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Georg Friedrich
Daumer
(1800-1875)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte (Teil 1):
Käthchen
Ne sit ancillae
tibi amor pudori!
Horaz
Es sei deiner Augen Weide,
Es ei dein Idol ein Kind,
Das, reizend ohne Geschmeide,
Ein jegliches Herz gewinnt
Hafis
Schöne, schlanke, rasche Dirne,
Wende dich einmal hieher;
Sorge für erneute Labe!
Unsre Becher, sie sind leer.
Doch bevor du uns entschwebest,
Weil' ein wenig - weile lang!
Wenn du dich dem Blicke stellest,
Schon gestillt ist unser Drang.
Ja wir eilen uns, zu leeren
Die Pokale nur aus List,
Daß wir neu von dir begehren,
Schauen neu, wie schön du bist.
(S. 13-14)
_____
Alma
Respeckt vor allen
Heiligen!
Sie sei'n in Andacht hochgeehrt! -
Ein Herze, das vor Liebe brach,
Ist Millionen Heilige werth.
Hafis
Schau' auf aus deinem Thale,
Herzlieb, zu diesen Höh'n,
Und siehe mich im Strahle
Der Morgensonne steh'n!
Sieh mich im Morgenwehen
Hinunter in das Thal
Nach deinem Fenster spähen
Voll Jammer, Lieb' und Qual!
Noch einmal laß dich schauen
Und winke deinen Gruß
Ihm, der von diesen Auen
Und dir in's Weite muß!
Ach, rühret dich kein Ahnen,
Daß ich hier oben steh'
Und fort auf bittern Bahnen,
Vielleicht auf immer, geh'?
Empfindet es dein Herze,
Dein liebend Herze nicht,
Wie vor zu großem Schmerze
Mir fast das meine bricht?
Stimme
Ach wisse, theure
Wonne!
Vor allzu großem Schmerz -
Noch vor der Morgensonne
Brach Auge mir und Herz.
(S. 17-19)
_____
Fanchon
. . . . Tu, simul
obligasti
Perfidum votis caput, enitescis
Pulchior multo
Horat. Carm. II. 8
Aus schönen Augen,
Aus süßem Munde
Trinkt das Verderben
Den Tod die Liebe,
Wie Milch des Lebens
Aus Mutterbrüsten
Ein saugend Kind.
Komm, falsche Dirne, laß dich küssen!
So falsch du bist, doch bist du süß;
Dein Mund hat all an sich gerissen
Den Honig aus dem Paradies.
Ich herze dich und sollte hassen;
Ich hasse dich, doch ach wie mild!
Ich sollte dich auf ewig lassen,
Und fasse dich so wild, so wild!
Und ist in alle diese Wonnen
Mein Leben und mein Geist getaucht -
Was mir dein Herz für Qual ersonnen,
Ist Alles in den Wind gehaucht.
(S. 23-24)
_____
Rosa
Ich bedurfte eines
naiven, aber feinen, eines edlen und doch heiteren Wesens.
Ich habe so wenig herkömmliche Vorurtheile, denke so verschieden von der
ganzen Welt,
daß eine von den Convenienzen tyrannisirte Dame nie für mich
gepaßt haben würde
Mirabeau
Sind nicht viele
weibliche Wesen bloß darum tugendhaft,
um sich für besser, als ihre Schwestern, zu halten? Woher
sonst die Erscheinung, daß oft die werthlosesten unter ihnen
ihren Ruf, wie sie es nennen, am ängstlichsten hüten! Woher
bei ihnen die hohe Rase, die gehobene Brust und der über Alles
vornehme Blick, wenn von dieser oder jener die Rede ist?
"O es ist ein Engel, wenn sie wollen; aber, mein Gott, wie frei
sie ist!" u.s.w. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . Zu lieben und geliebt zu werden, ist das Weib
geschaffen.
Aber was in aller Welt soll uns ein Mädchen, das allen, allen Ruhm
in eine überstrenge, nie befleckte, anerkannte, einseitige
Tugend setzt? Was bleibt uns denn von ihm übrig, wenn es
die ganze Last seines Werthes an der Schwelle
der Brautkammer abgesetzt hat?
Aus einem alten Roman
I.
So früh im Jahr
Hebt sonst die Blüthe nicht
Zu lächeln an in unsern Rosenhagen.
Und doch gebar
Dich, Rose, süß und licht,
Der erste Lenz in diesen Maientagen.
(S. 27)
II.
Lache, lache, liebes Herz;
Treibe deinen holden Scherz;
Sonnenheiter, wie du pflegst,
Lächle selbst durch deinen Schmerz!
Düsterte dein Angesicht,
Schienen auch die Sterne nicht;
Hüllte sich in dumpfe Pein
Deiner Seele lichter Schein,
In die alte Nacht zurück
Stürzte Leben, Welt und Sein.
(S. 28)
III.
Eine Schaar von Amoretten,
Allerliebsten, kleinen, netten,
Lustigen Geschwärms erscheinen
Seh' ich in des Lockenhaares
Goldenen Geringel dir.
Wie die holden Jungen gaukeln;
Wie sie schwingen, wie sie schaukeln;
Wie sie Seiltanz-Künste wissen
Auszuführen allerniedlichst
An so prächtiger Seile Zier!
Wie sie klimmen, wie sie klettern,
Wie sie schlüpfen durch die Ritzen,
Wie sie ruhen, wie sie sitzen,
Und mit losen Augen blitzen
Hier und dort und dort und hier!
Nun jedoch mit einem Male
Flattern sie, wie rasche Vögel
Vom Gezweige niederrauschen,
All' von ihren goldnen Aesten,
Flattern, ach, wohin? in meine
Brust hinein, wo sie zu Hause,
Wo sie ihre stille Klause,
Ihr geheimes Nestchen haben,
Wo hinein ein neues Ei legt,
Es mit einem neuen, kleinen,
Zarten, aber unruhvollen
Schalke dieser Art bevölkernd,
Jede neue Lächelwonne,
Jeder neue Blick von dir.
(S. 29-31)
IV.
Deiner Füße luftiges
Graziöses Feenpaar,
Und was sie, die niedliche
Form dem Auge darzustellen,
Zierlich hüllt mit knappem Aufschluß -
Meine Schwachheit ist's; es reget
Meine Sinne, meine Sehnsucht
Wunderbar. O schenke mir
Dieser allerliebsten, netten
Wunderleichten Stiefeletten
Eine mir! Wo nicht, so muß ich
Sie dir rauben oder stehlen,
Denn zu nöthig ist sie mir.
Einen Altar bau' ich ihr,
Werd' ich auch verrückt gescholten,
Ehre sie mit Weihrauchwolken,
Küsse sie zu tausend Malen,
Diene diesem holden Fetisch
Mit der Lieb' und ihrer Andacht
Maßberaubter Gluthbegier.
(S. 32-33)
V.
Ein Wunderding begeben
Hat sich in meinem Leben:
Die Zeiten einzutheilen
Wie andre gute Christen,
Die kalendar'schen Fristen,
Die Feste, die zu kennen,
Den Wochentag zu nennen,
Ich war es nie im Stande;
Ich merkte nur zuweilen
Am Sonntagsstaat der Leute,
Es sei ein Festtag eben;
Ich war ein arger Heide,
Wie sonsten, so auch hier.
Seit ich jedoch die Beute
Sehnsüchtiger Begier,
Seit mich ein Auge bannte,
Seit dieser Tag ein Segen,
Ein Fluch der andre mir;
Seit ich mit heißer Seele
Und bangen Herzensschlägen
Jedwede Stunde zähle,
Wo mir dahin zu eilen
In deinen Arm gestattet;
Wo mich, getrennt von dir,
Die Qual der Einsamkeiten
Zum Tode fast ermattet -
Weiß ich um alle Zeiten
Die sichersten Bescheide,
Bin noch vertrauter schier
Mit Tag- und Festregister,
Als irgendein Philister,
Schulmeister und Magister
Im sämmtlichen Revier.
(S. 34-36)
VI.
Du, klüger, als wir Alle sind,
Du bist doch immer, wie ein Kind;
Zum Kinde wird man selbst mit dir,
Und ob man noch so ernst gesinnt.
Es weichet alle Trübe dir,
Der ewig Heitern, ewig Klaren;
Es ist so lieblich Alles hier,
So selig Alles und so süß,
Als wie wohl einst im Paradies,
Eh Schulden noch und Uebel waren.
(S. 37)
VII.
So wie du bist, so liebt man dich;
So, wie du bist, entzückest du;
Drum meide jede Besserung
Und lebe fort in süßer Ruh'!
