Georg Friedrich Daumer (1800-1875) - Liebesgedichte



Georg Friedrich Daumer
(1800-1875)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte (Teil 3):
 




Miranda
Nach Benedetto Rubini

In bel corpo anima bella

O wundervolles Weib!
O Wesen ohne Fehle!
O allerschönste Seele
Im allerschönsten Leib!

Erste Abtheilung
Sonette

. . . . . . . . .
Da stets die Liebe, wie vor Gott, sich neiget,
Mit heiliger Scheu vor ihrem Gegenstande.
Platen

I.
Es leuchtet in der stillen Seele mir
Ein Bild so schön, so zart, so lieb, wie keines;
Es ist der Abglanz deines Rosenscheines,
Es ist das Abbild deiner reinen Zier.

Welch eine Seele grüßet uns aus ihr,
Bescheinigend ein göttlich Ungemeines!
Wie weckt sie mir des seligsten Vereines
Tiefinnerliche, glühende Begier!

Vergebne Sehnsucht! Diese süße Pracht,
Nie labt sie mich mit ihren Blüthenlenzen;
Nie sinkst du mir an die entzückte Brust.

Denn wer versöhnte jene rohe Macht,
Die, starr und kalt und grausam ohne Grenzen,
Jedwede Wonne wandelt in Verlust!
(S. 5-6)


II.
Und doch - was hemmte dich, mir wohlzuwollen,
Was, mir unendlich wohlzuthun sogar?
Die Liebe bangt vor keinerlei Gefahr,
Was auch ob ihrem Haupt für Donner rollen.

Viel düstere Momente werden grollen;
Wir werden leiden - das ist offenbar;
Doch immer wird ein treuvereintes Paar
Sich seine stillen Huldigungen zollen.

Du bist mir hold; dein sanftes Auge spricht
Von einer Neigung, einer himmelsüßen,
Die blühend auf in deinem Herzen bricht.

O laß sie mich mit Jubelklang begrüßen!
Nicht welk' er unberührt zu deinen Füßen,
Der schöne Kranz, den dir die Liebe flicht!
(S. 7-8)


III.
Ein Strahl der allerreinsten Gottesmilde
Beleuchtete der Erde dunkle Gau'n;
Da wurdest du, holdseligste der Frau'n,
Die Blume ward der irdischen Gefilde.

Er, der sich hinter einem Wolkenschilde
Verborgen hielt; um Geister zu erbau'n,
Der hehre Strahl, er giebt sich uns zu schau'n,
Vermenschlichet in deinem süßen Bilde.

O theures Weib! Was Leben ist und Sein,
Wie himmlisch ächte Frauenhuld, erfuhr,
Nur wem du liebend deinen Mund geboten.

Ihm pranget in erstorbnen Wüstenei'n
Ein Paradies, ihm blüht die Winterflur;
Die Uebrigen gehören zu den Todten.
(S. 9-10)


IV.
Ich lebe, denn ich sog von deinem Munde
Das Leben ein - o welch ein Augenblick!
Hinweggehaucht war jedes Mißgeschick,
Geheilt im Innern jede tiefste Wunde;

Das Siegel aufgedrückt war einem Bunde,
Der mich umschnürt mit ew'ger Reize Strick -
Ich danke dieser Stunde hohes Glück
Dir noch dereinst in meiner Todesstunde.

Ja, Liebste, wenn die letzte Kraft versiegt,
Wenn mir die Pulse, die lebend'gen, stehen,
Wenn alles Andre wirr und dunkel mir:

Auch dann noch wird in diesen Traum gewiegt
Die Seele sein, auch dann noch werd' ich flehen
Um einen Blick, um einen Laut von dir.
(S. 11-12)


V.
Schon trieben unsrer Liebe Blüthensprossen,
Schon warst du mir das wonnevollste Gut;
Da weckte mir noch eine tiefre Gluth
Die Thräne, welche deinem Aug' entflossen.

Denn deine tiefste Seele mir erschlossen,
Das hast du erst durch jene heil'ge Fluth,
Die du um ihn, der allzu frühe ruht
Vom Erdenkampf, den besten Mann vergossen.

O dieser Mann! Wofern ein still Gebiet
Von Geistern ist, und er dich weinen sieht,
So kann es einen Glücklichern nicht geben.

Denn solch ein Opfer wird ihm dargebracht,
Nachdem er hingegangen in die Nacht,
Er, der dein Gott gewesen ist im Leben.
(S. 13-14)


VI.
Habt ihr jenes Auge geseh'n,
Ganz gebildet aus Lebensgeist?
Hafis
Schau' ich hinein in deiner Augen Glanz,
Den wunderreinen, seelenvollen, süßen -
Ich wähne, daß mich Gottes Engel grüßen;
Entzücken bin ich, Andacht, Liebe ganz.

Nie hat sich in der Schönheit Blüthenkranz
Mir diese stille Zauberkraft bewiesen;
Nie, meine tiefste Seelenlust zu büßen,
Vergaß ich so der Stunde raschen Tanz.

Es lobe sich ein Andrer jede Lust,
Die heiße Sinne sich auf falscher Spur
Mit Gold und List erkaufen und erbeuten -

Ihn peiniget die Oede seiner Brust
Im Hochgenuß; ich fühle, blick' ich nur
In's Auge dir, des Himmels Seligkeiten.
(S. 15-16)


VII.
Lieb' ist immer erstgeboren; sie ist ewig ein einziger
Moment; Zeit ist ihr nichts; sie ist nicht in der Zeit,
da sie ewig ist; sie ist kurz, die Liebe; Ewigkeit ist
eine himmlische Kürze.
Bettina
Das Ewige nach dem Begriff der Menge
Ist, was sich endlos dehnet in der Zeit -
Doch welch ein Zerrbild nur der Ewigkeit,
Das sich den Werth der ächten nie erränge!

Denn die so heißet in des Wortes Strenge,
Ein göttlich Eines ist sie, durch den Streit
Von Nah und Fern nicht mit sich selbst entzweit,
Reich ohne Maß selbst in der engsten Enge.

In diese selige Tiefe führest du
Die Seele mir, die ohne Rast und Ruh',
Bis sie das Unaussprechliche gewonnen.

Gefühle giebst du, die, der Zeit zum Hohn,
Eintauchen in die reine Region,
Wo wir in Licht, wo wir in Gott zerronnen.
(S. 17-18)


VIII.
Wie schön, wie göttlich ist sie, diese Liebe!
Nur ihrer eignen Hoheit unterthan,
Wallt sie dahin die ätherreine Bahn,
Was für ein Urtheil auch der Welt beliebe.

Im tiefsten Innern wurzeln ihre Triebe;
Kein Makel, kein gemeiner, klebt ihr an;
Nichts ist an ihr unheilig und profan,
Nichts, was nicht himmlisch ist und himmlisch bliebe.

Erkenne dies, empfind' es, o mein Stern,
Und halte jede bange Sorge fern,
Ob uns das Herz auch noch entflammter schlüge!

Nicht göttliche Gesetze brechen wir,
Nur menschliche - und diese, glaube mir,
Sind eine Pfaffen- und Tyrannenlüge.
(S. 19-20)


IX.
O süße Herrin! Holde Königin!
Was gleichet deinem lieblichen Bethören?
Wie eine Gottheit, welche zu beschwören
Unmöglich ist, entraffst du Geist und Sinn.

Vor dir in Staub sink' ich entselbstet hin;
Und dieser Andacht Wonne mir zu stören,
Ob Welt und Zeit sich wider sie empören,
Sei nicht im Stande, bis ich Asche bin!

Was hohe, hehre Liebe sei, davon
Gab dir Natur die Wissenschaft, die ächte;
Und o, wie übst du sie in Lust und Schmerz!

Drum in der Liebe Reich gebührt der Thron,
Die Krone dir; drum flammet dir mit Rechte
All diese Flammen mein entzücktes Herz.
(S. 21-22)


X.
Getrennt von dir auf lange, lange Tage,
Fern deinem Munde, deiner Brust zu sein -
Ach, wie ertrag' ich diese grimme Pein;
Ach, wie beschwicht' ich diese bittre Klage?

So eben noch in Edens Rosenhage,
Berauscht von deiner Liebe Feuerwein -
Nun plötzlich einsam wieder und allein,
Die Welt verkehrt zu einem Sarkophage!

Das Eine, was gelinde Tröstung beut,
Ist, daß ich weiß: Du denkest, hold erglüht,
Auch in der Ferne meiner ohne Wanken.

Wie sehr dich auch die bunte Welt zerstreut,
Es heget mich dein götliches Gemüth
Im Heiligthume seiner Huldgedanken.
(S. 23-24)


XI.
Die Wonne der Gesundheit ist ein Gut,
Das Jeder rühmt; ich aber muß die Leiden
Des Siechen und Gesunkenen beneiden,
Der so gelind in deiner Pflege ruht.

