Philipp von Zesen (1619-1689) - Liebesgedichte

Philipp von Zesen



Philipp von Zesen
(1619-1689)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 



 



Gedächtnüs-säule
der überirdischen / seligen Rosemund

Steh Wandersmann / und grüße diese säule
mit tieffer ehr-erbietigkeit:
steh still: nim dier ein wenig weile
und schaue / was mann Dier gebeut.
hier sollstdu das gedächtnüs hägen
der höchst-belobten Rosemund:
und Ihr auf diesen marmel-grund
so manches lobgedichte legen.
wan sich das jahr verneuet
so geht und streuet
der Rosen blüht /
seid stets bemüht
auf ihren preis /
der niemahls weis
sein end' und ziel:
rühmt oft und viel
ihr tugend-licht /
das nie gebricht /
das nie verbleicht /
das nicht entweicht /
das nicht vergeht /
so lang als steht
ein rosen - garten
von unterschiednen arten;
so lang ein wohlberedter mund
der Menschen hertzen machet wund.
dan Ihr hat Marhold dis gedächtnüs hergesetzt
Ihr Mahrhold / den ihr lob noch allezeit ergetzt:
streut blumen / streuet laub / ihr sterblichen / streut zweige
von palmen hier herüm / daß sich Ihr Nahme zeuge.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Zweiter Teil: Lyrik I (1993)
Walter de Gruyter Berlin New York

(Band 1 Erster Teil S. 384)
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Das neun und zwantzigste Lied
auf die schönen augen der von nahmen und gaben
hochädelen Klugernunde
gesätzt durch Heinrich Alberten

1.
Ihr schönen augen ihr / ihr lichterlein der schwachen /
die an der hohen burg der glatten stirne wachen /
dadurch mein trautes Lieb die härtsten hertzen zwingt /
und durch den schwartzen kwal bis in die seele dringt.

2.
Euch bäht' ich kniehend an / und flöhe zu den flammen /
daß sie doch ihre macht und kraft nicht alzusammen
auf meinen schwachen geist und seele laßen gehn /
sonst bin ich tod / und kan führ ihnen nicht bestehn.

3.
Der kleine Liebes-schalk hat schon genug geblitzet:
ich seuftze nach der luft / der gantze gaumen hitzet /
der mund brennt lichterloh; drüm haltet doch zurük /
ihr lieben augen ihr / den wunder-starken blik.

4.
Kluginne kühle mich mit ihrem frischen taue /
der auf den lippen steht / und den ich lieber schaue /
noch lieber trinken mag / als mäht und reinschen wein /
der ist mein ädler trunk / und gehet lieblich ein.

5.
So fürcht' ich keine gluht / so fühl' ich keine schmertzen /
die oftmahls nuhr ein blik entzündt in meinem hertzen.
Wan Klugemunde mich mit einem kusse kühlt /
so acht ich ihrer nicht / wan sie mit blikken spielt.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Zweiter Teil: Lyrik I (1993)
Walter de Gruyter Berlin New York

(Band 1 Erster Teil S. 385-386)
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Geistliche SEelen-Lust / das ist
Wechsel-gesänge zwischen dem himlischen Bräutigam und
Seiner hertz-hochgeliebten Braut
verfasset durch F. von Zesen

Die himlische Braut an ihren Herrn und Bräutigam

1.
SChönster / ach! kom / ich habe verlaßen
Babilons stadt und eitele straßen;
führe mich doch: mein leben und sin
sehnet sich nach Jerusalem hin.
Wilst-du nicht kommen? wilst-du nicht hören?
Meine begierden ängstigen mich.
Liebes-gluht wil die leber verzehren:
tränke die Seel'; erbarme doch Dich.

2.
Babel hat mich gehasset / vertrieben /
weil ich dich / Schönster pflegte zu lieben.
Tag und nacht weint' ich / ruffte nach Dir /
daß du dich woltest neigen zu mir.
Tag und nacht wein' ich / wan ich bedenke
meiner gebrächen mächtige zahl:
Meine schuld machet / daß ich mich kränke /
daß ich mit trähnen mische mein mahl.

3.
Seh' ich mein Lieb nicht kommen von fernen?
Schauet! Er gleicher den güldenen sternen.
Sehet / ach seht die herrliche zier.
sehet / wie blitzt sein antlitz herfür!
Schönster wilkommen / Liebster wilkommen;
deine lieb-reiche lippen / o Held /
haben mir muht und hertze genommen /
daß mir durch-aus sonst keiner gefällt.


Antwort
Des himlischen Bräutigams auf voriges

1.
WOhl! meine Geliebte / deine gedanken
erkenn' ich / und weis / und höre dich wohl.
Ich sahe dich auch dort irren und wanken
in Babilons schnöden gärten / im kohl:
doch neigt' ich mein hertz aus liebe zu dir /
und nehrte noch immer deine begier.
Es wolte mein hertz / o Schönste / zerbrechen /
so bald ich vernahm dein seufzen und sprechen:
drüm meine ja nicht / das unser gehöhr
sich habe verstopft / und höre nicht mehr.

2.
Mein hertze schmertzt gleich wie deines / o Schöne /
es hitzet und blitzt für liebe zu Dir.
Es hat mich entzükt dein klage-getöhne.
Ich komme / dich / Schatz / zu führen mit mir /
zum Vater in sein gewündschtes gebäu
nach Solime zu / wo immer der mei
mit rosen bekräntzt / pflegt ewig zu lachen /
wo wassers die fülle stärket die schwachen /
beschenket und tränkt die Seele wie must;
da solst-du dein hertze laben mit lust.

3.
Dir wil ich die scharfen trähnen abwischen /
die deine gestalt verstellen so sehr /
wan unter die heissen seufzer sich mischen
die augen vol schmertz / und fließen noch mehr.
Es sollen dich weder schmertzen noch tod /
noch seuchen beschleichen; trauren und noht /
ja alles / was dich sonst mochte betrüben /
sol schleinig vergehn / nach deinem belieben.
Dan wil ich verneuen deine gestalt /
dir freude die fülle schaffen alsbald.


Die Braut
singet wieder / nach des ersten liedes sang-weise

1.
ALs ich Dich / Allerliebster / erblikket /
ward ich von deinen blikken entzükket.
Deine gestalt / dein fürstlicher gang
zieret dich schön; dein süßer gesang
hat mich bald gar enthertzet / entseelet.
Schaue / mein hertz liegt anker-fest hier /
welches bisher von wellen gekwehlet /
spüret die süße stille bei Dir.

2.
Führe mich hin mein Hertze / mein Leben /
da wir in wohllust ewiglich schweben.
Schaue nicht an mein schwartzes gesicht /
schaue nicht was von aussen gebricht.
Meine gestalt war klahrheit und schöne /
da mich zuerst die welt-lust anlacht'; <140>
aber mein fall / und klage-getöhne
hat mich entfärbt und häslich gemacht.


Der Bräutigam
antwortet wieder / auf des zweiten liedes weise

O Schönste / sei nur zu frieden gestellet:
Ich sehe des hertzens schönheit nur an
mit welcher sich keusche liebe gesellet /
das ander' ist nur ein eiteler wahn.
Der eitele schein ist nebel und rauch;
die liebe der welt misfället mir auch.
Gekreutzigte liebe lieb' ich für allen.
Mein hertze fing an für freuden zu wallen.
so balde dein fleisch gekreutziget war.
Nuhn folge mir nach zur heiligen schaar.


Die Braut

SOl ich Dir folgen / sol ich nach-gehen /
wo die gebäu von Solime stehen /
da mich mein Aller-liebster hinführt? 
Eja! wie ist mein hertze gerührt!
Freude die fülle hat mich ümgeben /
weil ich dein Schlos sol sehen / o Held /
da ich bei Dir mag ewiglich leben.
Nuhn ist mein hertz zu frieden gestellt.


Der Bräutigam

1.
Kom / Schöne / kom herein / das schlos ist dir gebauet /
die große Himmels-burg / das neue Solime.
Zwölf tohre tuhn sich auf und werden angeschauet
wie perlen voll vom glantz in übergroßer höh.

2.
Dieselbe seind bemüht mit freuden zu entfangen
Dich / o mein trautes Lieb. Drei sieht man ost-werts stehn /
drei sieht man gegen west / drei gegen süden prangen /
und dreie gegen nord. ach! schaue doch / wie schön.

3.
Gantz herlich ist die stadt; gleich jaspen und kristallen
bricht an ihr lichter glantz: es lest ein jeder stein /
wie edel er auch ist / sein liechtes gläntzen fallen
und ist erblasst und bleich für ihrem hohen schein.

4.
Zwölf wächter seind bestellt zu wachen in den tohren /
die immer offen stehn. Die mauer ist erhöht;
zwölf steine seind zum grund' ersehn und auserkohren/
worauf der gantze bau so stark gegründet steht.