Du sollst es sein zu aller Frist,
Und wärst du nicht mehr, wie du bist,
So wärst du nicht mehr du.
(S. 38)
VIII.
Koketterie und Eitelkeit
Vorrücken dir die Neidischen -
Es ist so voller Eitelkeit,
Es kokettirt in solcher Art
Mit ihrem Glanz, mit ihrem Duft,
Mit ihrer reinen Zierlichkeit,
Die Rose, die entzückende,
Die hohe, hehre Lilie,
Die Nelke mit dem Würzgeruch,
Der bunte Tulipanenkelch;
So eitel, so kokett, wie du,
Sind alle die so lieb und licht
Aus dunkler Erd' auflachenden,
Die Seele, die geopferte,
In wonnevollem Duftarom
Verstreuenden Erzeugungen
Der sommerlichen Blüthezeit.
Ganz in derselben Weise ja
Verleiten und verlocken sie,
Zu wiegen sich auf ihrem Blatt,
Zu tauchen sich in ihren Schooß,
Den gaukelhaften Schmetterling,
Das Käferchen, das naschende,
Die Biene, die nach Honig irrt.
Sie sollte freilich strenger sein,
Die süße Pracht der Blumenau,
Und nicht so duften, nicht so blüh'n,
Und scheuchen Alles weit umher
Durch die verhaßte Schreckgestalt
Unholder, harter Sittlichkeit.
Es hielte dann, so stellt es sich
Die Nessel und die Distel vor,
Nicht gar so fern von ihrem Graus
Der leichte, lose Schmetterling,
Das lustbegier'ge Käferchen,
Die ernste, fromme Biene sich;
Ja, ihm alleine zugewandt
Wär' alle jene Huldigung,
Die diesen holden Blüthen itzt,
Vor Allem aber dir geweiht,
Du wundervolle Rose, wird.
(S. 39-41)
IX.
Sie leben in so linder Rast;
Sie haben so viel, was du nicht hast;
Doch Herzen, die sich ihnen weihen,
Die fehlen ihrer stolzen Ruh'.
Dir fliegen alle Herzen zu;
Das werden sie dir nie verzeihen.
(S. 42)
X.
Ein Kind, wie du, ein paradiesisch Kind,
Ein ewiges, so lang es leb' auf Erden.
Das sich vergebens übt
In der Verstellungsqual
Verdorbener, verschrobener Naturen,
Das messen sie mit so gemeinem Maß,
Das wollen sie einzwängen in die Norm
Steifleinener, moralischer Dressuren!
(S. 43)
XI.
Statt mit so süßer Eigenheit zu zanken,
Sollte man Gott auf seinen Knieen danken,
Daß hier einmal in steifer Damengruppe
Ein Wesen ist, das mehr als eine Puppe;
Das, nicht voll Angst um Tugendschein bemüht,
Nur Leben haucht, nur Lust und Liebe sprüht.
(S. 44)
XII.
Die andern Frau'n, die zeigen sich so rein,
So reich geschmückt mit edler Tugendzier;
Doch dringt man in ihr Wesen tiefer ein,
Erscheinen die Gebrechen, die verhehlten.
Das Schlimmste, was zu sagen ist von ihr,
Verräth sie selbst im ersten Augenblick;
Was weiter zu entdecken, ist allein
Nur Gutes, Schönes, Edles, Himmlisches;
Und ihre Fehler selbst bedünken dir
Zuletzt nur süße Tugenden zu sein,
Die zu beklagen wären, wenn sie fehlten.
(S. 45)
XIII.
Die tugendhaften Weiber,
So sicher vor dem Falle,
Vor unbefleckter Ehren
Empfindlichem Verlust -
Der Teufel soll sie holen,
Denn Teufel sind sie alle;
Das Gift der Hölle gähret
In ihrer schwarzen Brust.
(S. 46)
XIV.
Die Seele lechzet nach Leben,
Nach ächte lebendiger Labe
Lechzen die Sinne mir.
Allein, wohin ich sehe
Im weiblichen Blüthenheere,
Von Puppen nur umgeben,
Die automatisch ihre Busen heben,
Find' ich, was ich begehre,
Lust, Liebe, Labe, Leben nur in dir.
(S. 47)
XV.
Ein schwarz Gewand umhüllet dich; du trauerst,
Wie sie zu sagen pflegen; eine greise
Verwandte starb - doch deine frische Blüthe,
Die wogende Wonne deiner schönen Brust
Verhöhnet dieses heuchlerische Schwarz.
Kann eine Ros', auf die der goldne Duft
Des Morgenhimmels seine Diamanten
Herniederstreut, in dunkler Trauer steh'n?
(S. 48)
XVI.
Wie alle jene Sterne heißen,
Die dorten in der Ferne gleißen? -
Ach lassen wir die Ferne dort;
Ach jagen wir die Sterne fort,
Den großen und den kleinen Bären,
Den großen und den kleinen Hund!
Was können sie für Trost gewähren;
Was machen sie für Wonne kund?
Zwei Sterne herrschen in der Nähe
Ob meinem Wohl, ob meinem Wehe;
Zwei Sphären, ach, zwei süße Globen;
Das Angesicht, das sie geschaut,
Wie wendet' es sich wohl nach oben,
Von einem hohlen Glanz erbaut?
(S. 50)
XVII.
Mag mich der Tod zu Boden strecken -
Ich spotte seiner Tyrannei;
Denn deiner Hulden Zauberei,
Leicht wird sie selbst vom Tode wecken.
Bin ich gestorben, weine nicht;
Nein, wende nur dein Angesicht,
Wie jetzo, mir mit süßem Lächeln
Gelinde zu -
Mich wird im Nu
Der frische Hauch des Seins umfächeln.
(S. 51)
XVIII.
Ob wir in dunkler Stunde
Durch diese Gänge wallen,
Ob schwarz in aller Runde
Die nächtigen Schleier fallen -
Wir preisen, nicht vermissend
Lichthellen, unser Glück;
Ein Aug' ist jeder Finger
Und jeder Druck ein Blick.
(S. 52)
XIX.
Gott ist der
Einklang im All, die Einheit in allem
Unterschiedenen und Besonderten, diejenige
ewige Macht, welche Wesen zu Wesen gesellt und
durch die heiligen Gefühle der Theilnahme
und Zuneigung die Herzen verbindet
Robert Brauner
Und wie sie küßt,
da flüstert sie:
"Das ist ja doch wohl keine Schuld?"
Wogegen ich: "Der Liebe Huld,
Der Liebe Glück vergeht sich nie.
Gott zürnet uns, wenn wir uns hassen;
Er segnet uns, wenn wir uns fassen;
Er freut sich unsrer Sympathie,
Er, welcher uns die Triebe lieh,
Die wir im heißen Herzen hie,
Im gottgeschaffnen Herzen tragen;
Er selbst in uns, soll ich es sagen,
Wie's Weisere zu denken wagen,
Ist das Gesetz der Harmonie -
Wie sollten wir vor ihm verzagen?"
(S. 53-54)
XX.
Um Mitternacht, da grüßte hell und golden
Der Sterne Heer.
Da stöhnt' ich auf, wie Tristan um Isolden;
Da schlug mein Herz; da harret' ich der Holden,
Die mein Begehr.
Um Mitternacht, da haucht' ich in die Flöte
All meine Gluth.
Da flehet' ich in Nacht und Oede:
"Daß mich die Qual, die heiße Qual nicht tödte,
Sei mild und gut!
Enthebe dich dem freudelosen Porte
Eiskalter Ruh';
Nicht füge dich gebot'nem Wonnemorde;
Nein, wende dich aus stillbewegter Pforte
Der Liebe zu!"
Um Mitternacht, da rauschten ihre Tritte,
Da weht' ihr Hauch,
Da faßt' ich sie um ihre schlanke Mitte,
Da höhnete der Menschen harte Sitte
Ein schön'rer Brauch.
O zarter Mund; o Busen ohne Tadel;
O Schmuck des Haars,
Des flüssigen, von Zwange frei und Nadel;
O durch die schönste Schuld gebeugter Adel
Der Augenpaare!
Nein, schaudre nicht! Du bist, dir selbst verloren,
Nicht minder rein;
Bist aus dir selbst so erst in Gott geboren,
Bist heilig erst, nachdem du abgeschworen
Den Heuchelschein.
Komm, komm, laß uns der Sterne schönem Worte
Gehorsam sein!
Vernimmst du nicht die lieblichen Accorde?
Sie segnen uns, die liebevollen Horte,
Harmonisch ein. (S.
