzlich mit schertzen ergötzen /
Wir haben dem Tantzen Genüge gethan!
Wier wollen nun eylen /
Nicht ferner verweilen
und leschen die Gluth:
Wier wollen uns laben /
Das trauten vergraben /
Wir wollen erfrischen und letzen den Muth.

COHR.
So recht! geht hin und schertzt Euch satt /
Wo Lieb' und Lust ihr Ankunfft hatt /
Ihr wohlgetrauten Beyde:
Es wündscht Euch Glück ein jedermann /
Der nur die Seiten zwingen kann /
Stimmt an zu eurer Freude;
Es geht und steht
Bey Euch Beyden / nur in Freuden /
geht und liebet /
Weil kein unfall Euch betrübet.

Gott wird Euch segnen Tag und Nacht
und durch der Engel treue Wacht
Euch für und für bewahren /
Der güldne Friede soll auffgehn
und stets üm Euer Bette stehn
Wo Lieb' und Lust sich paaren /
lebet / schwebet
ohne Leiden / nur in Freuden /
Wie wir alle
Wündschen ingesammt mit Schalle.
(Band 1 Erster Teil S. 185-187)
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Das Neunde Lied
Als ihm seine Hertz-aller-
Liebste solte vertrauet werden

j.
Schönste willkommen / ach Liebste willkommen /
Deine Geberden / o edeles Bild /
Haben uns gäntzlich das Hertze genommen /
Sehet / ihr Brüder / das doppelte Schild
mit Perlen besetzet /
die Augen ergötzet
die Adliche Zier:
Die Lippen / ach schauet!
seyn immer betauet /
Welches von Hermon der Höchste schenckt Ihr.

ij.
Ihre Gespielen seyn Adel und Tugend /
Stärcke / Gerechtigkeit / Klugheit und Zucht /
Welches am nützesten unserer Jugend /
Sonsten ist alles geneiget zur Flucht.
Begehrstu zu singen
Von künfftigen Dingen /
Das zeiget sie Dier;
Sie lesset bekräntzen
im itzigen Lentzen
unsere Heupter in träfflicher Zier.

iij.
Sehet ihr Töchter! ach sehet uns stehen /
Sehet das überaus schöne Geschenck /
Helffet das Freuden-Fest alle begehen /
Trincket das edele Freuden-Getränck.
Ach! trincket und esset
Des Leides vergesset
Zu itziger Zeit:
Es kommet gegangen
in röthlichen Wangen
unsere schöne Sophia bereit.

jv.
Laßet die lieblichen Lauten erklingen /
Laßet die Geygen erschallen allhier /
Laßet uns singen / die Stimmen erschwingen /
Bachus gibt Reben-Safft / Ceres giebt Bier /
Kommt laßet uns tantzen
und trincken zu gantzen /
Ihr Brüder itzund:
Macht Freuden-Gethöne
Daß unsere Schöne /
unsre Sophia mag leben gesund!
(Band 1 Erster Teil S. 191-192)
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Das Eilffte Lied

j.
Dle Fillis unlängsten sich einsam befande /
Nächst einem Gebüsche bey Corydons Strande /
Sie forschte die Sterne bey schattichter Nacht /
Ob irgend der Himmel sie hette bedacht:
Sie suchte Propheten /
Laß fleissig dabey
Die guten Planeten /
Sie suchte / wo irgend ihr Liebester sey.

ij.
Im siebenden Hause stund kräfftig die Sonne /
Im dritten sich eben auch gutes entsponne /
Das machte Sie frölich und sagte / wohlan:
Nun setz' ich das klagen und zagen hindan:
Ich habe gesehen
Ein Zeichen allhier /
Bald wird es geschehen /
Mein Buhle wird balde sich nahen zu mier.

iij.
Sie wolte noch ferner besehen die Finger /
Sie suchte die Freyer und fande nichts ringer /
Am kleinesten waren drey Striche zu sehn /
Ey sagte sie balde- Nun wird es geschehn:
Ich werde bekommen
Drey Männer / fürwar!
Ich hab' es vernommen /
Sie werden mich lieben in aller Gefahr.

jv.
Nun weichet ihr Sorgen / ach! weichet von hinnen /
Ich werde nun immer was liebes beginnen /
Ich laße den Schmertzen / das traurige Weh;
Ich mache mich lustig: Drüm trauren ade.
Nun kann ich mich üben
In völliger Lust;
Nun werden mich lieben
Die / denen mein schertzen und Hertze bewust.
(Band 1 Erster Teil S. 194-195)
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Jugend-Flammen /
in etlichen Lob- Lust und Liebes-Liedern
Zu Lichte gebracht

Das zweite Lied
An die lieb- und freund-seelige / schöne Adelmund /
die liebliche Liebes-reitzende Liebes-meisterin.
gesetzet durch Malachias Siebenhaaren

1.
Wie ist es? hat liebe mein leben besessen?
wie? oder befindt sie sich leiblich in mier /
o liebliches Leben. Wem sol ichs zumessen
daß meine gebeine so zittern für Ihr.
Ich gehe verirret / verwürret und trübe /
und stehe vertüffet in lieblicher liebe.

2.
Die ächzenden lüfte / die seufzenden winde /
die lächzende zunge / der augen gewürr' /
das böben der glieder macht / daß ich verschwinde /
daß ich mich in meinen gedanken verirr'.
Ach! Schöne / Sie schone der schwächlichen Seelen /
wan Sie das gebrächliche hertze wil kwelen.

3.
Ihr übliches lieblen / o liebliches leben /
der lieblenden äugelein frölicher plitz /
macht / daß ich verzükket herümher mus schweben /
ja / daß ich verlüre gedanken und witz.
Das liebliche singen der zitternden zungen
hat mier das hertze durchdrungen / bezwungen.

4.
Sie lieb' ich / Sie Job' ich / Ihr leb' ich zu liebe /
Sie ehr' ich / Sie hör' ich / Ihr kehr ich mich zu:
Sie machet es / daß ich im lieben mich übe /
daß ich verschertze die hertzliche ruh.
Sie schreib' ich / mich treib' ich / Ihr bleib' ich ergeben;
Sie denk' ich / mich kränk' ich / Ihr schenk' ich mein leben.
(Band 1 Erster Teil S. 272)
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Das dritte Lied

An seinen träu-beständigen Freund /
Den Deutsch-hertzigen /
als Er von Ihm abschied nahm
gesetzet durch Malachias Siebenhaaren

1.
Wan ich bestürtzt und traurig bin /
so ists üm dich / o Liebster meiner Lieben /
wil du den deutsch-gesinnten sinn /
o deutsches Hertze / wilst betrüben.
Ich fühle mich gerührt:
die hälfte meines hertzens
hastdu mier schohn entführt /
du brun-kwel meines schmertzens.

