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Friedrich Carl
Casimir von Creutz
(1724-1770)
Die Gottheit
Ode
GOTT von Majestät und Pracht!
Herr erhabner Cherubinen!
Schöpfer grosser Seraphinen!
GOTT von unumschränkter Macht!
Herr, durch Dessen Wort wir leben!
End und Anfang ohne Zeit!
GOTT, vor Dem die Himmel beben!
Ursprung aller Ewigkeit!
Meine Stimme preiset Dich,
Grösster Vorwurf hoher Seelen!
Da mir aber Kräfte fehlen,
Höchste Kraft, so stärke mich!
Zünde mit der Gottheit Funken
Meines Opfers Weyrauch an;
Daß ich ganz in Dich versunken,
GOTT! Dich göttlich preisen kann.
Welche kühne Zuversicht
Waget sich an Deine Grösse?
Was ich faß, ist meine Blöße:
Sinn und Geist begreift Dich nicht.
Soll ich meiner Andacht Triebe
Grosses Wesen! widerstehn?
Nein; ich sing, und Deine Liebe
Winkt mir selbst, Dich zu erhöhn.
Unser Denken ist zu klein,
Und Du bleibest unergründet:
Was nur Kinderwitz erfindet,
Wird stets Kindern ähnlich seyn.
Muß doch das Gesicht vergehen,
Wenn es jenen Glanz erblickt,
Der von ungemeßnen Höhen
Alles wärmet und erquickt.
Aller Sinnen Kraft vergeht
Vor der Nacht der Ewigkeiten:
Da mein Geist im Raum der Zeiten
Bey dem Anfang stille steht.
Hat nicht alles, was wir sehen,
In dem andern seinen Grund?
O, wie wollen wir verstehen,
Was nicht in der Zeit entstund?
Wenn sich der vertiefte Geist,
Von dem Endlichen verwirret,
Im Unendlichen verirret,
Mühsam aus dem Forschen reißt:
Fühlt er erst wie ihm geschehen,
Wenn so Muth als Hoffnung weicht,
Und ihm schwindelt vor den Höhen,
Die nichts Endliches erreicht.
O! ich ärmster stelle mir
Kaum von allen Möglichkeiten
Göttlicher Vollkommenheiten,
Den geringsten Auszug für!
Alles, was ich vor mir finde,
Hast Du, Schöpfer, so gemacht,
Daß ichs fühl, und nicht ergründe,
Wie Du es hervor gebracht.
Wenn im Reich der Möglichkeit
Sich verirrende Gedanken
Zwischen Nichts und Etwas wanken,
Wer entscheidet ihren Streit?
Wo ich nur mein Aug hin lenke,
Ist ein Stäubchen nicht so klein,
Es wird mir, wie scharf ich denke,
Stets sein Wesen dunkel seyn.
Du, o GOTT, Du denkest rein!
Nichts kann Deinen Geist umschränken,
Aber in mein schwaches Denken,
Mischen sich stets Bilder ein.
Was zukünftig, was geschehen,
Und was gegenwärtig ist,
Kannst Du so vollkommen sehen,
Wie Du gegenwärtig bist.
O! wie unbegreiflich weit,
Geht Dein unerforschlichs Wissen,
Und in allen Deinen Schlüssen
Herrscht die höchste Deutlichkeit!
Aller Welten Raum und Menge,
Zweck und Ordnung, Lauf und Pracht,
Ihre Tiefe, Breit und Länge,
Hast Du ewig durchgedacht!
O könnt ich des Raumes Bild
Und das Sinnliche verlassen,
Die Allgegenwart zu fassen;
Welche keinen Raum erfüllt!
Herr, eh noch die Welt begonnen,
Warst Du der, der Du izt bist,
Der im Staub, wie in den Sonnen,
Gleich allgegenwärtig ist!
Sucht ich, und gelüng es mir,
Dich in einen Raum zu schränken:
Stellte sich mein kleines Denken
Solches Raumes Grösse für?
Könnten wir die Welten mehren;
Reichte doch ihr Raum nicht zu:
Ja, so viel noch möglich wären,
Solchen Raum umschränktest Du.
GOTT, wer zählt der Sonnen Heer,
Deines Glanzes lichte Zeichen;
Welche doch nur Tropfen gleichen
Gegen Deiner Allmacht Meer?