55-57)
_____
Elmire
Angezogen,
abgestoßen;
So viel herber Widerstreit,
So viel Dornen unter Rosen,
Und zuletzt - Verlassenheit
I.
Dein Bild zu seh'n, wie mir's im Innern blüht,
Verlanget dich - o könnt' ich es dir zeigen!
Es würden alle jene Zweifel schweigen,
Womit du dich zu kränken selbst bemüht.
Enthüllte sich vor dir mein ganz Gemüth!
Nur reinstem Adel pflegt es sich zu neigen;
Allein du sähest: es ist all dein eigen
Das Tiefgefühl, das in ihm bebt und glüht.
Das Leben ist so finster und so hohl;
Die Welt erlaubt das Glück, den Frieden nicht,
Und mich ergreift ein tödtliches Ermatten.
Doch wollte mir dein schönes Herze wohl,
Ein gottgeboren-wonnevolles Licht
Verscheuchte mir all diese dunklen Schatten.
(S. 61-62)
II.
Propheten hassen alle
Für ihre Predigt Tauben;
Sie lieben einzig jene,
Die ihrem Worte glauben.
Was wäre solchem Eifer
Noch sonsten werth und wichtig? -
In einem einzigen Falle
Ist diese Regel nichtig.
Ich bin Prophet und schwärme,
Zur höchsten Gluth gesteigert,
Für eine Frauenseele,
Die mir den Glauben weigert.
(S. 63-64)
III.
Die Liebenden
quälen sich gegenseitig am meisten,
und Niemand bereitet sich das Gift des Todes oft willenlos-
geflissentlicher, als die, die sich das Leben sind
Gutzkow
O welche bittre
Qual!
O welche tiefe Noth!
Heut bist du Engel, bist
Ein himmlisch Leben mir,
Des Wonne nicht zu messen;
Und morgen - wer begreift's? -
Mein Dämon und mein Tod.
Wie gerne flöh' ich den,
Könnt' ich den Engel nur,
Den himmlischen, vergessen!
(S. 65-66)
IV.
Du bist die liebenswürdigste der Frauen,
Bist du du selbst; doch fällt dir einmal bei,
Dich fromm an einer Predigt zu erbauen,
Verwandelt bist du wie durch Zauberei.
Ach folgtest du nie mehr so falscher Spur!
Wärst du doch nur
Wie dich gewollt, gebildet die Natur!
(S. 67)
V.
Da so unendlich tief und heiß mein Lieben war,
So ist es auch, nachdem du mich so überreich
Gekränket und getränket aus dem Leidensborn,
Mein Zorn anitzt; und leider auch der sogar
Nur Liebe, denn er ist ja doch nur Liebeszorn.
(S. 68)
VI.
Bei wachem Auge fühl' ich
Nur meinen Zorn, nur meinen Harm;
Doch in der tiefen, dunklen Nacht,
Doch in des Schlafes stillem Reich,
Da wird die Seele mild und weich;
Der alte, süße Trieb erwacht,
Ich halte dich in meinem Arm,
Ich drücke dich an meine Brust,
Ich netze dich mit meinen Thränengüssen,
Bedecke dich mit meinen heißen Küssen.
(S. 69)
VII.
Gott ist Mensch
geworden im Geliebten.
In welcher Gestalt du auch liebst, es ist
das Ideal deiner eigenen höhern Natur,
das du im Geliebten liebst und zu umfassen strebst.
Bettina
Mild, sagst du,
wär' ich gegen Alle sonst,
Nicht gegen dich. Wohlan, ich will's versuchen,
Will gegen dich, wie gegen Andre, sein.
Erscheinst du der bethörten Phantasie,
Dem aufgeregten Herzen wieder einmal
Nicht ganz so rein, so seelenschön, so edel,
Wie ich dich will, wie dich mein glühender
Gedanke malt, so will ich ruhig bleiben,
Will sagen: "Nun, sie ist ja nur ein Mensch;
Da fehlen ihr denn auch die menschlichen
Gebrechen nicht, woran wir Alle kranken;
Sie ist ein Weib; den allgemeinen Schwächen
Der weiblichen Natur erliegt auch sie.
Was soll ich ihr darob besonders zürnen,
Was ihr durch finstere Verstimmungen
So tiefe, schwere Kränkungen bereiten? -
So will ich sagen; doch ich zweifle sehr,
Ob's dir gefallen wird. Es wäre zwar
Voll Billigkeit, voll Milde, voll Vernunft;
Verbannt wär' alle wilde Leidenschaft,
Und diese Launen, diese bitterbösen,
Sie quälten weder mich noch dich. Allein -
Das fühlst du wohl - dann wärst du mir auch nur
So viel, wie Andre sind; ich betete
Dich nicht mehr an; ich läge niemals wieder,
Gleichwie vor einer göttlichen Erscheinung,
Dahingesunken in den Staub vor dir.
Was unser Herz in schöner Schwärmerei
Zu seiner Gottheit macht, das soll ihm auch
Ohn' Unterlaß im reinsten Glanze stehen;
Dem will es nichts verzeihen und vergeben;
Dem rechnet es selbst den geringsten Makel,
Wie Anderen ein schwer Verbrechen, an.
Denn wie vor Todes- und Vernichtungsgrauen
Entsetzt es sich, es raset, es verzweifelt,
Droht jenem strahlenhellen Götterbilde
Auch nur die kleinste der Verdunkelungen.
Und löst die Wolke sich, die trübende,
In seine Täuschung auf, und kehrt ihm endlich
Gleichwohl die Ruhe wieder, die gelinde
Urtheilende - dann leider hat es auch
Zu glühen aufgehört und anzubeten.
(S. 70-73)
VIII.
Das ist sie, deine hohe Liebe?
Das ist sie, deine heil'ge Treue?
Den letzten Hauch von meinem Munde
Hinwegzuküssen, schwurst du mir.
Und wenn die finsteren Gewalten
Es wehreten, die uns befehden,
So würdest du mit deiner Seele
Mir nahe sein, verhießest du.
Nur meine Treue ward bezweifelt;
Ob wohl, wenn Jahre hingegangen,
Dies Herz mit gleichem Liebesschlage
Dir schlagen werde, fragtest du.
Und jetzo hast du meine Liebe,
Die vielgeprüfte, treubefundne,
Du selber in den Staub getreten,
Weil dir's die schnöde Welt befahl!
(S. 74-75)
IX.
Fluche dem Tode nicht,
Der dir dein Liebstes entreißt!
Wenn es das Leben thut,
Dann fühlst du dich erst recht verwaist.
Der Tod, der gütige, läßt
Dir ein liebliches Bild zurück;
Das Leben zerrüttet dir
Auch der Erinn'rung stilles Glück.
Wo lächelte dir der Flor
Entschwundener Rosenzeit,
Wo dich zu schrecken nicht
Der Schlangenstich der Scham bereit?
Dein tiefstes Empfinden, o Gott,
Es war nur ein eitler Traum,
Dein heilig-höchster Genuß
Ein lügenhafter, hohler Schaum.
O fluche dem Tode nicht,
Der dir dein Liebstes entreißt!
Wenn es das Leben thut,
Dann fühlst du dich erst recht verwaist.
(S. 76-77)
_____
Lodoiska
Ungütiges
Geschick! Wie viel
Giebst du dem Herzen des Begehrens!
Und schreit zu dir das flammende,
Welch eine Karge des Gewährens!
Türkisch
I.
Das niedliche Figürchen,
Des Haares zierlicher Scheitelbau,
Die langen Locken zur Seite herab
Und draus hervor das schöne,
Geistreiche, feine Gesichtchen,
Ein wenig trotzig, allein, wenn's lacht,
Wie wunderlieblich aufgehellt!
Ach könnt' ich es lachen sehen
In meinen umstrickenden Armen!
Ach dürft' ich es lachen lehren
Vor inniger Lieb' und Lust!
(S. 81)
II.
Mußte mir entrissen werden
Neu die schwer erworbne Ruh'? -
Lieblicheres ist auf Erden
Nicht, wie du.
Und zu seh'n und aufzulodern
Und von dir zurückzufodern
Meine Seele, war ein Nu.
Doch, o Gott, wie leicht, wie flüchtig
An mir hin schwebt deine Zier!
Und dein Blick, wie rein, wie züchtig
Schauert er in's Auge mir!
Und so fühl' ich diese Schmerzen
Tödtlicher von Tag zu Tag;
Denn es schlägt in deinem Herzen
Mir kein Schlag. (S.
82-83)
III.
Dein Gesichtchen, ach,
Dieses schöne, blasse,
Macht, daß ich so jach
Jedes andre hasse,
Dich allein mit Geist und Herz umfasse;
Liebliches, geliebtes Ungemach!