2.
Die liebe / die von Frauen rührt /
entzündt sich bald / und hitzt wie feuer-flammen;
doch wird sie nicht so hoch geführt /
und hat die augen nuhr zu Ammen:
die aber / die aus träu /
aus freundschaft / zwischen freunden
entspringt / ist alzeit neu /
und steht bei freund und feinden.

3.
Die letzte treibet mich und dich
uns hold zu sein / du Auszug meiner sinnen;
und diese macht es / daß ich mich /
indem du ziehst so weit von hinnen/
für wehmuht kwehlen mus:
die zunge kwillt im munde
und schweigt den letzten grus
in deiner abschieds-stunde

4.
Dein lob wil ich mit Demant-stein
aufs lichte glas der ewigkeiten schreiben /
und deinen unverfälschten schein
zu jenen Helden einverleiben;
da wird die Leicht-ahrt dich /
die falsche / sehn mit schmertzen /
und Roselinde sich
erfreun von gantzem hertzen.

5.
Vergis der falschen immerhin /
und mache dich zur träuen Roselinde:
es folgt dier nach mein hertz und sinn /
und wündscht dier alle guhte winde.
Gedenke meiner dan
wan du sie lässt erwarmen /
die dich so liebgewan /
in deinen träuen armen.

6.
Wohl! weil es ja getrennt mus sein /
und ich alhier noch diesen winter leben /
so wil ich manchen kühlen wein
dem halb-beraubten hertzen geben /
damit dasselbe teil /
das du ihm hast entzükket /
auch sei gesund und heil /
und du mit ihm beglükket.
(Band 1 Erster Teil S. 273-275)
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Das fünfte Lied

an die übermenschliche schöne Himmelshulde /
als Er Sie auf der Lauten spielen hörete
gesetzt durch Malachlas Siebenhaaren

1.
Schöne / wie mag dieses kommen /
daß mich ihrer Lauten-klang /
die Sie kaum zur hand genommen /
macht so balde liebe-krank /
daß die sinnen schwächer werden /
und sich neugen hin zur erden /
daß mich ihrer augen blik
ziehet aus mier selbst zurük.

2.
Mit den fingern mag sie spielen /
aber mit den augen nicht;
dan die kraft macht schmertzen fühlen /
die aus ihren blikken bricht;
ja / was mehr ist / ihre zunge
reget mier auch hertz und lunge /
wan sie so beengelt singt /
und mich fast zum sterben bringt.

3.
Ja nuhn kan ich leichtlich gläuben /
daß Orfeus durch seinen klang /
wie die weisen Dichter schreiben /
das vertutzte wild bezwang /
weil itzund Ihr süßes spielen
die vernunft mus selbsten fühlen /
und / o Engel-mänschen-bild /
nichts für ihren strahlen gilt.

4.
Ihre laute / die sie führet /
ist mit bändern schön bestrükt /
die aus lieb' und gunst gerühret /
könt' ich auch so sein beglükt /
daß ein lied aus gunst geschrieben /
meine Schöne möchte lieben /
und derselbe / der es schreibt /
Ihrer gunst sei einverleibt.

5.
Sie ist ja zur gunst gebohren
denen / die Ihr günstig seind /
und zum lieben auserkohren /
drüm werd' ich Ja nicht / als feind /
so unglüklich bleiben müssen;
bin ich doch auf nichts beflissen
als auf ihren hohen preis /
der von keinem weichen weis.

Spruch.
Wan liebe bei liebe ist / dan weis
liebe nicht was liebe ist: wan
aber liebe von liebe ist / dan weis
erst liebe / was liebe gewesen ist.

Spruch-reime.
So lange liebe nur der liebe stehet bei /
weis liebe selbsten nicht / was recht die liebe sei:
wan aber liebe sich von lieb' entfernt und trennet /
dann weis erst liebe recht / was liebe ward genennet.
(Band 1 Erster Teil S. 280-282)
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Das sechste Lied

als die Götliche / Himmelsflammende Rosemund /
Die Schönheit der welt /
Die Zierde des Erdkräuses und
Der fast einig-würdige Ruhm
der himmlischen Dicht-meister /
Ihren Gebuhrts-tag / den ersten des
Meiens / hoch-feierlich beging
gesetzt durch Mal(achias) Siebenhaaren

1.
Wie mag das Rosen-kind verzühen?
Gegen-stimme: Es wird blühen.
Wan sol es dan die blüht' erreichen?
G. zeit mus weichen.
So würd die zeit uns noch erfreuen?
G. gantz verneuen.

2.
Da kömmt der ältern wundsch und freude /
G. augen-weide.
Der schönsten bluhmen Königinne /
G. Halb-göttinne.
Ein kind das schöner nie erkohren
G. noch gebohren.

3.
O schönes Fräulein sei wilkommen /
G. allen Frommen.
O Florentine Dorotee /
G. halt und stehe /
entfange doch das lust-getöhne /
G. o du Schöne.

4.
Sih' an der Sonnen freuden-blikke /
G. liebes-strükke.
Sih' an die bluhmen / wie sie winken;
G. lieblich blinken.
Die noch der perlen-tau befeuchtet /
G. strahlt und leuchtet.

5.
Es wündscht Dier alles langes leben.
G. Glük darneben.
Ei lebe! lebe! grühn' und blühe!
G. ohne mühe:
auf daß dein Bluht mit ehren prange.
G. Lebe lange!
(Band 1 Erster Teil S. 283-285)
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Das siebende Lied
an die träulich-gesinnte schöne Ludwiche /
als Er von Ihr seinen abschied nehmen muste
gesetzet durch Mal(achias) Siebenhaaren

1.
Ludwiche / weine nicht / mein trautes bild / schweig stille /
halt inne! dan dein wille
ist ja der meine nicht / und kan es auch nicht sein;
dan Rosemund ist mein /
die nuhn zehn mahnde lang sich ohne mich befunden
im reichen Niederland‘ / am blanken Amstelflus /
bei Der ich wiederüm die freud‘ erneuren mus
in mehr als tausend stunden.

2.
O Schöne / denke nicht / daß ich zu euren sitten
von meinen ab-geschritten.
Nein / nein / ein Deutsches hertz ist nie so leichte nicht;
wer pflicht und träue bricht /
ist euren Dienern zwar / doch Deutschen nicht zu gleichen.
Du sprichst selbst wider dich / wan du die Deutschen preis'st/
und ihre fäste träu so sonnen-klahr erweis'st /
(ja willig bist zu weichen.)