Herr, wer misset ihre Weiten,
Wie sie von einander stehn,
Und wer kann im Lauf der Zeiten
Ihres Laufes Ende sehn?
Sagt, warum dem Sonnenlicht,
Das, unendlich fein getheilet,
Flüchtig zu den Körpern eilet,
Niemals Schein und Glut gebricht?
Was hält seine Kraft beysammen?
Wo nimmt dieses Feuermeer,
Zu der Nahrung seiner Flammen
Immer neuen Schwefel her?
Wer erforscht den Ocean?
Wer hat seinen Quell entdecket?
Wer hat ihm sein Ziel gestecket?
Wer ists, der ihn messen kann?
Schaut die Welten, die dort glänzen,
O wie unbegreiflich klein
Wird in diesen Allmachtsgrenzen
Unsers Erdballs Grösse seyn!
Aber, wenn wir uns auch gleich
Dieses All vor Augen stellten;
Sind noch Millionen Welten
In der Möglichkeiten Reich:
So, daß man im Weitergehen,
Den Unendlichkeiten weicht:
O so laßt uns nur gestehen,
Daß nichts Endlichs GOTT erreicht.
Wenn ich Deiner Welten Bau,
Der Geschöpfe Pracht und Menge,
Ihr unendliches Gedränge,
Grosser GOTT! erstaunend schau:
So find ich bey jedem Blicken
In die kleinste Creatur,
Eine Welt von Meisterstücken,
Mir verborgener Natur.
Wie verschieden und wie fein
Sind die Bilder, so die Strahlen
Auf das Netz des Auges malen!
Sind sie nicht unendlich klein?
Und doch stellet sich die Seele
O wie wenig fassen wir!
Ohne daß ihr Urtheil fehle,
Stets die wahren Grössen für.
O wer rühmt sich einzusehn,
Wie die eingeschloßnen Seelen
Jene Zirkel sehn und zählen,
Die im Meer der Luft entstehn;
Wenn in uns die Kraft der Saiten,
Von des Meisters Hand bewegt,
Tönender Vollkommenheiten
Himmlisches Gefühl erregt.
Wesen aller Wesen Kraft!
Ich erkenne Deine Stärke
Durch erstaunensvolle Werke,
Die Dein Wort aus Nichts erschafft:
Doch, sie scheinen mir geringe,
Wenn sich in der dicksten Nacht
Des Zusammenhangs der Dinge,
Deine Weisheit sichtbar macht.
Ihre Tiefe schrecket mich;
Es umringen ihre Schlüsse
Heere grauser Finsternisse:
Doch, ihr Zweck entdecket sich.
Sie erschuf nicht zum Verderben,
Was ihr göttlich Siegel führt,
Und das Wesen kann nicht sterben,
Das nie seine Kraft verliert.
Zwar wenn es Dein Wink gebeut,
Der mich aus der Ohnmacht riefe:
Sink ich wieder in die Tiefe
Unerfüllter Möglichkeit:
Doch ein Strahl von Deinem Lichte
Zeigt mir was ich hoffen soll:
Daß kein Machtschluß mich vernichte,
Lehrt ein ewigs Weh und Wohl.
Könnt ich, unerschaffner Geist!
Ohne Schwindel, Furcht und Grauen,
In die ferne Zukunft schauen,
Die sich mir im Schatten weißt;
Würd ich nicht in Deinen Schlüssen
Ihre Undurchdringlichkeit,
Und die Nacht verehren müssen,
Die mein Fürwitz oft entweiht?
Göttliche Unsterblichkeit!
Du entwickelst alle Fälle,
Du zerstreust und machest helle
Aller Zweifel Dunkelheit.
Muß GOTT seinen Zweck erhalten;
Hemmt nichts seiner Absicht Lauf:
O! so lasset ihn nur walten,
Er löst selbst das Räthsel auf.
Schau ich nicht der Donner Heer
Und der Blitze Scharen ziehen?
Seh ich nicht die Himmel fliehen,
Wie die Wellen in dem Meer?
Sprich! ein Wort, o GOTT der Götter!
Sprich! so schau ich, wie die Welt,
Durch ein plötzlichs Allmachtswetter
In ihr altes Nichts zerfällt!
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