Deine Brüstchen, ach,
Diese weißen Wellen,
Bis zum Taumel schwach
Lausch' ich ihrem Schwellen;
Hier sich eine Heimath zu bestellen,
Flohen Engel wohl vom Himmelsdach.
Deine Füßchen, ach,
Diese wunderleichten,
Machen tausendfach
Meine Seele beichten,
Wenn mein Auge hin nach dem erreichten
Reize staunt, für ihn alleine wach.
Ohne Maß in mir
Toben heiße Flammen;
Meiner Brust Begier,
Wirst du sie verdammen?
Jene Bande, welche dich umklammen,
Jene schnöden, sind sie Bande dir? -
(S. 84-85)
IV.
Strahlt zuweilen auch ein mildes Licht
Auf mich hin aus diesem Angesicht -
Ach, es können auch wohl Huldgeberden
Machen, daß uns fast das Herze bricht.
Was die Liebe sucht, um froh zu werden,
Das verrathen diese Blicke nicht.
(S. 86)
_____
Heliodora
Was einem
nicht soll werden,
Das ist das Liebst' auf Erden.
Alter Reim
Was ist das Leben anders, als eine
gläserne Himmelspforte? Sie zeigt uns
das Schönste und jedes Glück; allein sie
ist nicht offen.
Jean Paul
"Entbehren sollst du, sollst entbehren!"
Das ist der ewige Gesang,
Der Jedem in die Ohren klingt,
Den unser ganzes Leben lang
Uns heiser jede Stunde singt.
Göthe
I.
Dies Angesicht, die Strahlen dieser Augen,
Die möcht' ich ewig, ewig in mich saugen,
Mein ganzes Sein ein einziges Umarmen,
An dieser Brust ein ewiges Erwarmen.
(S. 89)
II.
Auch nicht die kleinste Sylbe sagt' ich;
Kein Laut verrieth der Seele Gluthen,
Sogar des Auges Sprachgewalten,
Ich wollte, daß auch diese ruhten.
Da schaust du auf zu mir auf einmal
So offnen, hellen Augenglanzes;
Und klar in ihm zu lesen ist es:
Du kennst mein Inneres, mein ganzes.
(S. 90)
III.
Du liebst mich, herrliches Wesen!
Es ruhet dein Blick
Still und dreist
Auf meinem bleichen Angesicht,
Als wolltest du meine Züge,
Die trüben und dennoch theuern,
Einsaugen für Aeonen.
Ich aber sehe
Verwirrt und scheu
In's Auge dir,
Und senke bald
Zur Erde nieder
Der Blicke Gluth,
Von deinem Glanze geblendet.
Nie wirst du mein,
Nie werd' ich dein;
Wir wissen es und wandeln tiefes Schweigens
Dem nahen Scheideziel
Und dunkeler, trostloser Ferne zu.
(S. 91-92)
IV.
In alle Wonne, die da mild
Und liebevoll vom Himmel quillt,
In jede Süße der Natur,
Die uns beseligt ächt und pur,
In jede, jede schnaubt hinein
Das rohe Wort: Es soll nicht sein!
(S. 93)
V.
"Fiat justitia;
Pereat mundus!"
Eben so grausam
Ist die Moral auch,
Eben so sinnlos
Redet auch sie:
"Mögen zu Tausenden
Herzen auf Herzen
Bluten und brechen,
Wanken nur meine
Satzungen nie." (S.
94)
VI.
Heiter-ruhig muß ich scheinen,
Hell und trocken in die Runde
Blickt das Auge, kalt und klar.
Aber im geheimen Busen
Hab' ich Augen, welche weinen,
Die geschaffen nur zu Thränen,
Welche nie der Thräne bar.
(S. 95)
VII.
Jahrelang gedehnter Wehen
Bittre Kelche wollt' ich trinken,
Könnt' ich einmal im Verborgnen
Ihr zu Füßen niedersinken,
Pressen einmal an die Lippen
Ihre Hand mit Wonnebeben,
Und in ihres Augenstrahles
Himmlischem Erbarmen leben.
(S. 96)
VIII.
Mitten in dem Festgewimmel
Kenn' ich sie mit Blitzesschnelle:
Seine Nacht zerreißt der Himmel
Meiner Seel' und es wird helle.
Eine Säul' im Wogevolke
Hin zu meiner Sonne starr' ich;
Hüllt' sie eine Menschenwolke,
Unverlockten Auges harr' ich,
Bis die widrige Befleckung
Weicht von ihrem reinen Lichte,
Und mein Aug' durch die Versteckung
Dringt zu ihrem Angesichte.
(S. 97-98)
IX.
Ach, schmückte mich der Kranz der höchsten Ehren,
Ach, lachten mir maßlose Weltbesitze,
Begegneten der Liebe Flammenblitze
Aus schönsten Augen jeglichem Begehren -
Nichts könnte mir für dich Ersatz gewähren;
Es bohrte sich auf einem Göttersitze
In meiner Brust des Leides herbe Spitze,
Daß ich dich muß, und also muß entbehren.
Ich wollte knie'n vor deinem Himmelsbilde,
Und nur mein Aug' an deinem Glanz erbauen;
Und fühlt' ich Harm, er wäre sanft und milde.
Doch es erfüllt mit Grimme mich und Grauen
Vor dieser Welt und dieser Menschengilde,
Daß ich dich muß in solchen Armen schauen.
(S. 99-100)
X.
Betrübtem Hang zu fröhnen in der Nacht,
Oft blick' ich auf mit Stöhnen in der Nacht.
Doch der Gestirne goldne, kalte Ruh,
Nicht will sie mich versöhnen in der Nacht.
Heraufgezogen scheint sie prangend nur,
Mich prangend zu verhöhnen in der Nacht.
Weit tröstlicher, der Seele kranke Weh'n
Zu hauchen aus in Tönen in der Nacht.
Dann blickt so freundlich jenes süße Bild;
Nicht will ich es verpönen in der Nacht.
Wie sollt' ich anders, als mit einem Traum
Mein ödes Sein verschönen in der Nacht? -
O Liebe! Deine blumenreiche Hand
Nie wird sie mich mehr krönen in der Nacht.
(S. 101-102)
_____
Adele
Willst du
lieben, Freund,
Sei ein Held und keinem Tod erbleiche!
Tod und Untergang
Dräuet, ein empörtes Meer, die Liebe
Hafis
I.
Alle Wonnen, alle Segen,
Welche mild vom Himmel träufen,
Möcht' ich auf das Haupt dir legen,
Ueber dich, Geliebte, häufen.
Dieser raschen Liebesblüthe,
Diesem Balsam heißer Schmerzen,
Dieser reinsten Huld und Güte
Dank, o Dank aus tiefstem Herzen!
Ewig meinen stillen Träumen
Wirst du süße Wehmuth schenken;
In der Seele heil'gen Räumen
O bewahr' auch mein Gedenken!
(S. 105-106)
II.
Ach, wie himmlisch deine Liebe,
Dein Vertrau'n und deine Sehnsucht,
Ledig all der finstern Bande,
Die die dumpfe Welt gefügt!
Ohne Wank und ohne Wandel
Glaube mir, dir selber glaube;
Glaube, daß die Liebe göttlich
Und von keiner Schuld befleckt!
Alles, Alles thu' und lasse
Für den süßen Rausch der Minne;
Fühle, daß ein schimmernd Elend
Jedes andre Glück der Welt!
Fühle, daß der Liebe Sünde
Heiliger, denn alle todte
Liebeleere, stolze Tugend,
Die der Menschen Lüge preist!
(S. 107-108)
III.
Lob macht mir
unendlich Freude, wenn es
aus dem Munde der Geliebten kommt
Mirabeau
Ach schmeichle,
schmeichle mir
Nur immerhin, geliebtes Kind!
Ach rufe mir das Wort,
Das deinem Mund entschlüpfen will,
Das allzu wonnevoll
Das Herz entzündende, nicht zurück!
Mir wird nicht viel geschmeichelt
In dieser feindlich-bittern Welt:
Und überschreitest du
In holder Schwärmerei Erguß
Auch alles, alles Maß - es gleicht sich aus.
(S. 109-110)
IV.
Du, die du meines Tages Leuchte bist
Und meiner Nacht holdseliges Gestirn;
Du meines Lebens Leben, süßes Kind,
Durch das ich athme, wese, daure, bin!
Begraben hatt' ich jede Hoffnung schon;
Da sankst du mir an das erstaunte Herz,
Verkehrend in ein paradiesisch Grün
Die traurige Sahara meines Seins.