Wie gerne krankt' ich in so zarter Hut!
Ich bäte jeden Helfer, mich zu meiden;
Ich wollte nur an deiner Schöne weiden,
An deiner Engelsgüte meinen Muth.

Und wär' es möglich, so getreu bewacht,
So liebevoll beschwichtet und bedacht
Von deiner Huld, zu sinken in's Verderben -

Ich wünschte mir kein seliger Geschick,
Als so zu scheiden aus der Sonne Blick,
So deinen Hauch zu fühlen und zu sterben.
(S. 25-26)


XII.
Will sich mein Auge schließen in der Nacht,
So pflegt vor ihm dein lieblich Haupt zu schweben,
Beklagend, daß ich einer Rast ergeben,
Die mich so untreu meiner Liebe macht.

"Wie magst du tauchen in des Schlummers Schacht
Und in verworrnen Phantasien weben;
Wie so betäubt am Staub der Erde kleben,
Da dir ein Strahl der reinsten Kläre lacht?

Dies Lächeln, dieser Augen Zauberschein,
Die Wonne, die dir meine Küsse schufen,
Sie hüllst du dir in trübe Nebel ein?

Wie matt, wie kalt muß deine Seele sein!" -
So ruhelos gemahnet und gerufen,
Schreck' ich empor, erwache, denke dein.
(S. 27-28)


XIII.
Wahrhafte Liebe lebt im Selbstverlust;
Sich frommes Sinns zu beugen vor dem Schönen
Und Herrlichen, ihm ohne Maß zu fröhnen,
Wo es erstrahlt in trüber Erde Dust,

Und, regt sie sich in einer Dichterbrust,
Es unter feierlichen Liedertönen
Mit einem Sternendiadem zu krönen,
Das ist ihr Amt, ihr Leben, ihre Lust.

Mir leider hat die wildbewegte Zeit,
Mich mit Gewalt hinreißend in den Streit,
Der Liebe Kraft gefesselt und der Lieder.

Doch deiner Anmuth widersteht kein Bann;
Ich fühle, daß mein Herz noch lieben kann,
Und auch das Lied regt seine Schwinge wieder.
(S. 29-30)


XIV.
Ach wüßtest du, Geliebte, wie ich bebe,
Wenn dir zu droh'n ein schwarzes Unheil scheint!
Sähst du die Thräne, die mein Auge weint,
Wenn ich um dich in stillen Aengsten schwebe!

O bleibe stark! O sinke nicht! O lebe!
Ich athme nur, so lang ich dir vereint;
Derselbe Tag, der deinen Glanz verneint,
Er ist's, an dem auch ich der Welt entstrebe.

Ich trage ja schon jetzo kaum die Pein,
Auf Tage, Stunden nur gehemmt zu sein,
In deiner Hulden Lichte mich zu sonnen.

Vergiß, wofern du schwere Pflichten übst,
Auch dessen nicht, den du zum Tod betrübst,
Zerstörst du deine zarten Lebenswonnen.
(S. 31-32)


XV.
Der liebevolle Bund der Seelen,
Er ist nur ein verfehmtes Glück;
Man muß es, wie ein Räuber stehlen
In einem stillen Augenblick.
Gottschall
Von Täuschung und von Lüge wußt' ich nur,
Wie ich sie mußt' an Anderen gewahren;
Ich wandelt' in der Sonne Blick, dem klaren,
Denn also wollt' es Wesen und Natur.

Doch der Erfahrung harte Diktatur
Gebot auch mir, das volle Herz zu wahren,
Voll scheuer Angst, auf's Neue zu erfahren,
Was ich so oft Verderbliches erfuhr.

Und hier - wie ist hier Alles Aug' und Ohr!
Es haben Neid und Haß und Argwohn Acht;
Die Eifersucht übt ihre stille Tücke.

Doch meine Wonne deckt ein dunkler Flor,
Und Niemand ahnt, daß ich, so scharf bewacht,
Mir solche Paradiesesrosen pflücke.
(S. 33-34)


XVI.
Deux ames et une vie,
Deux coers et un soupir
Ein Stümper in der Liebe nur bedrängt,
Die Krone der Genüsse zu erjagen,
Ein Weib, wie du - drum weg mit diesem Zagen,
Das der Entbehrung bange Qual verlängt!

Weß auch ein Mann sich kühnlich unterfängt,
Dünkt ihm die Stunde gut, sein Glück zu wagen,
Nie sollst du mich ob einer That verklagen,
Die zarter Liebe Flügelpaar versengt.

Die Pfade nur zu geh'n gelob' ich dir,
Auf die des Herzens allgewalt'ger Drang
So dich, wie mich, mit einem Zügel leitet,

Die Wonne nur begehrend, welche mir
Holdselig ohne Kampf und ohne Zwang
Der Genius der Liebe selbst bereitet.
(S. 35-36)


XVII.
O diese Menschen, widrig und verschroben,
An Geiste leer, an Leben und Natur!
Die Traurigen, sie sind lebendig nur,
Wenn Furien in ihrem Busen toben.

Bei dir allein bin ich der Qual enthoben,
Zu stöhnen unter'm Joche der Dressur;
Bei dir alleine schwindet die Tortur,
Geheime Menschentücke zu erproben.

Wie hart daher, daß du mich dahin bannst,
Wenn auch mit Grund und wohlbedachtem Worte,
Wo nicht die Sonne deiner Anmuth lacht;

Daß du noch überdies gebieten kannst,
Quallos zu scheinen in dem Höllenporte
Und so zu steuern feindlichem Verdacht!
(S. 37-38)


XVIII.
Du kennst mich, ach, noch immer nicht; ich bin
Dir nur ein Mann, wie andere, gemeine;
Ich sei, so wähnst du, nur so lang der deine,
Bis du gegönnt der Wonne Vollgewinn.

Dann sinke deine Kron' in Staub dahin;
Entkleidet dann von idealem Scheine,
Seist du nicht mehr die Reine mir, die Eine,
Und ferne trage mich mein Flattersinn.

Mich aber schuf ganz anders die Natur,
Denn alle jene Rohen, jene Schlechten,
Die im Genusse würgen ihre Gier.

Jedwede stille Huld, die ich erfuhr,
Macht, daß die Bande, welche mich umflechten,
Nur um so theurer, um so heil'ger mir.
(S. 39-40)


XIX.
"Das Liebste ist das Leideste." Wir Beide
Empfinden es. Ein leiser Zweifel nur,
Von Wandel eine wahngeborne Spur -
Und Grab und Tod ist meine Seelenweide.

Der ich in dir mein bess'res Selbst durchschneide -
Mit jenes Wahnsinns wilder Unnatur,
Die "wie ein Schwert" durch deine Seele fuhr,
Weih' ich sodann auch dich dem Herzeleide.

Kannst du vergeben? - Ach schon ist's gethan;
Du lächelst mich nur um so holder an,
Verdienet' ich das härteste der Loose.

Lag meine Seel' im Staube längst vor dir,
Nun doppelt hehr und herrlich bist du mir,
Du heilig-schöne Himmelsrose!
(S. 41-42)


XX.
Deckt meinen Namen nicht Vergessenheit,
Tönt meine Stimme noch den Folgetagen -
In lieblichem Triumphe hingetragen
Sollst du auch sein ob dem Gewog der Zeit.

Den edelsten der Frauen angereiht,
Die in Geschichten glänzen und in Sagen,
Und die umrauscht von Hochgesängen ragen,
Sollst du enthoben sein der Sterblichkeit.

Was ich ein schwerbemühtes Leben lang
Rastlos zu schaffen und zu bilden rang,
Ich achte dessen nicht, es mag verwehen.

Es daure nur, was deinem Preis geweiht!
Dich, dich allein möcht' ich für alle Zeit
Von mir gefeiert und verherrlicht sehen.
(S. 43-44)



Zweite Abtheilung
Vermischte Form

Warum habe ich nicht ein tausendfaches
Leben, um es vor deine Füße
niederzulegen?
Mirabeau

So halt' ich es mit meiner Liebe,
Daß ich mein eignes Sein vergesse,
Daß ich mein Ich, mein ganzes, opfre:
Zehntausend Seelen wenn ich hätte,
Ich würde sie vor dir verstreu'n.
Hafis

I.
Ich übe meine Phantasie,
Ich strenge meinen Geist,
Ich denke mir wohl die und die,
So man vor Andern preist.

Ich male mir manch holdes Kind,
Und manch ein herrlich Weib,
Noch schöner, als sie wirklich sind,
An Seele wie an Leib.

Es treibt dazu kein Frevelmuth,
Es drängt die heiße Noth;
Zu theilen wünsch' ich eine Gluth,
Die mich zu tödten droht.

Doch ohne Frucht ist mein Bemüh'n,
Nur heißer wird mein Brand;
Wer kann für andre Reize glüh'n,
Wenn ihn der deine band?