5.
Ein jaspis ist der erst; der ander von saffieren;
ein kalzedonier versieht den dritten grund;
den vierden ein schmaragd; den fünften pflegt zu zieren
der weisse sardonich von rohten farben bunt.

6.
Dan folgt der sardier / der keinem fast wil weichen /
beril und grisoliet / der grühnlichte topas /
der harte hiazint / der ametist ingleichen /
der goldgemängte stein der schöne grisopras.


Die Braut

Wie froh! wie froh bin ich! mein hertze wallt für freuden /
wan mir der große schmuk des himmels wird erzählt;
was wird wohl dan geschehn / wan ich mich würklich weide /
und leb' in solcher lust / darzu ich bin erwählt?


Der Bräutigam

Ja freilich wirst-du dich / o Schöne / recht ergetzen /
wan du die mauren siehst von jaspen auferbaut;
darin ich Dir den krantz des lebens werd' aufsetzen /
und dich zur Königin wil kröhnen / schöne Braut.


Die Heiligen Gottes

Ach! schöne Braut / schau auf / erfreu dich deiner ehren /
schau an dein Königreich du Königs-tochter du:
die häuser seind von gold die deine wohllust mehren /
die gassen gleichesfalls seind gülden immerzu.


Die Engel

1.
WIlkommen schöne Braut / o Fürstin voller ehren /
Du deines Liebsten lust / wilkommen tausendmahl /
und tausendmahl darzu. Wir kommen dich zu hören /
zu schauen deiner zier so hoch-beflamten strahl.

2.
Nuhn ist dein lauf volbracht. nuhn bist-du angelanget
in deiner schönen burg / hier / wo kein winter ist /
wo immerfort der lentz mit frischen rosen pranget /
und sich die rüster stets mit grühnen rieben küsst.

3.
Die lieljen weissen hier / hier gelben die saffranen /
der balsam schwartzet hier / hier bluhtet immerzu
der granat-äpfel mark / die dich zur tugend mahnen;
hier lebt man ohne krieg in ewig-stoltzer ruh.

4.
Die bäche rauschen hier mit honig angefüllet /
wo immer fort und fort die grühnen wiesen stehn;
hier sieht man immerzu / wie saft aus zimmet kwillet /
hier kan kein saurer wind dir unter augen gehn.

5.
Du bist in lauter lust. Zwölf sterne müssen zieren
dein haar / an krantzes stat. die sonne mus den leib
bekleiden üm und üm. man wird dich fürstlich führen
und setzen auf den trohn / Du auserwähltes Weib.

6.
Wir aber dienen Dir; wir alle seind geflissen
dir / Fürstin / nachzugehn / zu tuhn was dir beliebt.
Dein König schaut dich an / und wil dich freundlich küssen;
o neuge doch dein häupt / und nim / was er dir giebt.

7.
Nuhn lebe für und für! genüße dieser freuden
in ewig' ewigkeit / die keinen ekel kennt /
die alzeit wird erneut / die nie vermischt mit leiden /
und welche dir dein Gott so überflüßig gönnt.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Zweiter Teil: Lyrik I (1993)
Walter de Gruyter Berlin New York

(Band 1 Zweiter Teil S. 197-208)
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Schöne Hamburgerin
Der Schönen Hamburgerin Schöner Leib

Wunderwerk und Meisterstükke
der Natur und Zucht zugleich
Halbgöttin vol himmelsblikke /
Engelmensch an klahrheit reich /
reich an höchster Schönheit blitzen;
wie sol ich die feder spitzen.

Wie sol ich die feder spitzen /
da dein hoher glantz mich blendt?
Darf ich hier wohl sicher sitzen /
da dein blitz sich zu mir wendt;
der so strahlet / der so schimmert /
und mir meinen geist bekümmert?

Man befielt mir / süße Schöne:
Ich sol rühmen deine Zier /
durch ein süßes Lobgetöhne:
das / ja das befielt man mir.
Aber sol ich süße spielen /
mus ich himmelsfeuer fühlen.

Doch dis süße himmelsfeuer /
wie mich deucht / dringt durch mich hin;
auch fließt meine dinte freier /
als sie flos vom anbegin;
ja sie fliesset wundersüße /
wan ich / Sonne / dich begrüße.

Freilich bistu allen Schönen
ein erkohrnes Sonnenlicht;
da sie ihren schein entlehnen
wan dein hoher glantz anbricht.
Sie seind Sterne / Du bist Sonne
Du / o aller Menschen Wonne.

Die Natur hat Dich gebildet
und aufs allerschönst' erzielt.
Sie hat Dir dein Haar vergüldet;
das üm deine Stirne spielt:
da es lauter liljen schneiet /
da die Liebe zukker streuet.

Unter dieser sieht man rollen
deiner Augen Sonnenuhr /
die der keuschen Liebe zollen
eine deamantenschnuhr;
welche manches Hertz bestrükket /
und den muht dem muht' entrükket.

Deine Nase / weis und eben /
trotzt den klährsten marmelstein:
zierlich stehet sie ümgeben
mit zwe runten Hügelein;
da stähts rosen und narzissen
überheblich blühen müssen.

Hinterwärts sieht man die Ohren /
zierlich rund und ahrtig stehn /
gleich den wohlverwahrten tohren;
dahin tausend seufzer gehn /
doch / nach weigerung zu höhren
ohne durchgang / wiederkehren.

Schau ich die Rubienenwälle
deines runten Mündleins an /
find ich eine zukkerkwälle /
die das hertze laben kan.
Hinter diesen stehn die Mähne
deiner schön geschnitzten Zähne.

Wan dein Züngelein sich schwinget /
und dis Elfenbein berührt /
hört man / wie dein stimlein klinget /
wie dein süßer ahtem führt
selbst das hertz aus unsrem hertzen /
und verursacht süße schmertzen.

Hochweis ist dein Halsgerüste.
Lieblich milcht die klahre see
deiner alabaster Brüste /
wie der neugefalne schnee;
die sich rund und zierlich ballen
und bald auf / bald nieder wallen

Milchweis seind die schlanken Hände /
ihre Finger lang und zahrt /
zierlich auch derselben Bände /
und nach perlenmutter ahrt
sieht man ihre Nägelspitzen /
in erhobner glätte sitzen.

Schmahl und aufrecht ist dein Rükke;
ja des Leibes Mittel nicht
über eine spanne dikke:
dem kein schmuk durchaus gebricht;
den selbst alle glieder adeln /
so daß nichts an ihm zu tadeln.

Wan Du sitzest / wan du stehest /
wan du redest / wan du lachst /
wan du tantzest / wan du gehest/
wan du liegst / ja was du machst /
kanstu Dich so schön gebehrden /
daß du bist die Schönst' auf erden.

Sonsten was / o schöne Süße /
deiner kleider neid verstekt /
bis auf die behänden Füße /
laß ich Dem allein entdekt /
der in deinen zarten armen
dermahleinsten sol erwarmen.

Nun gebührt Dir / aller Schönen
auserwehlte Königin /
daß dich Hamburg laße kröhnen /
daß ein Paris Dir forthin /
der an Schönheit keine gleichet /
seinen Güldnen apfel reichet.


Der Schönen Hamburgerin Schöne Seele

Ich / der ich jene woche lang
mit einer Menschenzunge sang
was Menschlich war an unsrer Schönen /
sol nun / was Englisch ist an Ihr /
der schönen Seelen schönste Zier /
mit einer Engelszung' austöhnen.

Wo aber nehm' ich diese her?
Es kommet nicht von ohngefähr
die kraft den Engeln gleich zusingen.
Drüm nim den guhten willen hin /
o Edleste Hamburgerin /
wan ja die taht nicht wil gelingen.

Das schöne Haus / den Leib / an Dir /
den pries' ich gantz nach seiner Zier.
Nun solt' ich auch den Wirt / die Seele /
die allerschönste liebste Braut /
mit der sich Gott selbselbst vertraut /
auch preisen in des' Leibes höhle.

Dis ist der schönste Teil an Dir.
Dis bleibt unsterblich für und für:
durch dis besteht dein gantzes wesen.
Lest dis den Leib / mus er vergehn:
bleibt dieses schön / wird alles schön /
ja aller hübsch und auserlesen.

Mit diesem Teile lebestu /
mit diesem Teile schwebestu
in deines Seelenschatzes hertzen.
In diesem Teile lebet Er /
in diesem Teile schwebet Er /
ja hier / in Dir / pflegt Er zu schertzen.

Wo aber her urteil' ich dis /
die Seelenschönheit / so gewis?
Aus deinen schönen Tugendgaben:
die über alle sterbligkeit /
auch selbst alhier in dieser zeit /
Dich / Himmelskind / erhoben haben.