3.
Du lobest das / was du von mier begehrst zu brechen /
die Deutsche träu zu schwächen.
Ich ehre dich / weil du so tugend-eifrig bist /
und was es sonsten ist /
o tugendhaftes Bild / warüm ich dich kan loben;
sonst hätt' ich nicht einmahl die feder angesetzt /
und mich mit wechselschrift so oft mit dier ergetzt /
ja dich so hoch erhoben.

4.
Nuhn weil ich mus von Dier den bittern abschied nehmen /
so wirstdu dich bekwehmen /
und dich nicht also gar in trübnüs laßen ein;
ei laß das weinen sein!
Die alte Deutsche träu sol unverrükt bestehen.
Dich küss' ich noch zuletzt nach deines landes brauch /
und bleibe Dier geneugt / so lang' ein wind und hauch
aus meinem munde gehen.
(Band 1 Erster Teil S. 286-288)
_____



An die tugend-eifrige Engelmund.
auf die weise:
Träu im lieben / uam.

1.
Engelmunde /
wil die stunde
mier gönnet ihr gesicht;
so mus ich preisen
mit engel-süßen weisen
ihr tugend-licht.
Dan balde mus ich scheiden.
Ach! was für kurtze freuden
hab' ich bei Ihr! mein sonnenlicht verbleichet.
Engelmunden / Engelmunden / Engelmunden strahl entweichet.

2.
Engelmunde
hat die stunde
durch ihren engel-mund /
den man betauet
mit engel-tranke schauet
bis auf den grund /
verzukkert und versüßet.
Ihr süßes sprechen flüßet
wie honigsäum. Nuhn wil sie weichen.
Engelmunden / Engelmunden / Engelmunden blikke bleichen.

3.
Engelmunde
sucht die kunde /
die ihr nuhr rühmlich ist.
Hochweise sinnen
befördern ihr beginnen
zu aller frist.
Ihr keusches hertze liebet
den jenen / der sich giebet
der tugend selbst. Nuhn mus ich scheiden.
Engelmunden / Engelmunden / Engelmunden mus ich meiden.
(Band 1 Erster Teil S. 289-290)
_____


An die Wohlädel-gebohrne Schatz-währt

1.
Sol ich solche hohe tugend /
die uns reisset aus uns hin /
Schatz-währt / solchen weisen sin /
solche zier der zarten Jugend /
den sie bliklich kan erweisen /
mit geschränkten liedern preisen?

2.
Gerne wolt' ich solches zahlen /
was die schöne Ledar heisst;
aber ihrer tugend strahlen
tränken meinen ganzen geist /
daß ich mich nicht kan besinnen
ein so hohes zu beginnen.

3.
Doch ich kan so viel noch denken /
daß ihr Liebster ihr ist hold /
weil sie ihm das hertz kan lenken /
und sie höher hält als gold /
als ein reiches kaufmans-schif /
das der wind im Ost anpfiff.

4.
Warlich er ist hochbeglükket /
daß ihn solch ein wunder-bild /
solche schönheit / helt bestrükket /
die noch mehr als perlen gilt.
O wie wohl ist der daran /
der so glüklich leben kan!
(Band 1 Erster Teil S. 292)
_____



Als er von einem hochadelllichen Frauenzimmer
der lustigen / Schatz-währt /
scheiden muste
auf fürhergehende stimme

1.
Ach weh! wie ist mein hertz mit angst und schmertz ümgeben
Nichts ist / das trösten kan mein als-entseeltes leben;
Nichts ist das laben mag mich armen in der pein /
An der ich itzund mus so fest verhaftet sein.

2.
Mein abschied ist einmahl / ja mehrmahl / ausgesprochen /
Auf Deutschland steht mein sin / da ich in wenig wochen
Rund üm den Elben-strohm von Holland singen will.
Gott gebe / daß der wind mier werde from und stil.

3.
Richt auf dein klares häubt / Du Königin der sterne /
Erleuchte mich und die / die mir seind hold von ferne.
Träu bleib' ich bis zum tod' / und wündsch' euch tag und nacht /
Auf see und land / daß euch der himmel nehm' in acht.
(Band 1 Erster Teil S.293)
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Das zehnde Lied
an die mit allen tugenden mildiglich begabte /
und mit allen schönheiten folkömlich-gezierte Adelinde /
als er ihrer lieben hand in der ersten ansprache
ein küslein abgestohlen.
gesetzt durch Peter Melern

1.
Wer giebt / o mund / dier diesen muht /
daß du durch blasses lippen-bluht
beschmutzst den heilgen schnee der hände /
der durch der heissen seuftzer Pflicht
wohl schmältzen solte / wan er nicht
wer' unentfündlich sonder ende.

2.
Vergib mier / schöne hand / den kus /
den ich gezwungen geben mus /
vergib es mier / o Adelinde;
die schuld ist deiner glieder zier /
die fordern diesen kus von mier /
verfolgt durch tausend hertzens-winde.

3.
Du liebe hand / sei tausendmahl
und mehr beglükt / ja ohne zahl
durch mein geträues hertz beküsset;
nim an der müden seele geist /
der Dier auf kniehen dienste leist /
und deine Göttin götlich grüsset.

4.
O Adelinde / liebstes Kind /
das keine mutter schöner findt /
verleih mier blikke deiner gnade;
entzeuch auch deine liljen nicht /
noch die zwei-fache rosen-schicht
dem sauer-süßen lippen-pfade.

5.
Ist gleich mein leib von Dier entfernt /
so küsst doch / weil der himmel sternt /
mein‘ andacht deine liebe seele;
ja dein gedächtnüs sol in mier
verbleiben / weil der geist alhier
noch schwebt in seines sitzes höle.
(Band 1 Erster Teil S. 300-302)
_____


An die schöne / doch harte Roselinde

1.
Ihr meiner seufzer schahle winde /
die durch den truknen gaumen gehn /
sagt meiner lieben Roselinde /
wie ich ohn allen trost mus stehn:
wie ich aus träuer liebe sterb'
und dännoch keine gunst erwerb.

2.
Ach Roselinde / hartes hertze /
die Du mier hast das mein' entwant /
ach! schaue doch / was ich verschmertze /
in was für einen harten stand
mich deine härtigkeit versetzt /
und bis zum tode selbst verletzt.

3.
Ein demant wird mit bluht' erweichet /
gold / stahl und eisen durch die gluht:
wan sich dein hertz mit jenem gleichet /
so wil ich auch mein eignes bluht
auf dein begähren wagen hin /
weil ich doch einmahl sterblich bin.