So bleibe denn Herz, Geist und Sinn
Dir, dir allein geweiht!
Und sterb' ich also liebend hin,
Auch das ist Seligkeit.
(S. 47-48)


II.
Sonst waren meine Gedanken mein,
Gehorchten mir unweigerlich;
Nun in so ernster Minne Frohn,
Nun in Empörung wider mich,
Begehren sie bei dir allein,
Ohn' Ende nur bei dir zu sein.
Mag ich's gestatten oder nicht,
Sie kennen nur die eine Pflicht;
Sie stürmen achtlos fort von mir,
Die rasenden, und sind bei dir.
(S. 49)


III.
Ein Tag, ein unerträglicher,
Ein Abend, ohne dich verbracht.
Ich saß bei Männern und bei Frau'n,
Da ward unendlich viel geschwatzt;
Ich sprach darein mit Heftigkeit,
Dann wiederum versank ich tief
Und still und düster in mich selbst,
Und dachte dein und wußte nicht,
Worüber man der Rede pflag.
(S. 50)


IV.
"Im Schooße der Zauberfrau
Schlafe du nicht!
Sie bethört dich so -
Nimmer entsinnst du dich
Des Gerichts und der Rede der Fürsten;
Nimmer gedenkst du des Mahles
Und männlicher Freuden mehr;
Voll Sorge suchst du dein Lager". -
Erfuhren also schon
Jene, die alten Recken,
Die nordisch-urgewaltigen,
Die Macht der Frauenschöne -
Ihr zu entgeh'n, von ihr
Die Seele zu entstricken,
Wie sollt' es uns, dem spät geborenen,
Reizbaren, empfindsamen Geschlechte, glücken?
(S. 51-52)


V.
Der Tartarus ist nicht schrecklich, wenn der Weg
dahin durch solche Paradiese geht.
Aus "Fiormona"
"Und was soll's werden?" -
Was kümmert's mich?
Ob sich mir morgen
Verschlingend öffne
Der Erde Grund -
Hab' ich doch heute
Gelebt, geliebet,
Und Himmelssüße
Gesaugt, o Liebste,
Von deinem Mund.
(S. 53)


VI.
Wohin soll ich gehen? Du hast Küsse des ewigen Lebens.
Cf. Ev. Joh. 6, 63
Ich wollte von dir gehen
Auf ewig ohne Reu';
Ich wollte, dich zu sehen,
Verschwören ohne Scheu -

Könnt' ich nur erst ergründen,
Wo in der Wesen Reich
Noch sonsten aufzufinden,
Was dir an Süße gleich;

Wo sonsten noch zwei Augen,
Die also mit dem Blick,
Hinwegzuzaubern taugen
Das schwerste Mißgeschick:

Wo sonst in aller Runde
Ein Mund, wie dieser ist,
Der in die Brust, die wunde,
Den ganzen Himmel küßt

Bis diese neue Minne,
Mir diese gleiche glückt,
Sind alle meine Sinne
In deinen Reiz verstrickt.
(S. 54-55)


VII.
Hier auf dem Rosenblatte
In steigender Sonne Licht
Zwei helle Tropfen Thaues,
Die nun mit einem Male
In Eins zusammenfließen -
Was dünket dich, Miranda;
Sind's unsere Herzen nicht?
(S. 56)


VIII.
Ach, wenn gelinde Göttermacht
Ob unserem Haupte waltete
Und hätte treuer Herzen Acht -
Durch's Leben ohne Meiden
Im Wonnetaumel gingen wir;
Für tausendfache Leiden
Wärst du der Lohn, der reiche, mir;
Niemals, um uns zu scheiden,
Gähnt' eine dunkle Kluft;
Zusammen uns, die Beiden,
Entraffte Tod und Gruft.
(S. 57)


IX.
Was streng der wache Tag geschieden,
Was scharfe Satzung herb getrennt,
Die Nacht vereint's in süßem Frieden,
Die nur das Recht der Minne kennt.
G. Kinkel
Es dunkelte bereits,
Es flimmerten die Sterne;
Ich lagert' auf dem Rasen
In stiller Gartenecke;
Es spielten um das Haupt mir
Die kühlen Nachtgesäusel,
Die fieberischen Gluthen,
Die auf der Wange brannten,
Zu schwichtigen bemühet,
Doch ohne Frucht. - Da, siehe,
Vorüber huscht ein Schatte,
So weiblich und so schwebend;
Dem Ohre kaum bemerkbar
Der Sohle leises Knistern
Auf sandigem Gartenpfade -
Ein Wonneschreck durchzuckte
Die Seele mir, die Glieder;
Ich fuhr empor - "Miranda!"
Sie sank mir an die Brust;
Und welche Küsse glühten,
Und welche Pulse pochten,
Und welche Flammen sprühten
In Dunkel und in Duft!
(S. 58-59)


X.
In meiner Nächte Sehnen,
So tief allein,
Mit tausend, tausend Thränen
Gedenk' ich dein.

Ach, wer dein Antlitz schaute,
Wem dein Gemüth
Die schöne Gluth vertraute,
Die es durchglüht;

Wem deine Küsse brannten,
Wem je vor Lust
All seine Sinne schwanden
An deiner Brust -

Wie rasteten in Frieden
Ihm Seel' und Leib,
Wenn er von dir geschieden,
Du göttlich Weib!
(S. 60-61)


XI.
Du willst mir Freiheit geben -
Das hieße, mich vom Sein,
Vom Lieben und vom Leben
Durch einen Mord befrei'n.
(S. 62)


XII.
So halt' ich es mit meiner Liebe:
Treu bin ich ohne Wank und Wandel,
Laß jeden höchsten Reiz der Erde
Vorüberzieh'n vor meinem Auge -
Nicht weckt er eine leise Regung;
Ich sehe dich nur, dich alleine,
Und jedes andre Bild verweht.
Hafis
Ach, rede mir von andern Frauen nicht,
Sie seien noch so edel, noch so schön!
Es mögen ihnen andre Herzen schlagen:
Ich habe keine Huldigung für sie.
Dem Schweizer ist nur seine Heimath süß;
Ihr ferngerückt erkranket er und sieht
In eines Edens seligem Bezirk
Die Fremde nur, die traurige, die öde.
Und meine Heimath ist
An deiner Brust. Das Alphorn meiner Seele
Tönt hier allein. An jedem andern Busen,
Sei's auch der wonnevollste, den es giebt,
Fühlt' ich das Heimweh meiner Liebe nur,
Senkt' ich das Haupt in Trauer und in Gram,
Um dein und deiner unersetzlichen
Holdseligkeit und Süße zu gedenken
Und stürbe so in meinem Schmerz dahin.
(S. 63-64)


XIII.
Und ob dich auch die Menge schelte,
Du glühst, und darum bist du gut,
Bist heiliger, als jene Brut,
Die dir so gern den Tag vergällte.
Vor Gott, der unsern Busen schwellte
Mit diesem heißen Liebesmuth,
Giebt es kein Laster, als die Kälte,
Und kein Verdienst, das höher stellte,
Als jene tiefe Seelengluth.
(S. 65)


XIV.
Du mein, ich dein -
Ach dieser Segen
Wenn uns, Geliebte,
Beschieden wäre;
Beschieden uns
In seiner Reine,
Daß ihn nicht dürfte
Mit ihrem Fluche
Die Welt beschweren
Und nicht verkehren
Durch ihre Tücken
In bittre Pein -
Was für ein Eden
Uns da erblühte!
Was für ein Friede
Die Seele füllte!
Nur Lieb' und Güte,
Nur Zärtlichkeit
Und nur Entzücken
Bis zu dem letzten
Der Lebenshauche
Wär' unser Sein.
Bei'm Morgenschimmer
Welch ein Erwachen!
Denn dich erblickte,
Die Neugeschenkte,
Die Neuverschönste
Durch tiefer Ruhe
Geheimnißwunder.
Mein trunknes Auge;
Entgegenblühte
Mir deiner Wangen
Entflammte Rose;
Entgegenstrahlte
Mir deiner Augen
Beseeltes Feuer;
Den Hauch empfänd' ich,
Den Kuß empfing' ich,
Den Gruß vernähm' ich
Von deinem Munde;
Ich hielte dich
So wahr, so warm,
So volllebendig
In meinem Arme;
Du wärst es wirklich,
Es wär' kein Traum.
Dann, die mir jetzo
So reich an Trauer
Und Trennungsharme,
So träge schleichet,
Die Tagesstunde,
Sie flöhe mir,
Durch dich beseligt,
So leicht, so lieblich
Und doch den Werth
Von Ewigkeiten
Voll Geist und Leben
Und Glück begreifend
In ihrem engen
Gedrängten Raum.
Und unsre Nächte!
Die Rast, die stille,
Geheime, tiefe,
Worein zu senken
Uns dann verstattet!
Welch ein Erglühen;
Welch ein Umschlingen;
Welch ein Verschmelzen
Von Hochgefühlen
Und Huldgenüssen!
Ein Lieberasen,
Ein Wonnetaumel,
Dem nichts auf Erden
Zu gleichen wäre,
Was sonst noch irgend
Die Sinne labet,
Die Seele weidet,
Wär' uns bereitet;
Und göttlich wäre
Und himmlisch rein
Und dreimal heilig,
Was sonst entadelt
Durch Menschenwillkür
Und tief gemein
So hier, wie dorten,
Ob es sich schimpf-
Und schambeladen
In ein verworfen
Geheimniß hülle,
Ob es geweihet
Durch fromme Formeln
Und freche Feste
Und so gezieret,
Trotz seiner Schmach,
Der innerlichen,
Doch nie getilgten,
Mit reiner Sitten
Erlognem Schein. -
Doch fort, o fort
Mit diesen Bildern,
Die ein so einzig
Genüge schildern;
Hinweg in Eile
Mit diesen Scenen.
Den allzu süßen,
Den allzu schönen,
Die mir das Herze,
Je mehr sie lachen,
Nur um so schwerer,
Die Wange mir
Nur um so bleicher,
Nur um so reicher
An Sehnsuchtsthränen
Das Auge machen!
Denn nie zu Theil
In diesem Leben -
So ächt, so ewig
Auch unsre Liebe;
So innig eins
Auch unsre Seelen;
So tödtlich heiß
Auch unsre Flammen -
Wird dieses Heil.
(S. 66-73)