Dan Gottesfurcht ist Dir vermählt:
daher Dir keine Weisheit fehlt
Dich / Welt / ja Gott selbst zu erkennen.
Drüm lebstu so gehohrsamlich:
drüm darfstu auch in wahrheit Dich
GottsTochter / und Ihn Vater nennen.

Durch willige Gelaßenheit
ergiebstu Dich zu jederzeit
in seinen Väterlichen willen.
Durch starken Glauben ringestu:
durch dein Vertrauen bringestu
ein hertz zur ruh / und kanst es stillen.

Die Liebe wurtzelt tief in Dir /
die Liebe / die der Kristen zier
und gröste Tugend ist auf erden:
auf der das Kristentuhm besteht /
und ohne sie zu grunde geht /
ja kein gebot erfüllt kan werden.

Du weist / daß ein rechtschafner Krist
nicht / als durch Lieb' / ein solcher ist:
drüm ist dein Glaub' in Liebe tähtig.
Du liebest Gott / und selbst / als Dich /
den armen Nächsten tähtiglich:
so leuchtet deine leuchte stähtig.

Dis ist der höchsten Schönheit licht /
wan man dis Liebewerk verricht /
und hülfet dem / dem hülfe fehlet.
Dis ist es / das Dich schöner macht /
als aller deiner kleider pracht /
wan sich dein wort mit taht vermählet.

Durch Mild- und guhttaht samlestu /
durch Gast- und kost-freisein darzu /
Dir einen ewgen schatz im Himmel:
da da verzehrt ihn keine zeit /
da leuchtet er in ewigkeit /
und fänget keinen rost / noch schimmel.

Lieb-freundlich handeln ist dein ruhm /
Barmhertzigsein / dein eigentuhm.
ist jemand Groß- und edel-mühtig;
so gläntzt dis Tugendlicht und steht
bei Dir in voller majestäht.
ist jemand guht / du bist Grundgütig.

Du liebest Eintracht mehr als gold.
Du übest Treu / und bist ihr hold.
Du bist verträglich / und verschwigen.
Geduld / und Sanft- und Demuht siht
man stähts bei Dir in voller blüht.
Dein Redlichs hertz kent kein betrügen.

Die Keuschheit / Zucht und die Reinligkeit /
seind dein schönstes ehrenkleid.
Du hältest Maß' in allen dingen.
Nichts weis dein tugendedles bluht
vom Undank / und vom Wankelmuht /
der nur verwürrung pflegt zu bringen.

So manche Tugend wohnt in Dir /
o aller Schönen schönste Zier /
gleich als auf ihrem eignen trohne /
und ehrt dein' edle Leibsgestalt /
die nährlich siebzehn jahr ist alt /
mit einer zweifach edlen Krohne.

Wie glüklich wird derselbe sein /
der einst mit Dir sol schlafen ein /
Du zweifach edle süße Schöne.
Der Himmel spreche: Lebe wol!
und schenke deinen seegen vol.
So schließ' ich dieses Lobgetöhne.


Der Schönen Hamburgerin Liebligkeit

Auf! Liebe / rühre meine lunge.
Auf! Liebe führe meine zunge.
Auf! Liebe ziere meinen klang
damit er süß' und lieblich klinge /
damit ich süß' und lieblich singe /
ja lieblich / diesen Lobgesang.

Die Lieb' entspriess' in meinen sinnen.
Aus liebe fliesse mein beginnen.
Von lieb' ergiesse sich mein reim:
in liebe schiess' er aus dem kiele:
mit liebe schliess' er seine spiele /
durch liebe süß' / als honigseim.

Es müss' in meinem ahtem zischen
die zimmetluft aus Zeilans büschen:
ihr zukkergleicher süßer saft
müss' auch aus meiner feder fliessen /
und diese gantze schrift durchsüßen /
sie anzutuhn mit lebenskraft.

Und so werd' ich was lieblichs bringen /
der ich von Liebligkeit sol singen
der lieblichsten Hamburgerin:
die nur zur lieb' ist auserkohren /
weil sie so lieblich ist gebohren /
daß ich durch sie verlieblicht bin.

Kein zukker ist so lieblich süße /
als diese süße Tugendblüße.
kein reucherhartz / ja kein kannehl /
noch auch der Inder teure fichte /
reucht nie so süß' / als ihr gerüchte;
das selbst beschähmt das rosenöhl.

Karfunkelwasser hat die gaben
so kräftig nicht das hertz zu laben /
als ihrer Augen süßer blik:
auf dessen zukkerstrahlen-streuen
das bitre leid sich selbst mus freuen /
ja alle trauer stehn zurük.

Wan sich dan auch ihr mund beweget /
der jedes hertz zu öfnen pfleget /
so bald sein laut sich offenbahrt;
dan hört man durch die lippen brechen
ihr lieblich-lieblich süßes sprechen /
das sie zur unzeit klüglich spaart.

Wie flieht alsdan der Freudenstöhrer!
wie zieht sein wort zurük ihr höhrer /
und sieht dis süße Wunder an.
Wie schleucht der muht / wie kreucht die seele /
die sonst so käk' / in ihre höhle /
so daß verstumt der kühnste man.

Viel tausend andre liebligkeiten /
die ihren schönen leib begleiten /
berühr' ich nicht: doch sag' ich frei /
daß nichts so lieblichsüß' auf erden /
wie süß' es auch genant kan werden /
ja nichts / als Anemone / sei.


Der Schönen Hamburgerin Abgesang an die
spot-- und neid-süchtige Mohre
Die sangweise setzte Matt. Wekman

Ob du / o Erdenzucht / aus neid schon suchst zu  stächen
auf dis Hamburgerkind / und dessen Schönheit ruhm;
dem mein Gesang gibt kraft / die du gedänkst zu schwächen:
bleibt Anemone doch eur' edle Himmelsbluhm.

Du sagst / es seind nur wort, / im lesen meines Liedes;
sie schwinden wie der wind. Nein Mohre / Mohre / nein.
Zwar worte seind es wohl / ja worte. doch wird jedes
ein' Amarantenbluhm' in seiner gühte sein.

Auch grab' ich sie mit stahl in ewige demanten.
Die seind hier mein papier: darauf ich etz' und schreib
der Anemone Zier / durch schrift der Amaranten;
damit in stähter blüht' ihr schönster Ruhm bekleib'.

Und so stirbt Anemon' auch nimmer-nimmer-nimmer;
ja nimmer-nimmermehr verwelket diese Bluhm.
So blühet fort und fort / ja immer-immer-immer
und immer-immerfort ihr zweifach schöner Ruhm.

Der Himmel / der sich selbst selbst über Sie verwundert /
und / gleich als gantz verliebt / so lieblich Sie anblikt;
der gebe / daß Sie sei viel hundert-hundert-hundert /
ja tausend-tausend mehr / als tausendmahl / beglükt!


An der Schönen Hamburgerin Kunstmahler
Auf vorige weise zu singen

Wilstu das Angesicht der Anemone mahlen /
so laß was länglichrund vorerst den ümzug sein.
dem streiche frischen schnee / mit kreid' und silberstrahlen
aufs lieblichste vermischt / durch deinen pinsel ein.

Dan tüpfle schwartz und braun fast mitten in dis weisse:
vergis hierbei auch nicht der deamanten blitz;
daß ihrer Augen blik / wie dort / alhier auch gleisse /
und recht gebildet sei der Liebe süßer sitz.

Hierüber zeuch was rund und zahrtbraun ihr Gebrähme
Die Stirn sei wie albast / erhoben / glat / und weis:
die Nase so gebildt / daß niemand was vernehme /
das ihr nicht sage zu der gantzen zierde preis.

Darunter sol der Mund / als eine Rose / blühen /
recht rund / und hochgefärbt: doch nicht so hoch das paar
der wangen; welche du was linder solst besprühen /
und zieren durch ein zahrt- und goldgebreuntes Haar.

Wan du dis alles nun wirst wohl getroffen haben /
auch in den Wangen selbst / das Grüblein / wan sie lacht;
steht deine kunst doch stil vor Ihrer Tugend gaben /
die Anemonen erst recht schön und lieblich macht.


Die Fröliche Hamburgerin

Auf! Freud' / ermuntre meinen sin /
und laß mich frisch und frölich singen.
Der Frölichen Hamburgerin
sol dieses Lied zu ehren klingen.
Ich sol erweisen / daß Sie sei
Frisch / frölich / färtig / from / und frei.

Frisch ist ihr Muht / und unverzagt /
wan schon Ihr Glük scheint als zerronnen.
Frisch angesetzt / und Frisch gewagt
ist bei Ihr gleich als halb gewonnen.
Frisch ist Ihr hertz / Frisch auch Ihr sin:
so felt der unmuht von Ihr hin.