4.
Dan sol man auf mein grabmahl schreiben:
Hier lieget Roselieb versenkt:
den Roselinde hies entleiben /
ja den sie tödlich hat gekränkt;
der nuhr üm Roselinden starb
und für die gunst das grab erwarb.
(Band 1 Erster Teil S. 303-304)
_____


Klage-lied auf das ufer der Seene

1.
Süße Seene / die fohr diesen
durch die schöhn-begrühnte wiesen
Mit verbuhltem stammern schos /
lief und flos /
itzund aber steht befrohren:
und ihr Halb-göttinnen fast
dieses klage-lied zu ohren /
das euch singt ein fremder gast.

2.
Fug und macht hab' ich zu klagen /
und mein leid Dier fohr zu tragen /
schöner flus; dan du allein
must es sein /
dem ich zeuge meine schmerzen /
welch' ein unmänsch setzt hindan /
und führ hart-verstoktem herzen
nicht begehrt zu hören an.

3.
Wie seid ihrs! ihr Parisinnen /
und ihr freundlichen Seeninnen /
denen sich ein König giebt
gantz verliebt?
die den mund verstummen machen:
und ihr Götter dieser fluht /
die als Götter hört den schwachen
und wie götsen hülfe ruht?

4.
Wie! seid ihrs / die ohn' erbarmen
mich so hart-bedrängten armen
laßen zaplen in gefahr
gantz und gahr?
Ohren habet ihr zu hören /
aber hände bei zu stehn /
und das übel abzukehren
wollen euch nuhn gantz entgehn.
(Band 1 Erster Teil S. 310-311)
_____



Spiel-gesang /
an die schöne Karline /
sonst Charlotte genannt
Auf die weise:
Als Marhold sich einmahl uam.

1.
Halt / Heldin / halt doch ein / Ich läge für Dier nieder
den bogen und das schwert: das glük ist mier zu wider;
mier fällt es ab / Dier zu. ich bin in deiner hand /
und sähe / wie das glük sich hat zu Dier gewandt.

2.
Drei schlachten haben wier zusammen itzt gehalten:
die erste gäb' ich Dier / und mus für Dier erkalten;
die dritte noch darzu: die andre bleibet mein /
doch laß' ich alles Dier / und wil dein eigen sein.

3.
Es fällt die frage für / ob weisheit oder kräfte
verwalten deinen muht / und tapfre Kriegs-geschäfte;
ob schönheit abgewinnt / und gunst es willig giebt;
ob sanftmuht oder grim bei Dier sich spielend übt.

4.
Es mus wol etwas sein. Dein' abgerichte gaben /
dein kluger witz und muht / die mich entzükket haben /
die haben dis getahn; die binden meinen witz /
die fangen meinen muht / Du / o der Tugend sitz.
(Band 1 Erster Teil S. 319-320)
_____


Das dreizehende Lied /
in der selbheit der hoch-fürstlichen
Lignitzischen Braut Ludwiche /
Gebohrnen Fürstin zu Anhalt uam.
an Ihren Herren Bräutigam

1.
Himmel / ach! schaue mein hertzliches leiden /
schaue / wie hertzen von hertzen abscheiden.
Ach! Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.

2.
Liebe verübet und giebet nuhr schmertzen /
wan sie sich treibet zu bleiben im hertzen.
Ach! Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.

3.
Ach! ach! ach! doch ich verlange mein Leben
hertzlich zu hertzen / Ihm alles zu geben.
Ach! Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.

4.
Nuhn wil ich üben / was giebet zum lieben /
Liebe / ja liebes-lust wil ich verüben.
Ach! Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.

5.
Liebster / ach! laß uns doch leben zusammen!
laß uns vermehren und nähren die flammen.
Ach! Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.

6.
Ei! nun so bleib' ich dein eigen mein Leben /
weil Du dich mier auch zu eigen ergeben.
Dann Herzog / Du hast mier das hertze gezogen /
Du hast mich durch liebe zur liebe bewogen.
(Band 1 Erster Teil S. 320-322)
_____


Das vierzehnde Lied
Aus den dreien haubt-ahrten
Dicht- sing- und tantz-kunst /
in einer zusammen-sprache / zwischen einem jünglinge
und einer Jungfrauen / fürgestellet
gesetzet durch Johan Langen

1.
ER. Wo ist doch meine Rosemund /
die mier mein hertz macht wund?
SIE. Schau / hier kommt sie / Dier ihr leben
gantz zu geben.
BEIDE. Der himmel mag stürmen / mag hitzen und
blitzen
wan unter dem schirme der Liebe wier sitzen.
Wier können uns lieben
ohn' alles betrüben /
diewell uns die liebe so lieblich anblikt
ja weil es sich alles zur fröligkeit schikt.

2.
ER. Auf! kehre wieder Rosemund /
und komm / ach! kom zur stund.
SIE. Schau / ich komm' / und kehre wieder
zu dir nieder.
BEIDE. Die Liebe / die liebliche Fürstin der sinnen
ergetzt uns und letzt uns von aussen und innen;
es sollen die hertzen
in schmertzen und schertzen /
nuhn beide zusammen stets flammen mit lust /
Die allen recht-liebenden bleibet bewust.

3.
ER. Der Mahn sucht stets sein Sonnen-licht
weil ihm sein glantz gebricht:
SIE. und den kühlen Mahn die Sonne /
ihre wonne.
BEIDE. Die Sonne giebt wonne / giebt wärme den saaten /
der Mande befeuchtet sie / daß sie gerahten:
Sie wärmet die felder /
Er kühlet die wälder:
so tuhn auch zwei Liebsten in liebe verstrükt /
mit seeligen / lieblichen stunden beglükt.
(Band 1 Erster Teil S. 323-325)
_____


Das funfzehende Lied
an die kus- und grus-flüchtige /
übermänschlich-schöne Adelmund /
die lieblich-blühende Rose des gantzen weiblichen geschlechts
gesetzt durch Johan Langen

1.
Was sol die Rosen-blüht /
im fall sie sich entzüht
in ihrer jungen zierde
der gärtnerin begierde /
und ihre kräntze flüht.

2.
Was hilft der stoltze neid?
es mus doch mit der zeit
ihr rohtes bluht verblassen /
sehn mit verachtem hassen
die blasse sterbligkeit.

3.
So darf die lippen-blüht
die sich dem kuss' entzüht
in ihrem ersten morgen /
für spot und has nicht sorgen /
wan ihre zierde flüht.