XV.
Auf meinem Lager
Voll kranker Pein
Denk' ich nur ewig
Und ewig dein.

O lichtes Leben,
O schöner Stern!
Du bist so nahe
Und doch so fern.

Nah mit der Seele,
Fern mit dem Leib,
Mir fremd vor Menschen,
Vor Gott mein Weib.

An deinem Busen,
In deinem Arm,
Wie bald genesen
Wär' all mein Harm!

Und ich muß stöhnen
In ew'gen Weh'n,
Und sterb' ich, darfst du
Nicht zu mir geh'n.

So groß im Trennen,
So rauh bestellt,
So grausam ist sie,
Die Menschenwelt.
(S. 74-76)


XVI.
Wir sind einander, wie Flammen; Einer kann
den Andern entzünden, erleuchten, entzücken,
beseligen; . . .  Es ist göttlich, daß ein Mensch
dem andern aus seiner Brust wohlthun kann,
wäre es auch nur durch Antheil und Güte -
Schade, daß sie's einander fast nie erlauben!
Rahel
Die beste der Arznei'n,
Die ist der Mensch dem Menschen selbst - allein
Gerade die pflegt ihm verwehrt zu sein.
(S. 77)


XVII.
O Sonne und Erde! Wie gut macht ihr's eueren
Kindern, wenn sie sich nur nicht selbst das Leben
verbitterten!
Heinse
Natur verschwendet
Uns zu beglücken,
All ihre Mühen,
All ihren Witz;
Das Sein, es wäre,
Trotz aller Harme,
Die uns bestricken,
Ein Garten Eden,
Ein Göttersitz.
Wir aber machen,
Wir irre Thoren,
Ihr Werk vernichtend
Mit großer List,
Daß all verloren
An unsern Herzen
Die schöne Blüthe
Des Lebens ist.
(S. 78-79)


XVIII.
Ob Zweie sich auch noch so bös,
Dergleichen ist nicht skandalös.
Sich hassen kann man ungescheut,
Denn Kirch' und Polizei verbeut
Die Liebe nur, die gottentflammte.
Doch diese hehre, wenn einmal,
Frei vom Gesetz und seiner Qual,
Zwei edle Herzen heiß enrflammte -
Was hält die Welt für ein Gericht!
Der Haß ist frei, die Liebe nicht.
(S. 80)


XIX.
Es ist zuweilen eine Frist,
Da möcht' ich in die Weite streben,
Und dem, was allzu bitter ist
In diesem Kreise, mich entheben;
Doch kann ich ohne dich nicht leben,
Weil du das Leben selber bist.
(S. 81)


XX.
Wenn tief in Nacht und Dunkel
Mir tausend andre Frauen
Die schönsten Küsse gäben,
Und mitten unter ihnen
Mir deine Wonne nahte;
Mit jenem Rosennektar
Des Liebesparadieses,
Den deine Lippe spendet,
Die meinige versüßte;
Mir jene Flammen hauchte,
Die aus der heiligen Tiefe
Des göttlichen und schönsten
Von allen Herzen steigen -
Wo wären Seligkeiten,
Wo wären Gluthgewalten,
Wo Zauberei'n, wie diese? -
Ich würde sie im Nu
Vor allen andern kennen;
Aufjauchzen vor Entzücken
Würd' ich sofort und rufen:
Miranda, das bist du!
(S. 82-83)


XXI.
Stark, wie der Tod, ist Liebe; fest, wie die
Unterwelt, ihr Eifer; ihre Gluthen sind
Feuergluthen, Gottesflamme.
Hoh. Lied 8, 6
Du irrst, o Lieb! Nicht Alles endet;
Nicht jede Seelengluth verglüht;
Nicht nur für einen Tag gespendet
Ist jede Wonne, die uns blüht.

Denn ihren Reiz hat auch die Treue;
Hat einen ewigen Reiz bei dir.
Du bist mir ja das ewig Neue,
Das ewig Schöne bist du mir.

Laß Alles um uns her veralten,
Laß diese ganze Welt vergeh'n!
Was mit so göttlichen Gewalten
Die Brust erfüllt, es wird besteh'n.
(S. 84-85)


XXII.
Wie sollt' ich Andre höher schätzen?
Wenn Eine fühlt, wenn Eine liebt,
Sie hat daneben andre Götzen;
Du folgest einzig den Gesetzen,
Die dir das Herz, die Liebe giebt.
(S. 86)


XXIII.
Mein ganzes Leben war
Ein Suchen und ein Sehnen
Nach einem Angesicht, nach einem Lächeln,
Nach einem Herzen, so wie dieses ist;
Und nun ich es gefunden,
Dies Angesicht, dies Lächeln und dies Herz,
Sollt' ich mein Auge wenden,
Und mein Gemüth und meinen Schritt von ihm?
(S. 87)


XXIV.
Ich bin der Staub, der dir zu Füßen ruht;
Und von so heiligem Ort - das glaube fest! -
Wird kein gelinder West,
So schmeichlerisch zu rühren
Er auch vermöge, mich von hinnen führen,
Und keines Sturmes ungemess'ne Wuth;
Denn hier zu ruh'n ist mir alleine gut.
(S. 88)


XXV.
Mitten im Donnergeroll,
Mitten im Leuchten der Blitze,
War's, daß auf ländlichem Sitze,
Unser Entzücken erquoll.
Denn wie vermöchte Natur
Thaten der Liebe zu schrecken?
Hüllet, ihr Bäume, sie nur,
Daß sie nicht Menschen entdecken!
Wollt ihre selige Spur,
Felsen und Klüfte, verstecken!
(S. 89)


XXVI.
Liebes Herz, ich wanke nicht,
Ob die Welt auch Böses spricht;
Steche dich ihr Zungenstich!
Ich jedoch, ich liebe dich.
(S. 90)


XXVII.
Kam zu mir ein Bote Gottes,
Ein erhabner Engel neulich,
Lehrte mich zu meinem Staunen,
Meiner Freude, meinem Troste,
Einen neuen, wunderschönen,
Von dem unsern, wie ihn diese
Kutten und Kapuzen lehren,
Ganz und gar verschiednen Glauben.
Höre, was sie mir enthüllten
Seiner Rede Melodie'n!
"Wenn in eines Menschen Seele
Die Begierde herrscht, die fromme,
Gott, dem Höchsten, zu gefallen,
Seine Seligkeit zu fördern,
In den Himmel, hochbegnadet,
Schon hienieden einzuzieh'n,
Ist ihm Eines unerläßlich:
An Miranda muß er glauben,
Zu Miranda muß er beten,
Vor Miranda muß er knie'n"
(S. 91-92)


XXVIII.
Um deine Blüthe gaukeln
Viel leichte Schmetterlinge;
Es liebt dich wohl auch Mancher -
Ich will es nicht bezweifeln -
Von Herzen inniglich.
Doch merke dir: Es lieben
Dich mit der reinsten, schönsten,
Dich mit der höchsten Liebe
Nur Zweie: Gott und ich.
(S. 93)


XXIX.
Wenn du umschwärmt, umgaukelt und umbuhlt
Von diesen Menschen bist, regt sich in mir
Nicht Eifersucht, wie sie gemeine Seelen
Bewältiget - ich gönn' es Allen gern,
In deines Angesichtes lichten Himmel
Hineinzuschau'n - doch mit Verdruß gewahr' ich,
Daß du für diese Schmeichlerschaar
Nichts weiter, als ein leichtes, liebliches
Spielwerk verliebter Tändeleien bist,
Und deines Herzens wundervolle Tiefe,
Die Schätze deines Geistes, die verhohlnen,
Wie du sie mir erschließest im Geheimen,
Nicht Einer ahnt. Sie saugen an dem Rande
Der Blüthe nur den spiegelhellen Thau,
Der ihnen blitzend in das Auge leuchtet;
Doch in des innern Kelches heilige
Mysterien zu dringen, das versteh'n
Dergleichen lose Sommervögel nicht.
(S. 94-95)