Nun, da mich eine höllische Gewalt
Von deiner Brust, von deinem Munde reißt,
Nimm dieser Zeilen hingehauchte Gluth
Als so viel heiße Küsse freundlich hin.
(S. 111-112)
V.
Ach, welche Schmeichelworte,
Ach, welche süße Namen,
Zu nennen und zu rufen
Dich, o mein Licht, erdenk' ich?
Denn was ich auch ersinne,
Es scheint mir leer und todt.
Herz, Seele, Geist und Leben
Vor deine Füße leg' ich;
Auf sie die Sohle setze,
Laß unter ihrem Tritte
Hinsterben all mein Dasein!
Es ist genug der Wonne,
Es ist genug des Heils.
(S. 113-114)
VI.
Sollt' ich schwören, daß ich dir ergeben,
In getreuer Lieb' allewiglich -
O es schämte meine Rede sich
An so armer Worte Staub zu kleben;
Jeder Augenblick in meinem Leben
Ist ein heiliger Opfertod für dich.
Meiner Seele stürzendes Entschweben,
Meiner Sorgen Angst und Fieberbeben,
Rührt davon ein leises Ahnen dich,
O so wolle süß und seliglich
Meinen Muth durch diesen Schwur erheben;
"Nimmermehr zum Opfer will ich dich
Dieser Welt, der dumpfen, öden, geben."
(S. 115-116)
VII.
Im sommerlichen Blumensaal,
Bei der Fontaine Silberstrahl,
Da sah'n wir uns das erste Mal;
Da reichtest du mit holder Schnelle
Im Glaskrystalle, rein und helle,
Mir die begehrte Labewelle.
Du warst nur freundlich, warst nur gut;
Und ahnte nicht die künft'ge Gluth,
Nicht, daß du mir, statt kühler Fluth,
Den schäumenden Pokal der Liebe,
Darreichen würdest Flammenwuth
Und Raserei verborgner Triebe.
(S. 117)
VIII.
Der zarte, duftige Blumenstrauß,
Den du geweiht zum Scheidepfand,
Macht zum Altare diesen Tisch,
Zum Dome diese Klause mir,
Ist das Idol, vor welchem ich
In hingegeben trunknem Wahn
Andacht verrichte früh und spat.
Ich sinke hin, ich hauche drauf
Inbrünstiglicher Küsse Gluth,
Und denke mir, es sei dein Mund,
Dein Auge, deine Wange sei's,
Das in gewohntem Wonnebrauch
So oft geküßte sel'ge Gut.
Und wie ich bete, wie ich knie',
Und wie ich küsse, wie ich glüh' -
Ach, fühlst du nicht, ach, ahnst du nicht?
Wallt dein erregter Busen nie?
Reicht meiner Sehnsucht Schwinge nicht
Durch alle Ferne hin zu dir?
Ach, fühlst du keinen Hauch von mir
Sich schmiegen an dein Angesicht?
(S. 118-119)
IX.
Die heiligen Blumen sind verblüht; es fielen
Von ihren Häuptern alle Kronen ab;
Ich habe jedes Restchen aufgelesen,
Gesammelt Alles hab' ich ängstlich treu
Und werde noch den letzten Staub bewahren.
Und wirst du mir einmal, hinweggewandt,
Die Opfer jener süßen Huld versagen,
An die du das berauschte Herz gewöhnt -
Auf diese Reste werd' ich, diesen Staub
Die Thräne meines Grames niederweinen,
Bis ausgeweint mit ihr mein Leben ist.
(S. 120)
X.
Sollte je für dich ein Herze
Schlagen, wie das meine schlägt,
Zu der Liebe Lust und Schmerze
So unendlich tief bewegt -
An die neue Brust gesunken,
Opfere dein ganzes Sein,
Und, der reinsten Wonne trunken,
Nimmermehr gedenke mein!
Doch so lang dies Herze ferne,
Werde meines Rechts gedacht,
Leuchte, wie des Himmels Sterne,
Deine Lieb' in meine Nacht!
(S. 121-122)
XI.
Unbewegte laue Luft,
Tiefe Ruhe der Natur;
Durch die stille Gartennacht
Plätschert die Fontaine nur;
Aber im Gemüthe schwillt
Heißere Begierde mir;
Aber in der Ader quillt
Leben und verlangt nach Leben.
Sollten nicht auch deine Brust
Sehnlichere Wünsche heben?
Sollte meiner Seele Ruf
Nicht die deine tief durchbeben?
Leise mit dem Aetherfuß
Säume nicht, daher zu schweben!
Komm, o komm, damit wir uns
Himmlische Genüge geben!
(S. 123-124)
XII.
Mentiri noctem,
promissis ducere amantem,
Hoc erit infectas sanguine habere manus
Properz
Deiner harrend
hingebracht,
Liebefiebernd durchgewacht
Dorten auf der Gartentreppe
Hab' ich eine lange Nacht.
Der Minuten träge Schleppe,
Hat sie so, wie nimmer eine,
Meiner Seele kund gemacht.
Dorten auf dem kalten Steine
Wie ich lauscht' und wie ich lag -
Jeder Uhr gemess'nen Schlag,
Viertelstund' auf Viertelstunde
Zählet' ich in alle Runde
Hier und da von Thurm zu Thurm.
Jedes Rauschen in dem Düstern,
Jedes Knarren, jedes Knistern
Peitschte mir der Pulse Sturm
Auf zu doppeltheißem Toben.
Und es war dir wohl bewußt
Auf gelindem Kissen oben,
Welche Qualen meine Brust
Unten auf dem Steine hoben.
(S. 125-126)
XIII.
Durch Gebüsch und Bäume hin
Irr' ich in der Nacht Gedüster,
Höre hier ein zart Geflüster
Und begreife seinen Sinn.
Diesen ist die dunkle Nacht
Lichter, als der Sonne Pracht;
Mir, der ohne traute Wonne,
Den der Welt verruchte Macht
Von der Liebe Busen riß,
Ist nur eine Düsterniß
Dunkle Nacht und lichte Sonne.
(S. 127)
XIV.
Die Wonne , die du mir gegeben,
Und die du giebst, die bittre Pein,
Nie wird sie mir in meinem Leben
Vergessen und verwunden sein.
Bald aber wird ein Leben enden,
Vor dem du fliehst, das dir verhaßt,
Dem du gebohrt mit kalten Händen
So tödtlich tiefe Wunden hast.
Dann, wenn sie mir mein Ruhebette
In kühler Erde Schooß bestellt -
O meide sorglich jene Stätte,
Wo mich die Nacht gefangen hält!
Denn selber in des Todes Schlummer
Erregtest du mein liebend Herz,
Und ihm erwacht wär' all sein Kummer,
All seine Sehnsucht, all sein Schmerz.
(S. 128-129)
XV.
Die ganze weite Welt ist leer und todt,
Ein finstergähnend ungeheures Nichts,
Und nur ein einzig Wesen
Ist Fülle, Geist und Sein,
Licht, Leben, Labe, Trost und Seligkeit;
Und dieses einzige
Stößt mich hinweg von angewöhnter Brust
Hinunter in den fürchterlichen Abgrund.
(S. 130)
XVI.
Sieh, deine Blumen duften noch, die alten,
Die langverwelkten, die ich aufbehalten;
Und deine Liebe duftete nicht mehr?
Unsterblicher und wandelloser wär'
Ein Pflanzenhauch, als jenes Liebeleben,
Das meine trunknen Sinne noch so eben
Mit seinem reichsten Blüthendampf umgeben?
(S. 131)
XVII.
Ich mußte inne
werden,
Daß es noch Glück,
Noch Liebe giebt auf Erden;
Dann nahmst du Beides mir zurück.
M. Hartmann
O welche
Grausamkeit! Ein einziges,
Für immer aufgegebnes, nimmermehr
Gehofftes Wonneloos, so hoch und ferne
Von meinem Haupte, wie des Himmels Sterne,
Das wirfst du mir urplötzlich in den Schooß.
Und wie mich ein Entzücken ohne Maaß,
Wie mich ein Wahnsinn ohne Gleichen faßt,
Wie nach so manchem schauerlichen Zweifel
Die Sonne der Gewißheit meines Glückes,
Erhaben über alle bange Furcht,
Am Himmel meiner Seele glänzend steht -
Da fällt, so plötzlich, als er aufgerollt,
Der magischen Beleuchtung Vorhang nieder,
Und mich umgraust die mir entfremdete,
Nicht mehr erträglich alte Düstre wieder.
(S. 132-133)
XVIII.