4.
Drüm gib dich / Adelmund /
und las mir sein vergunt
zu kosten in der gühte
von deiner frischen blühte
den feuchten zukker-grund

5.
Dan wie die zeit entflüht /
der rosen stoltz verblüht /
so wird dein frisches blühen
sich eben auch entzühen /
das fast noch rascher flüht.
(Band 1 Erster Teil S. 326-327)
_____


An die tugend-folkommene Jungfrau /
jungf. Marien Vermeulen /
als Sie itzund den lieblichen Brautnahmen entfangen

1.
Was hall ist dis? was schallt so laut?
Sie sage miers / o schöne Braut /
o klügste Tochter Ihres standes:
wie? ists der widerruf des neuen landes?
da in der stoltzen Amstel-stadt
Ihr andres Hertz sein bleiben hat.

2.
O nein. es ist der Weisheit schall /
der ädlen Mutter froher hall /
weil sie so weise zucht gebohren /
die nicht märkurisch ist / noch das erkohren
was dieses volk der märkte kuhr /
das redlich-scheinen wählet nuhr.

3.
Sie wählet andrer gaben zier /
die sich erhöben gantz von hier
und bei den sternen-saaten schweben;
Sie wählt / o kluge wahl! mit Dem zu leben /
Der alzeit lebet / wan er stirbt /
und dessen nahme nie verdirbt.

4.
Ihr sinn wird aus der gruft entzükt.
Sie lässt das schwache volk gebükt
nach schnödem gold' und silber kriechen /
das auf der erden klebt / und manchen flüchen
der Weisen unterworffen liegt /
das sich gleichsam prahlend schmiegt.

5.
Es mus sich schmiegen / ob es schohn
ein stündlein prahlt / und raubt den lohn
der ehre / der sonst ungezwungen
der Weisheit nuhr fällt zu von allen zungen;
der Weisheit / die bei Fürsten wohnt /
und selbst durch Fürsten wird belohnt.

6.
Zugleich wird Weisheit hier beglükt;
weil ihr das glük ein Lieb zuschikt /
o weise Braut / Dem Ehr' und günste
so mancher Fürst erzeugt für seine künste;
Der mit im Weisen Rahte sitzt /
und unter diesen sternen blitzt.

7.
O kluge Weisheit! großes glük!
Der unverfälschten Liebe strük
verknüpft zwo unbeflekte seelen /
die, sich mit eitler sorg und last nicht kwehlen.
Die misgunst wühte / wie sie wil /
so steht doch nuhn ihr glükke stil.
(Band 1 Erster Teil S. 328-329)
_____



Über das bildnüs der Liebinnen /
fast nach dem Lateinischen
Sie redet selbsten

1.
Aus dem Mehre bin ich kommen /
aus des bitren saltzes kraft
hab' ich dieses Sein genommen;
dessen schaum an meinen lokken
wie gefrohrne wasser-flokken
annoch haft.

2.
Meinen krum-gekrüllten hahren /
hat die wild-erboßte See /
(wie die hohlen wellen wahren)
gleiche krümmen eingetrükket /
daß des schaumes silber blikket
in die höh.

3.
Als Kluginn' und Himmelinne
dis mein bildnüs sahen hier /
sprachen sie; es kan Schauminne /
ja Schauminne kan mit rechte /
schahmroth machen ihr geschlächte
durch die zier.
(Band 1 Erster Teil S. 333-334)
_____


Das siebenzehende Lied
auf die drei Schönsten in Utrecht
gesetzt auf seine sonderliche weise durch
Joan Martien Ruberten

1.
Wie manchen stern der Himmel führet /
so manche Jungfrau lebt in dier /
O schönes Utrecht / die dich zieret
und leucht wie sterne hoch herfür.
Hierunter kan nichts schöners sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

2.
Die schöne seind von farb und gliedern /
seind oft sehr häslich vom gemüht;
und manche wil sich nicht erniedern /
trotzt bloß allein auf ihr geblüht.
Drüm kan und mag nichts liebers sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

3.
Viel seind sehr artig von geberden /
dagegen schwartz und ungestalt;
ist sie die allerklügst' auf Erden /
so ist sie mehr als alzu alt.
Drüm kan nichts angenehmers sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

4.
Ist manche gleich sehr wohl gebildet /
so ist sie tum und ungeschikt;
ein ander' hat das blei vergüldet /
die manches hertz / wie gold / verzükt.
Drüm kan ja nichts belobters sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

5.
Dan Ewalein ist weis und weise /
und hat die allerliebste zier:
Von-Kobed kröhnt den wein mit speise /
und Ledar bringt die lust herfür.
Drüm kan und mag nichts süßers sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

6.
Von-Ewalein schön und züchtig /
und über alles wolgestalt;
Von-Kobed from und tugend-richtig /
und Ledar ist ein Rosen-wald.
Drüm kan und mag nichts höhers sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

7.
Von-Ewalein ist klug von sinnen /
sehr höflich / zahrt und wohlgebildt /
Von-Kobed schön von auss- und innen /
und Ledar bleibt der Schönheit schild.
Drüm kan ja keine schöner sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

8.
Von-Kobeds lob ist ausgesprochen /
daß sie keusch / fromm und schöne sei.
Von-Ewalein ist aus-gebrochen
gleich wie der wunder-schöne mei.
Drüm kan ja nichts beliebters sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.

9.
Von-Ewalein bleibt schön in allen /
und Ledar freundlich / roht und weis;
ja Ewalein mus selbst gefallen
der misgunst / die ihr giebt den preis.
Drüm kan und mag nichts schöners sein /
als Kobed / Ledar / Ewalein.
(Band 1 Erster Teil S. 334-337)
_____


Zugelaßene Liebes-uebung

1.
Fasst muht / ihr schöne Seelen /
zu widerstehn der blöden welt /
die euch mit schelten pflegt zu kwehlen /
und aller wohl-lust widerbellt.

2.
Sie setzt den lastern straks zur seiten
das allerliebste Lebens-licht /
und weil sie flüht die liebligkeiten /
lebt sie auch selbst im leben nicht.

3.
Verflucht die tohrheit dieser leute /
die nuhr aus bloßem schwermuht rührt /
und wählt der mehr beglükten seite /
da ihr nichts als vergnügung spürt.

4.
Auf! laßt die augen lächlend fechten /
ümhalset / schertzet / hertzt und küsst /
und spielt auch selbst bei allen nächten
was für ein spiel euch mehr gelüst.

5.
Besucht aus süßen rasereien
das edle volk der liebes-lust /
das euch im kummer kan erfreuen /
und letzet lippen / hand und brust.

6.
Es ist ein volk von sanften sinnen /
das eher flöht üm eure gunst /
das eher sucht euch zu gewinnen /
als daß es spottet eurer brunst.