XXX.
"Ich, vielgepriesen, vielgescholten, Helena."
Göthe
O klage nicht, da dir
So heiße Liebesstrahlen
Den Lebetag vergolden!
Wer viel gepriesen wird,
Der wird auch viel gescholten.
Willst du nicht lieber prangend
In deiner süßen Pracht
All diesen Neid erwecken,
All diesen Haß entflammen,
Als, tausend Andern ähnlich,
Die ohne solchen Zauber,
Zwar kein Gemüth empören,
Doch keines auch entzücken
Durch deiner Reize Macht?
(S. 96-97)


XXXI.
In der erhabensten der Himmelssphären,
Der Region der Engel und der Geister,
Der seligen, sproß eine Wunderblume,
Entfaltet' ihre königliche Pracht
Die überirdisch-herrlichste der Rosen,
Die Lust und Liebe jener heiligen Schaar.
Ein Dämon aus der Tiefe schlich sich ein,
Ein tückischer, und sahe diese Blüthe
Gottvollster Art und brach sie ab und warf
Sie auf die Erde nieder, daß sie hier
Dem Gottesodem ihrer Heimat fern,
Nie mehr erquickt vom reinen Aetherstrahl,
Unwürdiglich verwelk' und untergehe.
Doch wie sie fiel, da senkte sich mit ihr
Der Himmel auch, der sie gebar, herab,
Allrings verklärend dieser Erde Thal.
Seit dieser Zeit ist nicht dort oben mehr
Das selige Gebiet, zu welchem sich,
Wenn ihm zu trist der Erde dunkle Loose,
Des Menschen ahnungsvoller Geist erhob.
Der Himmel, er ist hier;
Er ist, wo du, er trennt sich nie von dir.
Denn du, du bist sie ja, die hehre Zier,
Die hochgebenedeite Himmelsrose,
Die uns zu gut aus ihrem Aetherschooße
Herniedersank in's irdische Revier.
(S. 98-99)


XXXII.
Wo findet irgend
Auf dieser Erde
Sich eine Liebe,
Die an Vertrauen
Und Seelenruhe
So reich, wie meine? -
Dort oben weilet
In deinen Sälen
Und kost mit dir
So ganz alleine
Der Buhlen einer,
Die dich umwerben,
Und ich hier unten
Im grünen Dunkel
Des Laubversteckes,
Ich harre deiner
So still-geduldig
Und zähm' im Herzen
Den heißen Drang.
Und daß die Stunde,
Die ohne dich
So traurig-öde,
So flügellahme,
Nicht allzu träge
Von hinnen schleiche.
Sinn' ich auf Rhythmen
Und schöne Reime,
Dich zu erheben
Im Preisgesang.
(S. 100-102)


XXXIII.
Wem sich dein Herz ergeben,
Wer deine Huld erfuhr,
Der weiß, wie süß das Leben,
Die Liebe, die Natur.

Und dennoch, all entbehren,
Wollt' ich dies Heil wie gern,
Könnt' ich dir nur bewähren,
Wie lieb du mir, mein Stern!

Ich wollte geh'n und sterben
Von deinem Auge weit,
In Kerkernacht verderben
Und ewiger Einsamkeit;

In Schlünde voller Grausen,
In heißer Flamme Pein,
In wilder Woge Brausen
Mich stürzen tief hinein.

Es füllte mich mit Zagen
Kein noch so furchtbar Weh;
Ich litt' es ohne Klagen,
Wenn es für dich geschäh';

Wenn es geschäh', zu zeigen,
Wie seelentief entflammt
Die heiligen Flammen steigen,
Die dir mein Busen flammt.
(S. 103-105)


XXXIV.
Eins ist mir eigen, Eines,
Das wirst du nicht noch einmal
Auf dieser Erde finden:
Mein Herz und meine Liebe.
Wenn ein Versucher käme,
Wenn mir ein Dämon sagte:
"Hier unten klafft, da siehe,
Der grause Schlund der Hölle;
Da stürze dich hinunter,
Um ihr zu lieb und gut
Endlose Qual zu dulden!
Und hoffe nicht, sie werde
Je deine That erkunden
Und dir dafür des Dankes
Gerührte Zähre weinen!
Für alle Zeit erlöschen
Wird ihr dein Angedenken;
Für Andre wird sie leben,
Für Andre Liebe lodern;
Und du, du wirst nur darum
All jene Weh'n erdulden,
Daß ihre Liebe glücklich,
Daß ihre Lebetage
Von aller Trübe rein." -
Ich säumte nicht; ich stürzte
Hinunter in die Pein.
(S. 106-107)


XXXV.
Wahrlich, sie haben die Liebe bei dir verläumdet,
wenn du die Religion nicht kennst, die zu ihrem
Wesen gehört.
Aus einem Roman von Bulwer
An Wandel und Wechsel o glaube nicht!
Dein Bangen, es ist verschwendet.
Du bist ja, ich weiß es, aus höchstem Licht
Zu meinem Troste gesendet.

Du bist ja, ich fühl' es, so gut, so rein,
Wie nichts auf irdischen Auen;
Ich kann nur athmen, um dein zu sein,
Ich kann nur lieben und trauen.

Und fänd' ich es anders und wär's ein Trug,
Dem ich die Seele verschrieben -
Auch dann noch wirkte der mag'sche Zug;
Ich würde trauern und lieben.

Und wärst du entstiegen dem Höllengrund
Und erschienen zu meinem Verderben -
Ich würde hangen an deinem Mund;
Ich würde lieben und sterben.
(S. 108-109)


XXXVI.
Dein Lächeln, es würde dienlich sein,
Die Engel zu verführen,
Die kein Verlangen spüren
Im erhabenen Himmelsschein -
Doch sind noch andere Zauberei'n,
Noch tiefere Gewalten dein;
Denn bis in's innerste Herz hinein
Weiß deiner Augen edler Thau zu rühren.

Dein Lächeln, es hält den Sinn gebannt,
Läßt nimmermehr gesunden
Von inniger Sehnsucht Wunden,
Von lieblicher Liebe Brand -
Doch was es auch dem Unbestand
Für eine feste Kette wand,
Noch magischer ist jenes Band,
Womit du weinend mein Gemüth umwunden.

Dein Lächeln, es hat den höchsten Preis,
Fragt man, was sonnenhelle,
Was seliger Freuden Quelle
In holder Anmuth Kreis -
Des reinsten Adels Vollbeweis,
Das Heilig-Schönste, was ich weiß,
Was meine Seele doppelt heiß
Anbeten lehrt, ist deine Thränenwelle.
(S. 110-111)


XXXVII.
Vernunft zu brauchen, empfiehlst du zwar;
Doch an meiner Vernunft ist offenbar
Dir nicht das Geringste gelegen.
Du führst mich immer nur ganz und gar
Auf lieblicher Thorheit Wegen.

Und also sei es, ich hadre nicht.
Fort, fort mit dem trockenen Geisteslicht!
Es schaffet ein schlecht Behagen.
Doch sollst auch du aufrichtig und schlicht
Dem traurigen Götzen entsagen.

Nur so viel bleibe Verstand zurück,
Zu meiden tückischer Feinde Strick,
Die über Verderben brüten,
Und so holdseliger Liebe Glück
Vor Weh und Tod zu behüten!
(S. 112-113)


XXXVIII.
O wie sie reißen an meinem Herzen,
Es loszureißen von dem deinen!
Doch wie sie sich auch müh'n, die Treue,
Die ich dir schwur, bleibt unverletzt.