Ich diente dir, ich ehrte dich,
Nicht, wie die Menschen ihre Herrscher ehren,
Nicht, wie sie dienen ihrem Gott und Herrn -
Das ist ein armer, todter Schatte nur,
Der meiner hingeworfnen Seele Gluthen
Auch nicht von ferne zu vergleichen war.
Und dieser namenlose Dienst des Herzens,
Was galt er dir? Nicht mehr, denn einem Kinde
Der leichte Ball, der ihm zum Spiele dient,
Und den es, satt des Spiels, gleichgültig hinwirft
Und unbekümmert ruh'n im Staube läßt.
(S. 134)
XIX.
Fluch sei dem Tag und Fluch der süßen Nacht,
Fluch sei dem Licht und Fluch der Finsterniß,
Der Erde Fluch und Fluch dem hohen Himmel!
Denn du betrogst, du, die mir Herr und Gott,
Die Sonne mir und Nacht, die Erde mir
Und Himmel war, du, welcher ich den Staub
Vom Fuß geküßt, der ich der Seele Seel'
Und meines Geistes Geist dahingeopfert.
(S. 135)
XX.
Was willst du Herz? Starb deine Liebe nicht
In tausend Schmerzen hin? Ich sage dir:
Sie ist gestorben, ist auf ewig todt;
Du hassest nun, du hassest und verabscheust;
Und grenzenlos, wie deine Liebe war,
Ist deine Feindschaft nun. - Ach, welche Feindschaft,
Die nächtlich an der Feindin Pforte lehnt
Und sie benetzt mit ungemess'ner Thräne.
(S. 136)
XXI.
So bitter auch der Seele Schmerz,
Den mir gebar dein falsches Herz;
So finster und erkaltet ich
Durch diese dunklen Gänge strich -
Die Macht, sie hat mich weich gemacht;
Erschienst du mir in dieser Nacht,
Zuschwebetest im Garten sacht
Bei dieser Sterne sanfter Pracht -
Kein strafend Wort entschlüpfte mir;
Versunken in des Jetzt und Hier
Beseligung und Vollgenuß,
Hinsänk' ich an den Busen dir
Und tauschte weinend Kuß auf Kuß.
(S. 137-138)
XXII.
Die Scenen unsrer Liebe, der beglückten,
Sie sind von Engelhänden abgemalt
Und hoch im Himmel oben
In die Paläste der ewigen Lust gehängt.
So sehr du dich nun auch, sie zu vergessen
Allhier bemühen magst - gelangst du einst
In deine Heimath wieder, schöner Engel,
Und schwebst an jenen hohen Wänden hin,
So wirst du dich doch wieder nothgedrungen
Daran erinnern müssen.
(S. 139)
XXIII.
Was dort so stolz und blühend
In der Karosse sitzet,
Wonach so manches Auges
Erregte Flamme blitzet,
Des Wonne zu ermessen,
Nur der, der es besessen,
Der es besitzt, im Stande -
Das Meine war es einst,
Ein Minnegluth-Verschöntes;
Was Wunder, o mein Auge,
Mein männliches, der Thränen
So lange schon entwöhntes,
Daß du so bitter weinst!
(S. 140-141)
XXIV.
Wie ihr so milde lächelt,
Ihr Sterne, vom Azur!
Wie ihr so linde fächelt,
Ihr Lüfte, von der Abendflur!
Ach, wäre sie mit Wangen
Vom letzten Harme bleich
Aus meinem Arm gegangen
In's stille, dunkle Todtenreich -
Mir däuchte wohl, sie grüße
Vom sternigen Azur;
Ihr Liebeshauch versüßte
Den Würzgeruch der Abendflur.
Sie aber lebt mit Wangen
Von höh'rer Blüthe roth
Und denkt in ihrem Prangen
Nicht mehr an meine dumpfe Noth.
Was wollt ihr, holde Lüfte?
Was willst du, goldne Pracht?
Mir grausen Modergrüfte,
Weit schrecklicher, als Grabesnacht.
(S. 142-143)
XXV.
"Ich binde nicht dein Schicksal an das meine,
Das traurige," so lautete mein Wort.
Ich wollte, daß du frei von aller Pflicht,
Ich wollte deine heiligen Eide nicht.
O falscher Edelmuth, unächter Prunk!
Bei'm Worte nimmst du mich mit Fuge nun,
Und siehe da, er ist entlarvt, der Heuchler.
Denn die zerriss'ne Kett' in seiner Hand -
Er rast, er ist von Sinnen, er verzweifelt.
(S. 144)
XXVI.
Ersatz für Manches
beut die Welt;
Für Liebe beut sie nichts.
Platen
Mein war die
Welt, so dünkte mir im Traume;
Hoch thronet' ich auf kaiserlichem Stuhl;
Es schmückte mich der Purpur und die Krone;
Es knieeten am Fuße meines Thrones
Die Abgesandten aller Nationen
Und brachten unermeßlichen Tribut.
Mir aber war so weh, so weh; es wühlte
In meiner Brust ein tödtlich-tiefer Schmerz;
Ich meinte zu vergeh'n in Angst und Qual;
Und hin zur Erde schleudert' ich die Krone,
Und schüttelte den Purpur ab und eilte
Den Thron hinab und drängte durch die Schaar
Der hingeworfnen Knechte mich und stürmte
Die Straßen hin zu deinem Hause fort.
Hier an der Pforte schmettert' ich zu Boden,
Der schlang mich ein und schloß sich über mir;
Gefunden hatt' ich meinen Ruheport. -
So malte mir der Traum die Leidenschaft,
Die mein Verderb. Mir schmeichelte kein Glück
Der Erde mehr; kein Weltbeherrscherthron
Ergötzte mich auch nur minutenlang;
Ich zöge vor, zu sterben - dürft' ich sagen:
An deiner Brust! - ich zöge vor, verschmäht,
An deiner Schwelle mich in's Grab zu betten.
(S. 145-146)
XXVII.
Ein wunderliches Märchen tritt in's Leben:
Du stehst im Blick der Sonne hell und klar -
Ach, allzu klar! Denn keinen Schatten wirfst du.
Der arme, gute, treue, fromme Schatte!
Den hast du wohl dem bösen Feind verkauft?
O Gott, wofür? Welch einen Preis, sag' an,
Bot dir der Arge? Blinkte dir bei'm Tausche
Der goldne Segen eines Zauberseckels?
Dann wärst du schlimm betrogen, liebes Kind!
Dann wärst du viel zu dürftig abgespeist.
Unschätzbar ist und ohne Preis der Schatz
Solch einer Liebe, wie die Liebe war
Des armen Schattens, welchen du verkauftest.
(S. 147-148)
XXVIII.
Unholder, wenn du wärst, unfreundlicher,
Du schöne, lichte, laue Sommernacht,
So wärst du holder, freundlicher für mich.
Das Grausen eines Tartarus behagt,
Sturmvolle Wuth empörter Elemente,
Der keine Seele sich zu bieten wagt.
Solch eine Nacht ist ein balsamischer,
Heilkräftiger Thau für meine sieche Brust;
In solcherlei Unwetter fanden wir
Uns nicht zusammen unter Busch und Baum.
Drum nicht so helle strahlt Erinnerung,
Und nicht so grimmig rast die Sehnsucht mir.
Doch wenn die Nacht so lieblich und so lind,
Dann denk' ich mit vertausendfachter Qual,
Welch einen Mund ich küßt' in solcher Nacht,
Welch einen schlanken Leib mein Arm umschloß,
Welch einer Stimme zauberfrischer Klang
Mein trunknes Ohr mit Schmeichelei'n bethörte,
Und wie verödet itzt, wie arm und elend
Mein Fühlen ist, mein Denken und mein Sein.
(S. 149-150)
XXIX.
Sie sagen, hier im Düstern,
In dieser Büsche halber Wüstenei,
Bei diesen halb verfallnen Monumenten,
Wo wir uns oft gefunden und geherzt,
Da spukten Nachtgespenster grauslich.
Nie störten unsre Küsse die. Es hatte
Das Leben hier, das volle, brausende,
Gluthheiße, seine Wohnung aufgeschlagen
Und duldete den Hauch der Gräber nicht.
Doch nun, wie anders! In die Lüfte stob -
Wie bald, wie leicht, wie unbegreiflich schnell! -
All jene Fülle von Gefühl und Sein.
Jetzt wandel' ich, der Hingemordete,
Selbst nächtlich um in diesen einsamen
Gebüschen, ein wehklagend irrer Schatten,
Ein nicht zur Ruhe kommend Nachtgespenst. -
O ihr, die dieser Räume stille Bürger,
In Dämmerung euch bergend und in Nacht,
Hört' meine Stimm', ihr Geister, und erscheint!