Ihr angenehmes Frölichsein /
Ihr Froher blik / Ihr frohes wesen
ist als ein süßer honigwein:
das macht sie hübsch und auserlesen /
wan Sie sich in geselschaft findt /
und selbst den wüsten kummer bindt.

Der gängen Glieder Färtigkeit
zeigt an Ihr tantz / Ihr seitenrühren:
dadurch sie weis zu jederzeit
das hertz dem hertzen zu entführen.
So Färtig ist auch Ihr gesang /
so Färtig Ihr behänder gang.

Hierzu fügt sich die Frömmigkeit /
des Frauenzimmers schönste Tugend:
die ist Ihr schmuk und ehrenkleid;
das Ihre noch sehr frische Jugend
viel besser ziert / viel schöner schmükt /
als das mit perlen ausgestükt.

Ihr Freier sin / Ihr Freier muht
ist aus dem Lasterjoch' entronnen.
Und so hat Sie das edle guht /
der Seelen Freiheit / recht gewonnen.
Hiermit erweis' ich daß Sie sei
Frisch / frölich färtig / from / und frei.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band 1 Zweiter Teil S. 236-254)
_____


18.
Schattenliedlein
von eben Derselben überirdischen Rosemund /
in einem gespräche / zwischen
Mahrholden und der Liebe / vorgestellet
Die sangweise setzte Dietrich Bäkker

M.Wohnt Rosemund zu Rosemünde /
die tausendliebe / die ich finde /
dort an der Rosel / in der Gruft?
L. Ach! nein. Viel edler ist die Kluft.
M. Wo dan? ei! sag' es meiner seelen.
Wo find' ich Sie / in welcher höhlen?
L. Du hast die höhle nah bei dir.
M. Ach! was vor antwort giebstu mir?
Kom / zeige sie; und führ mich aus den schmertzen.
L. Was fragstu viel? Sie wohnt leibhaft in deinem hertzen.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 71-74)
_____



19.
Ein zweifaches verketteltes Klinggedichte /
in unterredung gestellet /
zwischen Mahrhold / und Rosemund

M. BEtrüben wilstu mich / mich wilstu ja betrüben?
R. Betrüben / ohne lieben?
M. O nein. Dan deine lieb' ist noch mein trost allein.
R. Allein. Ach ja / du solst mein lieber Liebster seyn:
ja mein / ohn' allen schein.
M. Den dieben trau'ich kaum den kleinen  hertzens-dieben.
R. Den dieben danck ich dis / daß standfest ich  geblieben.
M. Die lieben mir einschrieben?
R. Die dein gedachtnüs mir ins hertze schrieben ein.
M. Ach kein' / als deine lieb' ertödtet meine pein.
R. Die pein ist gleichfals mein.
M. Verstüben doch die berg'/ und pein sol nicht verstüben.
R. Der schweiß / die last / die müh' bringt ruh /
und lust / und preis.
M. So bringet auch der krieg den sieg / darnach man ringet.
R. Wan schweis den preis erringt / ist dan die Liebe weis?
M. ja / weis / wie schnee / der erst befelt den Erdenkreus.
R. Gelinget aber stäths der preis / den man erzwinget?
M. Es sei genug / wan er uns beiden pflichtet bei.
R. Herbei den / o mein Schatz / der mich macht schmertzens frei.
M. Es springet mir das hertz / weil mir mein Sieg  gelinget.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 74-84)
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20.
Widerschallendes Schattenlied
an seine an schönheit und tugend vollkommene Anemone /
Die sangweise setzte Dietrich Bäkker

1.
ACh! meine Krohn' / ach! o mein Stern. W. ein stern?
Ein Stern ist Anemone /
meine Krohne;
der meinem hertzen scheint von fern. W. von fern?

2.
Ja freilich scheint er mir itzt noch von fern:
bald aber in der nähe;
ja ich sehe  /
wie er schon blinkt / ihr güldner Tugendstern.

3.
Ach! Anemone / nim mein hertz. W. ein hertz?
Ach! ja ein hertz vol treue:
und erneue
dasselbe / wie die welt der Mertz. W. der Mertz!

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 85-86)
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21.
Schertzlied nach Anakreontische ahrt /
auf die freund- und hold-seelige Euglein
der einig-leut-seeligen Rosemund
Die sangweise setzte der Findende

1.
DIe Augen können taugen /
die meine kräft' alleine /
die meine kranke beine /
ja augen gantz außsaugen;
die mit dem hertzen schertzen /
ja schertzen mit dem hertzen /
als jene Tausendschöne /
mit ihrem tirelleren /
mi ihrem mundgetöhne /
mit ihrem hertzerühren /
mit ihrem hohen schalle /
mit ihrem frohen halle.

2.
Karfunkeln seind im dunkeln /
viel lichter / viel erpichter /
und dichte gluhtanrichter;
weil sie noch klährer funkeln.
So seind auch deine sterne;
die sterne / die von ferne
mein dunkles hertz bestrahlen /
ins düstre meiner seelen
zumahl hinunter tahlen /
und meine geister kwehlen
mit tausend tausend schmertzen.
O brand in meinem hertzen!

3.
Die wunde / die Kertzmunde /
mit ihrem tirelieren /
mit ihrem orfeusieren /
in jener abendstunde /
in meinem hertzen machte /
eh' ich mich recht bedachte;
die hat mir Rosemunde /
mit einem augenblitze /
den ich so scharf empfunde /
davon ich brenn' und hitze /
der mir ins hertze schimmert /
vertieffert und verschlimmert.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 87-91)
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22.
Vermahnungslied / an die allerschöneste /
alleredleste Betauische Lilje /
zur gunst-beharligkeit / und sanftmuht;
welche Sie eine zeitlang / vielleicht die beharligkeit
ihres Liljenwährts zu bewähren / in ungunst
und zorn verwandelt zu haben schiene
Die sangweise setzte der Findende

1.
WAs blikke? was erzürnte strahlen
schiesst doch der Seelenwüterich /
mit gantz ergrimtem trotz und prahlen /
aus deinen augen her auf mich?
Ach! süsse Lilje / schone / schone /
und gib mir deine gunst zu lohne.

2.
Ist das der dank für meine liebe /
für meine treue; der ich dich
mit demant in mein hertze schriebe?
Ist das der preis / darüm ich mich
so lang' / und fast ümsonst / bemuhet;
weil nichts Dich zur erweichung ziehet?

3.
Dir mach' ich zwar die Deamanten
der augen schmeltzen / als mit lust:
ja die in liechter lohe branten /
fäht auf das milchmeer deiner brust;
darauf sie perlenweise tauen:
noch läst du Dich nicht gnädig schauen.

4.
Du wilst / und wilst auch nicht / mein Leben.
Ach! ja / Du wilst / mein Augentrost.
Was wilst du Dir entgegen streben?
Dein himmel hat genug geschlosst.
Laß nun auch deine Sonnen blikken /
und mich in deiner gnad' erkwikken.

5.
Ach! laß Dich doch einmahl gewinnen /
mein Liljenbild / mein Augentrost.
ich weiß du hägest andre sinnen /
Ein Frauenbild stelt sich erbosst
itzt / wan es uns am meisten liebet:
darinnen bist auch Du geübet.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 91-94)
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23.
Ehrenlied / welches die hochedelgebohrne
lieblich blühende Lilje
Ihrer gebühr / bei Ihrem / mit dem frühlinge zugleich
anbrechendem Nahmenstage / glükwündschende erinnert
Die sangweise setzte Martin Frenstorf

1.
DIe jahrszeit ist nun wiederkommen /
da dieses grosse Weltgebeu /
samt uns / das erste sein gewonnen.
Die Fische werden vollend frei /
durch ihres nachbarn warmen pradel:
sein horn schliesst auf den Lebensadel.

2.
Das frühe Jahr begint zu gläntzen /
wil sich der Sonnen sommerglantz
je mehr und mehr naht unsern grentzen /
und schenckt uns seinen bluhmenkrantz.
des Winters sturm ist überstanden /
itzt herscht die Lieb' in unsern landen.

3.
Ach! Lilje / Du hast auch gestürmet.
Der kalte schneeberg deiner Brust
hat Dir bißher das eis beschirmet /
das deinem hertzen war bewust:
itzt wird er endlich sein geschmoltzen /
durch dieser seuftzer frühlingsboltzen.

4.
Dein Nahme fällt drüm ein zu feiren
üm diese liebe Lebenszeit /
daß du solst deinem winter steuren;
wie Dir die grosse Welt gebeut:
du kleine Welt / außzug der grossen;
zerlaß des harten zornes schlossen.

5.
Ach seht! sie schmeltzen durch die fenster
des blancken himmels Deiner stirn.
Sie seind zwar noch wie zäher kenster /
der manches hertze kan verwürrn:
doch können sie den windsturm stillen /
der durch die Rosen pflag zu brüllen.