7.
Sprecht sie nuhr an ohn alles sorgen /
so werden eure dienste sein
erwiedert bei dem ersten morgen /
der auf mich wirft den gnaden-schein.

8.
Ob auch bei so versüßtem leben
gleich solt' ein herber gleitsman sein /
so glebt die lust / darin wier schweben /
der seelen lindrung aller pein.

9.
Das willig-angetahne krunken /
das seufzen mit entzüktem muht /
die halb-verloschne Lebens-funken
die seind es / was uns dampf antuht.

10.
In so verzukkertern gefechte /
in solcher süßen sinnen-pein /
möcht' ich wohl alle tag und nächte
bis in den tod begriffen sein!
(Band 1 Erster Teil S. 337-339)
_____


Das neunzehende Lied
an die mit überirdischen Schönheiten
wohlbegabte / hochädel-gebohrne Jungfrau von Elard
auf begehren der liebseeligen Schatz-währt
gesetzt durch Mal(achias) Siebenhaaren

1.
Dorotee / Glantz der Jugend /
aus-zug aller liebligkeit /
wohnplatz der belobten tugend /
schönste Jungfrau dieser zeit;
Sie vergebe meinen sinnen /
daß sie dieses lied beginnen.

2.
Schöne Rose / Gottes-gabe /
des geneugten Himmels kind /
alles / was ich itzund habe /
ist auf ihren preis gesinnt /
dännoch kan ich nichts aufbringen /
noch ihr lob nach würden singen.

3.
Bässer kan man Sie nicht nennen
als ein willges Götter-pfand /
welches sie der welt noch gönnen /
und beseelgen unsern stand /
Utrecht hat von glük zu sagen /
und nach keinem stern zu fragen.

4.
Dan in England ist verblichen
dieser wunder-schöne stern /
und nach Utrecht zu gewichen /
da er steht und blinkt von fern.
England hat nach seinem scheiden /
nichts als krieg / und nichts als leiden.
(Band 1 Erster Teil S. 343-344)
_____


An die der lieb-seeligen Rosemund Liebe Augen /
nachdem sie sich eine zeitlang verborgen hatten /
und sich wieder blikken ließen
auf die weise des sechsten Liedes

1.
Wo geht ihr hin / ihr augen-sterne?
Gegen-stimme. Gar nicht ferne.
Nicht ferne solt ihr auch entweichen /
G. noch verbleichen.
Ihr die ihr fol von greist und blitzen /
G. gluht und hitzen.

2.
Ihr sonnen / wollt ihr für mier flühen?
G. nein / verzähen.
Ihr blitzel-augen fol von liebe /
G. nimmer trübe.
Ach ja! die nimmer-trüben sterne /
G. stehn nicht ferne.

3.
Wohlan! so wil ich sie begrüßen.
G. lüste büßen.
ja ich wil meine lüste büßen /
G. mit genüßen.
Genüßen mus darbei sich finden.
G. lust entzünden.

4.
Da seh ich meine sonnen glimmern /
G. träflich schimmern.
Ihr glantz bricht ein in mein gesichte:
G. und wird lichte.
Ich weis nicht ob ich ihn kan leiden?
G. bässer meiden.

5.
Ein wenig / wenig weicht ihr blikke /
G. wie / zurükke?
Ach! ja. Dan eure strahlen funkeln
G. auch im tunkeln.
Ach! ja! im dunkeln seind sie lichter /
G. brunst-anrichter.

6.
Gemach / ihr lieben augen / blinkert /
G. ja nicht flinkert.
Dan euer blitz tuht weh dem hertzen /
G. machet schmertzen.
Ihr habt es schohn / ihr schöne sonnen /
G. gantz gewonnen.

7.
Last euch nuhr etwas sanfter leiten /
G. ja bei zeiten.
Bei zeiten mus es auch geschähen.
G. du würst's sehen.
Wohlan! so leb' ich gantz in freuden /
G. ausser leiden.
(Band 1 Erster Teil S. 346-348)
_____


Das zwei und zwantzigste Lied
an die von tugend / Jugend und schönheit hochgeliebt-
und gelobte holdseelige Lielje
Die einige zier der Amstelinnen
die fast einige beherscherin der gekränkten seelen
auf die stimme: SI VOUS NE ME VOULEZ GUERIR
oder Als ik aen 't Zuyver beekje kom

1.
Was hör' ich da? wer bricht zu mier
mit solchem weiter / solchen blitzen?
Seh' ich Lieljen sitzen /
Lieljen / meine Zier?
Ach nein! So ist es dan ihr geist /
der mich nur in versuchung führt und reisst /
zu sehn / ob mein gemüht
in reiner flamme glüht?

2.
Dan nimmermehr tuht Lielje dis /
Sie ist zu fromm / zu ehrerbietig /
viel zu tapfer-mühtig.
Ja er ists gewis.
und anders darf ich gläuben nicht /
im fall ich leben wil in meiner pflicht.
Er ists der arge Geist /
der mich in angst so reisst.

3.
Nuhn leg' ich allen wehmuht hin:
nuhn leb' ich / lob' ich / lieb' ich immer
nur ein Frauenzzimmer
mit erfreutem sinn.
Nuhn sol üm so viel ehr und mehr
ihr schöner ruhm und Lieljen nahm und ehr
hinfort gepriesen sein.
Sie ist mein preis allein.
(Band 1 Erster Teil S. 353-355)
_____


An die Hochädele und gelährte Jungfrau /
Jungfrau Hildegond von Westohn

1.
Wer schreibt diese schöne schrift /
wessen hand und wessen sinnen
können solch ein lied beginnen /
das so nah zum hertzen trifft?
Hildegond / könt ihr so singen /
daß die linden wider-klingen?

2.
Mier zwar seid ihr unbekant
von gestalt und von gesichte;
aber euer Lob-gedichte /
das mier ward von eurer hand /
ohne mein verdienst / geschrieben /
pfleg' ich mehr als mich zu lieben.

3.
Meine sinnen seind erblasst /
müssen ungezwungen schweigen /
wan sich eure Lieder zeugen /
und seind ihnen selbst verhasst /
wan ihr hoch-deutsch opizieret /
und die süßen seiten rühret.

4.
Fries- und Holland wunderts sehr /
daß ein Weibes-bild so singet /
und die Deutschen seiten zwinget;
ja / ich wundre mich vielmehr /
daß itzt unter fremden zungen
unser hoch-deutsch wird gesungen.

5.
Aber / Schöne / saget an /
was ich wiederüm sol schenken /
daß ihr meiner könt gedenken?
was ich würdigs geben kan?
meine lieder müssen schweigen /
weil die euren auf-wärts steigen.