Ich habe dich, wie eine Mutter
Ihr Kindlein in die Wiege senket,
Tief in mein Herz hineingebettet,
Da sollst du ewig, ewig ruh'n.
(S. 114)


XXXIX.
Zu bringen ein groß
Heroisch Opfer
Gedenkest du -
Dein schönes Sein,
Du willst es, o Gott,
Gewaltsam enden;
Denn dann, so wähnst du,
Dann kehre Frieden
Und Ruhe wieder
In die Zerrüttung,
Die traurig-tiefe,
Die dein zu Lieb'
Und Haß so mächtig
Entflammender Zauber
Geschaffen hat.
O laß, ich flehe
Mit blutiger Thräne,
Laß den Gedanken
An solchen Tugend-
Und Großmuthfrevel!
Es ruht kein Segen
Auf solchen Opfern;
Die Götter wenden,
Die guten, trauernd
Hinweg von ihnen
Ihr Angesicht.
Sie gelten ja
Nicht ihnen, gelten
Dem finstern Götzen
Der Willkürsitte,
Der Pfaffensatzung,
Und jenen wilden
Dämonen, welche
Zum Morde jeder
Beseligung
Der Menschenseele
Mit ihm verschworen,
Dem Neid, dem Hasse,
Der Eifersucht.
Und was da folget -
Ein doppeltes,
Dreifaches Elend,
Ein nur mit Flüchen
Beladnes Sein,
Ein grauenhaftes,
Ein völlig ödes,
Von keinem Schimmer
Der Lust, der Liebe
Des Glücks erhelltes,
Ist es allein.
Drum fort für immer
Mit diesen düstern
Erhebungen
Zu jener falschen,
Unnützen Größe
Der Unnatur!
Es heischet die Pflicht,
Die ächte, wahre,
Von dir, wie mir,
Nur dieses Eine:
Fest auszuharren
In Lieb' und Leben
Und heiliger Treue;
Mit starker Seele
Das Weh zu tragen,
Das unvermeidlich
Uns zugemess'ne,
Und zu bereiten
Einander in tief-
Geheimer Stille
Das Glück, das hohe,
Das uns zum Trotze
Der ganzen uns
Umlauernden Welt
Die Götter gönnen,
Die Sterne spenden,
Bis unsre Tage
Zum Schlusse reifen,
Bis unsre Kräfte
Zu Grabe sinken,
Von selbst erschöpft.
(S. 115-120)


XL.
Es kommt der Lenz, der milde,
Und schmücket die Gefilde,
Und ruft die Herzen auf,
Sich freudig auszudehnen;
Ich lasse meinen Thränen,
Verzehrt von Liebessehnen,
Nur um so trüber ihren Lauf.

Ein Frühling, ach, voll Sonne,
Voll Leben und voll Wonne,
Er hat auch uns gelacht.
Die Winde fingen außen
So herbstlich an zu hausen;
Wir hörten nicht ihr Brausen
Entzückt von Minneblüthenpracht.

Jetzt ist es anders worden,
Denn es begann zu morden
All unsre Lust die Welt.
Im schönsten Lenzgewitter
Droht all zu geh'n in Splitter
Das Glück, das unsre Brust geschwellt.
(S. 121-122)


XLI.
O könnt' ich wandern, könnt' ich flieh'n,
Weit, weit von hier in fremde Gauen!
Es sollte Niemand mit mir zieh'n
Von diesen Männern, diesen Frauen.

Ich ließ sie all mit ihrem Wust
Von Gram und Grimm und böser Tücke;
Ich sehnte mich nach keiner Brust,
Die in der Heimath pocht, zurücke.

Ein Wesen ist, nur eines hier,
Das mich umwob mit süßen Banden:
Dich, dich allein möcht' ich mit mir
Verbunden seh'n und einverstanden.

Wie heiß mit dir entstrebet' ich!
Durch Lande ging's und Meeresstrecken,
Den Ruheport für mich und dich,
Den stillen, sichern zu entdecken.

Und wär' ein Eiland in der See,
Wo Menschen noch nicht angetrieben,
Da wäre Balsam für mein Weh,
Da eine Zuflucht für mein Lieben.

Da drückte kein Tyrannenjoch,
Da schreckten keine finstern Lehren;
Da traute das Gevögel noch,
Es wüßte nichts von Mordgewehren.

Da wären wir an Frieden reich,
Da wäre Welt und Leben süße;
Da wären wir dem Paare gleich,
Dem ersten in dem Paradiese.

Da fügt' ich einen Bau so schlicht,
Doch seliger, als goldne Räume;
Da labet' uns ein fromm Gericht
Von dem Erzeugniß edler Bäume.

Da wärst du meine liebe Braut
Auch ohne heilige Gaukelspiele;
Die einten uns auch ungetraut
Die allerhehrsten Gottgefühle.

Da sollte sich . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
Und deiner holden Mutterschaft
Ein besseres Geschlecht entsprießen.

Und mühte sich ein Schiff heran
Mit . . .  Cultur und Seuchen,
So fleht' ich alle Wetter an,
Uns dieses Unheil wegzuscheuchen;

Daß nichts der Liebe reinen Kuß,
Nichts jene tiefe Ruhe störte,
Daß man dort nimmer einen Schuß,
Dort nimmer eine . . . . hörte.
(S. 123-127)


XLII.
Der Tod, der ist kein Tod;
Der wahre Tod, das ist die Scheidenoth.
(S. 128)


XLIII.
Du theurer Lichtstrahl, lebe wohl!
Ossian
So wie zum Herzen Gottes,
Zur ewigen Erbarmung,
Zu jener reinen Liebe,
Die keine Schranke kennet,
So zog es mich zu dir.
Du warst mir Alles, Alles;
Du warst Geliebte mir,
Warst Freundin und Vertraute,
Warst schwesterliche Zartheit
Und mütterliche Zuflucht,
Warst königliche Herrin,
Warst mir ein Strahl von oben,
Der meines Innern schwarze
Beschattungen verscheuchte,
Mir eine menschgeborne,
Huldreich genahte Gottheit,
So gleich und doch so himmlisch
Erhaben über mir.
Für alle Zeit bereitet
Schien mir der Seele Heimat,
Die heißersehnte, hier.
Daß du mich je betrüben,
Mich je verstoßen könntest,
War mir ein Ungedanken,
So ferne meinem Ahnen,
Als daß die Sterne weichen
Aus ihren ew'gen Bahnen,
Stürzen in Trümmer werde
Der hehre Weltensaal.
Und nun - was ist geschehen?
So einsam und verlassen,
So schauerlich alleine,
Wie ich zuvor gewesen,
Bin ich von neuem wieder.
Hab' ich geträumet? Träum' ich
In diesem Augenblicke? -
Ach nein! Es schickt die Wahrheit,
Die schreckliche, zu deutlich
In Auge mir und Herze
Den mörderischen Strahl.
Du willst, und ich gehorche,
Wie ich ja stets ergeben
Nur deinem Willen übte,
Ob er so süß, wie Honig,
Ob er so herb, wie Wermuth;
Und du hast Recht, ich seh' es,
Nothwendigkeit gebietet,
Wir haben keine Wahl.
Die Welt, die fürchterliche,
Die ewig unbeschworne,
Die keinen ächten Segen,
Die keine schöne Liebe,
Die keinen Trost erlaubt,
Wie ihn die Menschenseele,
Die lechzende begehret,
Sie wird es nie gestatten,
Daß ich mein müdes Haupt
Auf deinen Busen bette;
Sie schmiedet ihre Keile,
Sie brütet über Unheil,
Sie zielt mit ihrem Pfeile,
Mit ihrem giftgetränkten,
Schon lang in unsre Brust.
Nun denn, so sei's, sie siege!
So lebe wohl auf ewig!
Und fürchte nicht, zu hören,
Daß ich dem Gram erliege!
Ich werde mein Verhängniß,
Ich werde den Verlust
All jener Seligkeiten,
Die keine Namen nennen,
Um deiner Ruhe willen,
Mit fester Seele tragen.
Die Schmerzen der Entbehrung,
Wenn sie die Liebe fodert,
Sind meinem Herzen lieblich
Und lind, wie Liebesküsse;
Ich preise, wenn auch weinend,
Wie ich noch nie geweinet,
Seit ich in's Sein geboren,
Auch jetzo noch mein Loos;
Ich weihe deinem Dienste,
Dem schweigsamen, dem innern,
An welchem all verloren
Feindseliger Mächte Bosheit,
Auch jetzo noch mein Denken,
Auch jetzo noch mein Dasein,
Es in die Düsternisse
Der Einsamkeit begrabend,
Die mich von neuem hinnimmt
In ihren öden Schooß.
(S. 129-135)


XLIV.
Die Welt hat einen großen Sieg erfochten;
Vernichtet hat sie unser trautes Glück.
Doch unsre Seelen trotzen dem Geschick,
Sie, die getrennt zu werden, nie vermochten.
Die meine, theures Leben, blieb sogar
In deines Auges liebevollem Blick,
Sie blieb sogar in deiner Hand zurück,
Gespiegelt hell und klar
Im Liederkranze, den ich dir geflochten.
(S. 136)