Denn eueres Gleichen bin ich. Lasset euch
Mit diesen Augen schau'n! Mir soll nicht grausen.
In eueren Kreis, den mir allein noch
Heimathlichen, nehmt mich vertraulich auf!
Denn nur zum Scheine noch bin ich lebendig.
(S. 151-152)
XXX.
An's Paradies gewöhnt man sich so leicht;
Allein die Hölle will sich nicht gewöhnen.
Im Paradiese war ich einen Tag;
Ohn' Ende, scheint's, soll meine Hölle sein.
Gedächtniß, ärmliches, gebrechliches,
Des menschlichen Gehirnes! Willst du denn
Nur da nicht ärmlich und gebrechlich sein,
Wo du vollkommen bist zu unsrer Qual?
Du spiegelst mir mit wunderbarer Treue,
Mit ewiger, ein Glück, das ich besaß
Und das ich nimmermehr besitzen werde.
(S. 153)
XXXI.
Ein flüchtiger Blick auf mein verlornes Eden
Von ferne nur nach langer, langer Frist,
Und meine Geister, meine kranken, schwachen,
Empören sich in schrecklichem Tumult
Und jähe Wasser stürzen aus den Augen.
(S. 154)
XXXII.
Der schönste Regenbogen
Hat über Haus und Flur
Die bunte Pracht gezogen.
So liebet die Natur
Den Menschen ein Gebilde
Des Friedens und der Milde
Zu weben im Azur.
Für meine düstre Sehe
Voll Dunkel und voll Wehe
Wölbt ihrer Hände lichte Spur
Ein Grabgewölbe nur.
(S. 155)
XXXIII.
Ich sahe dich im Traume;
Ich sahe dich in Thränen.
Ach, weinst du, weinst du wirklich?
Ach, denkst du noch der Zeiten,
Die uns so zart vereinigt,
Ach, kränkst du dich um mich? -
Und ob du weinst, und ob du
Auch noch der Zeiten denkest,
Die uns so zart vereinigt,
Und ob du dich auch kränkest
Tiefinnerlichst um mich -
Kein Segen und kein Heil blüht
Aus dieser heißen Thräne,
Aus dieser herben Reue;
Beseliget auf ewig
Ist zwischen uns der Trennung
Unüberflogne Kluft.
(S. 156-157)
XXXIV.
Was willst du noch? - Gestorben ist mein Herz;
Und was es härmt, ist nicht mehr Liebesschmerz,
Ist leere, todte, dumpfe Trauer nur
Ob des Geschicks, das ich durch dich erfuhr.
Ich gleiche dieser öden Winterflur,
Vom Leichentuch des Schnees weiß bedecket,
Und du, du bist mir keine Sonne mehr,
Die frische Lenze schöpferisch erwecket.
Nur stoßen in die Brust mit neuem Speer,
Nicht trösten kannst du mehr und Wunden heilen.
Drum wende dich, auf immer zu enteilen,
Und schone mein verglimmend Abendroth;
Laß mich vollenden mit gelindem Weilen -
Ich sage nicht: mein Leben - meinen Tod!
(S. 158-159)
XXXV.
Entflohen ist der letzte Winterschauer;
Auf's Neue lind und lieblich ist die Nacht,
Und welche Düfte steigen aus dem Schooß
Der Blumenheer-geschmückten Gartenauen!
Sie legen als so viele gute Geister
Sich schmeichlerisch an meine kranke Brust,
Beschwörend ihre böse, böse Wunde.
Umsonst! Die ganze reiche Liebesfülle,
Die ganze süß berauschende Magie
Der göttlichen Natur, sie ist zu schwach,
Um dieser Qualen Ewigkeit zu mindern.
(S. 160)
XXXVI.
Schön war die Mondnacht, eh' ich dich geliebt,
Mein einsamer, mein einziger Genuß;
Ein rasendes Entzücken war sie mir
In deinem Arm - ein Strahl der reinsten Kläre,
Umschaffend diese Welt, die ringende,
Zum Traumgebilde göttlicher Vollendung,
Das bleiche Licht, womit sie mir dein Antlitz,
Mir deines Busens linde Wallungen
Entschleierte. Jetzt, da sie dem Verlass'nen,
Dem wiederum Tiefeinsamen erglänzt,
Jetzt fällt sie mich mit tausend Schlangenstichen,
Wie eine Furie des Abgrunds, an.
(S. 161)
XXXVII.
Hinabzusinken in das ew'ge Haus,
Dies müde Loos erführ' ich o wie gerne!
Wie gerne fühlt' ich in des Lebens Kerne
Der Schmerzen und der Kräfte letzten Strauß!
Wie gerne weint' ich euch für immer aus,
O meiner Augen trübe, matte Sterne!
Wie gern dem Strahl der goldnen Sonne ferne
Ruht' ich versenkt in Finsterniß und Graus!
Allein so schwer ist meiner Leiden Fracht,
So maßberaubt der Harm in meinem Herzen,
So schlummerlos sehnsüchtiger Qualen Wacht,
Daß ich verzweifeln an des Todes Macht
Und fürchten muß, es möchten diese Schmerzen
Fortbrennen noch in dunkler Erde Schacht.
(S. 162-163)
XXXVIII.
Nach manchem, manchem Jahr - wir hatten uns
Nie mehr geschaut, und lange schon vergessen
Wähnt' ich zu sein von dir auf immerdar -
Da, siehe, wandelst du
Langsam vorbei vor meiner Einsamkeit,
Und bist so bleich, und blickst empor zu mir
So voll von Gram und wehem Angedenken -
Nicht wahr, was du in meinem Arm gefühlt,
Das hast du doch nie wiederum empfunden?
So heilig-schön war Lieb' und Leben dir
Doch nimmermehr? (S.
164)
_____
Stella
Das Herz so todt,
die Welt so Nacht -
Da blicket eine zarte Pracht;
Da lächelst du so lieb, so lind,
Stella, du süßes Wunderkind!
I.
O Liebe, du mein Tod!
O Liebe, du mein Leben!
Es hat den Tod gegeben
Mir jene dumpfe Noth.
Von lieber Hand gerichtet,
Mehr war ich, als vernichtet,
War todter noch, als todt. -
Ein Kind, das mein gedachte,
Von erster Blüthe roth,
Die Rose, die sie brachte,
Die Flamme, die sie fachte,
Die Lippe, die sie bot,
Macht jede Nerve beben,
Sprüht tausendfaches Leben
In tausendfachen Tod.
(S. 167-168)
II.
Da drüben in der Schenke,
Da feiern überfröhlich
Die Bauern eine Hochzeit;
Es schallen ihre Geigen,
Es wirbeln ihre Reigen,
Es hallet ihr Gejauchze
In alle Runde weithin
Aus angestrengter Brust.
Mir birgt sich im Gemüthe
Ein tiefgeheimer Jubel;
Der aber überjauchzet,
Stumm, wie das Grab, und dunkel,
All jene laute Lust.
(S. 169-170)
III.
Geschlürft noch einmal sei
In vollen, raschen Zügen
Ein göttliches Genügen!
Es stürmt so bald vorbei.
Wie lange wird es dauern,
Daß mich mit Wonneschauern
Mein kleiner Engel reget? -
Bald in die Lüfte stieben,
Wie alles Schöne pfleget,
Wird diese frühe Neigung,
So himmlisch und so rein;
Bald wird sie Andre lieben,
Von minder edlen Trieben
Nach ihrem Ziel beweget,
Und unter einem Stein
Tief einsam und allein,
Werd' ich von aller Freude,
Werd' ich von allem Leide
Ruh'n und vergessen sein.
(S. 171-172)
IV.
Komm, kleines Lieb,
Komm, mein Entzücken!
Vor lauter Lieb'
Laß dich erdrücken,
Umschnüren, umstricken
Und Brüstchen an Brust
Mit Küssen ersticken
In stürmischer Lust!
Und bist du erdrückt,
Und bist du erstickt -
Was dann? -
Hör' an!
Ich lege mein puppiges Mägdelein
Hinein in ein goldiges Schächtelein,
Bewahr' es, und berg' es vor Räuber und Dieb,
Beguck' es im Stillen und hab' es lieb.
So ist es mein,
Ist mein allein,
Mein Püppchen, mein liebliches Mägdelein.
(S. 173-174)
V.
Gieb sie, die Fingerchen,
Niedlich und klein!
Gieb sie, die Dingerchen,
Zierlich und fein!
Laß nur ein Bischen!