6.
Der Wider zündt die liebeswärme /
mein Lieb' in deinen adern an:
die krübbelt / wübbelt durchs gedärme /
und sucht des kalten hertzens bahn /
mit süsser liebe sanftem glühen /
zur lebenszucht und frucht zu ziehen.

7.
Weil sich die Sonn' itzt zu uns wendet /
so wende Dich doch auch zu mir /
du zweite Sonne; daß sich endet
der wintersfrost bei mir und Dir;
daß auch in mir ein lentz aufgehe /
und ich in lust und liebe stehe.

8.
Da kan ich deinen Nahmen ehren
mit lieblich-frohem frühlingshal:
dan sol dein lob in klüften hören /
und mehren selbst der Wiederschal.
Dein Nahme sol geschnitten werden
auff tausend linden dieser erden.

9.
Wan ich zu deinem Nahmenstage
was wünschen sol / so wündsch' ich Dir
des rauhen winters niederlage /
des schönsten lentzens stäte zier;
ja daß du ewig wohl magst leben.
Das wolle dir der Himmel geben!

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 95-100)
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27.
Liljenwährts Vertragslied
an seine liebwährte Lilje
Die sangweise setzte der Findende

1.
Es ist genug den zorn getragen.
Die nacht vergeht: nun wil es tagen:
die düstren wolken fliehen hin.
Wach' auf / mein Lilienbild / mein Leben!
Dein Lilienwährt hat angegeben
den has / nicht seinen bruders sin.

2.
Laß uns die Brüderschaft nicht schwächen;
noch dieses band der liebe brechen;
die so aufrecht und edel ist.
Ich bin ja Dir zur gunst gebohren /
und Du zu meiner lieb' erkohren;
die Deiner nimmermehr vergist.

3.
Ach! meine glieder müssen zittern /
als espenlaub / und leichte flittern /
wan nur ein wenig mir kömt ein /
wie ich gesonnen war zu meiden
dein Angesicht / das manche neiden /
und hassen seinen klahren schein.

4.
Ich böbe noch: die sprache schwindet:
das aug' erstart: kein geist sich findet.
Der vogel / deucht mich / klagt mich an;
der in der luft herümher wallet.
Mein eignes bluht im hertzen hallet /
und saget: Du hast misgetahn.

5.
Ach weh! mein Leben muß verstieben /
wan ich ablasse Dich zu lieben /
O süsse Lilje / trautes Licht /
mein Trost / mein Laabsaal mein Verlangen.
Auf! hohle luft / daß deine wangen
ihr lieblich sein verlieren nicht.

6.
So wird den frischen Rosenblühten
dein Rosenmund / wie vor / verbieten
noch röhtlicher / als er / zu sein:
so werden deiner Brüste Liljen /
auf ihren hügeln / gantz vertilgen
den sterbeblassen todesschein.

7.
Dein Liljenwährt bleibt Dir verbunden;
der so viel süß' und frohe stunden
bei seiner Liljen gunst verspürt:
der Dich in seinem hertzen küsset /
und mit viel tausend wündschen grüsset /
so lang' er lust und ahtem führt.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 112-115)
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29.
Reiselied / dadurch Er
die Reisefärtige Schöne Rosemund
ermahnet / ihren vorgenommen zug nach
dem edlen Meißnerlande fort zu setzen
Malachlas Siebenhaar / unter den Deutschgesinten
der Siebenfälltige

1.
BRich auf! was wilstu viel verziehen.
Brich auf / o edles Venenkind!
Der Himmel hat Dir schon verliehen
die beste luft / den besten wind:
So beut auch schon die treue hand
das wunderschöne Meisnerland.

2.
Das Edle sucht aus seinen Schachten
den allerschönsten schatz herfür /
den jemahls ihre gänge brachten
an gold / und perlen / deiner zier
zu geben einen höhern glantz /
durch einen Braut- und ehren-krantz.

3.
Der tag wird klahr / die wolken brechen;
sein licht vertreibt den bangen graus.
Mein Meissen bildt sein lieblichs sprechen
noch tausendmahl so lieblich aus.
Daß Böhmerkind / die Mulde / steht;
weil ihr ein neues Licht aufgeht.

4.
Auch sternt / dünkt mich / ihr Bild am Himmel /
mit gold und Rosen ausgeziert:
da winkt ihr lieblichs sterngewimmel
dem Schwane / der Dein Sternbild führt.
Der Riesenfuß streicht ihren mund /
der Fönix ihren ersten grund.

5.
So leuchtet sie / zu Deiner reise /
mit vierzig lichtern / durch die nacht.
Die Rosen blühen hauffen weise;
es regnet gold; die Sonne lacht;
gleich da das Licht die Lieb' ümfing /
und Dich / mein Lieb / zu bilden ging.

6.
Auf dan! und nim die liebeszeichen /
die Dir mein währtes Vaterland /
zu samt dem Himmel / denkt zu reichen /
mit treugeneugter liebeshand.
Brich auf! und wähle deinen sitz /
wo Dir aufgeht so heller blitz.

7.
Wir wündschen Dir / zu dieser Reise /
die tage schön die nächte klahr /
das wetter still die winde leise /
die strasse schlecht auch hier und dar
das glück geneugt den würt bereit
Dich anzusehn mit freundligkeit.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 118-121)
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31.
Schertzlied
als die schöne Engländerin / J. Dorotee Darel /
Ihm / auf der lauten / das erste
stüklein spielete

1.
SChöne / wie mag dieses kommen /
daß mich Ihrer Laute klang /
die Sie kaum zur Hand genommen /
macht so balde liebekrank;
daß die sinnen schwächer werden /
und sich neugen hin zur erden;
daß mich Ihrer Augen blik
ziehet aus mir selbst zurük?

2.
Mit den Fingern mag Sie spielen;
aber mit den Augen nicht:
dan die kraft macht schmertzen fühlen
die aus Ihren blikken bricht;
ja / was mehr ist / Ihre Zunge
reget mir auch hertz und lunge /
wan Sie so beengelt singt /
und mich fast zum sterben bringt.

3.
Itzund kan ich leichtlich gläuben /
daß Orfeus / durch seinen klang /
wie die greusen Dichter schreiben /
das vertutzte wild bezwang;
weil itzund Ihr süsses spielen
die vernunft muß selbsten fühlen /
und / o Engel-menschen-bild /
nichts vor Ihren künsten gilt.

4.
Ihre Laute / die Sie führet /
ist mit bändern schön bestrükt /
die aus lieb' und gunst gerühret:
mocht' ich auch so sein beglükt /
daß ein Lied / aus gunst geschrieben /
meine Schöne wolte lieben;
und derselbe / der es schreibt /
Ihrer gunst sei einverleibt.

5.
Sie ist ja zur gunst gebohren
denen / die Ihr günstig seind /
und zum lieben außerkohren:
darüm wird auch nicht Ihr freund
so unglücklich bleiben müssen:
bin ich doch auf nichts beflissen /
als auf Ihren hohen preis;
der von keinem weichen weis.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 125-128)
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36.
Freudenlied / als Er von der Edelen
Weisheit / den trauring / zu samt der ehrenkrohne /
empfangen solte
Die sangweise setzte Johan Schoop

1.
Schönste / wilkommen! ach! Liebste / wilkommen!
Deine gebehrden / o edeles Bild /
haben mir augen und hertze genommen.
Sehet / ihr Brüder! wie schimmert das schild /
mit perlen besetzet.
Wie treflich ergetzet
ihr' edele zier.
Die Lippen / ach schauet!
seind immer betauet:
zukker und honigseum fliesset herfür.

2.
Ihre Gespielen seind Adel / und Tugend /
Starke / Gerechtigkeit / Klugheit und Zucht:
welches am nützesten unserer Jugend;
sonsten ist alles geneuget zur flucht.
Begehrstu zu singen
von künftigen dingen:
das zeiget sie Dir.
Sie lässet bekräntzen /
im itzigen lentzen /
unsere heupter mit treflicher zier.

3.
Sehet / ihr Töchter / ach! sehet uns stehen.
Sehet das überaus schöne geschenk.
Helfet das freudenfest alle begehen.
Trinket das edele freudengetränk.
Ach! trinket / und esset /
des leides vergesset
zu itziger zeit.
Es kommet gegangen
in röhtlichen wangen
unsere Schöne / mit purpur bekleidt.