XLV.
Wohl mir! Ich habe
Dich wiedergesehen,
Dich wiedergeküßt;
Neu segnete
Die schönste Stunde
Mit jenem Segen,
Dem lang entbehrten,
Nicht mehr gehofften;
Ich hielt es wieder
In meinen Armen,
Ich preßt' es wieder
An meinen Busen,
An meine Lippe,
Mein Licht, mein Leben,
Mein Himmelreich. -
Weh mir zugleich,
Dem ewig Armen,
Dem ewig Kranken!
In düstrer, dunkel
Umflorte Ruhe
Nach so viel Sturm
Und Kampf und Jammer
War ich versunken;
Es lebt' in ihren
Erinnerungen,
Den traurig-süßen,
Wehmüthig-stille
Die Seele mir.
Nun aber, ach,
Nachdem ich wieder
Geschwelgt in jener
Verpönten Wonne,
Welch eine Wilde
Gährt wieder auf;
Welch ein Vulkan
Tobt mir im Busen;
Wie fieberrasend,
Wie Kraft und Leben
Und Mark verzehrend,
Kocht mir im Blute
Das Gluthverlangen
Nach dem Besitze
Des Liebsten, Besten,
Was mir erschienen
Auf Erdenauen,
Nach dem vollendet-
Beseligenden
Verein mit dem,
Was mir Natur
Und Herz und Liebe
Zu eigen gaben,
Ein dennoch ewig
Versagtes Gut!
(S. 137-140)


XLVI.
Dein Wesen und Geschick, wie wunderbar!
Du bist, so muß es scheinen, immerdar
Von liebevollen Genien umgeben,
Die dich beschützen und dein schönes Leben.
Wohl schaffet dir die Welt mit ihrem Neid,
Mit ihrem Haß viel bittres Herzeleid;
Doch sie verletzt dich auf Momente nur.
Am Glücke deiner göttlichen Natur
Wird jede noch so spitze Waffe stumpf;
Aus jedem Harm erwächst dir ein Triumph;
Selbst jene, welche dich am schlimmsten hassen,
Sie müssen dich mit ihrer Huld umfassen;
Machtlos zuletzt nach so viel Wuth und Sturm
Liegt dir zu Füßen jeder Höllenwurm.
(S. 141-142)


XLVII.
Nichts, was da lebt auf Erden, gleichet dir;
Nichts Wirkliches deinem Wesen nah;
Ein Märchen, eine süße Fabel bist du,
Ein wonnevoller Traum der Phantasie,
Der reizend und romantisch wunderbar,
In diese rauhe, harte, dürftige,
Gemeine Wirklichkeit hineingetreten,
Sie zu versöhnen all mit ihrer Macht.
Das fühlte, dacht' ich, zauberhaft erregt,
In jenen unvergeßlich schönen Stunden,
Wo du, gehüllt in's schwarze Kleid der Nacht,
Jedweden noch so lichten Glanz beschämtest;
Wo wir uns fanden in der bunten Menge,
Vertraulich kosten mitten im Gewühl,
Uns hoch beglückten mitten unter Feinden;
Wo das Unmögliche, das nimmermehr
Zu Hoffende, zu Denkende geschah;
Wo sich gerührt, besänftiget, versöhnt
Durch unser Opfer, unser Herzeleid,
Durch unsre Treue, die kein Sturm bewegt,
Die kaum noch erst so wilden Ungeheuer,
Der Eifersucht, des Neides und des Hasses
In scheuer Ehrfurcht still zurückgezogen;
Wo deine Blicke, die so eben noch
Voll Thränennacht, in heller Freude strahlten,
Wo Alles Harmonie und süßer Friede
Und seliges Entzücken war in uns,
Und wo von Zärtlichkeiten, welche süßer,
Als Küsse waren, deine Lippe trof.
(S. 143-145)


XLVIII.
Die Liebe sprengt des alten Wahnes Bande;
Sie ist Gesetz sich selber ganz allein.
Gottschall
Wir können uns nicht lassen;
Wir können uns nur ewig heiß umfassen,
Ob frei und leicht die Seele,
Ob uns dabei ein Schuldbewußtsein quäle;
Wir sind zu unserm Lieben
Von innerer Nothwendigkeit getrieben;
Es ist uns vorgeschrieben
Von einer Macht, vor welcher die Beschlüsse
Der eignen Ichheit in die Lüfte stieben;
Wie thöricht also sind Gewissensbisse!
Wirf sie hinaus aus deines Lebens Barke,
Zu neuem Muth erstarke,
Und steuere, von aller Trübe rein,
Mit mir in's hohe Meer der Lust hinein!
(S. 146-147)


XLIX.
Die schlechten menschlichen Gesetze, welche fast in Allem den
Willen der Natur und die Absichten der Vorsehung durchkreuzen,
machen oft ein Verbrechen aus dem, was Gott gegeben, und
fluchen dem Gefühle, das er gesegnet hat, während sie unreine
Triebe und schändliche Vereinigungen heiligen.
George Sand
Das Leben sollte sich dem Tode fügen,
Weil man es schamlos zum Verbrechen lügt? -
O laß Natur und Lust und Liebe siegen!
Ein gutes Werk ist es, sie zu betrügen,
Die Welt, die uns um unser Glück betrügt.
(S. 148)


L.
Des Weibes Schönheit erfreut das Angesicht und
übertrifft alle Wünsche des Mannes.
Jesus Sirach
Des großen Auges Pracht;
Die schwarze, wallende Lockennacht;
Der minnekosige Lächelmund;
Das üppig wogende Busenrund;
All, was zu fühlen und zu seh'n,
So reingeformt, so marmorschön,
Wie was ein hoher Künstler schafft;
Jedwede Regung grazienhaft;
Und ihre Seel' - ein Jubelklang,
Ein morgenheller Lerchensang;
Doch schmilzt sie hin in Liebe weich,
Dem Liede Philomelens gleich.
Ein solches Weib - ich glaub' es kaum,
'S ist wie ein goldener Morgentraum -
Ein solches all mit seiner Lust
Sinkt liebekrank an meine Brust!
(S. 149-150)


LI.
Die Liebe winkt, die Liebe fodert
Allmächtig ihre heiligen Rechte.
Gottschall
Im Dunkel der Kastanien,
Da birgt sich ein ländlich Haus.
Tiefmitternächtige Stille;
So lau, so wollustathmend
Die Nacht, die sommerliche;
Ich hinter einem Stamme
Mit fieberischem Pulse
Mein trautes Heil erharrend
Und kaum zu athmen wagend;
Da endlich - o ertrage
Dein Glück, mein Herz! - da gehet
Ob dem Altan die Thüre,
Und eine weiße, schlanke
Gestalt erscheint und spähet
Scheu in die Nacht hinaus.

Im Dunkel der Kastanien
Und in dem Hause drin,
Da hat des höchsten Himmels
Gottvollste, hehrste Wonne
Sich irdisch eingebürgert.
Die tritt anitzo leise
Hervor aus ihrem Porte;
Die steigt anitzo liebend
Zu mir die Treppe nieder,
Eilt mit mir in die Büsche,
Fort zu dem Pavillone,
Dem einsamen, verschwiegnen,
Der uns vertraulich aufnimmt,
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . 
(S. 151-153)


LII.
Was ist alles in Jahrtausenden von Menschen Gethane
und Gedachte gegen einen Augenblick der Liebe? Er ist
aber auch das Gelungenste, Göttlichste, Schönste in
der Natur. Dahin führen alle Entwicklungsstufen.
Rahel
O welche Luft! Ich rastet' eine Stunde
An ihrer Brust in ungestörtem Bunde;
Es fielen alle Schranken, welche trennen;
Es heilten alle Schmerzen, welche brennen;
Es schwoll das Leben seinem Glück entgegen;
Es löste sich in einen Wonneregen
Des Minnelechzens heiße, dumpfe Schwüle,
Und unsre Sehnsucht war an ihrem Ziele.
(S. 154)


LIII.
"Ich weiß, daß mich mein Gott verdammt, allein
Ich kann nicht anders." Sei getrost, mein Licht!
Mußt du verdammt um deine Liebe sein,
Fehlt dir die nobelste Gesellschaft nicht.
(S. 155)


LIV.
Sie war jetzt keine Heilige mehr; sie war etwas
Besseres - ein liebeglühendes Weib.
George Sand
Nein, nimmer werden dich die Kutten heilig sprechen;
Vor solcherlei Gericht besteht das Todte nur;
Wo Lieb' und Leben glüht, da rügt es ein Verbrechen;
Doch dreimal heilig spricht dich Liebe, Herz, Natur.
(S. 156)


LV.
Wenn man sich so liebt, wie wir, kehrt auch die Natur
im Menschen zu ihrer ursprünglichen Göttlichkeit zurück.
Die Wollust wird in der einsamen Umarmung der Liebenden,
wieder, was sie im großen Ganzen ist, das heiligste
Wunder der Natur; und was für Andere nur Etwas ist,
dessen sie sich mit Recht zu schämen haben, wird für uns
wieder, was es an und für sich ist, das reine Feuer der
edelsten Lebenskraft.
Fr. Schlegel
Lieb' ohne Lust - welch eine Pein!
Lust ohne Liebe - wie gemein!
Die Beiden aber im Verein
Gewähren uns das höchste Sein.