Einem um's andre
Geb' ich ein Küßchen;
Merk', wie ich wandre:
Eins, zwei, drei, vier, fünf und nu
Noch einmal so viel dazu;
Sechse, sieben, achte, neune,
Plus auf Plus und Kuß auf Kuß,
Und dahier der zehnte, kleine
Macht den Schluß.
Küßchen und Fingerchen allzumal
Machen Zwanzig an der Zahl.
Schule der Liebe,
Lieblich und süß;
Rechenexempel
Ohne Verdrieß; -
Siehe, mein Kindchen,
Heiteren Auges
Blickt es und lacht mit dem offenen Mündchen,
Bittet: "O Freunde, wiederholen wir dies!"
(S. 175-176)
VI.
Spricht meine kleine, zarte Buhle:
"Hör' du! Mein Lehrer in der Schule
Macht ein Gesicht, so trüb und bitter;
Da bist du ganz ein andrer Ritter;
Bei dir ist Alles süß und helle;
Geh', melde dich um seine Stelle!"
(S. 177)
VII.
"Ei, was für schöne Sachen!
Da kannst du wohl, du Reicher,
Was missen und was schenken;
So zum Exempel einen
Von diesen edlen Stiften?" -
Den sollst du haben, Liebchen! -
"Dies allerliebste, kleine,
Von buntem Edelsteine
Sinnreich geformte Döschen,
Das wenn ich hätte!" - Nimm es;
Nimm Alles aus dem Krame,
Was dir Vergnügen schafft! -
"Du hör'! Und wenn ich spräche:
Gieb, Liebster, deinen Kopf mir!
Ich glaube fast, du gäbst ihn." -
Den hast du ja, du Böse,
Bereits hinweggerafft.
(S. 178-179)
VIII.
So eben wollt' ich denken,
So eben wollt' ich schreiben;
Ich ließ es aber bleiben,
Und durfte mich nicht kränken.
Es sprang herein mein Süßchen
Und schwang sich auf den Tisch mir;
Da hatten ihre Füßchen
So großen Reiz für mich,
Daß ich die Feder hinwarf,
Die niedlichen zu drücken,
Mit huldigendem Kusse
Mich drauf hinabzubücken;
Daß jeglicher Gedanke,
So hoch und tief er blitzte,
Aus meiner liebetaumelnd
Bethörten Seele wich.
(S. 180-181)
IX.
Ich grämte mich, daß all mein Witz
Versunken in ein Meer von Liebe,
Wenn nicht der süße Trost mir bliebe:
Zu senken in ein Meer von Liebe
All unsern Witz, sei ächter Witz.
(S. 182)
X.
"O siehe dort im Felde
Die eigene, von langen,
Aufragend hohen Stangen
Formirte, kegelartig
Gespitzte, runde Hütte!
Es winket auch ein Eingang;
Ein Pfad im Acker duldet
Bequeme Tritt' und Schritte;
Komm! Geh' hinein mit mir! -
O Freund, wie artig ist es,
Wie traulich ist es hier!
So heimlich und im Freien,
So einsam und zu Zweien,
So ferne von den steifen,
Tyrannischen Gesichtern,
Die uns im Saale quälten,
So ganz allein mit dir!" -
Gewiß ein allerliebstes,
Zu stillen Kosewonnen
Recht, wie gemachtes Oertchen.
So spende denn, mein Abgott,
Mein lieblicher, mein kleiner,
Mein herziger - ich kniee
Hinab zu deiner Zartheit -
Drei volle, langgehaltne,
Gluthheiße Küsse mir!
(S. 183-184)
XI.
Da schmiegt sich in die Pfühle
Phantastischen Gewandes,
Geschloss'nen Augenliedes,
Im allerreinsten Frieden
Der tiefen Athemzüge
Hebung und Senkung tauschend,
Ein aus dem Feenreiche
Mir zugeschwebtes Wesen,
Geboren und gebildet
Aus Morgenhauch und Duft.
Ich stehe da, verloren
In diese Kinderanmuth,
Und meine fast zu träumen,
Daß eine solche Perle
So plötzlich in die Hand mir
Gefallen aus der Luft.
(S. 185-186)
XII.
"Gieb mir die alten Blumen,
Die Jahre lang bewahrten,
Zu Staube fast gewordnen;
Gieb, Freund! - ich fülle dir
Mit frischen und mit schönen,
Ja mit den allerschönsten,
Die ich im Garten finde,
Die Lade - gieb sie mir!"
Laß ruh'n, o Kind, laß ruhen
Was hier hineingebettet;
Nicht rühre mir, ich bitte,
An diesen zarten Staub!
Gestorbne Liebe rastet
In dieser stillen Lade,
Lebendiger, beglückend
Aufblühender kein Schade,
Doch der Erinn'rung heilig.
An einer Leichenkammer
Begehe keinen Raub!
(S. 187-188)
XIII.
. . . . . . .
Condisce modos, amanda
Voce quos reddas! Minuentur atrae
Carmine curae
Horaz
Die sie auf der
Bühne singt,
Ihre Lieder lehr' ich ihr;
Ihre reine Stimme dringt
Lieblich in die Seele mir;
Und dazwischen glüht ein Kuß;
Welch ein Himmel voll Genuß!
(S. 189)
XIV.
Um den Hals so fest und warm,
Schlingt sie mir den Kinderarm,
Und es weicht der letzte Groll,
Und es stirbt der letzte Harm.
(S. 190)
XV.
Ich weiß; es wird dies Glück
Verstieben allzu schleunig in den Wind;
Doch ist ein Augenblick
Vereiniget mit diesem holden Kind,
So viel und mehr, als sonst Aeonen sind.
(S. 191)
XVI.
Komm, schreite rascher! Orgeltöne hör' ich,
Dazu der Menge, die im Dome duckt,
Barbarisches Geheule; fort, o fort!
Dergleichen, nicht ertrag' ich es, zumal
Wenn, wie so eben, deine Stimme mir
Melodisch in die tiefe Seele drang.
(S. 192)
XVII.
Eröffnet ist der Bühne Plan
Und eine große Künstlerin
Entfaltet ihre Meisterschaft;
Ein jedes Aug', ein jedes Ohr
Ist magisch hingerissen.
Nur mich allein bewegt sie nicht;
All was sie thut, all was sie spricht,
Ich seh' es und ich hör' es nicht;
Ich sehe nur, das dort herauf
In meine Loge lugt und lacht,
Das liebe Kind
Dort hinter den Coulissen.
(S. 193)
XVIII.
Zur Erde hin demüthiglich
An meine Füße schmiegst du dich,
Du süße, hingegeb'ne Zier!
Und ich auf meinem Stuhle hier,
Laß mir's gefallen, groß zu sein
Vor dir, die niedrig, arm und klein;
Allein -
Zu deinen Füßen liegt die Seele mir.
(S. 194)
XIX.
Ich fühle das Verderben
Mir nach dem Herzen heißbegierig streben;
Allein, ich kann nicht sterben;
Ich muß ja dir, geliebter Engel, leben,
Dir noch so viel zu Heil und Freude thun;
Wie kann ich schon in dumpfer Zelle ruh'n?
(S. 195)
XX.
Es wölbt sich ihr der Busen,
Es huldigt die Welt ihr;
Und sie, noch immer liebt sie
Mit alter Liebe mich.
Geweihet einem Wandel
Voll Unbestand und Flitter,
Vergißt sie nicht des Freundes,
Des ältesten, des ersten,
Der ihren Werth erkannte;
Es triumphirt ob aller
Versuchung ihres Standes
Ihr hohes, edles Ich.
(S. 196)
XXI.
Im Festgewande prangend,
Wie bist du hehr und herrlich!
Bewunderung und Sehnsucht,
Sie heften alle Blicke
Auf deine Reize hin.
Doch bist du ohne Zierden
Und bergende Gewande
Noch herrlicher und hehrer;
Drum fort mit diesem Tande,
Der deine reine Schöne
Zu trüben nur im Stande;
Es schaue dich mein Auge,
Wie dich Natur gebildet,
Die göttliche Meisterin!
(S. 197-198)
XXII.
Du steigest, ich versinke;
Du blühest, ich verderbe.
Doch mein Geschick, ich nenn' es
Nicht finster und nicht herbe;
Es ist von Herz und Lippe
Trauer und Klage fern.
Denn o, wie schön vergeh' ich!
Es leuchtet im Vergeh'n mir
Der allerschönste Stern.
(S. 199)
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Aus: Frauenbilder und
Huldigungen
Von G. Fr. Daumer
Erstes Bändchen
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1853
siehe auch: Teil 2 Teil 3
und Teil 4
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Friedrich_Daumer
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