4.
Lasset das liebliche lautenspiel klingen!
lasset die geigen nicht schweigen alhier!
Lasset uns singen / die stimmen erschwingen.
Schenket uns rebensaft / schenket uns bier.
Komt! lasset uns tantzen;
und trinken zu gantzen /
ihr Brüder / itzund:
macht freudengetöhne /
daß unsere Schöne /
unsre Sophie mag leben gesund.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 143-147)
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37.
Klagelied
über den immerwährenden wechsel des Glükkes
Die sangweise setzte der Findende

1.
WAn schon die Sonne scheint einmahl /
und durch die wolken blikket /
graß / laub und tier erkwikket /
durch wald feld / berg / und tahl;
kömt doch das Ungewitter /
und macht die freude bitter /
wan sich der sturm erhöbt /
daß meer und erd' erböbt.
Der vogel zahl
schweigt alzumahl:
es bricht herfür
kein tirelier:
der Sonne licht
zeigt dan auch nicht
den güldnen glantz / das liebliche gesicht.

2.
Also wan schon das Glük sich zeigt /
und uns einmahl anlachet /
viel lust und freude machet;
wan sturm und wetter schweigt:
so komt doch bald / mit hauffen /
das Unglük angelauffen.
Wie schnee und eis zergeht /
die bluhme nicht besteht;
so eilt zurük
das schnöde Glük /
und weicht mit macht
zu tag und nacht:
es eilt und flieht /
so bald es blüht /
und ist auf nichts / als eitel flucht bemüht.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 147-151)
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41.
Mahrholds Scheidelied
an seine betrübte Anemone/
nach der neuen Zesischen Reimahrt
Die sangweise setzte Dietrich Bäkker

1.
MEinstu / wir sind nun gäntzlich geschieden?
Gib Dich / o Anemone / zu frieden.
Unsere Seelen scheiden sich nicht /
ob ich schon scheid' aus deinem gesicht.
Unsere Seelen / deine von meiner /
meine von deiner / scheidet nun keiner.

2.
Ich bin versichert / daß Du mir hold bist /
daß dein gemüht so lauter / als gold / ist.
Sei auch versichert / daß es kein schertz /
wan ich Dir schenk' in treue mein hertz.
Sei vergewissert / daß ich mein leben
Dir / o mein Licht / zu eigen gegeben.

3.
Seh' ich dein Bluht / das keusche / das liebe /
damit dein hertz sich gestern verschriebe /
daß es mein eigen bis in den tod /
auch in der höchst- und äussersten noht /
wolte verbleiben; reis' ich in freuden /
weis ich von keinem einigen leiden.

4.
So wird auch dein hertz leben in freuden;
so wird es meiden schmertzen und leiden.
So seind wir alle beide vergnügt /
wie es das glük auch immermehr fügt.
Nun wil ich Dir in freuden / mein Leben /
so tuh auch Du / den scheidekus geben.

5.
Wie kan ein solches scheiden sein schmertzlich /
da sich so tausend-tausendmahl hertzlich
zwei mit einander treulich geküst /
da man nicht eines wundsches vergist?
da ich Dir wündsche tausendmahl glükke;
Du / daß ich glükllch komme zurükke.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 163-167)
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63.
Loblied an die Huld- und lieb-reiche
Holsteinische Perle
Die sangweise setzte Dietrich Bäkker

1.
O Perl / vol huld / und liebligkeiten /
du Tugend Bluhme dieser zeiten /
ja Perlenkrohne darff ich wol?
Ach ja! ich darff auff dein befehlen /
mit dem sich zucht / und schaam vermählen /
dein lob erhöben / wie ich sol.

2.
Ich sol / wan ich nur kan / Dich preisen /
ja / wan ich kan / Dir das erweisen /
was deiner Tugend glantz verdient;
der seine strahlen so erhöhet /
daß meine zunge sprachloß stehet /
und kaum zustamlen sich erkühnt.

3.
Was sol ich tuhn? Ich wil beginnen /
wiewol mit halbentzückten sinnen /
und halb gebrochnem mundeshal /
durch dein so überedles wesen;
daraus ich dein gemüht kan lesen /
und deine Tugend überal.

4.
So bald Dich Holland sahe kommen /
hats Dich sehr freundlich angenommen /
verwundert über deine zier.
Viane ehret Dich noch immer /
als ein volkomnes Frauenzimmer /
und suchet stäts zu sein bey Dir.

5.
Wan sich dein zahrter mund beweget /
der rosen auff den lippen häget /
und redet mit bedacht sein wort;
dan schaut / und hört / und schweigt ein jeder /
ja preiset heimlich deiner glieder
so sitsams wesen fort und fort.

6.
Wan deiner Augen süsse blikke
sich zeigen / ströhmt der Rein zurücke /
verliebt in ihren sanften strahl;
der auf ein sanftes hertz wil deuten /
das auffrecht handelt für den leuten /
und flieht der falschen worte wahl.

7.
Und daher ists / o Perlenkrohne /
daß itzt / bey halbentzücktem tohne /
mein mund sein amt fast gar vergist.
Du / Tugendsonne / kanst erwekken
die strahlen / welche sich verstekken /
wan Kühl ein Man in Tugend ist.

8.
Ich spreche kühl' / und halbe worte /
doch nicht aus einem kühlen orte.
Das hertz ist feuerig genug.
Doch nim vorlieb / und bleib geneuget
dem / der Dir ewig ehr' erzeiget /
auch selbst nach deinem abschiedszug.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 235-239)
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64.
Schertzlied an die lustbringende
Geselschaft / als das geschrei erschollen;
daß die Tugendvollkommene Altländische Perle
kurtzkünftig / aus ihrem mittel / solte entrükt werden
Die sangweise setzte Johan Schoop

1.
ICh bin zwar von euch / ihr Lieben /
nun entfernt / auf wildem meer:
doch mus ich mich mit betrüben /
wil mir kömmet zu gehör;
daß ein Frembder eure zier /
eure Perle / reist von hier.

2.
Borstel steht in weh' und leiden;
weil sein edles Perlen-Kind
mus aus seinen grentzen scheiden /
und was fremdes lieb gewinnt;
weil itzt komt in fremde hand
deine Perl / o Altes Land.

3.
Ja das arme Borstel weinet /
dem sein reichthumb so entgeht:
der Elbinnen schaar vermeinet /
daß ein neuer kwäl entsteht;
wil so starker trähnengus
sich aus Borstel stürtzen mus.

4.
Aber schweig mein Borstel stille!
Sie wird Perlenmutter sein /
wie des Himmels wundsch und wille;
und viel Perlenkinderlein
euch / o Lieben / schikken zu.
Borstel / still! was weinest du?

5.
Alle Perlen müssen weichen /
die im Osten seind gebohrn.
Keine darff sich Dieser gleichen /
die in Borstel ist erkohrn:
derer Tugend höher steigt /
als der sonnen glantz sich zeigt.

6.
Ich gesteh / daß ihre blitze
mir das hertze so gerührt /
daß ich noch von Tugend hitze;
die mein aug' aus ihr entflührt.
Leuchte stets / o Perlenkind /
daß mir so das hertz entzündt!

7.
Hiermit schließ' ich / meine Lieben;
doch das hertze nimmermehr:
dessen helfte bei euch blieben /
wil die andre sucht gehör /
und sich an KRISTINEN wagt;
da mein glük was klährer tagt.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 239-243)
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65.
Korblied an die
tausendlistige / doch falsche Machtilde

1.
SEi / o Freiheit / hochgelobet;
sei gegrüßt / du Himmelskind.
Nun hat endlich ausgetobet /
die mich machte tol und blind;
die mir legte fessel an:
die ich nun verlachen kan.

2.
Lag ich nicht in angst verwürret
ach! so manche liebe nacht?
da mein hertze war verirret /
so gefällt durch liebesmacht.
Liebe / das verblendte kind /
machte mich auch selbsten blind.

3.
Lachet! lacht / ihr meine sinnen!
lacht! verlacht die schnöde die /
die mich dachte zu gewinnen!
Ich wil singen / daß ich sie
hönen mag / mit ihren strük /
der mich zog aus mir zurük.

4.
Wie ein Vogel hüpft und springet /
wan er aus dem netze loß:
so hüpft auch mein hertz / und singet;
weil es sich aus deinem schoß
der mich vor gefangen hielt /
endlich frey und loß gespielt.

5.
Wo ist deiner augen blitzen?
Wo ist deiner schönheit glantz?
die mich konten so erhitzen;
die mich mir geraubet gantz?
Schau! ich bin nicht mehr so blind.
schau! wie deine macht zerrint!

6.
Geh du Falsche / geh / und eile!
geh und habe guhte nacht!
geh und suche deine pfeile /
deines bogens blinde macht /
anderwärts zu bringen an;
da man dich nicht höhnen kan!