Denn Liebe, die in Edens Hain
Entrückte, stellt ihr Klagen ein;
Und heilig ist die Lust und rein,
Weil nur der Liebe Wiederschein.
(S. 157-158)


LVI.
Wie düster der Glaube, wie hell die Natur!
Max Waldau
Der dorten am gekreuzten Marterpfahl
Hinsterbende, so blutig und so bleich,
Der ihm zu folgen heischet in die Qual
Und aus der Qual in's hohle Himmelreich;

Und du allhier, mein trautes Erdenglück,
Ein Prachtgebild voll Leben und voll Lust,
Mit Rosenwang' und feuerhellem Blick
Und wonniger, gewölbter Wogebrust -

Welch ein Contrast! Du betest deinen Herrn
In jenem Schreckniß an und deinen Gott;
Doch jeder Strahl aus deines Auges Stern
Entgöttert es, macht sein Gebot zum Spott.
(S. 159-160)


LVII.
Die Frauen, welche eckige Bewegungen an sich haben,
sind sehr häufig tugendhaft; alle diejenigen dagegen,
welche gesündigt haben, zeichnen sich durch eine reizende
Abrundung aller ihrer Bewegungen aus.
Balzac
Hätte die Tugend Grazie,
Sie wär' ein allerliebstes Ding;
Nichts ist jedoch so steif, so starr,
So steinern auf dem Erdenring.

Die Tugend und die Grazie,
Die sind ein ewig Zweierlei;
Nun fragt es sich, an welcher wohl
Zu allermeist gelegen sei.

Hat Grazie den ersten Rang,
So muß die Tugend untergeh'n;
Ist göttlicher die Tugend - dann,
O Anmuth, ist's um dich gescheh'n.
(S. 161-162)


LVIII.
Das höchste Loos, der Gipfel aller Seligkeit
Ist dem bereitet, um den du die weichen Arme legst,
In den du küssend deine ganze glühende,
Hinschmelzende, sich selbst verlorene Seele senkst -
Ein König und ein Gott, er hat nichts Höheres.
(S. 163)


LIX.
Welch eine seltene und bewundernswürdige
Zusammensetzung für den, der sie zu fühlen
und zu studiren im Stande!
Mirabeau
Wie Schnee so kalt und jede Wonne hassend,
Wo nur die geistberaubte Lüsternheit
Gemeiner Triebe waltet, wo dir nicht
Der Menschheit höchster Adel nahe tritt,
Wo tiefe Liebe nicht des Flehenden
Gemüth erfüllt; doch in des Freundes Arm,
Des wohlgeprüften, wie ein Aetna flammend,
Und jede Wehr und Weigerung vergessend -
Wollüstig wild und jubelnd im Genuß,
Nie statt der Küsse, der Umarmungen,
Der Scenen alle, die die Liebe spielt,
Die ohne Maß dahingegebene;
Und dennoch eine Heldin im Entbehren,
Wenn Liebe der Entbehrung Opfer heischt -
So hast du dich mir glänzend offenbart
In jeder Lebens-, jeder Liebesprobe;
Ein solches Weib hab' ich mir oft gewünscht,
Und nur in dir hab' ich es aufgefunden,
Der Einzigen, der Göttlichen, die groß
Und wundervoll in jeglichem Betracht,
Die Artemis zugleich und Aphrodite,
Zugleich Vestalin und Bacchantin ist.
(S. 164-165)


LX.
Die Liebe, welche wahrhaft liebt,
Ist jene, die sich ganz ergiebt,
Die jeden Herzenswunsch gewährt,
Die Alles zu genießen lodert,
Was das Gefühl der Einheit mehrt,
Und die doch Alles gern entbehrt,
Wenn es das Heil des Andern fodert.
(S. 166)


LXI.
Wo Liebende sich finden,
Da sind geweihte Stellen;
Wo sie sich heiß umwinden,
Da Kirchen und Kapellen;
Wo Seel' in Seel' ergossen,
Wo Lipp' an Lippe brennt,
Da wird ein Sakrament,
Da wird Gott selbst genossen,
Wie's auch die tolle Welt benennt.
(S. 167)


LXII.
Die Liebe hängt ihr Leben,
Hängt ihr gesammtes Sein,
Wie einen Edelstein,
Dem Liebling an den Hals,
Dem sich ihr Herz ergeben.
(S. 168)


LXIII.
Wenn der Mensch wahrhaft geliebt wird, glaubt er es
nie in dem Grade zu sein, in welchem er es ist.
Die Liebe übersteigt immer den Glauben an sie. Die all-
täglichen Worte: "Wenn du wüßtest, wie ich dich
liebe!" haben eine tiefe Wahrheit.
W. v. Humboldt
Den Zeitgewalten,
Die uns beherrschen,
Den allgemeinen
Tribut zu zollen;
Zu altern endlich
Und hinzuwelken,
Und dann wohl auch
Der Huldigungen,
Der liebevollen,
Die ich dir weihe,
Beraubt zu stehen -
Das ist die Sorge,
Die dich bewegt,
Du ewig Blinde
Für die Gefühle,
Die zarten, welche
Mein Busen hegt!
Da steigt aus meinem
Gekränkten Herzen
Der Wunsch empor,
Der schonungslose:
Zu Ende möchte
Bereits dein Flor,
Entschwunden sein
All deine Schöne,
Daß ich sie dir
Beweisen könnte,
Die hehre, reine,
Sich ewig gleiche
Natur der Liebe,
Die zum Gefäße
Dies Herz erkor;
Daß du es endlich
Erkennen müßtest
Unzweifelhaft
Und eingestehen,
In welcher Tiefe
Die Triebe wurzeln,
Die dir so leer
An innerlichem
Gehalt und Wesen,
So arm an Kraft,
Der Zeit zu trotzen,
So ganz und gar nur
Im äußern Sinne
Begründet dünken,
Und drum so leicht
Von Tag und Stunde,
Wie Spreu vom Winde,
Dahingerafft.
(S. 169-172)


LXIV.
Ich verzeihe dem Unglück, dem ich neue Beweise
deiner Liebe verdanke.
Mirabeau
Es senkte, matt und krank,
Zum Tode sich mein Haupt;
Da eilte sie herbei,
Die Seele meines Seins,
Die Krone meiner Lieder.
Mit Thränen ohne Maß
Erfüllte sich ihr Aug';
Es floß der heilige Thau
Auf meine Brust hernieder.
Und wie die Pflanze sich.
Die schier verwelkte schon,
Vom Regen hebt, der mild
Von hoher Wolke rinnt,
So richtete sich da
Mein sterbend Haupt empor,
Und sieh', ich lebe wieder.
(S. 173-174)


LXV.
Ach, zürne nicht, wenn Dank und Freude mir
Nicht, wie sie sollten, von der Lippe fließen!
Denn o wie voll ist mir's im Busen hier!
Und o wie gerne möcht' er sich vor dir
In süßer Rede vollem Strom ergießen!

Zu arm jedoch bedünken und zu todt
Gemeine Worte solchem Ueberschwange,
Und nur die Muse steuert dieser Noth;
Denn dir verkünden, wie's im Innern loht,
Ich kann's allein, dich preisend im Gesange.
(S. 175)


LXVI.
Es rauschend die Wasser,
Die Wolken vergeh'n;
Doch siehe, die Sterne,
Sie leuchten und steh'n.
So auch mit der Liebe,
Der treuen geschicht;
Sie reget und weget
Und ändert sich nicht.
Göthe
Ich könnte dir die hehrsten Eide schwören,
Nur dir allein ohn' Ende zu gehören;
Und ohne Falschheit wäre dies Betheuern,
Da solche Gluthen meine Brust durchfeuern.

Was helfen aber heiligste Versprechen,
So leicht zu leisten und so leicht zu brechen?
Die heißesten Gefühle, sie erkalten;
Und neue Reize, neue Triebe walten.

Und doch - wie eitel sind sie, deine Sorgen!
Denn unsre Lieb' ist wundersüß geborgen.
Sie denke nur der Tage, die gewesen!
Sie wird darin ihr ganzes Schicksal lesen.

Wenn all der Haß, der sich auf uns ergossen,
Wenn all der Harm, der in uns selbst entsprossen,
All eigener Entschlüsse Kraftentfalten
Zum Spotte ward an diesen Huldgewalten -

Was wäre noch zu fürchten von den Zeiten,
Die uns entgegen aus der Ferne schreiten?
Da wir bestanden alle schwersten Proben,
Ist jegliche Gefahr in Nichts verstoben.

Laß, Liebste, laß die Schmerzen, die wir litten,
Die Kämpfe, die wir blutend durchgestritten,
Für Schwüre gelten, die wir uns geschworen!
Sie haben uns ein ewig Heil geboren.
(S. 176-178)


LXVII.
Dir, dir gehören alle diese Lieder.
Sind's ächtpoetische Rosen, die ich hier
Zum Kranze wand, du spendetest sie mir;
Und so empfängst du nur das Deine wieder.
(S. 179)
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Aus: Frauenbilder und Huldigungen
Von G. Fr. Daumer
Drittes Bändchen
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1853


siehe auch: Teil 1 Teil 2 und Teil 4


 

 


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