6.
Eure kunst und zierligkeit
macht mich gantz und gar verzükket;
eure hand ist so beglükket /
schwingt sich höher als der neid.
Euer ruhm würd ewig leben /
und der sternen-schaar gleich schweben.
(Band 1 Erster Teil S. 356-357)
_____


Schäffer-lied. bei der Amstel

1.
Schöner flus / bei dessen strande
seine liebe Liebste wohnt /
die ihn lägt in schweere bande /
und mit harten worten lohnt /
steh' und hämme deine fluht /
ihm zu guht.

2.
Höhre / wie er sich beklaget
für der Allerliebsten tühr;
schaue / wie er zittrend zaget /
und darf selbsten nicht zu ihr.
Seiner wangen farb' entweicht
und verbleicht.

3.
Er wird itzt in ohnmacht fallen /
noch flüht seine Schäfferin /
die er liebt führ andern allen /
und die ihn von anbegin
selbst so hertzlich hat geliebt /
nuhn betrübt.

4.
Ihrer schönen augen sterne /
das beflamte blitzel-zwei /
blikt itzund nicht mehr so gerne /
seind erzürnt / und werden scheu:
ihre for-bellebte zier
weicht von hier.

5.
Sie erkänt / und sieht ihn klagen /
aber hören wil sie nicht /
noch mit ihm ein leiden tragen;
Mahrhold / Mahrhold / wie sie spricht /
ist mein feind: drüm heiss' ich ihn
von mier ziehn.

6.
Nicht so scharf / o Schäfferinne /
Mahrhold hat kein feindlichs hertz:
halt / o harte / halt nuhr inne;
doch es ist vielleicht dein schertz /
und auf sturm folgt ins gemein
Sonnen-schein.
(Band 1 Erster Teil S. 358-359)
_____


Das drei und zwantzigste Lied
auf Anakreontische ahrt gemacht / und gesetzet
durch Malachias Siebenhaaren

1.
Die Sonn' ist untergangen /
die wangen seind verhangen
mit kohl-pech-schwartzen tüchern;
Ich sitze bei den büchern /
und schwitze / da mich frühret /
bin stille / da mich rühret
der innerliche schmertze /
der schmertze / der mein hertze /
mein schwaches hertze kwehlet /
ja der mich fast entseelet.

2.
Tahlmunde / sol ich fragen?
was fragen? nach den tagen?
was tagen? die mier geben
mein sterben und mein leben.
was leben? selbst die jene /
mein Laabsaal / meine Schöne /
was Schöne? meine Träue /
auf die ich mich erfreue /
mit der ich mich kan letzen /
Was letzen? stets ergetzen.

3.
Es sol mier noch gelükkken /
so ferne mier den rükken
der Himmel selbst wird halten /
und mein gelük verwalten /
daß ich mag kühnlich sagen;
was sol ich lange fragen?
was sol ich lange klagen?
was sol ich schmertzen tragen!
mein will‘ ist nuhn erfüllet
mein wundsch ist nuhn gestillet.
(Band 1 Erster Teil S. 360-361)
_____


Lisanders Klage
nach dem Frantzösischen

1.
Unlängsten hört' ich schmertzlich flöhen
ein götlichs mänsch bei dieser fluht;
Der träuste buhler mus vergehen /
wo ihm sein Lieb nicht hülfe tuht.

2.
O süßer strohm / geh hin und zeuge geh /
zeug' es seiner Liebsten an:
daß er sich schon zum grabe neuge /
und ohne sie nicht leben kan.

3.
Dis eis ist kalt / doch mus es schwinden
für seiner heissen liebes-gluht:
wer aber kan ihr hertz entzünden /
das kälter ist als eis und fluht?

4.
Kan er sie nicht durch Liebe zwingen /
daß sie vernähme seine pein /
so würd er doch ihr hertz ümringen /
und für die Lieb ihr seufzen sein.

5.
Mich deucht / ich seh sie schohn geschlagen /
wie sie Lisanders tod beweint /
ich höre sie für schmertzen klagen /
wie sie betrauret ihren freund.

6.
Kein buhler ist jemahls gewesen
so foller ehr' und so beglükt:
Lisanders nahmen würd man lesen
in seiner Liebsten Hertz getrükt.

7.
Er liegt im hertzen seiner Lieben /
o welch ein ädles grab ist das!
sein nahme steht darbei geschrieben.
es rührt ihn nuhn kein neid noch has.

8.
Weil er ihm dan nuhn läst genügen /
und ruht in ihres hertzens schrein /
so wil er / daß man bei sol fügen
auf einen ewgen grabe-stein:

9.
Lisander lebt' und ist gestorben
für seine liebste Silvie /
doch hat er ihr nicht gnug erworben /
das ihrer würdigkeit gleich steh.
(Band 1 Erster Teil S. 362-363)
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Das vier und zwantzigste Lied
an die lieb- und freundseelige Adelmund /
als Er gezwungen ward von Ihr zu scheiden
fast nach der welschen weise
AMARILLY MIA BELLA

1.
Träu, im lieben
mus man üben
bis in das kalte grab.
Drüm / Adelmunde /
dieweil ich diese stunde
mus scheiden ab
von deinem lieben blikke /
der mich fast zieht zurükke /
so wollst du mich durch unträu' nicht betrüben.
Träu' im lieben / träu' im lieben / träu' im lieben
mus man üben.

2.
Meinem hertzen
machstdu schmertzen
mit deinem letzten blikk‘.
Dein auge strahlet
ins hertz hinein / und mahlet
dich ab / o glük!
dein bildnüs wil ich ehren /
dein lob sol mancher hören.
Ach! Adelmund / dis sag' ich ohne schertzen;
meinem hertzen / meinem hertzen / meinem hertzen
machstdu schmertzen.

3.
Ach! nuhn scheid' ich /
ach! nuhn leid' ich
den allerhärtsten stoß.
Der seufzer mänge
fällt meinem leben strenge;
der schmertz wird groß.
Der matten augen blikke
gehn stets auf dich zu rükke.
Sei meinem Geist zu allerzeit erfreulich.
Ach! nun scheid' ich / ach! nun scheid' ich ach! nun
scheid' ich:
liebe träulich.
(Band 1 Erster Teil S. 364-366)
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An die Liebinne /
aus einem Hochzeit-gedichte

1.
Ein steinern hertz und leere seele /
ein ungemeinter liebes-blik /
ein auge / das in seiner höhle /
zwar rollt und schmollet ohne schrük /
jedoch nicht aus dem hertzen rührt /
ist nichts als rauch / der uns verführt.