7.
Ich verlache deine tükke:
laute lach' ich über dich.
Frölich schau' ich stäts zurükke.
lustig bin ich; weil ich mich
nun so klüglich hier bedacht /
und von dir mich loß gemacht.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 243-246)
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68.
Schertzlied
an die trübseelige / in einem Rosengarten schlaffend
beschlaffene Roselinde
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
WIe von den Mähren schreibt Virgiel / daß sie der wind macht schwanger;
so schwängert manche Jungfer auch die luft vom Bluhmenanger.
Die Biene kent den beischlaf nicht / und häkt doch jungen aus /
wan sie im süssen eifer küst den zahrten Bluhmenstraus.

2.
So kräftig war die Rosenluft / mit eifer eingesogen /
daß Roselinde sich befand / das süsse Kind / betrogen.
Woher doch komt mir dis? sprach sie: Ich weiß von keinem Man;
und gleichwol seh' ich / daß man mich bald Mutter nennen kann.

3.
Der Nahme komt Ihr nun auch zu. Doch wer sie Fraue nennet /
der tuht / wie sie selbst spricht zu viel; weil sie kein Man erkennet.
Ists wahr? so habt ihr euch gewiß / ihr Jungfern vorzusehn:
es möcht' euch von der Bluhmenluft sonst auch ein schimpf geschehn.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 256-257)
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69.
Scheidelied an seine Hertzliebste
Schwester / die liebseelige Treumunde
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
ACh weh! ach schmertz! ach leiden!
Mein Augentrost bleibt hier;
und ich mus / ich mus scheiden
ach weh! ach weh! von Ihr.

2.
Mein Hertzenslicht verbleichet:
mein Auge weinet bluht:
der seuftzer luft entweichet:
es sincket mir der muht.

3.
Ich mus Dir leider! geben
die bitre guhte nacht /
mein Englichen / mein Leben;
die ich so währt geacht.

4.
Ich scheide zwar von hinnen:
doch bleib' ich ewig dein
mit hertze / muht / und sinnen;
und wil dein Bruder sein.

5.
Dein Bruder wil ich bleiben /
in fester lieb' und treu /
so lange man wird schreiben /
was treue liebe sey.

6.
Viel eher mus verdunkeln
die Sonn' / als meine Treu;
die stähtig pflegt zu funkeln /
und meint Dich je aufs neu.

7.
Nim / Schwester / diese Treue /
mit treuer liebe / hin;
und denke / daß aufs neue
ich Dir ergeben bin.

8.
Nim hin mein hertz / mein leben:
nim hin mein gantzes mich.
Ich lebe Dir ergeben.
Du weist / ich liebe Dich.

9.
Ich liebe Dich von hertzen:
das weis der Himmel wol.
Dich lieb' ich / ohne schertzen.
Dich lieb' ich / wie ich sol.

10.
Ich ehre deine Tugend;
ich liebe deine zier /
samt deiner zahrten jugend /
so lang' ich leb' alhier.

11.
Wan ich Dich nicht mehr liebe /
so sterb' ich gar gewis;
so steht mein leben trübe /
und fühlt den letzten ris.

12.
Für diese Lieb' und treue
begehr' ich nichts / als gunst;
die alle morgen neue
sol werden / ohne dunst.

13.
Beständig solstu bleiben:
doch wie Du wilst / mein Licht.
Beständig wil ich treiben
die treue Bruderpflicht.

14.
Der Himmel wird / zum lohne /
einst geben Dir und mir
der treuen Liebe krohne /
o meines hertzens Zier.

15.
Dis laß‘ ich Dir zurükke /
mit hochbetrübten muht;
weil mir mein hartes glükke
beinah den tod antuht.

16.
Nun lebe du mein leben!
mein Seelchen lebe wol!
der Himmel müsse geben /
was Er dir geben sol!

17.
Gern wil ich für dich leiden /
wan Du nur lebst beglükt.
Ach Hertz! itzt mus ich scheiden:
itzt werd' ich Dir entrükt.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 258-262)
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70.
Klagelied an die unerbitliche
lieblich schöne Stilmund

1.
KAn dan das scharfe rinnen
der augen / o mein Licht /
dein hertze nicht gewinnen;
das mir nur hohn zuspricht?
Ach sieh! mein auge weinet /
es weinet lauter bluht:
und doch wird / wie es scheinet /
dein geist mir nimmer guht.

2.
Das boksbluht kan erweichen
den demant / wie man spricht:
mit dem sol ich vergleichen
dein Hertz mein Seelenlicht.
Dein Hertz dein hartes Hertze
ist härter als ein stein.
Ich weiß was ich verschmertze.
Ach! o der seelenpein!

3.
Kein stahl ist deiner Seelen /
mein Seelchen / nimmer gleich:
die du mich pflegst zu kwehlen /
so / daß ich todtenbleich.
Dein hartes hertze drükket
mein weiches immerzu.
Wan werd' ich sein beglükket
zu schauen meine ruh?

4.
Wan wirstu Dich erweisen /
als eine Liebste pflegt?
Bistu dan lauter eisen /
das nicht ein trahn bewegt?
Ein stein wird durch den regen
ermürbet mit der zeit:
Dich aber kan bewegen
nichts nichts in ewigkeit.

5.
Nun / Du magst stahl und eisen /
Du / Du magst demant sein;
so wil ich doch erweisen /
daß ich Dich lieb' allein.
Kein' andre kan ich lieben:
Kein' andre kent mein sin.
Wilstu mich nicht betrüben /
so gleube / daß ichs bin.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 262-265)
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71.
Freudengesang an seine lieb- und huld-seelige Tagene.
nach der sangweise:
Solt' ich die nicht lieben die von andern wird geliebet
oder nach folgender des Siebenfältigen

1.
SO bricht doch / Tagene /
Deiner euglein tag / o Schöne /
durch die trauerwolken hin:
die uns überziehen;
weil wir unser Licht sehn fliehen /
im fliehen unsrer Königin.
Die seiten schweigen hier:
doch rührt und regt sich noch bei Dir
wie vormahls / oft und viel
der euglein stummes seitenspiel.

2.
Dieses spiel macht freude:
dieses ist der augen weide;
die der seelen hunger stillt.
Süß ist dieses spielen /
das die härtsten hertzen fühlen;
das sin / und muht / und seel' erfüllt;
Laß schweigen alles spiel;
spielt dein spiel nur noch oft und viel.
Laß laut' und geigen stehn;
sieht man dein augenspiel nur gehn.

3.
Dieses stumme spielen
machte manchen schmertzen fühlen:
aber nun machts Dem nur lust /
der dein Liebster bleibet:
dessen hertz Dir einverleibet /
wie deines seiner keuschen brust.
Tagene / gleube mir /
du aller schönen Frauen Zier;
es giebet deine brust /
und nimt auch / nichts / als lauter lust.

4.
O Tagene / Schöne /
schönes Seelichen / Tagene /
der die freude dienen mus;
deine lippen geben /
ja sie nehmen auch das leben:
Du giebst / und nimst den freudenkus.
So ist Dir endlich wol /
und Dem auch / der Dir ewig sol /
und wil gantz eigen sein /
so lang' / als scheint ein sternelein.

5.
Ei! so lebe! lebe!
lebe wohl! und schwebe! schwebe
nur in freuden für und für /
O Tagene / Schöne /
schönes Seelichen / Tagene;
ja leb' / und blüh' in voller zier.
So mus ein treuer Muht
in lust besitzen hier sein guht.
So lebt ein liebes zwei
in stähtigsüsser liebestreu.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 265-269)
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72.
Lustlied an die wohlgebohrne Tanikare

1.
GRäfin meines gantzen hertzens
Fürstin meines übermuhts /
Königin des liebes schmertzens /
Keiserin des strengen bluhts:

2.
Tanikare / meine Sonne /
meiner seele Liebesstern /
meine Wohllust / meine Wonne /
meiner liebe Marck und Kern.

3.
Sage Heldin / wan ich fröhnen /
wan ich sol zu dienste stehn?
ob Du mich bald wilst belehnen;
daß ich mag zu hofe gehn?

4.
Meine Seel' ist schon verpflichtet /
Dir zu dienen für und für.
Was mein hertze denkt und dichtet /
alles das verbindt mich Dir.

5.
Nun gebiete meinem hertzen /
gnädige Gebieterin /
daß sich legen seine schmertzen;
welche kränken meinen sin.

6.
Dies gebot komt mir zu guhte /
ja selbst Dir / mein Freudenlicht;
weil ich dan / mit frischem muhte
Dir mag leisten meine pflicht.

7.
Dir ach! Dir sol dan gespielet
manches süsse liedchen sein;
das auf deinen Nahmen zielet /
den ich rühm' und ehr' allein.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 269-272)
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73.
Klagetohn an die liebeuglende Roselinde
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
WAn je ein Augenblick
mein schwaches hertze rühret /
den matten sin verführet /
und zieht aus mir zurük /
aus mir / o weh! o weh!
so tuht es Roselinde;
die meines hertzens winde
verstopft. Ach! ich vergeh.
O weh! o weh!

2.
Die Tausendkünstlerin /
die / selbst in ihrer höhle /
bedränget meine Seele /
raft geist und ahtem hin;
ja ängstet meinen muht.
und wil doch meinem leben
gantz keine kühlung geben /
so daß erstükt mein bluht.
O gluht! o gluht!

3.
Im fal dein Augenstrahl
nochmehr so heis wil spielen;
so laß mich / Schatz / auch kühlen
zuweilen nur einmahl
durch deines mundes saft:
damit ich mich was labe /
und dank zu geben habe
o Süsse / deiner kraft.
O Saft! o Saft!

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  S. 272-275)
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74.
Scheidelied an die lob- und lieb-seelige Tugendreich
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
ACh weh! mein hertz wil brechen.
ach weh! ich kan nicht sprechen.
ach weh! ach immer weh!
Mir klopft die matte lunge:
das wort bleibt auf der zunge:
nur seuftzer steigen in die höh.

2.
Ach schmertz! ach weh! ach leiden!
Nun mus ich plötzlich scheiden /
o Tugendreich / von Dir.
Ich mus / in fremden ländern /
zwar luft und stat verändern;
doch nimmer meine liebste Zier.

3.
Mit diesem festen schlusse /
reis' ich / auf deinem flusse /
aus deinem schosse / hin.
Gehab dich wohl / mein Leben!
der Himmel wolle geben
uns beiden einen festen sin!

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 275-277)
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76.
Reiselied /
als Er vor dem Emsenstrohme / durch
die ebbe / was zu lange auffgehalten ward
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
WO bleibt / o Emsenstrohm / die scheue fluht?
wo bleibt der angenehme sud?
Sol ich mein liebstes Lieb nicht bald sehn?
Wird es geschehn?
Schaue! die fluht
machet uns muht.

2.
Komt er dan näher an / der matte flus;
der uns verzügert zum verdrus?
Schau' ich nicht / fühl' ich nicht seine macht?
Nim es in acht /
Schiffer / auf! fort!
fort! auf mein wort.

3.
Auf! Schiffer; spanne doch die segel auf /
und nim zur Emse deinen lauf;
weil uns wind / wasser / und zeit ist guht.
Schaue! die fluht
hebet uns auf.
Schiffer / auf! auf!

4.
Nun werd' ich balde sehn das süsse Kind.
Uns treibt zur Ems' ein guter wind.
Wehe beständig die gantze nacht:
wehe mit macht /
bis uns das Licht
fröhlich anbricht.

5.
Was blinkt und winkt so lieblich dort von fern?
Grüsst uns dan schon mein Morgenstern?
Ach ja! er ist es / das süsse Licht;
das uns anspricht;
daß uns den mund
reichet itzund.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 281-283)
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77.
Trauerlied über das frühe /
doch sanftseelige absterben der
schönen Tugendreich

1.
TRauret / ihr felder / wälder / betauret
die schöne Tugendreich!
Weinet / ihr heine / weinet / und trauret!
ihr bluhmen / werdet bleich!
Seuftzet / ihr winde / bejammert ihr sterben!
heulet / ihr klüfte;
teilet die lüfte
mit trauer geschrei!

2.
Sonne steh stil! erschwartzet / ihr sterne!
verdunkelt euren saal!
Weichet / ihr trüben wolken / nicht ferne!
giesst trähnen ohne zahl.
Singet / ihr Sänger / die traurigsten lieder!
spielet doch leise /
kläglicher weise /
ja dämpfet den klang.

3.
Eine der Schönsten lieget verblichen
in dieser schwartzen gruft:
der sich die schönsten bluhmen nicht glichen /
der immerzu die luft
pflegte / mit froheren blikken und winken /
segen und leben
milder zu geben /
als sonsten der welt.

4.
Ihre gebehrden sitten / und wesen /
die galten mehr als gäld.
Einer der blikke konte genesen
die gantze kranke welt.
Wan sie vergönte den augen zu spielen /
lachte die trauer /
machte der schauer
sich eilend darvon.

5.
Fahre nun wohl / du Englische Seele /
bis an denselben tag;
da sich dein leib aus trauriger höhle /
belebet / reissen mag.
Streuet / ihr Sterblichen / allerlei bluhmen /
liljen / zeitlosen /
tulpen / und rosen;
und zieret ihr grab.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 284-287)
_____



78.
Bindelied auf den fröhlichen Nahmenstag
der lieb- und freundseeligsten Marille
als Er Ihr seine Gekreutzigte Liebes-flammen verehrete
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
EIn ander mag mit gold und silber binden /
und einen krantz von teuren perlen winden:
das nur mit wind und eitelkeit vermischt /
und jene gluht der höchsten Liebe blischt.

2.
Dort mag die Hand ein nichtigs band empfinden:
hier aber wil ich selbst das Hertze binden.
So bind' ich Euch / Marille / teurer an /
ja köstlicher / als alles eitle kan.

3.
Die Liebe / die für uns gekreutzigt glühet /
die meinen geist zur Himmelsliebe ziehet /
ja meinen Leib auch selbst gekreutzigt hat /
die hab' ich hier entworfen auf dis blat.

4.
Mit der / ja der wil ich Marillen binden.
Mit der wird Sie der Seelen wohlfahrt finden:
mit der sei Sie verbunden fort und fort.
So bleibt Sie reich und seelig hier und dort.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 287-289)
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93.
Schertzlied an die süsse
Anabelle / auf ihr Hochzeitfeier
Die sangweise setzte Matth. Wekman

1.
WAs wil Sie / schöne Braut / viel tantzen /
inzwischen daß der Liebste sitzt /
und in der liebe feuer hitzt /
ja trinkt den gästen zu mit gantzen;
das seine flamme doch nicht dämpft /
die sein verliebtes hertz bekämpft.

2.
Sie ist es / die sie nur kan dämpfen /
die heisse brunst / die liebesgluht;
die seiner seelen übel tuht /
die seine geister wil bekämpfen.
Sie steh doch stil / ein wenig stil /
und höhre / was Er seuftzen wil.

3.
Sie steh / und halt' ein wenig stille:
Sie laß Ihn lösen aus der hast /
die seinem hertzen unlust schaft;
damit vergnüge sei sein wille.
Sie schikke bald die Mutter fort
und laß' Ihn hohlen / auf mein wort.

4.
Dan eile Sie mit Ihm nach bette.
Sie eile doch / o schönes Bild:
Sie sei nicht mehr so scheu und wild /
mit Ihm zu schertzen üm die wette.
Seht! seiner euglein rascher lauf /
der fordert Sie zum spielen auf.

5.
Ei! spielt dan nun; ei! spielt und schertzet:
drükt mund an mund; und gehet hin /
wo sich vergnüget euer sin.
Geht / schöne Braut / geht fort / und hertzet
den Liebsten durch die gantze nacht /
die Euch zur zweiten Ehfrau macht.

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 338-343)
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96.
Brautlied an die leut- und liebseelige schöne Adelinde

1.
SChönheit bleibt oft ungepriesen;
und ihr nachtritt angewiesen /
durch des Dichters stichelkiel:
der dis recht vom himmel häget;
doch alhier belieben träget
ihm zu setzen selbst ein ziel.

2.
Das verursacht Ihre Tugend /
samt der Schönheit Ihrer jugend:
die so freundlich lacht und spielt /
daß / o Schöne / seine feder
mahlt / auf glattes schafenleder /
Ihre blitze / die er fühlt.

3.
Freilich fühlt er Ihrer blitze
wundersüsse gluht und hitze;
die sein hertzensstahl erweicht /
wan der augen demantstrükke /
wan des Munds rubienenblikke /
ja der Brust albaster leucht.

4.
Von den Wangen / welche höhnen
Selbst den schmuk der tausendschönen /
wan ihr süsser glantz anbricht;
der auch den der weissen liljen /
durch sein hochweis / pflegt zu tilgen /
ja des purpurs / meld' ich nicht.

5.
Stille schweig' ich von den Lokken;
die / als zahrt gekrülte flokken /
spielen üm der Stirne schnee.
Schrieb' ich von den Tugendgaben /
müst' ich so viel dinte haben /
als uns wassers reicht die See.

6.
Selig ist ihr liebes Leben /
dem der Himmel hat gegeben
so ein edles Tugendbild.
Seelig seid Ihr alle beide;
die mit lauter lust und freude
selbst der Himmel hat erfült.

7.
Lange / lange müsse währen /
als man immer kan begehren /
diese süsse seeligkeit! /
ja sie müsse klährer tagen /
und viel schöne früchte tragen /
bis sich schliesset eure zeit!

aus: Filips von Zesen
Dichterisches Rosen- und Liljen-thal
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre  (S. 352-356)
_____


 

siehe auch Teil 1 Teil 2 und Teil 3



 

 


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