2.
Wer darf so hart für dier erscheinen /
und wil noch ungestraffet sein.
mag jemand deinen sohn / den kleinen /
und dessen bogen / flühn? ach nein.
Die pfeile gehen alzu recht /
die Hart-ahrt ist durch sie geschwächt.

3.
Die Hart-ahrt böbet nun und zittert /
sie hält üm schönes wetter an:
der kleine schütze steht und kittert /
weil sie ihm auch ist untertahn /
weil ihre jungferschaft sich fügt /
und in den letzten zügen liegt.

4.
Die Jungfer wird bald schlaffen gehen
nach ihrem letzten bette zu /
auf daß sie Fraue mag aufstehen /
der Himmel gäb' ihr rast und ruh /
und du / o Liebes-Königin /
beglükke sie nach ihrem sin!

5.
Zeuch auf den fohrhang / der ihr bette /
den tummel-platz der liebe / dekt /
und schleus üm sie die güldne kette /
die hertz und hertz zusammen trekt /
damit sie sich verjüngen mag /
wie Fönix / auf den andern tag.

6.
Der Mahn mus ihr zu bette leuchten /
die sterne bringen sie zur ruh /
die tropfen / so das feld befeuchten /
die steigen nach den bergen zu;
Es ist die allerliebste nacht /
drüm hertzet / schertzet / schlaft und wacht.
(Band 1 Erster Teil S. 366-367)
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Das fünf und zwantzigste Lied
auf die lieblich-blitzlenden äugelein
der überlieblichen Lielje
auf die stimme:
REPICABAM LASCA PANIUM
oder GOD DER MINNE SIET &C

Süße Lielje /
schau! deiner äuglein blitz
verwürret mier hertz sinn verstand und witz;
verwürret mier hertz sinn verstand und witz.
Mein mund ist als verklummet /
verstummet.
O süße Lielje halt. ich hitz' / ich hitz'.
o süße Lielje /
o süße Lielje halt. ich hitz' / ich hitz'.

Halt ein wenig
der strahlen blitz zurük.
Ich bin ja schohn in deiner liebe strük;
ich bin ja schohn in deiner liebe strük.
Mich hilt die zier der wangen
gefangen.
Die starke flammen gehn durch mark und bein.
die starke flammen /
die starke flammen gehn durch mark und bein.
Schöne Lielje /
da hastdu dieses hertz /
das du versetzt in lauter angst und schmertz;
das du versetzt in lauter angst und schmertz.
Hiermit sei Dier gegeben
mein leben /
mein gantzes leben schwebt in deiner hand.
Mein gantzes leben /
mein gantzes leben schwebt in deiner hand.
(Band 1 Erster Teil S. 368-370)
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Uhrteil-spruch
uber zwoer Jungfrauen schöhnheit

1.
Wan ich an Paris stat sol richten /
so weis ich warlich nicht /
wie ich dis spiel sol schlichten /
das itzt ausbricht.
Die Klugemund und Elard seind erkohren /
und zur folkommenheit gebohren.

2.
Nuhn fraget sichs / wer unter ihnen
die schönste Schöne sei /
der man als Göttin sol aufdienen;
wem steht es frei /
daß er so kühne sei zu sprechen /
was alle Götter würden rechen?

3.
Ich mag mich nicht so hoch erkühnen /
dan meiner augen licht verbleicht /
weil dieser Zweling ist erschienen /
dem alles weicht.
Ich kan mein wort nicht von mier geben /
und solt' es kosten selbst mein leben.
(Band 1 Erster Teil S. 370-371)
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Das sechs und zwantzigste Lied
An eine Frantzösische Schöninne /
aus dem Frantzösischen
gesätzt durch Mal(achias) Siebenhaaren

1.
Schöninne / derer strahlen
die sonne dunkel macht /
wan sie sich pflegt zu mahlen
mit ihrer morgen-pracht:
ja wan sie tuht den letzten zug /
legt an und ab den abend-schmuk.

2.
Für deiner augen blikke
steht ihre zier verbleicht.
Sie flüht für angst zu rükke /
wird schaam-roht und entweicht.
Ihr aug' entäugt die deinen nicht:
Ihr fehlt / dier aber bleibt das licht.

3.
Dan dieser Sonnen blikke /
das blitzel-aug in mier /
das meinem muht legt strükke /
hat größre macht und zier.
Ihr sterblichen folgt meiner bahn /
und bähtet diese Schlöhnheit an.

4.
Ihr aber seid beschworen /
ihr schönen augen ihr /
die nuhr zum schein erkohren /
bestrahlt mich für und für:
laßt niemahls euer licht vergehn /
und bleibt in einem scheine stehn.
(Band 1 Erster Teil S. 371-373)
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Das acht und zwantzigste Lied
des betrübten Mahrholds Klage
über seinen glüks-wechsel in der Liebe

1.
Marhold saß in liebs-gedanken
mat von seufzen bei der A /
als ihn gleich in liebes-schranken
Adelmund / sein nein und ja /
Adelmund / sein preis / geschlossen /
und mit liebes-tau begossen.

2.
Ach! sprach er / wie manche Schöne
hat mier ihre gunst geschenkt:
Tausend Töchter gab mier Vene /
derer Liebe mich gekränkt.
Tausend haben mich bewogen /
und durch gunst zur gunst gezogen.

3.
Ich war gleich im ersten blühen /
als mich Himmels-hulde schohn
pflag in ihre haft zu ziehen /
ach zu früh! durch ihren tohn /
der so überlieblich schallte /
und durch alle sinnen hallte.

4.
Reinahrt war die zweite flamme;
Lielje ward mier bald entrükt:
dan hat mich die Liebetamme
kaum drei wochen lang entzükt.
Hildegond und Adelheit
brachten auch für freude leid.

5.
Erdmuht hätt' ich schier vergessen /
die so manchen lieben tag
mier in armen hat gesessen /
die mier lang im hertzen lag.
Doch die allertiefste wunde /
machte meine Rosemunde.

6.
Rosemund / die ohne tadel /
fol von tugend / schöhn und glat /
reich und von uhraltem Adel /
aus der großen Venen-stadt:
Diese machte solche wunde:
itzund ist es Adelmunde.

7.
Doch ich weis nicht was ich tuhe /
Rosemund liegt mier im sin /
und vergönnt mier selten ruhe;
ob sie schohn ist längsten hin.
Mein verhängnis hält mich feste /
Himmel / zeuge mier das beste.
(Band 1 Erster Teil S. 380-383)
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aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York




siehe auch Teil 1 Teil 2 und Teil 4


 

 


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